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BFH 12.12.2017 - VIII R 5/14
BFH 12.12.2017 - VIII R 5/14 - (Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 12.12.2017 VIII R 6/14 - Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen durch einen Sicherheitszuschlag bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG)
Normen
§ 162 Abs 2 S 1 AO, § 162 Abs 2 S 2 AO, § 4 Abs 3 EStG 2002, § 118 Abs 2 FGO, § 158 AO, § 22 UStG 1999, § 63 UStDV 1999, § 63 bis 68 UStDV 1999
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 29. November 2011, Az: 5 K 5045/07, Urteil
nachgehend BFH, 13. Mai 2020, Az: VIII B 117/19, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Formelle Buchführungsmängel berechtigen nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln. Stellt das FG formelle Fehler bei der Aufzeichnung der Betriebsausgaben fest, hat es schlüssig zu begründen, warum aus diesen Fehlern im konkreten Fall eine Schätzungsbefugnis für die Betriebseinnahmen erwachsen soll.
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2. NV: Ein pauschaler Sicherheitszuschlag zu den Einnahmen ist eine griffweise Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, die in einem vernünftigen Verhältnis zu den erklärten oder nicht erklärten Einnahmen stehen muss. Es bedarf zu ihrer Rechtmäßigkeit einer ausreichenden Begründungstiefe des FG-Urteils, aus der erkennbar ist, warum diese Schätzungsmethode im entschiedenen Fall notwendig ist und dass sie auch im Hinblick auf die Angemessenheit des Schätzungsergebnisses allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen entspricht.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. November 2011 5 K 5045/07 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr (2004) Steuerberater. Er erzielte im wesentlichen Einkünfte aus seiner freiberuflichen Tätigkeit und aus Vermietung und Verpachtung. Er führte freiwillig auf elektronischem Wege eine Gewinnermittlung mit Sachkonten. Den Gewinn der freiberuflichen Tätigkeit ermittelte er durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG).
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Der Kläger reichte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr am 8. März 2006 samt der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ein. Er wurde jedoch zunächst nicht veranlagt.
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Es wurde vom FA für Körperschaften mit Prüfungsanordnung vom 16. Mai 2006 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung angeordnet, die den Zeitraum vom 1. Januar des Streitjahres bis zum 31. März 2006 umfassen und voraussichtlich am 6. Juni 2006 beginnen sollte.
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Nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung reichte der Kläger für 2005 am 16. Mai 2006 und am 17. Mai 2006 berichtigte Voranmeldungen für die Monate Januar bis Oktober 2005 und erstmalige Voranmeldungen für November und Dezember 2005 sowie für den Monat Januar 2006 beim FA ein. Für das Jahr 2005 ergaben sich nach den Angaben des Klägers zusätzliche Umsätze in Höhe von 104.553 €. Dies entsprach im Verhältnis zu den bisher für den Zeitraum Januar bis Oktober 2005 erklärten Umsätzen in Höhe von 93.091 € einer Umsatzsteigerung von ca. 112 %.
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Der Kläger erhob gegen die Prüfungsanordnung zur Umsatzsteuer-Sonderprüfung Einspruch. Zum vorgesehenen Prüfungstermin am 6. Juni 2006 war er nicht in seinem Büro anwesend. Dem Prüfer wurde im Büro des Klägers von einer Angestellten nur das Einspruchsschreiben vorgelegt. Er erhielt weder Auskünfte noch Einblick in die Unterlagen des Klägers.
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Daraufhin fertigte der Prüfer unter dem 6. Juni 2006 einen Bericht zur Umsatzsteuer-Sonderprüfung. Er gelangte zu dem Ergebnis, die Umsätze für das Streitjahr seien um 112,33 % zu erhöhen. Es erging daraufhin ein entsprechend geänderter Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr.
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Anknüpfend daran setzte das FA im Bescheid vom 4. August 2006 die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Erhöhung der Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit um 162.010 € erstmalig fest. Im Rahmen des Verlustabzugs wurde als weitere Folge der zuvor zum 31. Dezember 2003 festgestellte Verlustvortrag (in Höhe von 99.860 €) verbraucht. Das FA stellte den verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer zum 31. Dezember des Streitjahres mit Feststellungsbescheid vom 4. August 2006 auf Null fest.
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Der Kläger erhob gegen die geänderten Festsetzungen zur Einkommen- und Umsatzsteuer für das Streitjahr und gegen den Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember des Streitjahres Einspruch.
