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BFH 17.05.2013 - III B 121/12
BFH 17.05.2013 - III B 121/12 - Kindergeldanspruch: Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes bei Fortzug mit der Familie wegen Berufstätigkeit im Ausland
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 8 AO, § 63 Abs 1 S 3 EStG 2009
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 25. Juli 2012, Az: 9 K 325/11, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Bei einem auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalt wird ein inländischer Wohnsitz durch kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubszwecken, Berufszwecken oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen, nicht beibehalten oder begründet. Bei einem ins Ausland entsandten Arbeitnehmer gelten insoweit keine anderen Maßstäbe .
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2. NV: Bei der Frage, ob durch einen längeren Auslandsaufenthalt eines Kindes der inländische Wohnsitz aufgegeben wird, ist in die Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände einzubeziehen, wie oft und wie lange sich das Kind zwischenzeitlich im Inland aufgehalten hat .
Gründe
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen entweder nicht vor oder sind nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form dargelegt worden.
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1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
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a) Dieser Zulassungsgrund ist nur gegeben, wenn die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den Bundesfinanzhof (BFH) geboten erscheinen lassen (z.B. Senatsbeschluss vom 29. August 2011 III B 110/10, BFH/NV 2011, 2100). So verhält es sich hier.
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b) Wollte man dem Vortrag des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) die Frage entnehmen, ob die Kinder eines Kindergeldberechtigten --und er selbst-- ihren inländischen Wohnsitz beibehalten, wenn dieser mit seiner Familie in das Ausland zieht, um dort im Rahmen einer befristeten Arbeitnehmerentsendung tätig zu werden, so ist diese Frage nicht grundsätzlich bedeutsam.
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aa) Denn die Grundsätze, nach denen sich bestimmt, ob jemand einen Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung) im Inland hat, sind durch langjährige Rechtsprechung geklärt. Danach wird bei einem auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalt ein inländischer Wohnsitz durch kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubszwecken, Berufszwecken oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen, nicht beibehalten oder begründet (vgl. z.B. Senatsurteil vom 20. November 2008 III R 53/05, BFH/NV 2009, 564). Bei einem ins Ausland entsandten Arbeitnehmer gelten insoweit keine anderen Maßstäbe (Senatsbeschluss vom 5. Januar 2012 III B 42/11, BFH/NV 2012, 978). Auch hat der BFH bereits entschieden, dass hinsichtlich der Frage, ob durch einen längeren Auslandsaufenthalt eines Kindes der inländische Wohnsitz aufgegeben wird bzw. unter welchen Umständen ein inländischer Wohnsitz neu begründet wird, in die Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände einzubeziehen ist, wie oft und wie lange sich das Kind zwischenzeitlich im Inland aufgehalten hat (z.B. Senatsbeschluss vom 27. August 2010 III B 30/09, BFH/NV 2010, 2272, m.w.N.). Minderjährige Kinder teilen dabei nicht stets alle Wohnsitze ihrer Eltern. Lebt ein ins Ausland versetzter Deutscher dort mit seiner Familie, zwingt dies nicht zu der Annahme, dass sein inländischer Wohnsitz auch Wohnsitz der Kinder ist (z.B. Senatsbeschluss vom 15. Mai 2009 III B 209/08, BFH/NV 2009, 1630).
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Im Übrigen begründet das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung weder einen Klärungsbedarf noch das erforderliche Allgemeininteresse (z.B. Senatsbeschluss vom 8. März 2010 III B 123/09, BFH/NV 2010, 1288).
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bb) Die Beurteilung der Begleitumstände des Innehabens einer Wohnung liegt zudem weitgehend auf tatsächlichem Gebiet. Die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigungen des Finanzgerichts (FG) sowie Schlussfolgerungen tatsächlicher Art sind jedoch nach § 118 Abs. 2 FGO einer Nachprüfung durch den BFH entzogen, sofern nicht Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze zu beanstanden sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2011 III B 202/10, BFH/NV 2012, 226; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 30).
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2. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt.
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a) Soweit man in dem Vorbringen des Klägers die (sinngemäße) Rüge erkennen wollte, das FG sei --selbst ohne gestellte Beweisanträge-- verpflichtet gewesen, den Sachverhalt hinsichtlich der Frage des Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers weiter aufzuklären, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision wegen einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht, da das Vorbringen nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht.
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aa) Eine schlüssige Rüge, das FG habe gegen seine Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung --auch ohne entsprechenden Beweisantritt seitens des Beschwerdeführers-- verstoßen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), erfordert die Darlegung, zu welchen konkreten Tatsachen weitere Ermittlungen geboten waren, welche Beweise zu welchem Beweisthema das FG von Amts wegen hätte erheben müssen, aus welchen Gründen sich ihm die Notwendigkeit einer weiteren Sachverhaltsaufklärung oder einer Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die unterlassene Ermittlungsmaßnahme oder Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 23. Februar 2012 X B 91/11, BFH/NV 2012, 1150, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 69, 70, m.w.N.).
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bb) An einem solchen Vorbringen fehlt es. Insbesondere ist nicht dargetan, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts oder eine Beweisaufnahme auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können oder weshalb sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung oder einer Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Im Streitfall hatte das FG nämlich eine weitere Sachaufklärung bzw. Beweisaufnahme auf der Basis seines Rechtsstandpunkts gerade für entbehrlich gehalten. Es hat seine Entscheidung --neben der Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG)-- allein mit dem fehlenden Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder des Klägers im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, begründet (§ 63 Abs. 1 Satz 3 EStG). Die Frage des Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers im Rahmen seiner Anspruchsberechtigung nach § 62 Abs. 1 EStG hat es insoweit rechtsfehlerfrei offen gelassen (FG-Urteil S. 5 f.).
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b) Soweit der Kläger die Nichtberücksichtigung seines Vortrags, er sei im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen, durch das FG als eine Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO in Form eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten rügt, genügt die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Auch insoweit fehlt es schon an einem schlüssigen Vortrag, dass das angefochtene Urteil ohne den behaupteten Verfahrensmangel möglicherweise anders ausgefallen wäre (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 80 und § 116 Rz 49).
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3. Soweit sich die Einwendungen des Klägers letztlich gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung richten, können diese im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zum Erfolg führen. Fehler in der Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall --so sie denn vorliegen-- rechtfertigen für sich genommen nicht die Zulassung der Revision (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 21. Januar 2013 III B 167/11, BFH/NV 2013, 754; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34). Eine Ausnahme hiervon kommt nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nur dann in Betracht, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende Fehler bei der Auslegung des revisiblen Rechts aufweist, dass die Entscheidung des FG "objektiv willkürlich" erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (z.B. BFH-Beschluss vom 14. Dezember 2011 X B 85/11, BFH/NV 2012, 749). Dies ist schon nicht vorgetragen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
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