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BFH 20.02.2018 - VII R 22/17
BFH 20.02.2018 - VII R 22/17 - Versagung der Ausfuhrerstattung wegen Verstoßes gegen tierschutzrechtliche Transportvorschriften
Normen
Art 32 Abs 1 EGV 612/2009, Art 1 EUV 817/2010, Art 3 Buchst a EGV 1/2005, Art 3 Buchst f EGV 1/2005, Anh 1 Kap 5 Nr 1.4 Buchst d EGV 1/2005, Anh 1 Kap 5 Nr 1.8 EGV 1/2005
Vorinstanz
vorgehend FG Hamburg, 21. April 2017, Az: 4 K 186/16, Urteil
Leitsatz
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NV: Ein Straßentransport lebender Rinder, der mit nur einem LKW-Fahrer durchgeführt wird und wegen dessen verkehrsrechtlich einzuhaltender Ruhezeiten von Anfang an auf eine Gesamttransportzeit von mehr als 29 Stunden angelegt ist, verstößt gegen die Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates über den Schutz von Tieren beim Transport, weshalb die Voraussetzungen für die Gewährung von Ausfuhrerstattung für diese Ausfuhrsendung nicht erfüllt sind .
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 21. April 2017 4 K 186/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Unter Inanspruchnahme vorausgezahlter Ausfuhrerstattung meldete die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Juni 2011 sechs Zuchtrinder zur Ausfuhr nach Marokko an. Die Tiere wurden per LKW von X nach Y transportiert. Die gesamte Transportdauer vom Verladen der Tiere bis zum Entladen einschließlich der Veterinärkontrolle am Bestimmungsort betrug 30 1/2 bis 31 Stunden. Die Fahrt wurde nach 8 1/2 Stunden zunächst für 1 Stunde unterbrochen sowie nach einer weiteren Fahrzeit von zwei Stunden ein zweites Mal für eine verkehrsrechtlich vorgeschriebene Ruhezeit des Fahrers von zehn Stunden; die danach verbliebene Fahrzeit zum Bestimmungsort betrug neun Stunden.
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Mit der Begründung, die Einhaltung der unionsrechtlichen Tierschutzvorschriften während des Transports sei nicht nachgewiesen, forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) die gewährte Ausfuhrerstattung mit einem Zuschlag von 10 % zurück.
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Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die zulässige Dauer eines Beförderungsintervalls von 14 Stunden sei überschritten worden, da dem zweiten Beförderungsintervall von 9 Stunden die vorangegangene Fahrtunterbrechung von 10 Stunden hinzuzurechnen sei. Nichts anderes ergäbe sich, wenn man die 10-stündige Unterbrechung als Ruhepause ansehen wollte, da diese lange Standzeit eine für die Tiere unnötige Transportverzögerung und Erschwernis gewesen sei. Jedenfalls sei damit gegen die allgemeinen Bestimmungen für Tiertransporte verstoßen worden, da wegen der unnötigen Transportverzögerung nicht alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen worden seien, um die Beförderungsdauer so kurz wie möglich zu halten.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Masterrind vom 28. Juli 2016 C-469/14 (EU:C:2016:609, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2016, 324) dürfe die Fahrt während der maximal zulässigen Transportdauer mehrfach unterbrochen werden. Für die vom FG erforderlich gehaltene Differenzierung zwischen Ruhepausen und Haltephasen gebe das EuGH-Urteil Masterrind nichts her. Es komme allein darauf an, ob die maximal zulässige Dauer des gesamten Transports von 29 Stunden (zuzüglich weiterer zwei Stunden in besonderen Fällen) eingehalten worden sei und dabei ein Beförderungsintervall nicht mehr als 14 Stunden betragen habe.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Änderungsbescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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Die für die Ausfuhrsendung als Vorauszahlung gewährte Ausfuhrerstattung stand der Klägerin nicht zu und war daher nach Art. 32 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 612/2009 der Kommission vom 7. Juli 2009 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 186/1) zurückzufordern.
