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BFH 10.11.2010 - V R 27/09
BFH 10.11.2010 - V R 27/09 - Leistungsort für Kontroll- und Überwachungsleistungen im internationalen Warenverkehr - Steuerbefreiung der Umsätze einer zugelassenen internationalen Kontroll- und Überwachungsgesellschaft nach § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a DBuchst. aa 1. Alt. UStG - Unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Ausfuhrgegenständen - Kein Erfordernis einer "handelsüblichen Nebenleistung" zu einer Güterbeförderung als Hauptleistung
Normen
§ 3a Abs 2 Nr 3 Buchst c UStG 1999, § 3b Abs 2 UStG 1999, § 4 Nr 3 S 1 Buchst a DBuchst aa Alt 1 UStG 1999, Art 15 Nr 13 EWGRL 388/77, Art 16 Abs 5 EGV 800/1999, Art 15 Abs 3 EGV 800/1999, Art 16 Abs 1 EGV 800/1999, Abschn 47 Abs 1 Nr 4 UStR 2000
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 6. März 2008, Az: 5 K 447/02, Urteil
Leitsatz
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Die Tätigkeit einer internationalen Kontroll- und Überwachungsgesellschaft, deren "Bescheinigung über die Entladung und Einfuhr" von Erzeugnissen in das Drittland Voraussetzung für eine im Inland zu gewährende Ausfuhrerstattung ist, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Gegenständen der Ausfuhr i.S. des § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa, 1. Alternative UStG und ist daher steuerbefreit .
Tatbestand
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I. Streitig ist der Ort der von der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Streitjahr 2001 erbrachten Leistungen.
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Die Klägerin, eine GmbH, betreibt nach ihrem Unternehmensgegenstand die Warenprüfung jeglicher Art im nationalen und internationalen Warenverkehr hinsichtlich Quantität und Qualität. Vom zuständigen Hauptzollamt wurde sie auf der Grundlage des Art. 16 Abs. 5 Buchst. a der gemeinsamen Durchführungsvorschriften für die Ausfuhrerstattung bestimmter landwirtschaftlicher Erzeugnisse (Art. 1 der Verordnung (EG) 800/1999 --VO--) als Kontroll- und Überwachungsgesellschaft (KÜG) zugelassen.
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Bei bestimmten landwirtschaftlichen Erzeugnissen wird auf Grundlage des Unionsrechts eine Ausfuhrerstattung gewährt. Hierfür muss der Exporteur der Erzeugnisse unter anderem die Ausfuhr nachweisen und in manchen Fällen zusätzlich die Einfuhr der Erzeugnisse in das Drittland innerhalb einer bestimmten Frist belegen. Der Nachweis der Einfuhr in das Drittland kann unter anderem erbracht werden, indem die "Bescheinigung über die Entladung und Einfuhr" einer KÜG vorgelegt wird.
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Um dem beauftragenden Exporteur diese Bescheinigung ausstellen zu dürfen, hat eine KÜG zu prüfen, ob die Einfuhrzollförmlichkeiten für die Erzeugnisse erfüllt worden sind (Art. 15 Abs. 3, Art. 16 Abs. 1 VO). Es sind dafür im Drittland zum Zeitpunkt der Einfuhr der Erzeugnisse alle Kontrollen durchzuführen, die erforderlich sind, um "Art, Beschaffenheit und Menge der in der Bescheinigung genannten Erzeugnisse zu ermitteln" (Art. 16 Abs. 5 Buchst. b VO).
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Jede Auftragsabwicklung läuft nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) in der Weise ab, dass am Geschäftssitz der Klägerin in X Arbeitsanweisungen für die im Einfuhrstaat durchzuführenden Kontrollen erstellt werden. Die Kontrollen erfolgen bei der Einfuhr im Drittstaat. Bei jeder Kontrolle wird ein Prüfprotokoll in der Landessprache des jeweiligen Einfuhrstaats abgefasst. Die Protokolle werden am Geschäftssitz der Klägerin übersetzt und in die nach den Vorschriften der VO vorgeschriebene Form gebracht, wobei inhaltliche Änderungen an den Originalprotokollen nicht vorgenommen werden dürfen. Anschließend stellt die Klägerin die Bescheinigung aus.
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Streitig ist zwischen den Beteiligten ausschließlich noch die Behandlung von 5 % der Gesamtumsätze des Streitjahres 2001 (Nettoumsätze in Höhe von ... DM). Diese entfielen auf Aufträge, in denen die Vor- und Nachbereitung der Kontrolluntersuchungen am Sitz der Klägerin, die Kontrolluntersuchungen im Drittland durch freie Mitarbeiter der Klägerin durchgeführt wurden oder hierfür andere Kontrollgesellschaften von der Klägerin beauftragt worden waren (sog. Nicht-Betriebsstätten-Umsätze).
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Die Klägerin erklärte nach einer langjährigen mit dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) abgestimmten Praxis in ihren Voranmeldungen für das Streitjahr gegenüber inländischen Exporteuren erbrachte Leistungen als steuerpflichtig. Die gegenüber ausländischen Exporteuren erbrachten Leistungen behandelte sie als im Inland nicht steuerbare Leistungen.
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Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, auch die gegenüber ausländischen Auftraggebern erbrachten Leistungen seien im Inland am Sitz der Klägerin ausgeführt worden (§ 3a Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung --UStG--) und daher steuerbar. Dem schloss sich das FA an und erließ unter dem 2. April 2002 geänderte Vorauszahlungsbescheide für die Monate Januar bis August des Streitjahres. Es hielt auch im Einspruchsverfahren an seiner Auffassung fest.
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Im Klageverfahren erging unter dem 25. August 2003 ein entsprechender Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr.
