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BFH 12.10.2012 - XI B 51/12
BFH 12.10.2012 - XI B 51/12 - Rüge einer überlangen Verfahrensdauer
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 4 Nr 1 Buchst b UStG 1993, § 6a Abs 1 UStG 1993
Vorinstanz
vorgehend FG München, 21. März 2012, Az: 3 K 1430/09, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Rüge der überlangen Verfahrensdauer erfordert Ausführungen dazu, inwieweit das angefochtene Urteil anders ausgefallen wäre, wenn das FG zu einem früheren Zeitpunkt entschieden hätte.
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2. NV: Eine solche Rüge kann nur auf die Dauer des gerichtlichen Verfahrens, nicht (auch) auf die Dauer des Einspruchsverfahrens gestützt werden.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, wendet sich mit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Finanzgerichts (FG), mit der das FG die Anerkennung von steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen eines PKW BMW an einen Abnehmer in Belgien und eines PKW Mercedes Benz an einen Abnehmer in Spanien nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für das Streitjahr 1998 versagt hat.
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Das FG hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe hinsichtlich der streitgegenständlichen PKW jedenfalls keinen hinreichenden Belegnachweis für das Vorliegen der Voraussetzungen der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen erbracht. Auch auf Grund der objektiven Beweislage stehe nicht fest, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG für die Lieferung der PKW Mercedes Benz und BMW vorlägen. Die Klägerin könne sich schließlich nicht auf den Vertrauensschutz gemäß § 6a Abs. 4 UStG berufen. Denn die Frage des Gutglaubensschutzes stelle sich erst dann, wenn der Unternehmer seinen --im Streitfall nicht erfüllten-- Nachweispflichten gemäß §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung nachgekommen sei.
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Gegen das Urteil des FG wendet sich die Klägerin mit der auf Verfahrensmängel gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Beschwerde ist teils unzulässig, teils unbegründet, so dass sie insgesamt als unbegründet zurückzuweisen ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Oktober 2010 VI B 91/10, BFH/NV 2011, 280, m.w.N.).
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Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision u.a. zuzulassen, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
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Die von der Beschwerde gerügten Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen --soweit sie den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt worden sind-- nicht vor.
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1. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes; § 96 Abs. 2 FGO) ergibt sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht unter dem Gesichtspunkt einer Überraschungsentscheidung. Eine solche liegt vor, wenn das FG seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. Januar 2008 X B 179/06, BFH/NV 2008, 608; vom 18. September 2009 IV B 140/08, BFH/NV 2010, 220, unter b).
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Die Beteiligten haben die Frage, ob die Klägerin die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der behaupteten innergemeinschaftlichen Lieferungen der PKW BMW und Mercedes Benz ordnungsgemäß nachgewiesen hat, schriftsätzlich kontrovers erörtert. Die Abweisung der Klage als unbegründet wegen nicht erfüllter Nachweispflichten erfolgte daher für die Klägerin nicht überraschend. Das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet das Gericht nicht, die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend zu erörtern und ihnen die einzelnen für die Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte im Voraus anzudeuten (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 25. Mai 2000 VI B 100/00, BFH/NV 2000, 1235; vom 13. Juli 2012 IX B 3/12, BFH/NV 2012, 1635, unter 3.a).
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2. Die weitere Rüge der Klägerin, das FG sei von Amts wegen gemäß § 76 Abs. 1 FGO verpflichtet gewesen, den Sachverhalt weiter aufzuklären, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht, da die Rüge nicht den formellen Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht.
