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BFH 28.04.2016 - IX B 18/16
BFH 28.04.2016 - IX B 18/16 - Grundsätzliche Bedeutung beim Verlustabzug in Erbfällen - Divergenzrüge - Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten
Normen
§ 76 Abs 1 FGO, § 96 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 2 FGO, § 10d Abs 2 S 1 EStG 2002, EStG VZ 2008
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 15. Dezember 2015, Az: 5 K 5357/13, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Rechtsfragen zum Verlustabzug in Erbfällen sind seit dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BStBl II 2008, 608 geklärt. Gleiches gilt für die Bindungswirkung von Verlustfeststellungsbescheiden nach § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG.
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2. NV: Rechtsfragen, die solches auslaufendes Recht betreffen, kommt regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu.
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3. NV: Mit materiell-rechtlichen Fehlern der Entscheidung kann die Zulassung der Revision aufgrund einer Verfahrensrüge nicht erreicht werden.
Tenor
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Die Beschwerde des Beklagten wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Dezember 2015 5 K 5357/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Die Revision ist weder wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--, dazu unter 1.) noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO, dazu unter 2. und 3.) oder wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, dazu unter 4.) zuzulassen.
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1. Die vom Beklagten und Beschwerführer (Finanzamt --FA--) vorgebrachte grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) liegt nicht vor.
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a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (vgl. Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 23, m.w.N.).
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b) Daran fehlt es hier. Die Rechtsfragen zum Verlustabzug in Erbfällen sind seit dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04 (BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608) geklärt (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 2009 IX B 216/08, juris, und Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 24. Juli 2008, BStBl I 2008, 809). Gleiches gilt für die Bindungswirkung von Verlustfeststellungsbescheiden nach § 10d Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in Erbfällen vor dem 19. August 2008 (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16. Mai 2001 I R 76/99, BFHE 195, 328, BStBl II 2002, 487, unter II.3. und II.4. sowie H 10d "Verlustabzug im Erbfall" des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs 2007). Dass das Finanzgericht (FG) die Bindungswirkung des Verlustfeststellungsbescheids des Erblassers möglicherweise falsch angewandt und zu Unrecht auf die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags des Erben erstreckt hat, stellt ggf. einen rechtlichen Fehler der angefochtenen Entscheidung dar, kann aber die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht begründen.
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Soweit sich das FA auf die maschinelle Ausgabe eines Verlustfeststellungsbescheids zugunsten des Erblassers und die fehlende Möglichkeit beruft, die Erstellung und Bekanntgabe eines derartigen Bescheids automatisiert zu unterdrücken, kann dies im vorliegenden Fall ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung begründen. Denn der streitige Verlustfeststellungsbescheid des Erblassers war zunächst an das FA übersandt, dort handschriftlich ergänzt und anschließend personell versandt worden.
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Zudem betrifft die zur Entscheidung gestellte Rechtsfrage ausgelaufenes Recht. Rechtsfragen, die ausgelaufenes Recht betreffen, kommt regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu (BFH-Beschluss vom 14. Mai 2009 IX B 216/08, juris, m.w.N.). Besondere Gründe, die ausnahmsweise eine Abweichung hiervon rechtfertigen würden, sind vom FA nicht dargelegt worden und auch nicht ersichtlich.
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2. Die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Gestalt einer Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) ist nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt worden.
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a) Die schlüssige Rüge einer Divergenz erfordert die Darlegung, dass das FG bei gleichem oder vergleichbaren Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH oder ein anderes FG. Gleiches gilt für Entscheidungen eines anderen obersten Bundesgerichts. Dabei muss das FG seinem Urteil einen entscheidungserheblichen (tragenden) abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt.
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Im Einzelnen sind für die schlüssige Rüge einer Divergenz gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO die angeblichen Divergenzentscheidungen genau --mit Datum und Aktenzeichen oder Fundstelle-- zu bezeichnen sowie tragende, abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits gegenüberzustellen, um die Abweichung deutlich zu machen. Dies erfordert auch die Darlegung, dass es sich im Streitfall um einen gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt handelt, so dass sich in der angefochtenen und in der Divergenzentscheidung dieselbe Rechtsfrage stellt.