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Während des Einspruchsverfahrens änderte das FA die Umsatzsteuerfestsetzungen für 2005 und für das Streitjahr. Es legte der Hinzuschätzung von Netto-Umsätzen zum Steuersatz von 16 % nunmehr das Verhältnis der vom Kläger für 2005 nacherklärten Beträge zu den in den Voranmeldungen erklärten Umsätzen zugrunde (77,274 %). Entsprechend schätzte das FA bei der Einkommensteuer für das Streitjahr Netto-Einnahmen in Höhe von 77,274 % im Verhältnis zu den zuvor erklärten Nettoeinnahmen als Betriebseinnahmen hinzu. Zusätzlich erfasste es 14.032,80 € an vereinnahmter Umsatzsteuer auf die hinzugeschätzten Nettoumsätze als Betriebseinnahme.
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Das FA setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr mit Bescheid vom 9. Oktober 2006 entsprechend fest. Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung wurde durch den Verlustabzug nur noch ein Verlustvortrag zum 31. Dezember 2003 in Höhe von 72.223 € verbraucht und die Einkommensteuer auf 0 € festgesetzt. Dementsprechend stellte das FA mit Bescheid vom 9. Oktober 2006 den verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer zum 31. Dezember des Streitjahres auf 27.637 € fest. Der aufrecht erhaltene Einspruch des Klägers wurde als unbegründet zurückgewiesen.
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Der Kläger erhob Klage. Er wandte sich im Parallelverfahren 5 K 5043/07 gegen die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr und in dem dem Revisionsverfahren zugrunde liegenden Klageverfahren allein gegen den Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember 2004. Das Finanzgericht (FG) wies die Klagen ab. Beide Entscheidungen sind nicht veröffentlicht.
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Zur Begründung der Entscheidung im Verfahren 5 K 5043/07 zur Umsatzsteuer führte das FG aus:
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Das FA habe die Umsätze schätzen dürfen, da der Kläger seine Aufzeichnungspflichten gemäß § 22 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (UStG) i.V.m. § 63 Abs. 1 und Abs. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (UStDV) verletzt habe. Der Kläger habe zwar im Klageverfahren beim FA sieben Aktenordner mit Unterlagen eingereicht. Diese hätten die Eingangs- und Ausgangsrechnungen, die Bank- und Kassenbelege sowie Nachweise über Zahlungsein- und Zahlungsausgänge enthalten. Die bezahlten Rechnungen seien alphabetisch abgelegt gewesen. Buchungsunterlagen über Aufwands- und Sachkonten habe der Kläger nicht übersandt. Nachdem er vom FA auf den fehlenden Nachweis einer regelmäßigen Summenziehung hingewiesen worden sei, habe der Kläger Erfassungsprotokolle beim FG eingereicht, die eine chronologische Auflistung der Geschäftsvorfälle ohne Angabe von Belegnummern enthalten hätten. Es sei dem FA nicht möglich gewesen, die vom Kläger erklärten Umsätze und Vorsteuerbeträge mit angemessenem Aufwand zu überprüfen.
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Für Belege aus dem Ordner "Kasse" habe das FA eine sich über mehrere Seiten erstreckende Auflistung der Buchungen angefertigt. Aus dieser ergebe sich, dass der Kläger überwiegend Lebensmittel als Betriebsausgaben verbucht habe, welche auf den Konten "Bewirtung außer Haus" und "Bewirtung im Haus" gebucht worden seien. Hieraus leitete das FG ab, dass den vom Kläger verbuchten Ausgaben nicht ohne weiteres gefolgt werden könne. Es sei unzumutbar, die Unterlagen des Klägers durch Anfertigung umfangreicher Auflistungen vollumfänglich zu untersuchen. Schließlich sei für das FG aus den Unterlagen auch nicht erkennbar gewesen, inwiefern die gesetzlich erforderliche Summenziehung am Schluss eines jeden Voranmeldungszeitraums vorgenommen worden sei.
