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BFH 16.11.2022 - X B 46/22
BFH 16.11.2022 - X B 46/22 - Gewinnerzielungsabsicht beim Betrieb einer Photovoltaikanlage
Normen
§ 15 Abs 2 S 1 EStG 2009, Art 20a GG, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, EStG VZ 2015, EStG VZ 2016, EStG VZ 2017, EStG VZ 2018, § 2 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 12 Nr 1 EStG 2009
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 28. März 2022, Az: 6 K 6021/21, Urteil
Leitsatz
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NV: Der dauerdefizitäre Betrieb einer Photovoltaikanlage schließt die bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG erforderliche Gewinnerzielungsabsicht aus, wenn die Hinnahme der Verluste auf dem Motiv des Steuerpflichtigen beruht, durch die emissionsfreie Erzeugung von Strom für das öffentliche Netz einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
Tenor
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Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 28.03.2022 - 6 K 6021/21 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Ehegatten, die für die Streitjahre 2015 bis 2018 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden.
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Im Jahr 2006 installierten die Kläger auf dem Dach ihres zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhauses eine Photovoltaikanlage, zu deren Leistung das Finanzgericht (FG) keine Feststellungen getroffen hat. Die Anschaffungskosten von gut 23.000 € finanzierten die Kläger fremd. Den erzeugten Strom speisten sie vollständig ins öffentliche Netz ein.
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Die Kläger erlitten in den Jahren 2006 bis 2018 aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage durchgängig Verluste, da die nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegten Einspeisevergütungen die Aufwendungen (insbesondere Absetzungen für Abnutzung und Schuldzinsen) in keinem der vorgenannten Jahre erreichten. Der für den vorgenannten Zeitraum aufgelaufene Gesamtverlust betrug mehr als 20.000 €.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) erkannte die Verluste bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Kläger bis einschließlich des Jahres 2014 endgültig an, für die Jahre 2015 bis 2017 dagegen nur vorläufig. Im Zuge der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 2018 gelangte das FA zu der Auffassung, dass es den Klägern an einer Gewinnerzielungsabsicht fehle. Es änderte die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2015 bis 2017 und erließ für das Jahr 2018 einen erstmaligen Einkommensteuerbescheid und erkannte die erklärten gewerblichen Verluste nicht an.
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Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies das FG die Klage ab. Die Kläger begehren die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
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1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
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a) Grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, u.a. Senatsbeschluss vom 05.11.2020 - X B 50/20, BFH/NV 2021, 290, Rz 7, m.w.N.).
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Der Rechtsmittelführer hat hierfür zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert. Nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Des Weiteren muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (Senatsbeschluss vom 30.04.2022 - X B 130/21, BFH/NV 2022, 1070, Rz 15, m.w.N.). Allein der Umstand, dass zu einer bestimmten Rechtsfrage noch keine Entscheidung des BFH vorliegt, rechtfertigt nicht die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung (BFH-Beschluss vom 28.10.2020 - XI B 26/20, BFH/NV 2021, 536, Rz 12, m.w.N.).
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b) Nach Maßgabe dieser Anforderungen liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht vor.
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aa) Die Kläger formulieren sinngemäß die Rechtsfrage, ob der defizitäre Betrieb einer Photovoltaikanlage allein deshalb die für das Vorliegen von Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erforderliche Gewinnerzielungsabsicht ausschließt, weil der Steuerpflichtige die Verluste aus dem Motiv hinnimmt, emissionsfrei und klimaneutral Strom zu erzeugen, um damit einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
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bb) Diese Rechtsfrage ist in einem Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig. Sie ist offensichtlich so zu beantworten, wie es die Vorinstanz getan hat.
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(1) Das FG hat den Klägern die Gewinnerzielungsabsicht aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage abgesprochen und sich hierbei auf die in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung vertretenen Grundsätze berufen.
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Hiernach ist zunächst in objektiver Hinsicht eine Prognose darüber anzustellen, ob der Betrieb nach seinem Wesen und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer geeignet ist, einen Gewinn zu erwirtschaften. Ist die Prognose --wie im Streitfall-- negativ, erlaubt dies jedoch nicht ohne Weiteres den Schluss, dass der Steuerpflichtige auch subjektiv die Erzielung eines Totalgewinns nicht beabsichtigte. Dies ist vielmehr nur dann --widerlegbar-- gerechtfertigt, wenn die verlustbringende Tätigkeit typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkünftesphäre zu dienen (sog. Hobbybereich). Bei anderen Tätigkeiten müssen zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden. Im Fall einer längeren Verlustperiode spricht vor allem das fehlende Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, für sich genommen schon dafür, dass langjährige Verluste aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven hingenommen werden (vgl. hierzu Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.06.1984 - GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.IV.3.c bb (1); BFH-Urteile vom 26.02.2004 - IV R 43/02, BFHE 205, 243, BStBl II 2004, 455, unter 1.b; vom 21.07.2004 - X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063, unter II.3.a; vom 17.11.2004 - X R 62/01, BFHE 208, 522, BStBl II 2005, 336, unter II.1.b aa; vom 20.09.2012 - IV R 43/10, BFH/NV 2013, 408, Rz 13, m.w.N., sowie vom 23.08.2017 - X R 27/16, BFH/NV 2018, 36, Rz 16).