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Nach Art. 1 der Verordnung (EU) Nr. 817/2010 der Kommission vom 16. September 2010 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates hinsichtlich des Schutzes lebender Rinder beim Transport als Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen (ABlEU Nr. L 245/16) hängt die Zahlung der Ausfuhrerstattungen für lebende Rinder davon ab, dass während des Transports der Tiere bis zu ihrer ersten Entladung im Bestimmungsdrittland die Vorschriften dieser Verordnung sowie die Art. 3 bis 9 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 (VO Nr. 1/2005) des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97 (ABlEU 2005 Nr. L 3/1) und die darin genannten Anhänge eingehalten werden. Hieran fehlt es im Streitfall.
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1. Nach Nr. 1.4 Buchst. d des Anhangs I Kapitel V VO Nr. 1/2005 müssen auf der Straße transportierte Rinder nach einer Beförderungsdauer von 14 Stunden eine ausreichende, mindestens einstündige Ruhepause erhalten, insbesondere damit sie getränkt und nötigenfalls gefüttert werden können. Nach dieser Ruhepause kann die Beförderung für weitere 14 Stunden fortgesetzt werden. Vor einem daran evtl. anschließenden Weitertransport müssen die Tiere entladen, gefüttert und getränkt werden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten (Nr. 1.5 des Anhangs I Kapitel V VO Nr. 1/2005). Die maximal zulässige Dauer des gesamten ersten Transports (bevor ggf. die vorgenannte 24-stündige Ruhepause vor einem Weitertransport einzuhalten ist) beträgt daher 29 Stunden (EuGH-Urteil Masterrind, EU:C:2016:609, Rz 39, 43, ZfZ 2016, 324).
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2. Dem EuGH-Urteil Masterrind (EU:C:2016:609, ZfZ 2016, 324) ist nicht zu entnehmen, dass ein Tiertransport mit einer Beförderungsdauer wie im Streitfall zwingend in zwei Beförderungsintervalle zu teilen und Fahrtunterbrechungen jeweils einem dieser Intervalle zuzuordnen sind --wovon das FG wohl ausgegangen ist--. Die in Nr. 1.4 Buchst. d des Anhangs I Kapitel V VO Nr. 1/2005 genannten 14 Stunden für ein Beförderungsintervall beschreiben die maximal zulässige Fahrzeit, d.h. (unter Berücksichtigung der Erwägungen im EuGH-Urteil Masterrind, EU:C:2016:609, Rz 36, 41, ZfZ 2016, 324) die Zeit, in der sich die Tiere längstens in einem sich bewegenden Fahrzeug befinden dürfen. Daher kann die mindestens einstündige Ruhepause auch schon nach einer kürzeren Fahrzeit eingelegt werden (vgl. EuGH-Urteil Masterrind, EU:C:2016:609, Rz 41, ZfZ 2016, 324) und somit kann es auch in Betracht kommen, einen Tiertransport in mehr als zwei Beförderungsintervalle mit einer jeweils anschließenden mindestens einstündigen Ruhepause einzuteilen, zumal nach dem EuGH-Urteil Masterrind (EU:C:2016:609, Rz 36, ZfZ 2016, 324) jede Fahrtunterbrechung von mindestens einer Stunde als eine "Ruhepause" i.S. der Nr. 1.4 Buchst. d des Anhangs I Kapitel V VO Nr. 1/2005 angesehen werden kann. Von einem "Beförderungsintervall" im Sinne der EuGH-Rechtsprechung lässt sich daher sprechen, soweit während des Tiertransports eine Fahrzeit durch eine mindestens einstündige Pause beendet wird. Wird während eines Tiertransports die Fahrt mehr als einmal für jeweils mindestens eine Stunde unterbrochen, gibt weder der Wortlaut der Nr. 1.4 Buchst. d des Anhangs I Kapitel V VO Nr. 1/2005 noch das EuGH-Urteil Masterrind (EU:C:2016:609, ZfZ 2016, 324) einen Grund, bei diesen Fahrtunterbrechungen zwischen "Ruhepausen" und "weiteren Haltephasen" zu differenzieren. Hierauf weist die Revision zu Recht hin.
