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BFH 16.04.2019 - X B 16/19
BFH 16.04.2019 - X B 16/19 - Erledigung eines Antrags auf Augenscheinsbeweis in Bezug auf die Bildschirmdarstellung einer Software durch Vorlage einer Bildschirmkopie durch den Prozessgegner
Normen
§ 173 Abs 1 Nr 2 AO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 14. November 2018, Az: 2 K 1805/17, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Wenn ein Beteiligter die Erhebung eines Augenscheinsbeweises über die Bildschirmdarstellung einer bestimmten Software beantragt und der Prozessgegner daraufhin eine Bildschirmkopie der einschlägigen Bildschirmdarstellung vorlegt, die vom Beweisführer nicht bestritten wird, darf das FG davon ausgehen, dass sich der Beweisantrag erledigt hat.
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2. NV: Wer einen Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erklärt, verzichtet damit zugleich auf alle Beweiserhebungen, die nur in einer mündlichen Verhandlung vorgenommen werden können.
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. November 2018 2 K 1805/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde für das Streitjahr 2014 mit seiner --nicht am Verfahren beteiligten-- Ehefrau (E) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. E leistete im Jahr 2014 für eine freiberufliche rentenversicherungspflichtige Tätigkeit Beiträge an die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) in Höhe von insgesamt 18.377,04 €. Dabei handelte es sich nicht nur um laufende Beiträge für das Jahr 2014 (3.298,14 €), sondern auch um Nachzahlungen für frühere Beitragsjahre (15.078,90 €). Darüber hinaus wurden für E im Jahr 2014 aus einer nichtselbständigen Tätigkeit Rentenversicherungsbeiträge von 333 € geleistet.
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Der Kläger erstellte die gemeinsame Einkommensteuererklärung der Eheleute für das Streitjahr am 29. Mai 2015 unter Nutzung einer kommerziell vertriebenen Software. Er erklärte darin für E nur die Rentenversicherungsbeiträge aus der nichtselbständigen Tätigkeit (333 €). Zu diesem Zeitpunkt lag ihm die Bescheinigung der DRV über die nachgezahlten Beiträge für die Jahre 2009 bis 2013 bereits vor; die Bescheinigung über die laufenden Beiträge für 2014 versandte die DRV hingegen erst am 9. Juni 2015.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) veranlagte die Eheleute mit Bescheid vom 22. Juli 2015 insoweit erklärungsgemäß zur Einkommensteuer. Der Bescheid, der nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, wurde bestandskräftig.
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Mit einem am 26. Juli 2016 beim FA eingegangenen Schreiben beantragte der Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheids 2014 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO). Zur Begründung führte er aus, er habe nicht grob fahrlässig gehandelt, weil er im Jahr 2014 wegen mehrerer Nachzahlungen (Mehrsteuern nach einer Außenprüfung, Rentenversicherungsbeiträge der E, Ausbildungskosten) und des täglichen "Existenzkampfs" eines Freiberuflers "durch den Wind" gewesen sei. Er erfülle seine beruflichen und steuerrechtlichen Pflichten stets zuverlässig.
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Nachdem das FA die beantragte Änderung abgelehnt hatte, behauptete der Kläger erstmals im Einspruchsverfahren, er habe sich beim Erstellen der elektronischen Einkommensteuererklärung der Funktion "Datenübernahme aus dem Vorjahr" bedient. Hierbei hebe die Steuersoftware diejenigen Daten, die bereits im Vorjahr steuerlich relevant gewesen seien, optisch hervor und biete sie zur Bearbeitung an. Bis einschließlich 2013 hätten E und er noch niemals Beitragszahlungen an die DRV in die Steuersoftware eingetragen, so dass der entsprechende Eingabebereich in der Einkommensteuererklärung 2014 nicht zur Bearbeitung angeboten worden sei. Daher habe er die notwendige Eintragung unterlassen; dabei handele es sich um einen unbewussten mechanischen Fehler.
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Das FA wies den Einspruch zurück. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei der in § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO verwendete Begriff des groben Verschuldens bei elektronischen Steuererklärungen in derselben Weise auszulegen wie bei schriftlichen Steuererklärungen. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass am Bildschirm ein Überblick über die ausfüllbaren Felder mitunter schwieriger zu erlangen sei als in einer Steuererklärung in Papierform. Es sei grob fahrlässig, wenn der Steuerpflichtige eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte und für ihn verständliche Frage nicht beantworte. Die Frage nach "Beiträgen zu gesetzlichen Rentenversicherungen von Nichtarbeitnehmern" werde in der Steuererklärung aber ausdrücklich gestellt. Die erst nach Übermittlung der Steuererklärung, aber noch vor Zugang des Einkommensteuerbescheids übersandte Bescheinigung der DRV über die für 2014 geleisteten Beiträge hätte der Kläger zudem zum Anlass nehmen müssen, diese Beiträge jedenfalls im Einspruchsverfahren gegen den Erstbescheid geltend zu machen. Der Kläger habe auch nicht dargelegt, dass die für das Jahr 2014 behauptete Überlastungssituation noch im Zeitpunkt der Erstellung der Steuererklärung (Ende Mai 2015) fortbestanden habe.
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Das Finanzgericht (FG) wies auch die Klage ab. Zur Begründung bezog es sich --nebst einigen ergänzenden Ausführungen-- gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.
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Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision wegen Divergenz und eines Verfahrensmangels.
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Das FA hält die Beschwerde für unzulässig.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist --bei Zweifeln daran, ob die gesetzlichen Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO überhaupt erfüllt sind-- jedenfalls unbegründet.