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Da die Sachaufklärungspflicht dazu dient, die Spruchreife der Klage herbeizuführen, hat das FG nur das aufzuklären, was aus seiner materiell-rechtlichen Sicht entscheidungserheblich ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 5. August 2011 III B 144/10, BFH/NV 2011, 1915, Leitsatz 2, unter II.2.b; vom 28. Juni 2011 IX B 11/11, BFH/NV 2011, 1891; vom 18. Juli 2012 V B 99/11, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris, unter II.1.a). Um einen Sachaufklärungsmangel hinreichend darzulegen, hätte die von einem Prozessbevollmächtigten vertretene Klägerin vortragen müssen, welche konkreten Tatsachen das FG habe aufklären und welche genau bezeichneten Beweise es von Amts wegen habe erheben müssen, weshalb sie nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat und weshalb sich die Beweiserhebung dem FG auch ohne besonderen Antrag als erforderlich habe aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweisaufnahme --auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG-- zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. Januar 2010 III B 50/09, BFH/NV 2010, 919; vom 18. Juli 2012 V B 99/11, n.v., juris, unter II.1.a). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
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Die Sachaufklärungsrüge ist auch nicht geeignet, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, die eine fachkundig vertretene Beteiligte selbst in zumutbarer Weise in der mündlichen Verhandlung beim FG hätte stellen können (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. April 2012 I B 123/11, BFH/NV 2012, 1299, Leitsatz 2; vom 18. Juli 2012 V B 99/11, n.v., juris, unter II.1.a). Ein umsichtiger Prozessvertreter muss vielmehr stets gewärtigen, dass das Gericht die Beweismittel abweichend würdigt, und ist deshalb gehalten, vorsorglich alle von ihm für zweckmäßig erachteten Beweisanträge zu stellen und ihre Ablehnung gegebenenfalls rechtzeitig zu rügen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2012, 1299, unter II.4.; vom 18. Juli 2012 V B 99/11, n.v., juris, unter II.1.a).
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Die Klägerin hat weder dargelegt noch ist es aus dem Sitzungsprotokoll des FG ersichtlich, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG Beweisanträge gestellt hat.
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3. Auch die von der Klägerin erhobene Rüge einer überlangen Verfahrensdauer rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.
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a) Macht ein Beschwerdeführer den Verfahrensmangel einer überlangen Verfahrensdauer geltend, so sind schlüssige Ausführungen dazu erforderlich, inwieweit das angefochtene Urteil anders ausgefallen wäre, wenn das FG zu einem früheren Zeitpunkt entschieden hätte (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 31. August 2010 III B 95/09, BFH/NV 2010, 2294; vom 26. Oktober 2011 IV B 139/10, BFH/NV 2012, 263, unter I.F.); hieran fehlt es. Im Übrigen kann im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde eine solche Rüge nur auf die Dauer des gerichtlichen Verfahrens, nicht (auch) auf die Dauer des Einspruchsverfahrens gestützt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. September 2007 VII B 75/07, BFH/NV 2008, 126; in BFH/NV 2012, 263, unter I.F.). Des Weiteren ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass eine überlange Verfahrensdauer keine Verwirkung des Steueranspruchs nach sich ziehen kann (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 14. Juli 2010 VIII B 83/09, BFH/NV 2010, 1848; in BFH/NV 2012, 263, unter I.F.).
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b) Eine abweichende rechtliche Beurteilung folgt auch nicht aus dem von der Klägerin angeführten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 2. September 2010 46344/06 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2010, 3355). Der EGMR stellte darin insbesondere fest, dass das dortige Gerichtsverfahren allein vor dem Oberverwaltungsgericht fast acht Jahre anhängig war (vgl. Urteil in NJW 2010, 3355, Rz 44). Davon abweichend wendet sich die Klägerin im Streitfall gegen das fast zehn Jahre dauernde Verwaltungsverfahren vor dem FA. Das anschließende Gerichtsverfahren vor dem FG dauerte hingegen circa zwei Jahre und zehn Monate.
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4. Soweit sich die Ausführungen der Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung gegen die materielle Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung richten, wird damit keiner der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Zulassungsgründe dargetan, sondern nur, dass das FG nach Auffassung der Klägerin falsch entschieden habe. Die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung vermag die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO grundsätzlich nicht zu begründen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. November 2008 XI B 172/07, BFH/NV 2009, 617; vom 1. April 2011 XI B 75/10, BFH/NV 2011, 1372, m.w.N.).
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5. Von einer weiteren Begründung des Beschlusses sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
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