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BFH 18.02.2021 - III R 71/18
BFH 18.02.2021 - III R 71/18 - Kindergeld bei Wohnsitz der Eltern in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten; Anwendbarkeit des ausländischen Rechts auf den im Inland wohnenden Elternteil
Normen
§ 62 Abs 1 EStG 2009, Art 11 EGV 883/2004, Art 68 Abs 1 EGV 883/2004, Art 68 Abs 2 S 3 EGV 883/2004, Art 60 Abs 1 S 2 EGV 987/2009, EStG VZ 2010, EStG VZ 2011, EStG VZ 2012
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 1. März 2018, Az: 3 K 1574/14, Urteil
Leitsatz
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1. Ein Zusammentreffen von Leistungsansprüchen i.S. des Art. 68 der VO Nr. 883/2004 ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil der im Inland lebende Elternteil nach Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 dem deutschen Recht unterliegt, wenn der andere Elternteil unter die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats fällt, dort aber selbst keinen Familienleistungsanspruch hat.
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2. Nach der gemäß Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 987/2009 anzuwendenden Familienbetrachtung ist nicht nur zu fingieren, dass der im Inland wohnende Elternteil auch im Wohnsitz-Mitgliedstaat des anderen Elternteils wohnt, sondern auch, dass er unter die Rechtsvorschriften des betreffenden anderen Mitgliedstaats fällt. Es ist daher auch zu prüfen, ob der im Inland lebende Elternteil die Anspruchsvoraussetzungen im anderen Mitgliedstaat erfüllt und deshalb eine Anspruchskonkurrenz besteht.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 01.03.2018 - 3 K 1574/14 hinsichtlich der Sachentscheidung insoweit aufgehoben, als darin der Klägerin für die Monate Dezember 2010 bis August 2011 und September bis Oktober 2012 ein Kindergeldanspruch zuerkannt wurde. Hinsichtlich der Kostenentscheidung wird das Urteil in vollem Umfang aufgehoben.
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Die Sache wird an das Hessische Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Streitig ist im Revisionsverfahren noch der Kindergeldanspruch für die Monate Dezember 2010 bis August 2011 sowie für die Monate September bis Oktober 2012.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine polnische Staatsangehörige, die im Streitzeitraum im Inland wohnte. Sie ist die Mutter einer im Mai 1991 geborenen Tochter J. Vom Kindsvater, der ebenfalls die polnische Staatsangehörigkeit besitzt, jedoch im Streitzeitraum in Polen wohnte, ist die Klägerin seit Januar 2006 geschieden. Im Scheidungsurteil wurde festgelegt, dass die "Ausführung der Elternpflicht" über J der Klägerin zugeteilt wird.
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Ab November 2005 war die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) als Altenpflegerin selbständig tätig. Wegen eines 2007 erlittenen Arbeitsunfalls erhielt sie ab 01.11.2011 eine private Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 508,64 €, die im August 2017 enden sollte. Ab dem 01.11.2012 erhielt die Klägerin eine bis 31.12.2014 befristete staatliche Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von zunächst 21,74 €. Zeitweise bezog sie auch Arbeitslosengeld II.
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J wurde von 2009 bis November 2010 vom Jobcenter mit dem Ziel "Aktivierung zur Arbeitssuche" betreut. Im November 2010 meldete sie sich in Polen bei einer Realschule an, bei der sie im März 2011 mit dem Unterrichtsbesuch begann und im September 2014 die Abiturprüfung ablegte.
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Die Familienkasse B gewährte der Klägerin bis einschließlich November 2010 Kindergeld.
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Aufgrund eines neuen Kindergeldantrags der Klägerin vom 26.09.2011 richtete die Familienkasse B zur Klärung ihrer Zuständigkeit am 12.10.2011 ein entsprechendes Auskunftsersuchen (Vordruck Nr. F001) an die Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Polen (DOPS). Die DOPS antwortete hierauf mit Schreiben vom 28.05.2012 und dem entsprechenden Vordruck (Nr. F002, abgefasst in polnischer Sprache). Die Familienkasse überprüfte die Angaben der DOPS und machte auf Seite 2 des Vordrucks handschriftlich folgende Anmerkung: "Seit 01.09.2011 werden keine Leistungen bezogen. Herr S… arbeitet seit 14.12.2010 nicht mehr in Polen."
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Mit Bescheid vom 23.07.2012 bewilligte die Familienkasse B der Klägerin Kindergeld ab September 2011. Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch machte die Klägerin geltend, dass sich J nicht erst seit September 2011, sondern bereits seit März 2011 in Ausbildung befinde. Die inzwischen zuständig gewordene Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) verwarf diesen Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 16.07.2014 als unzulässig und verwies zur Begründung im Wesentlichen auf eine mangelnde Beschwer.
