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BFH 20.05.2015 - XI R 46/14
BFH 20.05.2015 - XI R 46/14 - Kindergeldanspruch: Wegfall der Arbeitsuchendmeldung aufgrund Pflichtverletzung des Kindes
Normen
§ 32 Abs 4 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 38 Abs 3 S 2 SGB 3, EStG VZ 2012
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 30. Juni 2014, Az: 10 K 1751/13 Kg, Urteil
nachgehend FG Düsseldorf, 26. November 2015, Az: 10 K 2055/15 Kg, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Der Wegfall der Wirkung einer Meldung als Arbeitsuchender setzt nicht zwingend die wirksame Bekanntgabe einer Einstellungsverfügung voraus .
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2. NV: Eine Abmeldung aus der Arbeitsvermittlung kann auch dann wirksam sein, wenn das arbeitsuchende Kind Pflichten aus einer Eingliederungsvereinbarung verletzt hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben .
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 30. Juni 2014 10 K 1751/13 Kg wegen Kindergeld für C betreffend den Zeitraum von Mai bis August 2012 aufgehoben.
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Die Sache wird insoweit an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse), die Familienkasse …, hob durch Bescheid vom 18. März 2013 die Kindergeldfestsetzung betreffend das am … 1991 geborene Kind C u.a. für die Monate Mai 2012 bis August 2012 (Streitzeitraum) auf und forderte das gezahlte Kindergeld von der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) zurück. C sei im Streitzeitraum nicht als ausbildungsplatz- oder arbeitsuchendes Kind bei der Agentur für Arbeit gemeldet gewesen. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
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Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, C sei im Streitzeitraum aufgrund einer sog. Eingliederungsvereinbarung vom 5. März 2012 als Kind zu berücksichtigen. Die Familienkasse erwiderte, diese Eingliederungsvereinbarung reiche nicht aus, um C als Kind zu berücksichtigen. Außerdem sei C --aufgrund von Meldeversäumnissen am 24. April 2012, 29. Mai 2012 und 26. Juli 2012-- zum 24. April 2012 von der Agentur für Arbeit aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet worden.
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Im Laufe des Klageverfahrens kam es zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel.
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Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem Urteil aus, aufgrund der Eingliederungsvereinbarung vom 5. März 2012 sei C in den Monaten Mai bis August 2012 ein arbeitsuchendes Kind gewesen. Die Abmeldung der C aus der Arbeitsvermittlung zum 24. April 2012 sei mangels Bekanntgabe unwirksam.
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Mit ihrer --vom Senat durch Beschluss vom 11. Dezember 2014 XI B 77/14 (BFH/NV 2015, 700) für den Streitzeitraum zugelassenen-- Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- i.V.m. § 38 Abs. 3 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch --SGB III--).
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Das FG habe zu Unrecht entschieden, dass es zu einer wirksamen Abmeldung aus der Arbeitsvermittlung der Bekanntgabe einer Einstellungsverfügung bedürfe. Vielmehr hänge bei fehlender Bekanntgabe einer Einstellungsverfügung die Wirksamkeit der Abmeldung aus der Arbeitsvermittlung davon ab, ob das arbeitsuchende Kind eine Pflichtverletzung begangen habe, welche die Agentur für Arbeit zur Einstellung der Vermittlung berechtigt habe.
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Im Streitfall lägen diese Voraussetzungen vor; denn der Abmeldung zum 24. April 2012 habe ein Meldeversäumnis der C zugrunde gelegen. C habe insoweit ihre Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung vom 5. März 2012 missachtet.
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Die Familienkasse beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung wegen Kindergeld für Mai bis August 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
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Die Klägerin hat sich zur Revision in der Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet; sie führt im tenorierten Umfang zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Das FG hat zu Unrecht angenommen, eine Abmeldung aus der Arbeitsvermittlung sei nur dann wirksam, wenn die Agentur für Arbeit diese bekanntgegeben habe. Allerdings ist die Sache nicht spruchreif; es sind vom FG Feststellungen zu den von der Familienkasse behaupteten Pflichtverletzungen zu treffen.
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1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.
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Diese Voraussetzungen lagen nach den tatsächlichen Feststellungen des FG bei C zunächst vor; denn zwischen der Agentur für Arbeit und der am 15. August 1991 geborenen C wurde am 5. März 2012 eine Eingliederungsvereinbarung geschlossen, deren Ziel die Integration in den ersten Arbeitsmarkt war. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten im Übrigen auch kein Streit.
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2. Da keine ausdrückliche steuerrechtliche Regelung besteht, wann der durch eine Meldung als Arbeitsuchender begründete Status wieder entfällt, sind für das Kindergeldrecht insoweit die Vorschriften des Sozialrechts, hier insbesondere § 38 SGB III, heranzuziehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juni 2008 III R 68/05, BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008, unter II.2.b).
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a) § 38 Abs. 3 SGB III n.F. lautete im Streitzeitraum wie folgt:
"(3) Die Arbeitsvermittlung ist durchzuführen,
1. solange die oder der Arbeitsuchende Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit oder Transferkurzarbeitergeld beansprucht oder
2. bis bei Meldepflichtigen nach Absatz 1 der angegebene Beendigungszeitpunkt des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses erreicht ist.