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Daher ist die Ansicht der Revision zutreffend, dass es für die Erfüllung der in Nr. 1.4 Buchst. d des Anhangs I Kapitel V VO Nr. 1/2005 genannten Voraussetzungen darauf ankommt, ob mit dem gesamten Straßentransport bis zum Bestimmungsort zum einen die maximal zulässige Dauer von (grundsätzlich) 29 Stunden eingehalten wurde und zum anderen ein darin enthaltenes Beförderungsintervall, d.h. eine ununterbrochene oder nicht durch eine Pause von mindestens einer Stunde unterbrochene Fahrzeit, nicht mehr als 14 Stunden betrug.
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3. Die vorgenannten Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, weil nach den Feststellungen des FG die gesamte Dauer des Straßentransports 30 1/2 bis 31 Stunden betrug und damit die grundsätzlich vorgeschriebene Höchstdauer von 29 Stunden überschritten wurde. "Unvorhersehbare Umstände" i.S. des Art. 22 Abs. 1 VO Nr. 1/2005 hat das FG nicht festgestellt.
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Anders als das FG angenommen hat, kann sich die Klägerin nicht auf die Ausnahme gemäß 1.8 des Anhangs I Kapitel V VO Nr. 1/2005 berufen, der zufolge die zulässige Beförderungsdauer --insbesondere unter Berücksichtigung der Nähe des Bestimmungsorts-- im Interesse der Tiere um zwei Stunden verlängert werden darf.
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Es handelt sich im Streitfall nicht um einen mit der Dauer von höchstens 29 Stunden geplanten Tiertransport, an dessen Ende sich herausstellte bzw. die Planung ergab, dass der Bestimmungsort zwar noch nicht erreicht bzw. erreichbar, jedoch nahe war, weshalb es im Interesse der transportierten Tiere lag, die Fahrt fortzusetzen, anstatt --wie von Nr. 1.5 des Anhangs I Kapitel V VO Nr. 1/2005 gefordert-- die Tiere auszuladen und sie nach einer 24-stündigen Pause wieder einzuladen. Nach den Feststellungen des FG stand vielmehr eine Überschreitung der maximalen Beförderungsdauer schon zu Beginn des Transports fest, da das Fahrzeug nur mit einem Fahrer besetzt und daher dessen vorgeschriebene 10-stündige Ruhezeit einzuhalten war, die der vorausberechneten und angegebenen Beförderungsdauer von 25 Stunden hätte hinzugerechnet werden müssen. Die von vornherein feststehende Überschreitung der maximalen Beförderungsdauer von 29 Stunden fand ihren Grund somit nicht im Tierinteresse, sondern in dem wirtschaftlichen Interesse, einen weiteren Fahrer für den Transport einsparen zu können. Wie das FG zutreffend geurteilt hat, liegt in dem in dieser Weise geplanten und durchgeführten Tiertransport auch ein Verstoß gegen Art. 3 Buchst. a und f VO Nr. 1/2005 (vgl. dazu EuGH-Urteil Masterrind, EU:C:2016:609, Rz 35, ZfZ 2016, 324). Ob die Klägerin --wie die Revision geltend macht-- über die Durchführung des Transports mit nur einem Fahrer nicht informiert war, ist nicht entscheidungserheblich. Die Rüge der Revision, das FG hätte in der mündlichen Verhandlung auf den rechtlichen Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Art. 3 VO Nr. 1/2005, auf den sich das FG-Urteil stützt, hinweisen müssen, ist unbegründet, da dieser Hinweis gemäß dem Sitzungsprotokoll vom 21. April 2017 gegeben wurde.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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