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Mit weiterem Bescheid vom 10.08.2012 lehnte die Familienkasse B eine Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Dezember 2010 bis August 2011 ab und hob die Kindergeldfestsetzung ab September 2012 auf. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die Familienkasse mit weiterer Einspruchsentscheidung vom 16.07.2014 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen darauf, dass nach europäischen Koordinierungsregelungen ein Anspruch auf deutsches (Differenz-)Kindergeld ausgeschlossen sei, da beide Elternteile weder eine Erwerbstätigkeit ausübten noch eine Rente bezögen und deshalb ein Anspruch auf Familienleistungen nur im Wohnsitzland des Kindes, also Polen, bestehe.
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Die Klägerin erhob gegen die Bescheide vom 23.07.2012 und 10.08.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 16.07.2014 Klage. Im Laufe des Klageverfahrens setzte die Familienkasse durch Bescheid vom 12.01.2015 Kindergeld für die Monate November 2012 bis Juli 2014 fest.
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Das Finanzgericht (FG) hob den Ablehnungsbescheid vom 10.08.2012 und die dazugehörige Einspruchsentscheidung vom 16.07.2014 hinsichtlich der Monate Dezember 2010 bis August 2011 auf und verpflichtete die Familienkasse, für diese Monate zugunsten der Klägerin Kindergeld in der vollen gesetzlichen Höhe festzusetzen.
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Ebenso hob das FG den Aufhebungsbescheid vom 10.08.2012 und die dazugehörige Einspruchsentscheidung vom 16.07.2014 hinsichtlich der Monate September bis Oktober 2012 auf.
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Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
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Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts.
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Die Familienkasse beantragt,
das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als dieses den Bescheid vom 10.08.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.07.2014 und des Änderungsbescheids vom 12.01.2015 hinsichtlich der Ablehnung einer Kindergeldfestsetzung für die Monate Dezember 2010 bis August 2011 sowie hinsichtlich der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Monate September bis Oktober 2012 aufgehoben und die Familienkasse verpflichtet hat, für die Monate Dezember 2010 bis August 2011 zugunsten der Klägerin Kindergeld in voller gesetzlicher Höhe festzusetzen und auch insoweit die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt, soweit das FG der Klägerin für die Monate Dezember 2010 bis August 2011 und September bis Oktober 2012 einen Kindergeldanspruch zuerkannt hat, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der erkennende Senat nicht abschließend prüfen, ob das FG zu Recht davon ausgegangen ist, dass es an einem den inländischen Kindergeldanspruch ausschließenden oder beschränkenden Familienleistungsanspruch der Klägerin in Polen fehle.
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1. Zutreffend ist das FG zunächst davon ausgegangen, dass die Klägerin die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch in Deutschland erfüllt.
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Die Klägerin hatte nach den Feststellungen des FG im Streitzeitraum einen Wohnsitz im Inland (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- in der im Streitzeitraum geltenden Fassung) und unterlag als Staatsangehörige Polens nicht den einschränkenden Regelungen des § 62 Abs. 2 EStG für nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer.
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J ist als leibliches Kind der Klägerin nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG berücksichtigungsfähig und hatte nach den Feststellungen des FG zunächst bis Februar 2011 einen Wohnsitz im Inland und ab März 2011 in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union --EU-- (§ 63 Abs. 1 Satz 3 EStG), nämlich in Polen. Ferner erfüllte J auch die besonderen Berücksichtigungsvoraussetzungen für volljährige Kinder, da sie sich nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG ab November 2010 ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemühte (§ 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG) und ab März 2011 diese Ausbildung an einer Realschule für Erwachsene auch durchführte (§ 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG).
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2. Zu Recht ist das FG weiter davon ausgegangen, dass bei der Anwendung der §§ 62 ff. EStG die Regeln des europäischen Sozialrechts zu beachten sind, weil der Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2004 Nr. L 166, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (VO Nr. 883/2004 --Grundverordnung--) eröffnet ist. Im Streitfall ist der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 883/2004 eröffnet, da die Klägerin und der Kindsvater als polnische Staatsangehörige nach Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 von diesem erfasst werden. Zudem fällt das deutsche Kindergeld nach Art. 3 Buchst. j i.V.m. Art. 1 Buchst. z VO Nr. 883/2004 unter den sachlichen Geltungsbereich der VO Nr. 883/2004 (Senatsurteil vom 26.07.2017 - III R 18/16, BFHE 259, 98, BStBl II 2017, 1237, Rz 13).
