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BFH 26.07.2012 - III R 97/08
BFH 26.07.2012 - III R 97/08 - Minderung des Anspruchs auf deutsches (Differenz-)Kinder-geld um eine Schweizer Familienzulage - Begriff der Familienleistung
Normen
§ 65 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, Art 1 Buchst u Ziff i EWGV 1408/71, Art 4 Abs 1 Buchst h EWGV 1408/71, Art 10 Abs 1 Buchst a EWGV 574/72, Art 76 EWGV 1408/71, Art 10 Abs 1 Buchst b Ziff i EWGV 1408/71
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 20. November 2008, Az: 3 K 2540/07, Urteil
Leitsatz
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Die an Bedienstete das Kantons Thurgau gezahlte Familienzulage ist eine Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Buchst. h der VO Nr. 1408/71 . Sie mindert nach der gemeinschaftsrechtlichen Kollisionsregel des Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 den Anspruch auf deutsches (Differenz-)Kindergeld.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) lebt in Deutschland. Er ist arbeitslos und bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitslosengeld II --Alg II--). Er ist der Vater des im November 2003 geborenen E, der im Haushalt seiner Mutter (M) ebenfalls in Deutschland lebt. M ist seit Januar 2006 in der Schweiz, im Kanton Thurgau, an verschiedenen Schulen beschäftigt und bei der Schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung sozialversichert. Nach den Bescheinigungen und Lohnabrechnungen ihrer Schweizer Arbeitgeber erhielt M ab Januar 2006 Kinder- und Familienzulagen in wechselnder Höhe.
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Einen von M gestellten Antrag auf deutsches (Differenz-)Kindergeld lehnte die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) bestandskräftig ab.
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Aufgrund eines im Februar 2004 gestellten Kindergeldantrags erhielt der Kläger ab Geburt von E zunächst ungekürzt und später gekürztes (Differenz-)Kindergeld. Nach Vorlage der zur Überprüfung des zu zahlenden Kindergeldes angeforderten Lohnabrechnungen der M hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für Januar 2006 teilweise sowie ab Februar 2006 ganz auf und forderte überzahltes Kindergeld in Höhe von 1.114,44 € zurück. Zur Begründung stellte die Familienkasse darauf ab, die in der Schweiz gezahlten Zulagen seien höher als das deutsche Kindergeld. Zu diesem Ergebnis gelangte die Familienkasse, weil ihrer Ansicht nach nicht nur die Kinderzulage, sondern auch die Familienzulage auf den Anspruch des Klägers auf Differenzkindergeld anzurechnen waren.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Die Klage, mit der der Kläger Kindergeld ab Januar 2006 in Höhe der Differenz zur Thurgauer Kinderzulage begehrte, hatte insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) die Familienkasse zur erneuten Bescheidung verpflichtete. Zur Begründung des in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 853 veröffentlichten Urteils stellte das FG im Wesentlichen darauf ab, dass es sich bei der streitigen Familienzulage --anders als bei der Kinderzulage-- nicht um eine von dem Kanton Thurgau geschuldete "Familienleistung" i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71), in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (VO Nr. 118/97) geänderten und aktualisierten Fassung, diese wiederum geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 647/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 (VO Nr. 647/2005), handele. Diese sei als freiwillige kinderbezogene Arbeitgeberleistung Teil der Besoldung und werde nicht als staatliche Leistung der Allgemeinheit gezahlt. Der Kindergeldanspruch des Klägers ruhe somit nur in Höhe der Differenz zur Kinderzulage des Kantons Thurgau.
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Mit der Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen den Ausführungen im FG-Urteil sei die vom Kanton Thurgau gezahlte Familienzulage eine Familienleistung i.S. des Art. 4 Abs. 1 Buchst. h i.V.m. Art. 1 Buchst. u der VO Nr. 1408/71 und als solche von einem in Deutschland zu gewährenden Differenzkindergeld abzuziehen.
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Die Familienkasse beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Entgegen der Auffassung des FG ist auch die Thurgauer Familienzulage auf das Kindergeld für E anzurechnen.
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1. Der im Streitzeitraum in Deutschland wohnhafte Kläger erfüllte unstreitig die Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) für seinen ebenfalls in Deutschland lebendenden Sohn E.
