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BFH 07.05.2013 - VII B 199/12
BFH 07.05.2013 - VII B 199/12 - Zahlungsverjährung des Erstattungsanspruchs bei unerkannter Nichtigkeit des Steuerbescheids
Normen
§ 37 Abs 2 AO, § 229 Abs 1 S 2 AO, § 231 Abs 1 S 1 AO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 19. September 2012, Az: 3 K 427/11, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Frist für die Zahlungsverjährung eines Erstattungsanspruchs beginnt mit der Zahlung des zu erstattenden Betrages, wenn sich der Erstattungsanspruch auf eine rechtsgrundlose Zahlung, etwa auf einen nichtigen Steuerbescheid, bezieht. § 229 Abs. 1 Satz 2 AO ist insoweit nicht einschlägig .
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2. NV: Dem Steuerpflichtigen ist es zumutbar, für den Fall der Nichtigkeit eines Steuerbescheides vorsorglich seinen Anspruch z.B. durch Zahlungsaufforderung geltend zu machen und dadurch den Lauf der Verjährungsfrist zu unterbrechen .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) verlangt vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) die Erstattung der von ihrer Rechtsvorgängerin im Jahr 2005 gezahlten Steuern (Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer). Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der diesen Zahlungen zugrunde liegenden Bescheide war erfolglos geblieben. Im Verlauf des nach erfolglosem Einspruchsverfahren angestrengten Klageverfahrens sind die Beteiligten jedoch zu der Auffassung gelangt, die Steuerbescheide seien nichtig, weil sie sich an einen steuerrechtlich nicht existenten angeblichen Steuerpflichtigen richteten.
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Mit Schreiben vom 21. Januar 2011 hat die Klägerin daraufhin vom FA die Erstattung der geleisteten Steuerzahlungen beantragt. Das FA hat die Erstattung wegen Zahlungsverjährung abgelehnt und hierüber den in diesem Verfahren angefochtenen Abrechnungsbescheid erlassen.
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Die dagegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, da die Steuerbescheide nichtig gewesen seien, habe die Frist für die Zahlungsverjährung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Hinweis u.a. auf das Urteil vom 7. Februar 2002 VII R 33/01, BFHE 197, 569, BStBl II 2002, 447) mit der Zahlung begonnen und sei mithin Ende 2010 abgelaufen.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel geltend macht.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Verfahrensfehler, auf denen das angefochtene Urteil beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), sind nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
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1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren voraussichtlich Rechtsfragen zu beantworten sein werden, deren Klärung durch eine Entscheidung des BFH im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Auslegung oder der Fortentwicklung des Rechts liegt. Hat der BFH über eine Rechtsfrage bereits entschieden, vermag eine solche Rechtsfrage nur dann einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu verleihen, wenn Anlass besteht, diese Rechtsprechung zu überprüfen, insbesondere weil in ihr bestimmte Gesichtspunkte möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Diese Gesichtspunkte hat der Beschwerdeführer, der die Zulassung einer Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung erlangen will, gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO darzulegen.
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Der beschließende Senat hat u.a. in dem vom FG mit Recht angeführten Urteil in BFHE 197, 569, BStBl II 2002, 447 entschieden, dass die Frist der Zahlungsverjährung eines Erstattungsanspruchs (§ 37 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO--) mit der Zahlung des zu erstattenden Betrages beginnt, wenn sich der Erstattungsanspruch auf eine rechtsgrundlose Zahlung bezieht und folglich mit derselben entsteht, ohne dass es einer diesbezüglichen Festsetzung bedürfte. Denn in einem solchen Fall greift § 229 Abs. 1 Satz 2 AO nicht ein, wonach die Zahlungsverjährung nicht vor Ablauf des Kalenderjahres der Festsetzung beginnt, aus welcher sich der Anspruch ergibt.
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Gegen diese Rechtsprechung wendet die Beschwerde hauptsächlich ein, es sei für den Steuerpflichtigen häufig schwierig zu erkennen, ob ein Steuerbescheid rechtswidrig ist (mithin die Zahlungsverjährung nicht vor seiner Aufhebung oder Änderung beginnt) oder ob er nichtig ist (mithin die Zahlungsverjährung mit der Zahlung auf diesen Bescheid beginnt). Das Risiko einer diesbezüglich falschen Beurteilung dürfe dem Steuerpflichtigen nicht aufgebürdet werden. Der Sinn der Verjährung, Rechtssicherheit zu schaffen, werde sonst ins Gegenteil verkehrt. Deshalb sei es geboten, § 229 Abs. 1 Satz 2 AO in diesem Zusammenhang entsprechend anzuwenden. Wer auf einen solchen Bescheid zahle, werde sonst grundlos schlechter gestellt als derjenige, der AdV erhalten habe.