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In einem solchen Fall sind an die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen trotz der Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, zwar keine hohen Anforderungen zu stellen; die Feststellung ist aber nicht vollkommen entbehrlich (Senatsurteil in BFH/NV 2018, 36, Rz 17, m.w.N.).
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(2) Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze hat das FG festgestellt, dass die Kläger die nachhaltig bestehende Verlustsituation im Hinblick darauf hingenommen haben, dass sie mit dem Betrieb der Photovoltaikanlage emissionsfrei und klimaschützend Strom erzeugen wollten.
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Diese Erwägung hat das FG als persönlichen --außerhalb der steuerrechtlich relevanten Einkünftesphäre liegenden-- Grund gewürdigt. Hiergegen wäre in einem Revisionsverfahren nichts zu erinnern. Eine verlustbehaftete Betätigung, die vordergründig nicht von einem erwerbswirtschaftlichen, sondern einem --wenn auch äußerst gewichtigen-- idealistischen Motiv des Steuerpflichtigen getragen wird, ist mit dem Erfordernis aus § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG, die Erzielung von Gewinnen zu beabsichtigen, nicht in Einklang zu bringen. Es ist nicht klärungsbedürftig, dass Verluste aus solchen Betätigungen einkommensteuerrechtlich der Privatsphäre zuzuordnen sind.
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(3) Hieran ändert das Klimaschutzgebot aus Art. 20a des Grundgesetzes (GG) nichts. Die Norm verpflichtet den Staat zum Klimaschutz (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.03.2021 - 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 288/20, BVerfGE 157, 30, Rz 198, m.w.N.), vermittelt dem Einzelnen aber keine subjektiven Schutzansprüche (Kloepfer in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 20a Rz 56). Sie verpflichtet somit nicht, Verluste eines Steuerpflichtigen, die aus einer den Klimaschutz fördernden Betätigung herrühren, trotz fehlender Gewinnerzielungsabsicht nur aufgrund des staatlichen Gebots aus Art. 20a GG steuerrechtlich anzuerkennen.
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Im Übrigen ist der Gesetzgeber nicht untätig geblieben, sondern fördert den Bau und Betrieb von Photovoltaikanlagen in erheblichem Umfang durch eine garantierte Einspeisevergütung nach dem EEG. Art. 20a GG lässt dem Gesetzgeber grundsätzlich die Wahl zwischen verschiedenen Förderinstrumenten und verpflichtet ihn nicht, gerade eine einkommensteuerrechtliche Förderung zu gewähren.
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2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen.
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Die vom Kläger behauptete Divergenz der angefochtenen Entscheidung zu denjenigen des FG Baden-Württemberg vom 09.02.2017 (1 K 841/15, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2017, 913, rechtskräftig) sowie des Thüringer FG vom 11.09.2019 (3 K 59/18, EFG 2021, 32, rechtskräftig) besteht nicht. Zwar haben beide Gerichte den dortigen Klägern die jeweils streitigen Verluste aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen zuerkannt.
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Allerdings fordert die Revisionszulassung wegen Divergenz neben der Vergleichbarkeit der Entscheidungssachverhalte divergierende abstrakte Rechtssätze, die sowohl der angefochtenen als auch der divergierenden Entscheidung tragend zugrunde liegen (statt vieler BFH-Beschluss vom 03.06.2020 - II B 54/19, BFHE 268, 550, BStBl II 2020, 598, Rz 17). Hieran fehlt es. Beide vom Kläger als divergierend angeführten FG-Urteile enthalten nicht den Rechtssatz, dass das Motiv des Betreibers einer verlustbringenden Photovoltaikanlage, durch das emissionsfreie Erzeugen von Strom einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, der Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht nicht entgegensteht.
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3. Soweit die Kläger auf die erheblichen Steigerungen des Börsenstrompreises seit dem Krieg in der Ukraine verweisen, handelt es sich um das Vorbringen neuer Tatsachen, die in einem künftigen Revisionsverfahren unbeachtlich wären (§ 118 Abs. 2 FGO) und daher auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unberücksichtigt bleiben müssen.
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4. Der Senat hat von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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