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BFH 08.03.2011 - III B 123/10
BFH 08.03.2011 - III B 123/10 - (Keine Kindergeldberechtigung geduldeter Ausländer - Keine Anwendung der Vertrauensschutzregelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X bei Rückforderung von Kindergeld)
Normen
§ 62 Abs 2 EStG 2002, § 70 Abs 2 EStG 2002, § 96 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, Art 103 Abs 1 GG, § 48 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 10
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 8. Juni 2010, Az: 3 K 173/10, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Es bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass der Ausschluss geduldeter Ausländer von der Kindergeldberechtigung nicht verfassungswidrig ist .
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2. NV: Der Gesetzgeber war nicht gehalten, eine der Vertrauensschutzregelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X entsprechende Vorschrift in das System steuerlicher Änderungsvorschriften und Aufhebungsvorschriften aufzunehmen .
Tatbestand
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I. Die aus Afghanistan stammende Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) reiste im Jahr 1992 mit ihrer Familie in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ein. Im Jahr 1995 wurde sie als asylberechtigt anerkannt. Danach erhielt sie Kindergeld für ihre beiden Kinder, das auf die Sozialhilfeleistungen angerechnet wurde, welche die Klägerin bezog. Im Jahr 1998 wurde für ein weiteres Kind der Klägerin Kindergeld festgesetzt. Die Asylberechtigung der Klägerin wurde im Jahr 1998 aberkannt, danach war der Aufenthalt der Klägerin in der Bundesrepublik lediglich geduldet. Mit Bescheid vom 17. Oktober 2005 hob die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) die Festsetzung des Kindergeldes ab März 1999 auf. Der Einspruch der Klägerin war erfolglos. Im Verlauf des anschließenden Klageverfahrens hob die Familienkasse die Festsetzung erst ab Januar 2002 auf und forderte einen Betrag von 19.404 € zurück. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage für den verbliebenen Streitzeitraum ab.
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Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängel geltend. Es sei die Frage zu beantworten, ob § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in jeder Sachlage abschließend sei und fehlendes Verschulden des Kindergeldempfängers und das Vorliegen einer besonderen Härte, die zur erhöhten Sozialhilfebedürftigkeit geführt habe, in jedem Fall unberücksichtigt bleiben müssten. Im Sozialrecht wäre das fehlende Verschulden nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zu berücksichtigen. Die Anwendbarkeit der Vorschrift scheide im steuerlichen Kindergeldrecht aus. Dies könne jedoch nicht bedeuten, dass es überhaupt nicht mehr darauf ankomme, ob ein Verschulden vorliege.
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Das angefochtene Urteil verstoße auch gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in der Entscheidung vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97 (BVerfGE 111, 160) festgestellt, dass die ausschließliche Abhängigkeit des Kindergeldanspruchs vom aufenthaltsrechtlichen Status gegen den Gleichheitssatz verstoße. Sie, die Klägerin, sei vom Kindergeldanspruch ausgeschlossen, weil sie nur über eine Duldung verfügt habe. Das BVerfG habe im Beschluss vom 6. November 2009 2 BvL 4/07 (BFH/NV 2010, 153) ausgeführt, dass eine Duldung eine Vorstufe zu einem Daueraufenthalt sein könne. Zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung habe sie, die Klägerin, sich seit 13 Jahren in der Bundesrepublik aufgehalten. Allein die Tatsache, dass sie seit über zehn Jahren nicht abgeschoben worden sei, spreche gegen die Vermutung einer baldigen Ausreise. Damit verstoße die Aufhebungsentscheidung gegen Art. 3 GG.
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Darüber hinaus habe das FG das rechtliche Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sie, die Klägerin, habe im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen, die ausschließliche Behandlung nach Finanzprozessrecht führe zu einer unangemessenen Härte. Das FG habe diesen Vortrag nicht berücksichtigt. Es habe lediglich behauptet, § 70 EStG ermögliche keinen Ermessenspielraum. Es habe den Vortrag, wonach ein atypischer Fall vorliege, der aufgrund der Schnittstelle von Steuerrecht und Sozialrecht eine andere Betrachtungsweise erfordere, nicht zur Kenntnis genommen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg und wird deshalb zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Die geltend gemachten Zulassungsgründe wurden nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt oder liegen nicht vor.
