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BFH 25.07.2012 - VII B 56/11
BFH 25.07.2012 - VII B 56/11 - Frage nach weiteren Sicherheiten zum Erhalt eines mineralölsteuerrechtlichen Entlastungsanspruchs außer einem Eigentumsvorbehalt nicht klärungsfähig
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 96 Abs 1 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 53 Abs 1 Nr 3 MinöStV, § 60 Abs 1 Nr 3 EnergieStG
Vorinstanz
vorgehend FG Hamburg, 22. November 2010, Az: 4 K 260/08, Urteil
Leitsatz
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NV: Die Frage, ob es rechtlich möglich bzw. zulässig ist, über die nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV und § 60 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG geforderte Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts hinaus noch weitere Sicherheiten zu vereinbaren und welche Maßnahmen ein Mineralölhändler im Hinblick auf die Verwertung solcher Sicherheiten ergreifen muss, um sich im Falle eines Forderungsausfalls den Entlastungsanspruch zu erhalten, kann nur aufgrund der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantwortet werden, weshalb sie einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) belieferte eine GmbH & Co. KG regelmäßig mit Kraftstoffen. Die Kaufpreisforderungen für die im Zeitraum vom 13. bis 28. April 2004 durchgeführten Lieferungen wurden nicht beglichen. Daraufhin erwirkte die Klägerin den Erlass eines Mahnbescheids, der jedoch aufgrund des Todes des alleinigen Gesellschafters und Geschäftsführers der Komplementär-GmbH weder an die GmbH & Co. KG noch an die Komplementär-GmbH zugestellt werden konnte. Mit Schreiben vom 9. Juli 2004 bat die Klägerin das zuständige Amtsgericht, die Nachfolge in der Geschäftsführung mit dem inzwischen eingesetzten Testamentsvollstrecker abzuklären, hilfsweise einen Notgeschäftsführer zu bestellen. Der Klägerin wurden im Oktober 2004 die Namen und Adressen des Nachlassverwalters sowie der Erbin mitgeteilt. Schließlich konnten die Mahnbescheide der GmbH & Co. KG am 19. Mai 2005 und der Komplementär-GmbH am 23. Mai 2005 zugestellt werden. Nachdem die Vollstreckungsversuche erfolglos geblieben waren, beantragte die Klägerin die Vergütung der in den ausgefallenen Kaufpreisforderungen enthaltenen Mineralölsteuer. Den Antrag lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) jedoch ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Klägerin habe zwar rechtzeitig einen Mahnbescheid beantragt. Auch könne ihr nicht vorgeworfen werden, die Zwangsvollstreckung nicht mit der gebotenen Nachdrücklichkeit betrieben bzw. die Vollstreckungsbemühungen verfrüht eingestellt zu haben. Allerdings habe sich die Klägerin nicht mit der unter den gegebenen Umständen erforderlichen Intensität um die Verwertung des Nachlassvermögens des Alleingesellschafters bemüht, weshalb eine Vergütung der Mineralölsteuer nicht in Betracht komme. Aufgrund der der Klägerin erteilten Bürgschaft und spätestens mit der am 29. September 2004 erfolgten Bestellung des Nachlassverwalters wäre eine Vollstreckung in das Nachlassvermögen möglich gewesen. Die Beschränkung der Sicherungsrechte auf den "Nettowert" sei rechtlich belanglos, denn selbst unter Annahme einer solchen Beschränkung sei die Klägerin an der Durchführung der Zwangsvollstreckung nicht gehindert gewesen. Die Realisierung der Kaufpreisforderungen, in denen die Mineralölsteuer enthalten sei, hätte den Ausfallschaden vermindert.