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Diese --sinngemäß bereits vom FG berücksichtigten-- Erwägungen sind nachvollziehbar, aber nicht geeignet, den Senat von seiner Rechtsprechung abzubringen. Wortlaut und Sinn des § 229 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AO sind klar und eindeutig und erfassen den Fall der Zahlung auf einen nichtigen Steuerbescheid offenkundig nicht; es ist schon deshalb zweifelhaft, ob diese Vorschrift auf einen solchen Fall "entsprechend" angewandt werden könnte, zumal für eine Regelungslücke und die Notwendigkeit einer teleologischen Erweiterung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift, wie sie der Beschwerde vorschwebt, weder etwas dargelegt noch sonst erkennbar ist. Denn anders als die Beschwerde glauben machen will, befindet sich der mit einem später als nichtig erkannten Bescheid konfrontierte Steuerpflichtige nicht in einer Lage, in der es ihm nicht möglich oder zumutbar wäre, seine Ansprüche gegenüber der Finanzbehörde zu wahren. Vielmehr kann er ohne Weiteres und auch ohne besonderen Aufwand für den Fall der Nichtigkeit des Steuerbescheides, auf den gezahlt worden ist, vorsorglich seinen Erstattungsanspruch z.B. durch entsprechende Zahlungsaufforderung geltend machen und dadurch den Lauf der Verjährungsfrist gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO unterbrechen. Auch wenn die Nichtigkeit eines Steuerbescheides mitunter nicht von vornherein eindeutig erkennbar und nicht leicht von bloßer Rechtswidrigkeit abzugrenzen sein mag, liegt solche Vorsorge zu treffen bei einer umsichtigen Verfahrensführung nahe, sobald --was zu erkennen im Allgemeinen nicht unmöglich ist-- die Nichtigkeit eines Steuerbescheides in Betracht zu ziehen ist.
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Überdies steht sich der Steuerpflichtige aufgrund der sich aus der Unanwendbarkeit des § 229 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AO ergebenden Rechtslage im Allgemeinen nicht schlechter, als wenn diese Vorschrift auf den Fall von Zahlungen auf nichtige Bescheide in dem Sinne angewendet würde, dass der Erstattungsanspruch wegen solcher Zahlungen unverjährbar ist (weil keine anspruchsbegründende Feststellung ergehen muss und auch niemals ergeht) oder, was die Beschwerde offenbar für geboten hält, dass die Frist erst beginnt, wenn die Nichtigkeit des Bescheides erkannt oder wenn sie von der Finanzbehörde eingestanden wird, für welche Annahmen es übrigens an jedem Ansatzpunkt im Gesetz fehlte. Denn bei Zahlung auf einen nichtigen Bescheid kann die Finanzbehörde gemäß § 171 Abs. 14 AO den Erstattungsanspruch, solange er nicht verjährt ist, dadurch vereiteln, dass sie die nichtige Festsetzung durch eine wirksame ersetzt, sofern --wie es zumindest in der Regel der Fall sein wird-- der Erstattungsanspruch mit dem noch festzusetzenden Steueranspruch im Sinne vorgenannter Vorschrift "zusammenhängt".
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2. Wenn die Beschwerde ferner sinngemäß vorträgt, das FG habe das Vorbringen der Klägerin in dem gegen die Steuerfestsetzungsbescheide gerichteten Verfahren nicht als eine die Zahlungsverjährung unterbrechende Geltendmachung des Erstattungsverlangens, mithin als verjährungsunterbrechend, ausgelegt und weiterhin verkannt, dass das FA gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße, wenn es zunächst die Nichtigkeit seiner Steuerbescheide in Abrede stelle, sich dann aber nach Ablauf der Verjährungsfrist auf die Nichtigkeit berufe, macht die Beschwerde, anders als sie vorgibt, keine Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sondern materiell-rechtliche Mängel der Entscheidung des FG geltend, die, auch wenn sie vorliegen mögen, die Zulassung einer Revision nicht rechtfertigen können.
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