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1. Die gerügte Divergenz zum Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Februar 2015 IX R 18/14 (BFHE 249, 195, BStBl II 2017, 7) hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt. Dies hätte die Gegenüberstellung einander widersprechender abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und der herangezogenen Divergenzentscheidung andererseits vorausgesetzt (Senatsbeschluss vom 18. Januar 2011 X B 34/10, BFH/NV 2011, 813, unter 1.c, m.w.N.). Daran fehlt es, zumal der Kläger in seiner Beschwerdebegründung selbst ausdrücklich --und zutreffend-- darauf hinweist, dass die Feststellung, ob ein Beteiligter grob fahrlässig gehandelt hat, im Wesentlichen eine Tatfrage darstellt.
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2. Der Kläger rügt sinngemäß als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), das FG habe seinen Beweisantrag aus dem Schriftsatz vom 11. Januar 2018 übergangen.
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a) In diesem Schriftsatz hatte der Kläger zum Beweis der Tatsache, dass die von ihm genutzte Steuersoftware lediglich die Rentenversicherungsbeiträge des aktuellen Jahres, nicht aber Beiträge für Vorjahre abfrage, eine Inaugenscheinnahme der Steuersoftware, die Einholung eines Sachverständigengutachtens, die Zeugenvernehmung der beiden Geschäftsführer des Softwareunternehmens und seine eigene Vernehmung beantragt.
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Das FA hatte daraufhin im Schriftsatz vom 22. Februar 2018 --unter Vorlage einer Kopie der einschlägigen Bildschirmdarstellung der Software-- dargelegt, dass die Software entgegen der Behauptung des Klägers nicht zwischen Beiträgen für das laufende Jahr und Beiträgen für die Vergangenheit differenziere, sondern einheitlich "die geleisteten Beiträge" zu Rentenversicherungen von Nichtarbeitnehmern abfrage. Dem ist der Kläger im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht mehr entgegen getreten. Das FG hat sich in seinem Urteil (Bl. 8 oben) ausdrücklich auf die vom FA vorgelegte Bildschirmkopie bezogen.
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b) Vor diesem prozessualen Hintergrund hätte der Kläger näher darlegen müssen, weshalb das FG trotz der Vorlage der Bildschirmkopie durch das FA, deren Inhalt der Kläger nicht widersprochen hatte, davon hätte ausgehen müssen, dass der Beweisantrag des Klägers noch nicht erledigt war. Die Einführung der Bildschirmkopie in das Klageverfahren ist im Streitfall als der vom Kläger beantragten Inaugenscheinnahme der Steuersoftware gleichwertig anzusehen; das FG hat sich in seinem Urteil ausdrücklich auf dieses vom FA vorgelegte Beweismittel bezogen. In der Beschwerdebegründung hätte daher ausgeführt werden müssen, welche --anderen-- Tatsachen sich bei Durchführung der vom Kläger ursprünglich begehrten Beweisaufnahme ergeben hätten (allgemein dazu Senatsbeschluss vom 8. Juni 2011 X B 214/10, BFH/NV 2011, 2073, unter II.2.a, m.w.N.). Daran fehlt es.
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Hinzu kommt, dass der Kläger am 7. November 2018 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hat. Mit einer solchen Erklärung wird zugleich der Verzicht auf alle Beweiserhebungen erklärt, die nur in einer mündlichen Verhandlung vorgenommen werden können (zum Zeugenbeweis BFH-Beschlüsse vom 2. August 2006 VII S 56/05 (PKH), BFH/NV 2006, 2116, unter II.1., und vom 29. Juni 2010 III B 168/09, BFH/NV 2010, 1847, Rz 6). Dies betraf vorliegend jedenfalls die Anträge auf Augenscheinsbeweis, Zeugenbeweis und Beteiligtenvernehmung. Zwar hatte der Kläger seinen Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung bereits am 9. November 2018 --wenn auch ohne Angabe eines prozessual beachtlichen Grundes-- widerrufen. Seine durch die ursprüngliche Verzichtserklärung erledigten Beweisanträge hat er aber nicht erneut gestellt.
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3. Soweit der Kläger --ohne Subsumtion unter einen der gesetzlichen Zulassungsgründe-- behauptet, das FG sei "davon ausgegangen, dass es eine 'ausdrückliche Nachfrage' des Steuerprogramms zu der Frage der Rentenversicherungsbeiträge aus Vorjahren gegeben habe", trifft dies nicht zu. Das angefochtene Urteil enthält den vom Kläger beanstandeten Satz weder ausdrücklich noch sinngemäß. Das FG ist vielmehr --entsprechend der vom FA vorgelegten und vom Kläger inhaltlich nicht bestrittenen Bildschirmkopie-- davon ausgegangen, dass die Software eine ausdrückliche Eintragungsmöglichkeit für Rentenversicherungsbeiträge vorsah, ohne dabei nach laufenden oder nachgezahlten Beiträgen zu differenzieren. So sieht es im Übrigen auch der amtliche Vordruck für die Einkommensteuererklärung vor, der jedenfalls dem Softwarehersteller als Maßstab dienen muss.
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4. Ebenfalls unzutreffend behauptet der Kläger, das FG habe es unterlassen, die Verschuldensumstände im Einzelnen festzustellen. Das Gegenteil ist der Fall, da im angefochtenen Urteil --sowie in der Einspruchsentscheidung, auf die das FG Bezug genommen hat-- eine ausführliche Würdigung der einzelfallbezogenen subjektiven Umstände vorgenommen wird.
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Letztlich beanstandet der Kläger mit seinen Einwendungen die materiell-rechtliche Einzelfallwürdigung des FG. Damit kann die Zulassung der Revision aber nicht erreicht werden (vgl. BFH-Urteil vom 30. August 2017 II R 48/15, BFHE 259, 127, BStBl II 2018, 24, Rz 30).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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6. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
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