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Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Mit seiner Entscheidung weiche das FG von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ab. In den Urteilen vom 12. Dezember 1979 VIII ZR 30/79 (Wertpapier-Mitteilungen --WM-- 1980, 128), vom 10. Dezember 1975 VIII ZR 306/74 (BGHZ 65, 368) und vom 19. Januar 1977 VIII ZR 211/75 (WM 1977, 334) habe der BGH festgestellt, dass eine Bürgschaft auch für Teilbeträge einer einheitlichen, nicht in selbständige Einzelforderungen zerlegten Verbindlichkeit übernommen werden könne. Während der BGH eine Teilbürgschaft anerkenne, sei es nach Ansicht des FG nicht möglich, einen Teilbetrag einer einheitlichen Kaufpreisforderung gesondert zu sichern. Den Parteiwillen, die Bürgschaft auf den Nettowarenwert zu beschränken, halte das FG für unbeachtlich. Dies stehe in Widerspruch zur Verwaltungsanweisung vom 1. April 2005 (VSF-Nachrichten N 34 2005 Nr. 139), nach der in den Fällen einer Beschränkung der Sicherungsabrede auf den Warenwert der ausgefallene Steueranteil in voller Höhe erstattet werde.
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Vom Bundesfinanzhof (BFH) sei die Rechtsfrage noch nicht entschieden worden, ob es über die Regelungen in § 53 Abs. 1 Nr. 3 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) und § 60 Abs. 1 Nr. 3 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) hinaus rechtlich möglich bzw. zulässig sei, über den verlangten Eigentumsvorbehalt hinaus weitere Sicherheiten derart zu vereinbaren, dass diese zur Sicherung des Warenwerts dienen sollen. Eine freiwillige zusätzliche Vorsorge dürfe dem Mineralölhändler nicht zum Nachteil gereichen. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ungeklärt sei auch die Frage, welche Maßnahmen ein Mineralölhändler, der sich freiwillig zusätzliche Sicherheiten hat einräumen lassen, im Hinblick auf deren Verwertung ergreifen müsse, bevor er eine Mineralölsteuerentlastung beantragen könne. Dem Mineralölhändler müsse es unter kaufmännischen Gesichtspunkten gestattet werden, zusätzliche Sicherheiten "freihändig" zu verwerten. Im Streitfall sei die Klägerin zwar nicht "formaljuristisch" vorgegangen, dennoch liege eine hinreichende Verwertung der Sicherheiten vor. Indem das FG das Vorbringen der Klägerin in Bezug auf die Art und Weise der Verwertung der zusätzlichen Sicherheiten unberücksichtigt gelassen habe, habe es gegen § 96 Abs. 1 FGO verstoßen. Überdies liege eine unzulässige Überraschungsentscheidung vor, weil das FG in der Urteilsbegründung die Beschränkung der Bürgschaft auf den Nettowarenwert als belanglos eingestuft habe. Die damit verbundene Abweichung von der Rechtsprechung des BGH und der Verwaltungsanweisung sei in der mündlichen Verhandlung nicht erkennbar gewesen.
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Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es hält die aufgeworfenen Fragen nicht für grundsätzlich bedeutsam. Die behaupteten Verfahrensmängel lägen nicht vor.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Den von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Weder die behauptete Abweichung von der Rechtsprechung des BGH noch die gerügten Verfahrensfehler liegen vor.
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1. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat das FG hinsichtlich der rechtlichen Zulässigkeit einer Teilbürgschaft keinen Rechtssatz aufgestellt, der von der Rechtsprechung des BGH abweicht. In seiner Urteilsbegründung hat es die Möglichkeit der Beschränkung einer Bürgschaft auf einen individualisierbaren Teil einer Hauptforderung nicht in Abrede gestellt, sondern ausgeführt, dass eine solche Beschränkung der Durchführung der Zwangsvollstreckung in das Nachlassvermögen des Bürgen nicht entgegengestanden hätte. Damit hat das FG deutlich zu erkennen gegeben, dass es selbst von der Zulässigkeit einer Teilbürgschaft bzw. von der Zulässigkeit der Beschränkung einer Bürgschaft auf den Nettowarenwert ausgegangen ist. Die weiteren Ausführungen betreffen die Auslegung der Bürgschaftserklärung und ihre Deutung dahingehend, dass sich die Bürgschaft bis zur Höhe des Nettowarenwerts auf die Kaufpreisforderungen erstreckte, die der Klägerin gegenüber den in der Bürgschaftserklärung genannten Vertragspartnern zustanden. Unberührt von diesen Ausführungen bleibt die grundsätzlich als zulässig erachtete betragsmäßige Begrenzung des Sicherungsmittels. Die von der Klägerin behauptete Divergenz liegt somit nicht vor. Im Übrigen fehlt es auch an der Entscheidungserheblichkeit der von der Klägerin aufgeworfenen Frage. Denn das FG hat eine Verpflichtung der Klägerin zur Vollstreckung in das Nachlassvermögen des Bürgen ungeachtet einer etwaigen Beschränkung der Bürgschaft auf den Nettowarenwert angenommen. Bei dieser Betrachtung kam der Zulässigkeit einer solchen Beschränkung keine streitentscheidende Bedeutung zu.