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Das FG beanstandete das Schätzungsergebnis des FA auch der Höhe nach nicht. Nach der Hinzuschätzung habe der Kläger im Streitjahr einen steuerpflichtigen Umsatz in Höhe von 201.204 € erzielt, der nicht wesentlich von den in den beiden Vorjahren 2002 und 2003 sowie den im Folgejahr 2005 erklärten Umsätzen abweiche. Den Einwand des Klägers, der Umsatzeinbruch im Jahr 2004 lasse sich durch die Insolvenz einer Mandantin erklären, wies das FG zurück. Der Umsatzrückgang habe auf Grundlage der erklärten Umsätze für das Streitjahr gegenüber den Vorjahren ca. 87.000 € betragen, der Kläger habe aber selbst angeführt, gegenüber der insolvent gewordenen Mandantin im Jahr 2003 nur Leistungen in Höhe von netto 41.000 € abgerechnet zu haben.
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Hinsichtlich des allein mit der Klage angefochtenen Verlustfeststellungsbescheids zum 31. Dezember des Streitjahres hatte der Kläger die Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids gemäß § 41 der Finanzgerichtsordnung (FGO), dessen Aufhebung und hilfsweise die Änderung des Verlustfeststellungsbescheids zum 31. Dezember des Streitjahres mit der Maßgabe begehrt, einen verbleibenden Verlustvortrag in Höhe von 130.633 € festzustellen.
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Das FG sah die Feststellungsklage und die auf Aufhebung des Verlustfeststellungsbescheids gerichtete Klage mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses des Klägers als unzulässig und die Klage im Übrigen hinsichtlich aller Anträge auch als unbegründet an. Der angefochtene Verlustfeststellungsbescheid für das Streitjahr sei weder nichtig noch rechtswidrig. Unter Bezugnahme auf die Begründung im Verfahren 5 K 5043/07 zur Umsatzsteuer führte es aus, es habe eine Schätzungsbefugnis des FA bestanden, weil der Kläger zu seinen Betriebseinnahmen und -ausgaben keine monatlichen Summenziehungen vorgelegt und hierdurch seine Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten verletzt habe. Zudem habe der Kläger schuldhaft nicht an der Aufklärung des Streitfalls mitgewirkt.
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Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Bundesrechts durch das FG.
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Das FG habe die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Der angefochtene Verlustfeststellungsbescheid für das Streitjahr sei aufgrund der willkürlichen Schätzung des FA nichtig. Allein die Höhe der Hinzuschätzungen zeige, dass das FA bewusst zu seinem Nachteil geschätzt habe. Eine Schätzungsbefugnis des FA habe nach Vorlage der Belegordner im Klageverfahren nicht bestanden. Er habe alle Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten erfüllt. Ein Steuerpflichtiger könne nicht nachweisen, vom FA hinzugeschätzte Betriebseinnahmen nicht erzielt zu haben.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene FG-Urteil vom 29. November 2011 5 K 5045/07, die Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2007 und den geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2004 vom 9. Oktober 2006 aufzuheben und den verbleibenden Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG zum 31. Dezember 2004 in Höhe von 130.633 € festzustellen,
hilfsweise,
die Nichtigkeit des Bescheids über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2004 vom 9. Oktober 2006 festzustellen.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet. Das FG hat die Klage hinsichtlich des Hauptantrages zu Unrecht als unbegründet angesehen. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
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1. Der Senat legt das Klagebegehren anhand der Klageschrift in der Weise aus, dass der Kläger nach Maßgabe der abgegebenen Steuererklärung für das Streitjahr veranlagt werden wollte. Daher geht der Senat von einem Hauptbegehren des Klägers vor dem FG aus, das auf eine Änderung des Verlustfeststellungsbescheids zum 31. Dezember des Streitjahres vom 9. Oktober 2006 gerichtet war. Nur hilfsweise begehrte der Kläger, die Nichtigkeit des Verlustfeststellungsbescheids festzustellen. Zu dieser eigenständigen Auslegung des Klagebegehrens ist der Senat befugt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Februar 2012 IV R 32/09, BFH/NV 2012, 1479).
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2. Die Revision ist hinsichtlich des mit dem Hauptantrag geltend gemachten Änderungsbegehrens begründet. Der Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember des Streitjahres vom 9. Oktober 2006 ist vom FG rechtsfehlerhaft als rechtmäßig angesehen worden. Die Vorentscheidung ist aufzuheben.
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a) Der Entscheidung über das Änderungsbegehren des Klägers steht nicht die Nichtigkeit des angefochtenen Verlustfeststellungsbescheids zum 31. Dezember des Streitjahres vom 9. Oktober 2006 entgegen, die zur Aufhebung des Bescheids führen müsste.