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b) Daran fehlt es hier. Seitens des FA werden weder Divergenz-entscheidungen benannt (so z.B. Sächsisches FG vom 5. November 2014 8 K 491/12, juris; FG München vom 25. November 2014 12 K 1132/12, Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 1799, Revision unter IX R 30/15; FG Bremen vom 16. Juli 2015 1 K 32/13 (6), juris, und FG Köln vom 27. Januar 2016 4 K 253/11, juris, Revision unter IX R 9/16) noch werden tragende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil und den möglichen Divergenzentscheidungen gegenüber gestellt.
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3. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO wegen einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung zuzulassen.
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a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO ist die Revision dann zuzulassen, wenn ein Rechtsfehler des FG zu einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung geführt hat. Die Entscheidung des FG muss dabei in einem solchen Maße fehlerhaft sein, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werden könnte. Greifbare Gesetzwidrigkeit ist anzunehmen, wenn das Urteil jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt oder auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht. Eine Entscheidung ist dann (objektiv) willkürlich, wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Von Willkür kann dagegen nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschluss vom 22. April 2013 III B 115/12, BFH/NV 2013, 1114, m.w.N.). Unterhalb dieser Schwelle liegende (auch erhebliche) Rechtsfehler reichen dagegen nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit bzw. eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung anzunehmen. Fehler in der Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich genommen nicht die Zulassung der Revision (vgl. Gräber/Ratschow, a.a.O., § 115 Rz 68 f., m.w.N.).
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b) Im Streitfall liegt kein zu einer greifbaren Gesetzwidrigkeit bzw. Willkürlichkeit der Entscheidung führender Rechtsfehler vor. Das FG hat zwar möglicherweise den Verlustfeststellungsbescheid des Erblassers unzutreffend gewürdigt und materiell-rechtlich fehlerhaft eine Bindungswirkung für die Erben angenommen. Vom FA wird aber nicht weiter dargelegt, warum die vom FG vorgenommene unzutreffende rechtliche Würdigung offensichtliche Fehler von so erheblichem und schwerwiegendem Gewicht aufweisen soll, dass ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung besteht.
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4. Die vom FA gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.
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a) Die vom FA gerügte Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) wurde mangels hinreichender Angaben und Ausführungen nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargetan.
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aa) Wird die Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO gerügt, muss dargelegt werden, weshalb sich auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen. Dies erfordert nicht nur die genaue Angabe des Beweisthemas und der Beweismittel, die das FG nicht berücksichtigt hat. Geboten ist darüber hinaus die Darlegung, welches Ergebnis die unterlassene Beweisaufnahme nach Auffassung des FA erbracht hätte und wieso dieses Ergebnis zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können.
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bb) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des FA nicht. Vielmehr wendet sich das FA mit seiner Verfahrensrüge im Wesentlichen gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des FG. Dies gilt sowohl für die vom FA aufgeworfene Frage der Nichtigkeit des Grundlagenbescheids als auch für die Frage, ob der Erbe durch den vom Erblasser nicht verbrauchten Verlust wirtschaftlich belastet ist. Materiell-rechtliche Fragen sind einer Nachprüfung durch den BFH im Rahmen einer Verfahrensrüge jedoch entzogen (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Juni 2013 IX B 11/13, BFH/NV 2013, 1441).
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Ebenso liegt ein Verfahrensfehler nicht vor, wenn das FG fehlerhaft die Grundsätze über die Verteilung der Feststellungslast angewandt hat. Ein möglicher Fehler des FG bei der Verteilung der Darlegungslast hinsichtlich der Frage, ob der Erblasser den festgestellten Verlust wirtschaftlich getragen hat, führt daher nicht zur Zulassung der Revision (vgl. Gräber/ Ratschow, a.a.O., § 115 Rz 82, m.w.N.).
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b) Auch der gerügte Verstoß gegen den Inhalt der Akten liegt nicht vor.
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aa) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten liegt u.a. dann vor, wenn das FG eine nach Aktenlage feststehende Tatsache, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätte einfließen müssen, unberücksichtigt lässt oder seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht (z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165, und in BFH/NV 2013, 1114).
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bb) Nach diesen Maßstäben kommt ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten nicht in Betracht. Das FG hat den aus dem Akteninhalt folgenden Sachverhalt gewürdigt und auf dieser Grundlage entschieden. Dass es aus dem Akteninhalt folgende tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte abweichend von der Auffassung des FA gewürdigt oder für nicht entscheidungserheblich angesehen hat, kann eine Verfahrensrüge wegen Verstoßes gegen den Akteninhalt nicht begründen.
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5. Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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