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BFH 02.10.2017 - VI B 9/17
BFH 02.10.2017 - VI B 9/17 - Keine Aussetzung des Klageverfahrens wegen Einkommensteuer nach bestandskräftiger Lohnsteuerpauschalierung
Normen
§ 40 Abs 3 S 3 EStG 2002, § 74 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, EStG VZ 2005
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 1. Dezember 2016, Az: 1 K 84/16, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die pauschale Lohnsteuer bleibt bei einer Einkommensteuerveranlagung nur dann außer Ansatz, wenn der Lohn dem Gesetz entsprechend tatsächlich pauschal besteuert worden ist.
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2. NV: Die pauschale Lohnsteuererhebung ist Teil des Lohnsteuerabzugsverfahrens und damit des Vorauszahlungsverfahrens. Solche Entscheidungen können bei der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers unbeschränkt überprüft werden. Sie entfalten im Veranlagungsverfahren regelmäßig keine (verfahrensrechtliche) Bindungswirkung.
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3. NV: Die Aussetzung eines Klageverfahrens wegen der Einkommensteuer des Arbeitnehmers ist jedenfalls dann nicht mehr gemäß § 74 FGO geboten, wenn über die Lohnsteuerpauschalierung bestandskräftig entschieden worden ist.
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 01. Dezember 2016 1 K 84/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
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Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist unbegründet. Der gerügte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), das Finanzgericht (FG) habe das Klageverfahren zu Unrecht nicht gemäß § 74 FGO ausgesetzt, liegt nicht vor.
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1. Es stellt einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens und damit einen Verfahrensfehler dar, wenn das FG eine Sachentscheidung trifft, obwohl es das Verfahren hätte gemäß § 74 FGO aussetzen müssen (Senatsbeschluss vom 16. Juli 2008 VI B 25/08, BFH/NV 2008, 1845, m.w.N.).
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a) Nach § 74 FGO kann ein finanzgerichtliches Verfahren ausgesetzt werden, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist.
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Mit Rücksicht auf den Zweck der Vorschrift, einander widersprechende Entscheidungen zu vermeiden und eine möglichst ökonomische Prozessführung zu gewährleisten, ist das Merkmal des sog. vorgreiflichen Rechtsverhältnisses i.S. von § 74 FGO weit auszulegen. Es erfordert keine rechtliche Bindung der vorgreiflichen Entscheidung; ausreichend ist vielmehr, dass die Entscheidung in dem anderen Verfahren in rechtlicher Hinsicht für das auszusetzende Verfahren von Bedeutung ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Mai 2014 I R 59/13, BFH/NV 2014, 1752).
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Eine Aussetzung des Verfahrens kommt aber nicht mehr in Betracht, wenn das vorgreifliche (Verwaltungs-)Verfahren abgeschlossen ist. Das ergibt sich im Umkehrschluss daraus, dass die Aussetzung längstens bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde anzuordnen ist (BFH-Beschluss vom 6. Oktober 2016 IX B 81/16, BFHE 254, 514, BStBl II 2017, 196).
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b) Der Kläger macht geltend, das FG hätte das Klageverfahren bis zu einer Entscheidung des Finanzamts (FA) X und/oder des FA Y über die Frage aussetzen müssen, ob er "zu dem Kreis der begünstigten Arbeitnehmer ... im Sinne der ... des Finanzamts ... [Z]" gehöre.
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Zwar bleiben gemäß § 40 Abs. 3 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der pauschal besteuerte Arbeitslohn und die pauschale Lohnsteuer bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer außer Ansatz. Diese Rechtsfolgen des § 40 Abs. 3 EStG treten indes nur ein, wenn die Pauschalierung tatsächlich vorgenommen wurde und dem Gesetz entsprochen hat. Nur wenn der Lohn dem Gesetz entsprechend pauschal besteuert worden ist, bleiben daher Arbeitslohn und pauschale Lohnsteuer bei einer Einkommensteuerveranlagung außer Ansatz (Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2015 VI B 49/15, BFH/NV 2016, 38). Selbst im Fall einer sog. fehlgeschlagenen Pauschalierung hat die pauschale Lohnsteuer keine Abgeltungswirkung, so dass der dem Arbeitnehmer ausgezahlte Arbeitslohn in dessen Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen ist (Senatsurteil vom 13. Januar 1989 VI R 66/87, BFHE 156, 412, BStBl II 1989, 1030; Senatsbeschluss vom 18. Januar 1991 VI B 140/89, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309).
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Zudem betreffen Entscheidungen im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens das Vorauszahlungsverfahren des zur Einkommensteuer zu veranlagenden Arbeitnehmers. Solche Entscheidungen können bei der Einkommensteuerveranlagung unbeschränkt überprüft werden. Sie entfalten im Veranlagungsverfahren regelmäßig auch keine (verfahrensrechtliche) Bindungswirkung. Die pauschale Lohnsteuererhebung ist ebenfalls Teil des Lohnsteuerabzugsverfahrens und damit Teil des Vorauszahlungsverfahrens des Arbeitnehmers. Ob eine entsprechende Pauschalierung Bindungswirkung auch für die Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers entfaltet, kann das Wohnsitz-FA bei der Jahresbesteuerung des Arbeitnehmers wie jede andere Maßnahme des Vorauszahlungsverfahrens in vollem Umfang überprüfen (BFH-Urteile in BFHE 156, 412, BStBl II 1989, 1030, und vom 10. Juni 1988 III R 232/84, BFHE 154, 68, BStBl II 1988, 981).
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c) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die den Senat entsprechend § 118 Abs. 2 FGO auch im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision binden (dazu BFH-Beschluss vom 17. Januar 2002 IX B 124/01, juris, m.w.N.), war der Kläger nicht in der Liste der Arbeitnehmer genannt, für die die Lohnsteuerpauschalierung nach dem Bescheid des FA Z Gültigkeit hatte. Dies stellt auch der Kläger nicht in Abrede. Ob der Kläger nach Auffassung des FA X, der Steuerfahndungsstelle des FA Y, seiner Arbeitgeberin oder deren Steuerberatung von der Lohnsteuerpauschalierung erfasst war oder jedenfalls hätte erfasst werden sollen, ist demgegenüber angesichts der tatsächlichen Feststellungen des FG --anders als der Kläger meint-- von Rechts wegen unerheblich. Der Nachforderungsbescheid des FA Z wurde bestandskräftig. Damit war das Lohnsteuerpauschalierungsverfahren abgeschlossen. Im Hinblick auf jenes Verfahren war schon deshalb keine Aussetzung des finanzgerichtlichen Klageverfahrens geboten.
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d) Das FG musste das Klageverfahren auch nicht im Hinblick auf eine vom Kläger erstrebte Änderung der Liste der Arbeitnehmer und damit des Nachforderungsbescheids nach § 74 FGO aussetzen. Denn der Kläger, der an dem Lohnsteuerpauschalierungsverfahren seiner Arbeitgeberin nicht beteiligt war und auch nicht beteiligt werden musste, konnte eine solche Änderung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erreichen, wie das FG zutreffend entschieden hat. Der Kläger legt auch in seiner Beschwerdebegründung keine entsprechende Rechtsgrundlage dar.
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2. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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