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aa) Der Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember des Streitjahres ist während des Einspruchsverfahrens ergangen und hat gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) den zuvor ergangenen Bescheid vom 4. August 2006 ersetzt. Dies gilt selbst dann, wenn der vorherige Verlustfeststellungsbescheid vom 4. August 2006 --wie der Kläger meint-- nichtig gewesen sein sollte (§ 365 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AO).
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bb) Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit des Verlustfeststellungsbescheids vom 9. Oktober 2006 bestehen nach den Feststellungen des FG nicht.
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aaa) Eine fehlerhafte Schätzung kann ausnahmsweise die Nichtigkeit des auf ihr beruhenden Verwaltungsakts zur Folge haben, wenn sich das FA nicht an den wahrscheinlichen Besteuerungsgrundlagen orientiert, sondern bewusst zum Nachteil des Steuerpflichtigen schätzt (ständige Rechtsprechung, s. BFH-Urteil vom 15. Juli 2014 X R 42/12, BFH/NV 2015, 145, m.w.N.). Zudem können Willkürmaßnahmen, die mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verwaltung schlechterdings nicht zu vereinbaren sind, einen besonders schweren Fehler i.S. von § 125 Abs. 1 AO ergeben. Willkürlich und damit nichtig i.S. von § 125 Abs. 1 AO ist ein Schätzungsbescheid, wenn das Schätzungsergebnis trotz vorhandener Möglichkeiten, den Sachverhalt aufzuklären und Schätzungsgrundlagen zu ermitteln, krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht und in keiner Weise erkennbar ist, dass überhaupt und ggf. welche Schätzungserwägungen angestellt wurden (BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 145, Rz 24).
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bbb) Nach diesem Maßstab ist eine Nichtigkeit des Verlustfeststellungsbescheids vom 9. Oktober 2006 zu verneinen.
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Eine objektiv willkürliche Schätzung liegt nicht vor. Die Höhe der Schätzung beruhte auf einer griffweisen Hinzuschätzung von Umsätzen und Betriebseinnahmen, die dem Kläger vom FA erläutert wurde. Das FA hat Schätzungserwägungen zur Höhe der hinzugeschätzten Umsätze und Betriebseinnahmen angestellt und dem Kläger mitgeteilt.
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Es sind keine Umstände festgestellt, nach denen die Hinzuschätzung bewusst zum Nachteil des Klägers erfolgte. Zudem ist nicht erkennbar, dass für den Erlass der Prüfungsanordnung und die Durchführung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung außersteuerliche Gründe maßgeblich waren. Bei dem vom Kläger in der Revision angeführten Sachverhalt des Revisionsverfahrens VIII R 8/09, das einen anderen Steuerpflichtigen betraf und dessen Umstände nach Meinung des Klägers mit dem Streitfall vergleichbar sein sollen, handelt es sich ausnahmslos um neuen Sachvortrag, der im Revisionsverfahren gemäß § 118 Abs. 2 FGO nicht zu berücksichtigen ist.
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b) Der streitige Feststellungsbescheid ist vom FG rechtsfehlerhaft als rechtmäßig angesehen worden. Das FG hat hinsichtlich der gebotenen Summenziehung bei den Betriebseinnahmen keine formellen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsmängel des Klägers festgestellt, die die Würdigung tragen, dass das FA gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zur Schätzung berechtigt war.
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aa) Nach dieser Vorschrift sind die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen, die er zu führen hat, nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde gelegt werden können. Gemäß § 158 AO sind die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn sie den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen und soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.
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bb) Die umsatzsteuerrechtliche Verpflichtung zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen gemäß § 22 UStG, §§ 63 bis 68 UStDV wirkt unmittelbar auch für das Einkommensteuergesetz (BFH-Urteile vom 2. März 1982 VIII R 225/80, BFHE 136, 28, BStBl II 1984, 504; vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599; BFH-Beschlüsse vom 16. Februar 2006 X B 57/05, BFH/NV 2006, 940; vom 12. Juli 2017 X B 16/17, BFHE 257, 523). Auch war der Kläger als "Ist-Besteuerer" i.S. des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 Satz 5 i.V.m. Satz 1 UStG verpflichtet, die vereinnahmten Entgelte des Streitjahres aufzuzeichnen und gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 UStDV --wie vom FG angenommen-- grundsätzlich am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums zusammenzurechnen.