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2. Soweit die Klägerin die Fragen aufwirft, ob es rechtlich möglich bzw. zulässig sei, über die von Gesetzes wegen verlangte Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts hinaus weitere Sicherheiten zu vereinbaren und welche Maßnahmen ein Mineralölhändler im Hinblick auf die Verwertung solcher Sicherheiten ergreifen müsse, um sich den Vergütungsanspruch zu erhalten, sind diese Fragen einer allgemeingültigen Klärung nicht zugänglich. Ob die gerichtliche Verfolgung des Anspruchs, die auch die Ergreifung von Vollstreckungsmaßnahmen umfasst, rechtzeitig und damit anspruchserhaltend eingeleitet worden ist, kann nur anhand der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden, so dass diese Frage keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich ist. Im Übrigen hat der BFH bereits entschieden, dass die gerichtliche Geltendmachung nicht nur gegenüber dem eigentlichen Warenempfänger, sondern auch gegenüber anderen Personen zu erfolgen hat, die für die Schulden des Warenempfängers kraft Gesetzes oder Vertrages einzustehen haben (BFH-Beschluss vom 19. April 2007 VII R 45/05, BFHE 216, 471, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2007, 221). Als solche Personen kommen persönlich haftende Gesellschafter oder Bürgen in Betracht (Jatzke in Bongartz, EnergieStG StromStG, § 60 EnergieStG Rz 25). Es bedarf somit keiner Klärung der Frage, ob die Vereinbarung zusätzlicher Sicherheiten bei der Anwendung des § 53 MinöStV bzw. (heute) des § 60 EnergieStG unberücksichtigt bleiben muss.
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3. Entgegen der Behauptung der Klägerin hat das FG ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 22. Oktober 2010 und das Bemühen um die Verwertung der Sicherheiten nicht unberücksichtigt gelassen. In den Entscheidungsgründen hat das FG auf diesen Schriftsatz ausdrücklich Bezug genommen und ausgeführt, dass es einer Würdigung dieser Erklärungen deshalb nicht bedürfe, weil die Verwertungsbemühungen nicht geeignet seien, die Klägerin von der ihr obliegenden Verpflichtung zur Betreibung der Zwangsvollstreckung zu befreien. Damit hat das FG deutlich zu erkennen gegeben, dass es seiner Entscheidung die von der Klägerin gemachten Ausführungen zu Grunde gelegt hat. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist somit nicht ersichtlich. Im Kern ihres Vorbringens rügt die Klägerin die vermeintlich rechtsfehlerhafte Würdigung der Verwertungsbemühungen als unzureichend und damit einen materiell-rechtlichen Fehler der Entscheidung. Dies kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen.
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4. Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen § 96 Abs. 2 FGO rügt, liegt der behauptete Verfahrensfehler ebenfalls nicht vor. Wie bereits ausgeführt, ist das FG von der Rechtsprechung des BGH nicht abgewichen. Daher konnte es die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf eine solche Abweichung auch nicht hinweisen. Dass das FG bei seiner Entscheidung auch die unterlassene Verwertung der Bürgschaft in Betracht ziehen würde, war für die Klägerin ohne weiteres aus dem Wiedereröffnungs-Beschluss des FG vom 27. September 2010 ersichtlich, mit dem den Beteiligten rechtliches Gehör zu der Frage gewährt wurde, ob die Inanspruchnahme bestehender Sicherungsrechte (Bürgschaft, Grundschulden) in Betracht gekommen sei, um den Zahlungsausfall zu vermeiden. Das FG musste auch nicht ausdrücklich auf eine Verwaltungsanweisung eingehen, die im Streitjahr noch gar nicht bestand, und deren Inhalt es aus seiner Sicht nicht für entscheidungserheblich hielt. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt daher nicht vor.
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