Im Übrigen kann die Agentur für Arbeit die Arbeitsvermittlung einstellen, wenn die oder der Arbeitsuchende die ihr oder ihm nach Absatz 2 oder der Eingliederungsvereinbarung oder dem Verwaltungsakt nach § 37 Absatz 3 Satz 4 obliegenden Pflichten nicht erfüllt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Die oder der Arbeitsuchende kann die Arbeitsvermittlung erneut nach Ablauf von zwölf Wochen in Anspruch nehmen."
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b) Für die Auslegung des § 38 Abs. 3 SGB III n.F. gelten nach der Rechtsprechung des III. Senats des BFH (Urteile vom 10. April 2014 III R 19/12, BFHE 245, 200, BStBl II 2015, 29; III R 37/12, BFH/NV 2014, 1726), der sich sowohl der erkennende Senat (Urteil vom 26. August 2014 XI R 1/13, BFH/NV 2015, 15) als auch der V. Senat des BFH (Urteil vom 23. Oktober 2014 V R 24/14, BFH/NV 2015, 484) angeschlossen haben, folgende Grundsätze, die das FG allerdings bei seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnte.
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aa) Der Wegfall der Wirkung einer Meldung als Arbeitsuchender setzt weiterhin nicht konstitutiv die wirksame Bekanntgabe einer Einstellungsverfügung voraus. Fehlt es an einer wirksam bekanntgegebenen Einstellungsverfügung, hängt der Fortbestand der Meldung als Arbeitsuchender davon ab, ob das arbeitsuchende Kind eine Pflichtverletzung begangen hat, welche die Arbeitsagentur nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F. zur Einstellung der Vermittlung berechtigt (BFH-Urteil in BFHE 245, 200, BStBl II 2015, 29, Rz 14).
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bb) Nach § 38 Abs. 3 SGB III n.F. ist die Pflicht der Arbeitsagentur zur Vermittlung des Arbeitsuchenden nicht mehr auf drei Monate beschränkt; sie besteht vielmehr grundsätzlich unbefristet fort. Allerdings kann die Arbeitsagentur die Vermittlung u.a. dann einstellen, wenn dieser eine ihm nach einer Eingliederungsvereinbarung obliegende Pflicht nicht erfüllt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. In solchen Fällen ist bei der Prüfung, ob die Meldung als Arbeitsuchender fortwirkt, maßgeblich darauf abzustellen, ob das arbeitsuchende Kind eine --die Arbeitsagentur zur Einstellung der Vermittlung berechtigende-- Pflichtverletzung i.S. des § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F. begangen hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 245, 200, BStBl II 2015, 29, Rz 15, 17).
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cc) Steht fest, dass die Arbeitsagentur die Vermittlung zu Recht eingestellt hat, kann infolge der Abmeldung ohne weiteres von dem Wegfall der Meldung als Arbeitsuchender ausgegangen werden. Sollten jedoch Meinungsverschiedenheiten hierüber bestehen, haben die Familienkassen und Finanzgerichte selbst zu prüfen, ob eine nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F. beachtliche Pflichtverletzung vorliegt. Der Senat verweist wegen weiterer Einzelheiten auf das BFH-Urteil in BFHE 245, 200, BStBl II 2015, 29, Rz 22 ff.
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3. Gemessen daran hat das FG zu Unrecht angenommen, dass die Abmeldung der C aus der Arbeitsvermittlung unwirksam sei, weil die Agentur für Arbeit diese nicht bekanntgegeben habe; die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben. Die Abmeldung der C aus der Arbeitsvermittlung könnte auch ohne Bekanntgabe einer Einstellungsverfügung wirksam sein, wenn C eine Pflicht i.S. des § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III verletzt hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben.
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4. Die Sache ist insoweit nicht spruchreif. Das FG hat nämlich --ausgehend von seiner Rechtsauffassung konsequenterweise-- keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zu den behaupteten Pflichtverletzungen durch C getroffen.
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a) Das FG hat auf Seite 6 seines Urteils ausgeführt: "zwar mag das Nichterscheinen zu den Terminen bei der Arbeitsvermittlung ohne Angabe von Gründen eine Pflichtverletzung im Sinne des § 38 Abs. 2 Satz 1 SGB III begründen ...". Diese Feststellung genügt jedoch nicht, weil dem FG die unter II.2.b genannten Rechtsgrundsätze bei seiner Urteilsfindung nicht bekannt waren und es für das FG auf mögliche Pflichtverletzungen der C nicht entscheidungserheblich ankam. Einzelheiten dazu sind nicht festgestellt.
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b) Zur Förderung des Verfahrens weist der Senat auf Folgendes hin: Da die Familienkasse nachgewiesen hat, dass C aufgrund der Eingliederungsvereinbarung u.a. verpflichtet war, bei Einladungen durch die Agentur für Arbeit persönlich vorzusprechen und alle Termine einzuhalten, trägt die Klägerin die Feststellungslast dafür, dass C die ihr obliegenden Pflichten erfüllt oder nur aufgrund des Vorliegens eines wichtigen Grundes verletzt hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 245, 200, BStBl II 2015, 29, Rz 24, m.w.N.).
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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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6. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 121 Satz 1, § 90 Abs. 2 FGO).
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