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1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängt (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. August 2006 VIII B 13/06, BFH/NV 2006, 2122). Dazu gehört auch die Darlegung, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Frage umstritten ist (z.B. BFH-Beschluss vom 20. Februar 2002 X B 157/01, BFH/NV 2002, 803).
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Diesen Voraussetzungen genügt das Vorbringen der Klägerin nicht. Die Frage, ob die Rückforderung von Kindergeld aus Gründen des Vertrauensschutzes ausgeschlossen ist, wenn den Betroffenen kein Verschulden daran trifft, dass Zahlungen zu Unrecht geleistet worden sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt. Die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung richtet sich allein nach den Vorschriften des EStG und der Abgabenordnung. Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, aus Gründen des Vertrauensschutzes eine § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X entsprechende Regelung in das System steuerlicher Änderungs- und Aufhebungsvorschriften aufzunehmen (s. Senatsurteil vom 19. November 2008 III R 108/06, BFH/NV 2009, 357, zu § 45 SGB X).
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2. Auch soweit die Klägerin --sinngemäß-- rügt, die Regelung der Kindergeldberechtigung von Ausländern sei verfassungswidrig, ist die Beschwerde unzulässig.
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Macht ein Beschwerdeführer mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung geltend, so ist auch eine substantiierte, an den Vorgaben des GG und der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2008 III B 81/08, BFH/NV 2009, 169). Hieran fehlt es im Streitfall.
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Im Übrigen hat sich der Senat bereits mehrfach mit der Verfassungskonformität des § 62 Abs. 2 EStG befasst (z.B. Urteile vom 15. März 2007 III R 93/03, BFHE 217, 443, BStBl II 2009, 905, sowie vom 22. November 2007 III R 54/02, BFHE 220, 45, BStBl II 2009, 913). Er hat entschieden, dass der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums handelte, als er die Kindergeldberechtigung von Ausländern vom Besitz bestimmter Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz abhängig machte und bei einzelnen Titeln, die einen schwächeren aufenthaltsrechtlichen Status vermitteln, darüber hinaus von einem mindestens dreijährigen rechtmäßigen, gestatteten oder geduldeten Aufenthalt im Bundesgebiet sowie von einer berechtigten Erwerbstätigkeit, vom Bezug laufender Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch oder von der Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c, Nr. 3 EStG). Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, dass geduldete Ausländer nicht kindergeldberechtigt sind. An dieser Rechtsansicht hat sich auch durch die Vorlagebeschlüsse des Bundessozialgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG vom 3. Dezember 2009 B 10 EG 5/08 R, B 10 EG 6/08 R sowie B 10 EG 7/08 R (juris), die zur wortgleichen Regelung der Berechtigung von Ausländern zur Inanspruchnahme von Erziehungsgeld nach § 1 Abs. 6 des Gesetzes zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit ergangen sind, nichts geändert (s. Senatsurteil vom 28. April 2010 III R 1/08, BFHE 229, 262, BStBl II 2010, 980).
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3. Schließlich hat auch die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs keinen Erfolg.
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Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) verpflichtet das FG, die Beteiligten über den Verfahrensstoff zu informieren und ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben, ihre Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern ihres Vorbringens auseinanderzusetzen. Das rechtliche Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls deutlich ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (z.B. Senatsbeschluss vom 27. Juli 2007 III S 8/07, BFH/NV 2007, 2135). Das Gericht ist jedoch nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen (BFH-Beschluss vom 26. November 2007 VIII B 121/07, BFH/NV 2008, 397). Die Gewährung rechtlichen Gehörs bedeutet nicht, dass das FG sich der Rechtsansicht des Klägers anschließen müsste (BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 397). Das FG hat somit nicht deshalb das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt, weil es die Rechtsmeinung, die diese gegenüber dem FG geäußert hatte, nicht teilte.
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