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Das FG gab der Klage teilweise statt, soweit die Klägerin die Kontrolluntersuchungen bei Ausfuhren nach Russland über ihre russischen Betriebsstätten abgewickelt hatte und diese Umsätze vom FA nach der Außenprüfung als steuerbar und steuerpflichtig behandelt worden waren. Im Übrigen wies es die Klage ab, da es die Nicht-Betriebsstätten-Umsätze der Klägerin gemäß § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG als im Inland ausgeführt und damit als steuerbar und steuerpflichtig ansah.
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Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts und ist weiterhin der Auffassung, der Leistungsort der Nicht-Betriebsstätten-Umsätze liege nicht im Inland. Ihre Leistungen fielen unter die Ortsbestimmung für die Begutachtung beweglicher körperlicher Gegenstände gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG. Falls dieser Auffassung nicht zu folgen sei, handele es sich um "ähnliche mit der Beförderung eines Gegenstandes im Zusammenhang stehende Leistungen" i.S. des § 3b Abs. 2 UStG.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des FG vom 6. März 2008 aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 25. August 2003 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf ... festgesetzt wird.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Es ist der Auffassung, der Leistungsort für die Nicht-Betriebsstätten-Umsätze bestimme sich gemäß § 3a Abs. 1 UStG. Die Voraussetzungen einer "Begutachtung" i.S. des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG lägen nicht vor. Die Kontrolluntersuchungen im Drittland fielen nicht unter Nebenleistungen i.S. des § 3b Abs. 2 UStG, da es sich nicht um Leistungen handele, die typischerweise im Zusammenhang mit der Beförderung von Gegenständen erbracht würden.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben, soweit es die Klage abgewiesen hat (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr 2001 vom 25. August 2003 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit das FA die Nicht-Betriebsstätten-Umsätze als steuerbar und steuerpflichtig angesehen hat.
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Die Revision ist unabhängig davon begründet, ob die Leistungen der Klägerin im In- oder im Ausland ausgeführt worden sind. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Leistungen der Klägerin unter § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG oder § 3b Abs. 2 UStG fallen und im Inland nicht steuerbar sind. Selbst wenn die Klägerin entgegen ihrem Vorbringen im Inland steuerbare Leistungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ausgeführt haben sollte, wären diese Leistungen gemäß § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa, 1. Alternative UStG als "... andere sonstige Leistungen, wenn sich die Leistungen unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr beziehen ..." steuerbefreit.
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a) Nach der Entscheidung des XI. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Februar 2008 XI R 55/07 (BFH/NV 2008, 1211) liegen --unter Beachtung des Art. 15 Nr. 13 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG-- Leistungen i.S. von § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG vor, wenn zwischen Leistung und Ausfuhrgegenständen ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, ohne dass es sich um eine "handelsübliche Nebenleistung" zu einer Güterbeförderung als Hauptleistung handeln muss (ebenso Wäger in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 4 Nr. 3 Rz 24-26). Entgegen anderen Auffassungen in der Kommentarliteratur muss für diesen unmittelbaren Bezug die Leistung nicht unmittelbar der Beförderung der Ausfuhrgegenstände dienen (vgl. Abschn. 47 Abs. 1 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2000; Weymüller in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 3 Rz 41; wohl auch Schwarz in Plückebaum/Malitzky/Widmann, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 4 Nr. 3 Rz 84; wie hier Waza in Offerhaus/Söhn/ Lange, § 4 Nr. 3 UStG Rz 89).
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b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Tätigkeit der Klägerin stellt eine einheitliche Leistung dar und steht in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Ausfuhr der Erzeugnisse in die verschiedenen Drittländer.
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aa) Die Gesamtwürdigung des FG, dass aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers die Vor- und Nachbereitung der Aufträge im Inland mit den Kontrolluntersuchungen im Ausland ein "untrennbares Ganzes" bilden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Würdigung des FG ist daher für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend (vgl. zur Bindungswirkung der Gesamtwürdigung bei einheitlichen Leistungen das Senatsurteil vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712, unter II.2.d und II.3.b). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. Urteile vom 27. Oktober 2005 Rs. C-41/04, Levob, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 Rdnrn. 19 bis 22; vom 11. Juni 2009 C-572/07, Tellmer Property, Slg. 2009, I-4983 Rdnrn. 17 bis 20), der der Senat folgt (Urteile vom 25. Juni 2009 V R 25/07, BFHE 226, 407, BStBl II 2010, 239, unter II.2.b; vom 20. August 2009 V R 21/08, BFH/NV 2010, 473, unter II.1.a; BFH-Urteil vom 15. Oktober 2009 XI R 52/06, BFHE 227, 231, BStBl II 2010, 869, unter II.2.a) ist jeder Umsatz in der Regel zwar als eigenständige, selbständige Leistung zu betrachten; allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb sind die charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Unternehmer dem Leistungsempfänger mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. Eine einheitliche Leistung liegt nach diesen Maßstäben insbesondere vor, wenn der Unternehmer für den Leistungsempfänger zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Hiervon ausgehend ist das FG im Streitfall zu dem Ergebnis gelangt, dass es den Auftraggebern der Klägerin allein darum gegangen sei, die Bescheinigung zu erhalten, so dass alle dazu erforderlichen Tätigkeiten im Inland und die Kontrolluntersuchungen im Ausland objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung darstellen.
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bb) Es liegt auch der notwendige unmittelbare Zusammenhang zwischen den Leistungen der Klägerin und den Ausfuhrgegenständen vor. Die Prüftätigkeit der Klägerin bezieht sich unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr und den Ort dieser Gegenstände nach Abschluss des Ausfuhrvorgangs.
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