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2. Nach den --den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO-- bindenden Feststellungen des FG bezog die in der Schweiz im Kanton Thurgau erwerbstätige M ab Januar 2006 nach dortigem kantonalem Recht zunächst eine Familienzulage und ab Februar 2006 zudem monatlich eine Kinderzulage. Grundlage für die Gewährung der Zulagen sind § 11 Abs. 1 der Verordnung des Großen Rates über die Besoldung der Lehrkräfte vom 18. November 1998, § 6 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. §§ 18 und 19 der Verordnung des Großen Rates über die Besoldung des Staatspersonals (BesoldungsVO) vom 18. November 1998 sowie die maßgeblichen Vorschriften im Gesetz über die Kinder- und Ausbildungszulagen vom 29. September 1986.
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a) Das FG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, der die Anrechnung von im Ausland gewährten, dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen regelt, im Streitfall durch Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO Nr. 1408/71 (VO Nr. 574/72) in der durch die VO Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung, diese wiederum geändert durch die VO Nr. 647/2005, verdrängt wird.
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aa) In welchem Umfang Leistungen eines anderen Mitgliedstaats als dem, in dem der Anspruchsberechtigte und seine Familie wohnen, für dasselbe Kind auf das deutsche Kindergeld anzurechnen sind, richtet sich auch im Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz seit 1. Juni 2002 --dem Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BGBl II 2001, 810, BGBl II 2002, 1692)-- ausschließlich nach den Antikumulierungsregeln des Gemeinschaftsrechts in der VO Nr. 1408/71 und der VO Nr. 574/72. Ist der Kindergeldanspruch im Wohnland des Kindes --wie hier im Falle des Wohnlands Deutschland-- nicht von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit abhängig, ist nicht Art. 76 der VO Nr. 1408/71, sondern Art. 10 der VO Nr. 574/72 anzuwenden.
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bb) Unerheblich für die Anwendung der Antikumulierungsvorschrift des Art. 10 der VO Nr. 574/72 ist, ob der Kläger als der nach deutschem Recht Kindergeldberechtigte die Voraussetzungen des Anhangs I Teil I Buchst. D (ab 2007 Buchst. E) der VO Nr. 1408/71 erfüllt. Ausreichend ist vielmehr, dass M in der Schweiz eine Tätigkeit als "Arbeitnehmer" i.S. von Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 ausübt bzw. dass E "Familienangehöriger" der in der Schweiz tätigen M i.S. von Art. 1 Buchst. f Ziff. i der VO Nr. 1408/71 ist und damit sowohl M als auch E in den persönlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 fallen (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 14. Oktober 2010 C-16/09, Schwemmer, Slg. 2010, I-9717 Rdnr. 38; vom 4. Juli 1985 C-104/84, Kromhout, Slg. 1985, 2205 Rdnr. 15).
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cc) Da der Kläger --als derjenige, der im Wohnland des Kindes einen Anspruch auf Familienleistungen hat-- in Deutschland nach den Feststellungen des FG im Streitzeitraum arbeitslos war und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Alg II) bezog, ist Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 einschlägig.
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Insbesondere ist nicht der --grundsätzlich vorrangige-- Art. 10 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der VO Nr. 574/72 anzuwenden. Denn nach dem Beschluss Nr. 207 vom 7. April 2006 der Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaften für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer 2006/442/EG zur Auslegung des Art. 76 und des Art. 79 Abs. 3 VO Nr. 1408/71 sowie des Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 574/72 bezüglich des Zusammentreffens von Familienleistungen oder –beihilfen (Amtsblatt der Europäischen Union 2006 Nr. L 175, S. 83) wird eine Berufstätigkeit i.S. des Art. 10 Abs. 1 der VO Nr. 574/72 bei einer vorübergehenden Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wegen Arbeitslosigkeit nur ausgeübt, solange ein Arbeitsentgelt oder andere Leistungen als Renten im Zusammenhang mit diesem Versicherungsfall zu zahlen sind (vgl. Nr. 2 Buchst. b Ziff. i des Verwaltungskommissionsbeschlusses Nr. 207). Dies ist bei dem von dem Kläger bezogenen Alg II nicht der Fall. Denn bei diesem handelt es sich um besondere beitragsunabhängige Geldleistungen i.S. der Art. 4 Abs. 2a und Art. 10a der VO Nr. 1408/71, nicht jedoch um eine Leistung bei Arbeitslosigkeit gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. g der VO Nr. 1408/71 (vgl. Anhang II A Teil D (ab 2007 Buchst. E) der VO Nr. 1408/71). Mangels Bezug zu einer früheren Erwerbstätigkeit hat das Alg II keine an den bisherigen Verdienst anknüpfende Entgeltersatzfunktion (vgl. auch Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. Januar 2011 B 4 AS 14/10 R, BSGE 107, 206).