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3. Zu Unrecht hat das FG hingegen angenommen, dass auf die Klägerin ausschließlich deutsches Recht Anwendung findet.
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a) Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 bestimmt als Grundsatz, dass Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegen. Die Klägerin unterliegt gemäß Art. 11 Abs. 3 Buchst. e VO Nr. 883/2004 den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats Deutschland, da sie nach den Feststellungen des FG im Streitzeitraum weder eine Erwerbstätigkeit ausgeübt (Art. 11 Abs. 3 Buchst. a und b VO Nr. 883/2004) noch Leistungen bei Arbeitslosigkeit (Art. 11 Abs. 3 Buchst. c VO Nr. 883/2004) erhalten hat. Der Kindsvater unterlag nach den Feststellungen des FG jedenfalls aufgrund seines Wohnsitzes den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats Polen, da er im Streitzeitraum ebenfalls keiner Erwerbstätigkeit nachging.
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b) Allerdings gilt für den Bereich der Familienleistungen die Sonderregelung des Art. 67 Satz 1 VO Nr. 883/2004. Danach hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Der zur Anwendung dieser Bestimmung erlassene Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.09.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABlEU 2009 Nr. L 284, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (VO Nr. 987/2009 --Durchführungsverordnung--) enthält zudem eine Familienbetrachtung. Danach ist insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen. Diese Bestimmung ist nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union Moser vom 18.09.2019 - C-32/18 (EU:C:2019:752, Leitsatz 1 und Rz 45 ff.) dahin auszulegen, dass sie sowohl in dem Fall Anwendung findet, dass die Leistung gemäß den als vorrangig bestimmten Rechtsvorschriften gewährt wird, als auch in jenem Fall, dass sie nach den Rechtsvorschriften eines nachrangig zuständigen Mitgliedstaats in Form eines Unterschiedsbetrags ausbezahlt wird (Senatsurteil vom 01.07.2020 - III R 22/19, BFHE 269, 320, BFH/NV 2021, 134, Rz 14). Es ist demnach entgegen der Annahme des FG nicht nur zu fingieren, dass die Klägerin in Polen wohnt, sondern auch dass sie --wie der Kindsvater-- den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats Polen unterfällt.
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4. Unter Berücksichtigung dieser Fiktion ist das FG auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen ferner zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Anspruchskonkurrenz durch § 65 EStG geregelt wird.
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a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Anspruchskonkurrenz zwischen dem deutschen Kindergeldanspruch und der ausländischen Familienleistung nach Art. 68 VO Nr. 883/2004 aufzulösen, wenn --wie im vorliegenden Fall-- deren persönlicher und sachlicher Geltungsbereich eröffnet ist; diese Prioritätsregelung ist gegenüber § 65 EStG grundsätzlich vorrangig (Senatsurteile vom 13.04.2016 - III R 34/15, BFH/NV 2016, 1465, Rz 12, m.w.N., und in BFHE 259, 98, BStBl II 2017, 1237, Rz 11).
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b) Entgegen der Annahme des FG ist auch nicht ausgeschlossen, dass es i.S. des Art. 68 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 zu einem Zusammentreffen von Leistungen für denselben Zeitraum und für denselben Familienangehörigen (J) nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten Deutschland und Polen kommen kann.
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aa) Was den Familienleistungsanspruch des Kindsvaters in Polen anbelangt, hat das FG zunächst nicht beachtet, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe des deutschen Gerichts ist, das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach ausländischem Recht zu beurteilen, wenn hierüber bereits eine Bescheinigung einer Behörde im EU-Ausland vorliegt, der nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit Bindungswirkung für die nationalen Behörden und Gerichte zukommt (s. im Einzelnen Senatsurteile in BFHE 259, 98, BStBl II 2017, 1237, Rz 17 ff., m.w.N.; vom 22.02.2018 - III R 10/17, BFHE 261, 214, BStBl II 2018, 717, Rz 24 f., und vom 25.07.2019 - III R 34/18, BFHE 265, 487, Rz 42 f.). Insoweit hat das FG zwar festgestellt, dass die DOPS unter dem Datum 28.05.2012 eine auf dem Vordruck Nr. F002 erstellte Bescheinigung übersandt hat. Der genaue Inhalt der Bescheinigung lässt sich aus den Entscheidungsgründen jedoch nicht entnehmen. Vielmehr beschränken sich die Feststellungen auf eine darauf von der Familienkasse angebrachte Anmerkung. Zudem ist zweifelhaft, ob die betreffende Bescheinigung den vorliegend zu beurteilenden Streitzeitraum abdeckt. Sollte die Bescheinigung --entsprechend dem handschriftlichen Vermerk der Familienkasse-- bestätigen, dass der Kindsvater seit 01.09.2011 keine Familienleistungen in Polen bezog, beträfe diese Feststellung nicht den hier zu beurteilenden Streitzeitraum Dezember 2010 bis August 2011. Und da die Bescheinigung nach Feststellungen des FG am 28.05.2012 ausgestellt wurde, könnte sie auch keine Aussage zu dem erst zeitlich später liegenden Streitzeitraum September bis Oktober 2012 treffen, in dem sich die maßgeblichen Verhältnisse möglicherweise bereits wieder geändert haben könnten.