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cc) Dies hat der Kläger nach den Feststellungen des FG jedoch getan. Er hat für das Streitjahr Voranmeldungen abgegeben, in denen jeweils Summen zu den steuerpflichtigen Umsätzen enthalten waren. Während des Klageverfahrens hat er auf Hinweis des FA, dass die Summenziehungen in den Belegordnern nicht enthalten waren, Buchungserfassungsprotokolle vorgelegt. Warum er seinen formellen ertrag- und umsatzsteuerlichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten für die vereinnahmten Entgelte damit nicht genügt haben soll, ist nicht ersichtlich.
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dd) Ein Verstoß gegen die allgemeinen Aufzeichnungspflichten für Einnahmen und die daran anknüpfenden Aufbewahrungspflichten (§§ 146 Abs. 1 und Abs. 5, 147 AO) ist nach den Feststellungen des FG ebenfalls nicht ersichtlich.
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c) Die vom FG festgestellten Verstöße des Klägers gegen die Pflicht zur Aufzeichnung und Aufbewahrung monatlicher Summenziehungen bei den Barausgaben und die Umstände, aus denen das FG die Unrichtigkeit der verbuchten Bewirtungsaufwendungen abgeleitet hat, tragen nicht dessen Würdigung, dass die Einnahmen unvollständig aufgezeichnet wurden und gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zu schätzen waren.
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aa) Formelle Buchführungsmängel berechtigen nach ständiger Rechtsprechung nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln (BFH-Beschluss vom 12. Juli 2017 X B 16/17, BFHE 257, 523, Rz 56, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteil vom 10. März 1983 IV R 236/81, juris, zur Hinzuschätzung von Einnahmen bei einem Steuerberater wegen einer fehlenden Barkasse).
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bb) Das FG begründet indessen nicht, warum aus den festgestellten formellen Verstößen im Bereich der Betriebsausgaben folgen soll, dass vom Kläger immerhin Einnahmen in Höhe von 77 % der erklärten Einnahmen zusätzlich erzielt und nicht erklärt worden sein sollen.
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d) Auch auf § 162 Abs. 2 Satz 1 AO lässt sich auf Grundlage der bisherigen Feststellungen keine Schätzungsbefugnis stützen.
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aa) Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 AO ist zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder die weitere Auskunft verweigert. Eine Schätzungsbefugnis nach dieser Vorschrift hängt nicht vom Bestehen einer gesetzlichen (förmlichen) Aufzeichnungspflicht ab, sondern besteht, wenn das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen aus den Angaben des Steuerpflichtigen nicht ermitteln kann (BFH-Beschluss vom 31. Juli 2009 VIII B 28/09, BFH/NV 2009, 1967).
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bb) Nach den Feststellungen des FG ist aber nicht erkennbar, welcher Mitwirkungsverstoß des Klägers im Hinblick auf die aufgezeichneten Betriebseinnahmen vorliegen soll. Dem FG hätte es oblegen, Feststellungen zu treffen, aus denen ersichtlich ist, dass die Betriebseinnahmen im Streitjahr in der Buchführung des Klägers nicht vollständig erfasst waren (etwa nach Vornahme einer Geldverkehrsrechnung oder durch einen äußeren Betriebsvergleich). Solche Feststellungen fehlen jedoch.
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e) Im Übrigen wäre auch bei Annahme einer Schätzungsbefugnis die Würdigung des FG, dass eine griffweise Hinzuschätzung der Betriebseinnahmen in der streitigen Höhe durch das FA rechtmäßig war, fehlerhaft.
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aa) Der BFH darf geschätzte Besteuerungsgrundlagen, welche zu den tatsächlichen Feststellungen des FG gemäß § 118 Abs. 2 FGO gehören, nur auf Rechtsfehler prüfen. Das FG-Urteil muss erkennen lassen, auf welchen Tatsachen die Schätzung beruht und auf welchem Weg sie zustande gekommen ist. Es hat darzulegen, wie und dass es seine Überzeugung in rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise gewonnen hat (BFH-Urteile vom 6. Februar 1991 II R 87/88, BFHE 163, 471, BStBl II 1991, 459, unter II.2.a; vom 16. September 2015 X R 43/12, BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48, Rz 40; vom 20. März 2017 X R 11/16, BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992, Rz 52). Die gewonnenen Schätzergebnisse müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein. Zudem darf das FG bei der Schätzung nicht gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, allgemeine Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verstoßen (BFH-Urteile vom 18. Oktober 1983 VIII R 190/82, BFHE 139, 350, BStBl II 1984, 88, m.w.N.; in BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992).
