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BFH 11.01.2017 - IX R 36/15
BFH 11.01.2017 - IX R 36/15 - Beitrittsaufforderung an BMF: Nachträgliche Anschaffungskosten nach zivilrechtlicher Neuordnung des Kapitalersatzrechts durch das MoMiG
Normen
§ 17 Abs 2 EStG 2009, § 4 EStG 2009, § 255 Abs 1 S 2 HGB, Art 1 MoMiG, Art 9 MoMiG, § 39 Abs 1 Nr 5 InsO, § 135 InsO, § 122 Abs 2 S 3 FGO, EStG VZ 2011, § 32a GmbHG, § 32b GmbHG
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 10. März 2015, Az: 9 K 962/14 E, Urteil
Leitsatz
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Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen nach Inkrafttreten des MoMiG Aufwendungen des Gesellschafters aus einer zugunsten der Gesellschaft geleisteten Finanzierungshilfe als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen der Ermittlung eines Veräußerungs- oder Auflösungsverlusts nach § 17 EStG zu berücksichtigen sind .
Tenor
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Das Bundesministerium der Finanzen wird aufgefordert, dem Verfahren IX R 36/15 beizutreten.
Tatbestand
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I.
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Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2011) vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Seit Ende des Jahres 2003 war der Vater des Klägers alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt Angestellter der GmbH. Im Februar 2010 wurden dem Kläger die Anteile an der GmbH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen.
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Zur Umgestaltung der Geschäftsräume gewährte die B-Bank (Bank) der GmbH im Jahr 2006 Darlehen in Höhe von 51.600 €, 20.000 € und 99.000 €. Dabei stellte die Bank die Gewährung des Kredits u.a. unter die Bedingung, dass der Kläger selbstschuldnerische Bürgschaften bis zum Höchstbetrag von 170.000 € übernahm. Am 28. März 2006 wurde ein entsprechender Bürgschaftsvertrag geschlossen. Darüber hinaus hat sich der Kläger am 11. April 2006 für ein weiteres Darlehen der GmbH bei einer weiteren Bank in Höhe von 52.000 € unentgeltlich und selbstschuldnerisch verbürgt. Während die GmbH in den Jahren 2003 und 2004 einen Verlust von 2.026,35 € und von 549,17 € aufwies, machte sie im Jahr 2005 einen Gewinn von 14.668,35 € und im Jahr 2006 einen solchen von 2.618,92 €. Im Jahr 2007 erzielte die GmbH einen Verlust von 117.652,91 €, in den Jahren 2008 und 2009 wiederum Gewinne von 18.714,31 € und von 39.128,62 €.
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Nachdem die Ende des Jahres 2010 bis Anfang des Jahres 2011 geführten Verhandlungen über den Verkauf der GmbH-Anteile an den langjährig für die GmbH tätigen Handelsvertreter gescheitert waren und dieser stattdessen einen eigenen Betrieb in unmittelbarer Nähe der Geschäftsräume der GmbH eröffnet hatte, drohte der GmbH der Ausfall von Aufträgen in erheblichem Umfang. Der vom Kläger sodann im Februar 2011 für die GmbH gestellte Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde am 19. Mai 2011 mangels Masse abgelehnt. In der Folgezeit wurde der Kläger persönlich für die Verbindlichkeiten der GmbH aus den von ihm übernommenen Bürgschaften in Anspruch genommen.
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In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 machten die Kläger einen Veräußerungsverlust in Höhe von 176.156,85 € aus der Auflösung der GmbH nach § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Diesen errechneten sie aus einem Verlust der vom Rechtsvorgänger übernommenen Stammeinlage in Höhe von 27.000 €, nachträglichen Anschaffungskosten aus der Inanspruchnahme aus den Bürgschaften in Höhe von insgesamt 140.610,40 € und verschiedenen Kosten in Höhe von 8.545,78 €, die der Kläger für die GmbH übernommen hatte. Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr setzte das FA den Auflösungsverlust lediglich mit 17.975 € an. Das FA lehnte insbesondere die Berücksichtigung der Aufwendungen aus der Inanspruchnahme der vom Kläger geleisteten Bürgschaften ab, da sich die GmbH im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme nicht in einer Krise befunden habe. Der Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1271 veröffentlichten Urteil im hier streitigen Umfang statt. Entgegen der Auffassung des FA seien bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts die Aufwendungen des Klägers aus der Inanspruchnahme der Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Denn die Übernahme der Bürgschaft sei gesellschaftlich veranlasst gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme noch nicht Gesellschafter gewesen sei, da er die Bürgschaft erkennbar als künftiger Gesellschafter übernommen habe. Auf die Frage, ob die übernommenen Bürgschaften als eigenkapitalersetzend im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs anzusehen sind, komme es nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl I 2008, 2026) nicht mehr an. Im Übrigen seien jedoch die Bürgschaften im Streitfall auch unter Zugrundlegung der bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze als krisenbestimmt und somit als eigenkapitalersetzend anzusehen.
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Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG) rügt. Entgegen der Auffassung des FG seien die bisherigen Rechtsgrundsätze grundsätzlich weiterhin anzuwenden. Auch unter Geltung des MoMiG sei der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich frei in der Entscheidung, ob er der Gesellschaft Eigen- oder Fremdkapital zur Verfügung stelle. Die Beurteilung der Frage, ob eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen sei, richte sich maßgeblich danach, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Kaufmann das Risiko einer vergleichbaren Finanzierungshilfe eingegangen wäre. Dabei komme dem Merkmal der Krise weiterhin entscheidende Bedeutung zu. In einer solchen Krise habe sich aber die GmbH im Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaften nicht befunden. Darüber hinaus sei bereits zweifelhaft, ob die Bürgschaft vom Kläger überhaupt wie vom FG angenommen als künftiger Gesellschafter oder nicht vielmehr aus familiären Gründen übernommen worden ist. Selbst wenn man dem FG in seiner Beurteilung grundsätzlich folgen wollte, sei bei der Ermittlung der anzusetzenden nachträglichen Anschaffungskosten zu berücksichtigen, dass der Kläger bei Bürgschaftsübernahme noch nicht Gesellschafter gewesen sei. Bis zum Erwerb der Gesellschaftsanteile hätte der Kläger im Falle einer Insolvenz wie jeder andere Gläubiger behandelt werden müssen. Daher müsse für die Ermittlung der nachträglichen Anschaffungskosten auf den Wert der Rückgriffsforderung im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile abgestellt werden. Diese sei aber wegen der sich abzeichnenden Insolvenz der GmbH mit 0 € zu bewerten.
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Das FA beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG vom 10. März 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Der Senat nimmt das Revisionsverfahren zum Anlass, sich grundlegend mit der Rechtsfrage zu befassen, ob, unter welchen Voraussetzungen und gegebenenfalls in welchem Umfang Aufwendungen des Gesellschafters aus einer zugunsten der Gesellschaft geleisteten Finanzierungshilfe auch nach Inkrafttreten des MoMiG als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen der Ermittlung eines Veräußerungs- oder Auflösungsverlusts nach § 17 EStG zu berücksichtigen sind. Vor diesem Hintergrund hält es der Senat für angezeigt, das Bundesministerium der Finanzen (BMF) an diesem Revisionsverfahren zu beteiligen und zum Beitritt aufzufordern (§ 122 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung).
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