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dd) Nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 ruht der Anspruch auf Familienleistungen im Wohnland bis zur Höhe der während desselben Zeitraums für dasselbe Familienmitglied allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften des Beschäftigungslandes oder nach Art. 73 ff. der VO Nr. 1408/71 geschuldeten Leistungen. Hieraus ergibt sich, dass die Leistungen, die in einem anderen als dem Mitgliedstaat, in dem das Kind wohnt, entweder allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder u.a. nach Art. 73 der VO Nr. 1408/71 geschuldet werden, den nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem dieses Kind wohnt, geschuldeten Leistungen vorgehen, so dass diese ausgesetzt werden (vgl. EuGH-Urteil Schwemmer in Slg. 2010, I-9717 Rdnr. 48).
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b) Entgegen der Ansicht des FG ist nicht nur die Thurgauer Kinderzulage, sondern auch die Thurgauer Familienzulage eine Familienleistung, die den Kindergeldanspruch des Klägers mindert.
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aa) Familienleistungen werden in Art. 1 Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 definiert als alle Sach- oder Geldleistungen, die zum Ausgleich von Familienlasten im Rahmen der in Art. 4 Abs. 1 Buchst. h der VO Nr. 1408/71 genannten Rechtsvorschriften bestimmt sind, mit Ausnahme von Geburts- oder Adoptionsbeihilfen. Nach Art. 4 Abs. 1 der VO Nr. 1408/71 fallen in den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, welche die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a bis h der VO Nr. 1408/71 aufgeführten Leistungsarten betreffen. Dazu gehören die in Buchst. h aufgeführten Familienleistungen.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH hängt die Unterscheidung zwischen Leistungen, die vom Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 ausgeschlossen sind, und solchen, die darunter fallen, im Wesentlichen von den grundlegenden Merkmalen der jeweiligen Leistung ab, insbesondere von ihrem Zweck und den Voraussetzungen ihrer Gewährung, nicht dagegen davon, ob eine Leistung von den nationalen Rechtsvorschriften als eine Leistung der sozialen Sicherheit eingestuft wird. Eine Leistung kann deshalb dann als Leistung der sozialen Sicherheit betrachtet werden, wenn sie den Empfängern unabhängig von jeder auf Ermessensausübung beruhenden Einzelfallbeurteilung der persönlichen Bedürftigkeit aufgrund einer gesetzlich umschriebenen Stellung gewährt wird und sich auf eines der in Art. 4 Abs. 1 der VO Nr. 1408/71 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht (z.B. EuGH-Urteile vom 16. Juli 1992 C-78/91, Hughes, Slg. 1992, I-4839 Rdnrn. 14 und 15; vom 10. Oktober 1996 C-245/94 und C-312/94, Hoever und Zachow, Slg. 1996, I-4895 Rdnrn. 17 und 18; vom 15. März 2001 C-85/99, Offermanns, Slg. 2001, I-2261 Rdnr. 28).
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"Familienleistungen" sollen dabei dazu dienen, Arbeitnehmer mit Familienlasten dadurch sozial zu unterstützen, dass sich die Allgemeinheit an diesen Lasten beteiligt (vgl. EuGH-Urteile Kromhout in Slg. 1985, 2205 Rdnr. 14; Offermanns in Slg. 2001, I-2261 Rdnr. 38). Der Ausdruck "Ausgleich von Familienlasten" in Art. 1 Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 erfasst folglich einen staatlichen Beitrag zum Familienbudget, der die Kosten des Unterhalts von Kindern verringern soll (EuGH-Urteile Offermanns in Slg. 2001, I-2261 Rdnr. 41; vom 7. November 2002 C-333/00, Maaheimo, Slg. 2002, I-10087 Rdnr. 25). Wie der Mitgliedstaat die Leistung rechtstechnisch ausgestaltet, ist unerheblich (EuGH-Urteil Offermanns in Slg. 2001, I-2261 Rdnr. 46).