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bb) Was einen Familienleistungsanspruch der Klägerin in Polen anbelangt, hat das FG bislang nicht festgestellt, ob ein solcher besteht. Es hat zwar in den Raum gestellt, dass der Klägerin als sorgeberechtigtem Elternteil ein solcher Anspruch nach polnischem Recht zustehen könnte. Weitere Ermittlungen hierzu hat es aber auf der Grundlage der unzutreffenden Annahme der ausschließlichen Anwendbarkeit deutschen Rechts unterlassen. Es wäre daher zunächst zu klären, ob und in welchem Umfang --bei fiktiver Annahme der Anwendbarkeit polnischen Rechts-- dort ein Anspruch der Klägerin auf Familienleistungen für J bestand. Insofern wäre auch zu berücksichtigen, dass die von der Klägerin in Deutschland gestellten Kindergeldanträge --nach den Feststellungen des FG datierend vom 26.09.2011 und 01.03.2012-- gemäß Art. 68 Abs. 3 Buchst. b VO Nr. 883/2004 von den polnischen Behörden so zu behandeln wären, als ob sie direkt bei ihnen gestellt worden wären; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist.
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c) Sollten diese im zweiten Rechtsgang nachzuholenden Ermittlungen ergeben, dass ein Anspruch des Kindsvaters oder der Klägerin in Polen bestand, wäre im Hinblick auf die Anwendung der Prioritätsregel des Art. 68 VO Nr. 883/2004 noch genauer festzustellen, woraus sich die Zuständigkeit Polens für den Kindsvater und daraus abgeleitet die Zuständigkeit Polens für die Kindsmutter ergibt.
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Denn für den Fall, dass der Kindsvater nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit z.B. Kranken- oder Arbeitslosengeld bezogen hätte, wäre die Zuständigkeit Polens gemäß dem Beschluss Nr. F1 der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit Europäische Gemeinschaft vom 12.06.2009 durch eine Beschäftigung begründet. Dies hätte zur Folge, dass auch der Anspruch in Polen als durch die Beschäftigung ausgelöst anzusehen wäre (Senatsurteil in BFHE 269, 320, BFH/NV 2021, 134, Rz 18, m.w.N.). In diesem Fall wäre der Anspruch in Polen gegenüber dem nur durch den Wohnort ausgelösten Anspruch in Deutschland nach Art. 68 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 883/2004 vorrangig und ein Differenzkindergeldanspruch in Deutschland ausgeschlossen (Art. 68 Abs. 2 Satz 3 VO Nr. 883/2004).
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Wäre der Anspruch in Polen dagegen nur durch den Wohnort des Kindsvaters ausgelöst, wäre dieser gemäß Art. 68 Abs. 1 Buchst. b Dreifachbuchst. iii VO Nr. 883/2004 für die Monate Dezember 2010 bis Februar 2011 nachrangig, da J in diesem Zeitraum ihren Wohnsitz in Deutschland hatte. Für die Monate März bis August 2011 und September bis Oktober 2012 wäre hingegen der Anspruch in Polen vorrangig, da J in diesen Zeiträumen in Polen wohnte. Ein Differenzkindergeldanspruch in Deutschland würde für die Monate März bis August 2011 und September bis Oktober 2012 gemäß Art. 68 Abs. 2 Satz 3 VO Nr. 883/2004 ausscheiden.
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5. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb an das FG zurückzuverweisen, damit das FG die erforderlichen Feststellungen nachholt.
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6. Die Kostenentscheidung wird gemäß § 143 Abs. 2 FGO auf das FG übertragen; dies gilt auch insoweit, als das Verfahren durch den klageabweisenden Teil des FG-Urteils bereits rechtskräftig abgeschlossen ist. Dies folgt aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (z.B. Senatsurteil vom 17.03.2020 - III R 31/19, BFH/NV 2021, 38, Rz 29, m.w.N.).
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