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bb) Ein pauschaler Sicherheitszuschlag zu den Einnahmen --wie im Streitfall-- ist eine griffweise Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, die in einem vernünftigen Verhältnis zu den erklärten oder nicht erklärten Einnahmen stehen muss (vgl. BFH-Entscheidungen vom 26. Oktober 1994 X R 114/92, BFH/NV 1995, 373; vom 7. Februar 2017 X B 79/16, BFH/NV 2017, 774; in BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992, Rz 51; s.a. BFH-Beschluss vom 10. Mai 2012 X B 71/11, BFH/NV 2012, 1461, für steuermindernde Umstände). Die griffweise Schätzung stellt im Spektrum der verschiedenen denkbaren Schätzungsmethoden diejenige dar, die mit den größten Unsicherheiten behaftet ist und konkreten Tatsachengrundlagen vollständig oder nahezu vollständig entbehrt (BFH-Beschluss vom 28. September 2011 X B 35/11, BFH/NV 2012, 177). Es bedarf zu ihrer Rechtmäßigkeit einer ausreichenden Begründungstiefe des FA und des FG, dass und warum diese Schätzungsmethode im jeweiligen Einzelfall notwendig ist und dass sie auch im Hinblick auf die Angemessenheit des Schätzungsergebnisses allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen entspricht (BFH-Urteil in BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992, Rz 51, mit Anmerkung Nöcker, jurisPR-SteuerR 45/2017 Anm. 3). Auf der anderen Seite ist aber auch das Maß der Verletzung der dem Steuerpflichtigen obliegenden Mitwirkungspflichten zu berücksichtigen. Deshalb ist es grundsätzlich gerechtfertigt, bei einer Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen einen Sicherheitszuschlag oder einen Sicherheitsabschlag vorzunehmen (BFH-Urteil vom 15. April 2015 VIII R 49/12, Rz 19, m.w.N.).
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cc) Der Vorentscheidung fehlt es an der an diesen Maßstäben zu orientierenden erforderlichen Begründungstiefe. Der Senat kann auf ihrer Grundlage nicht abschließend beurteilen, ob der Sicherheitszuschlag zu den Betriebseinnahmen --wenn eine Schätzungsbefugnis bestünde-- angemessen wäre.
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Ohne eine weitergehende und vertiefte Begründung ist etwa nicht verständlich, wieso das FG im Streitfall nicht einen geringeren Prozentsatz hinzugeschätzter Umsätze als ausreichend und angemessen bzw. zutreffend angesehen hat. Allein der Umstand, dass der Kläger für 2005 Umsätze in vergleichbarer Relation nacherklärt hat und sich nach der Hinzuschätzung annähernd gleiche Umsätze/Betriebseinnahmen für die Jahre 2002 bis 2005 ergeben, trägt die Hinzuschätzung des FA in der jetzigen Höhe nicht.
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Zudem erschließt sich dem Senat zur Schlüssigkeit des Schätzungsergebnisses des FG insbesondere nicht, warum die vom Kläger --unwidersprochen-- vorgetragene Insolvenz einer großen Mandantin der griffweisen Hinzuschätzung von Einnahmen in der jetzigen Höhe nicht entgegenstehen soll. Der Kläger hatte ausgeführt, er habe mit dieser Mandantin im Jahr 2003 ein Honorarvolumen von rund 47.000 € brutto erwirtschaftet. Hiervon ist auch das FG ausgegangen. Warum der Kläger im Streitjahr ungeachtet des wegfallenden Honorars dann aber aus Sicht des FG ebenso hohe Einnahmen wie im Vorjahr 2003 und im Folgejahr 2005 erzielt haben soll, wird vom FG nicht schlüssig begründet.
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3. Die Sache ist nicht spruchreif.
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Der Senat kann die erforderlichen Feststellungen zum Vorliegen einer Schätzungsbefugnis des FA und einer angemessenen Schätzungshöhe nicht selbst treffen. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen. Über den Hilfsantrag des Klägers hat der Senat nicht zu entscheiden.
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4. Der Senat entscheidet nach Verzicht der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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