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bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze fällt auch die streitige Thurgauer Familienzulage unter die VO Nr. 1408/71, da sie aufgrund von Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit gewährt wird, die Familienleistungen betreffen.
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(1) Davon, dass es sich bei der Thurgauer Familienzulage um eine Leistung der sozialen Sicherheit handelt, ist auch das FG ausgegangen.
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(2) Die Thurgauer Familienzulage dient jedoch auch dazu, die Familienlasten i.S. von Art. 1 Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 auszugleichen. Unerheblich ist, dass es sich insoweit nach Kantonsrecht um einen Teil der Besoldung handelt, da die Rechtsnatur einer Leistung nach nationalem Recht für die Frage, ob die Leistung in den sachlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 fällt, ohne Belang ist (vgl. EuGH-Urteile Hughes in Slg. 1992, I-4839 Rdnr. 14; Hoever und Zachow in Slg. 1996, I-4895 Rdnr. 17). Dass eine Leistung dem nationalen Familienrecht zuzurechnen ist, ist folglich für die Beurteilung ihrer grundlegenden Merkmale nicht entscheidend (EuGH-Urteil Offermanns in Slg. 2001, I-2261 Rdnr. 37). Die systematische Einordnung im Thurgauer Rechtsbuch ist ohne Belang.
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Entscheidend ist vielmehr, dass der Große Rat des Kantons Thurgau die Familienzulage als Unterstützung für familiäre Lasten und damit als Zusatz zur Kinderzulage ansieht (vgl. Seiten 26 und 4 der Protokolle des Großen Rates vom 16. und 30. August 2006, betreffend die Änderung der BesoldungsVO; www.parlament.tg.ch). Auch wenn es sich um einen Besoldungsbestandteil handelt, führt die Zahlung gleichwohl unmittelbar zu einer Verbesserung der Liquidität des Familienbudgets und damit des Lebensstandards der Familie. Dieser durch Abmilderung der finanziellen Belastung gegebene enge Zusammenhang (vgl. hierzu EuGH-Urteil Maaheimo in Slg. 2002, I-10087 Rdnr. 26) zwischen den Familienlasten eines Kantonsbediensteten und der Thurgauer Familienzulage ist ausreichend.
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cc) Die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zur Auslegung des Begriffs "Familienleistung" ist nicht erforderlich. Zu dem Begriff "Familienleistung" besteht bereits eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH (Senatsurteil vom 17. April 2008 III R 36/05, BFHE 221, 50, BStBl II 2009, 921, unter II.4.). Es bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Thurgauer Familienzulage die vom EuGH vorgegebenen Kriterien erfüllt.
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3. Damit kann die Frage dahinstehen, ob der Anspruch des Klägers wegen § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG auch deshalb zu verneinen ist, weil E nach den --den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO-- bindenden Feststellungen des FG in den Haushalt der M aufgenommen ist und diese im Hinblick auf die Fortentwicklung der Rechtsprechung des EuGH (vgl. insbesondere Urteile vom 20. Mai 2008 C-352/06, Bosmann, Slg. 2008, I-3827; vom 12. Juni 2012 C-611/10, Hudzinski, DStRE 2012, 999) trotz ihres Anspruchs auf Familienleistungen nach dem Recht des Kantons Thurgau gleichwohl im Wohnland Deutschland möglicherweise ebenfalls anspruchsberechtigt ist (vgl. auch das Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 22. Dezember 2011 III R 32/05, BFHE 236, 131).
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4. Die Familienkasse war nach § 70 Abs. 2 EStG und § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) dazu berechtigt, die Kindergeldfestsetzung rückwirkend für Januar 2006 teilweise und ab Februar 2006 in vollem Umfang aufzuheben. Die Rückforderung des zu viel gezahlten Kindergeldes (§ 37 Abs. 2 AO) ist der Höhe nach nicht zu beanstanden.
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