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EuGH 22.02.2024 - C-85/23
EuGH 22.02.2024 - C-85/23 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer) - 22. Februar 2024 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Gesundheit – Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte – Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 – Zulassung – Art. 24 Abs. 1 Buchst. i – Begriff der ‚Lagerung tierischer Nebenprodukte‘ – Unterbrechung eines Transportvorgangs von bis zu acht Stunden“
Leitsatz
In der Rechtssache C-85/23
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Deutschland) mit Entscheidung vom 24. Januar 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Februar 2023, in dem Verfahren
Landkreis Jerichower Land
gegen
A.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen, des Richters J. Passer (Berichterstatter) und der Richterin M. L. Arastey Sahún,
Generalanwalt: N. Emiliou,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von A., vertreten durch Rechtsanwalt J. Hagmann,
der griechischen Regierung, vertreten durch E. Leftheriotou und A.-E. Vasilopoulou als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Hofstötter und G. Koleva als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 24 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (Verordnung über tierische Nebenprodukte) (ABl. 2009, L 300, S. 1).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Landkreis Jerichower Land (Deutschland) und A., einer Gesellschaft deutschen Rechts, wegen eines A. auferlegten Verbots, Transportbehälter mit tierischen Nebenprodukten in einer ihrer Hallen zu lagern.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
In den Erwägungsgründen 1, 2, 5, 6, 11 und 36 der Verordnung Nr. 1069/2009 heißt es:
Nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte können Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier bergen. In der Vergangenheit haben Krisen im Zusammenhang mit dem Ausbruch der Maul- und Klauenseuche, der Verbreitung transmissibler spongiforme[r] Enzephalopathien wie etwa der bovinen spongiformen Enzephalopathie und dem Vorhandensein von Dioxinen in Futtermitteln gezeigt, welche Folgen die unsachgemäße Verwendung bestimmter tierischer Nebenprodukte für die Gesundheit von Mensch und Tier, für die Sicherheit der Lebensmittel- und Futtermittelkette und für das Vertrauen der Verbraucher hat. Ferner können derartige Krisen weiter gehende negative Folgen für die Gesellschaft als Ganzes haben, da sie sich auf die sozioökonomische Lage der betroffenen Landwirte und Wirtschaftszweige sowie auf das Vertrauen der Verbraucher in die Sicherheit von Erzeugnissen tierischen Ursprungs auswirken. Ein Ausbruch von Seuchen könnte auch für die Umwelt negative Folgen haben, nicht nur wegen der bei der Beseitigung auftretenden Probleme, sondern auch im Hinblick auf die Artenvielfalt.
Tierische Nebenprodukte entstehen hauptsächlich während der Schlachtung von Tieren, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, bei der Herstellung von Erzeugnissen tierischen Ursprungs wie Milcherzeugnissen, bei der Beseitigung toter Tiere und im Zuge der Seuchenbekämpfung. Unabhängig von ihrer Quelle stellen sie ein mögliches Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt dar. Dieses Risiko muss auf geeignete Weise begrenzt werden, und zwar dadurch, dass solche Produkte unter strengen Bedingungen, die die betreffende[n] Gesundheitsrisiken verringern, entweder sicher beseitigt oder für andere Zwecke verwendet werden.
…
Die Hygienevorschriften der Gemeinschaft bezüglich der Sammlung, des Transports, der Handhabung, der Behandlung, der Umwandlung, der Verarbeitung, der Lagerung, des Inverkehrbringens, des Vertriebs, der Verwendung und der Beseitigung tierischer Nebenprodukte sollten in einem kohärenten und umfassenden Rahmen festgelegt werden.
Diese allgemeinen Vorschriften sollten dem Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier angemessen sein, das tierische Nebenprodukte, wenn sie während ihres Lebenszyklus von der Sammlung bis zu ihrer Verwendung oder Beseitigung von den Unternehmen behandelt werden, bergen. In den Vorschriften sollten die dabei entstehenden Risiken für die Umwelt ebenfalls Berücksichtigung finden. Der gemeinschaftliche Rechtsrahmen sollte gegebenenfalls Vorschriften über das Inverkehrbringen einschließlich der Einfuhr tierischer Nebenprodukte sowie des innergemeinschaftlichen Handels mit diesen enthalten.
…
… Die Hauptziele der Vorschriften über tierische Nebenprodukte, also die Begrenzung von Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und der Schutz der Sicherheit der Lebensmittel- und Futtermittelkette, sollten klar formuliert werden. Die Vorschriften der vorliegenden Verordnung sollten es ermöglichen, die genannten Ziele zu erreichen.
…
Gemäß anderen Vorschriften, die durch die Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Oktober 2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte (ABl. 2002, L 273, S. 1)] ergänzt werden und in Kraft getreten sind, nachdem die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit [(ABl. 2002, L 31, S. 1)] erlassen wurde, liegt die Verantwortung, die Gemeinschaftsvorschriften zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier einzuhalten, hauptsächlich bei den Lebens- und Futtermittelunternehmern; es handelt sich bei diesen anderen Vorschriften um die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene [(ABl. 2004, L 139, S. 1, berichtigt in ABl. 2004, L 226, S. 3)], die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl. 2004, L 139, S. 55, berichtigt in ABl. 2004, L 226, S. 22)] und die Verordnung (EG) Nr. 183/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Januar 2005 mit Vorschriften für die Futtermittelhygiene [(ABl. 2005, L 35, S. 1)]. In Übereinstimmung mit den genannten Vorschriften sollten Unternehmer, die Tätigkeiten gemäß der vorliegenden Verordnung durchführen, ebenfalls die Hauptverantwortung dafür tragen, dass die vorliegende Verordnung eingehalten wird. Diese Pflicht sollte klar gefasst und näher erläutert werden, was die Mittel betrifft, mit denen die Rückverfolgbarkeit sichergestellt wird, also etwa die gesonderte Sammlung und Kanalisierung tierischer Nebenprodukte. …“
Art. 1 („Gegenstand“) der Verordnung Nr. 1069/2009 lautet:
„Mit dieser Verordnung werden Hygiene- und Tiergesundheitsvorschriften für tierische Nebenprodukte und ihre Folgeprodukte festgelegt, mit deren Hilfe die Risiken, die sich aus diesen Produkten für die Gesundheit von Mensch und Tier ergeben, verhindert beziehungsweise möglichst gering gehalten werden sollen und speziell die Sicherheit der Lebensmittel- und Futtermittelkette geschützt werden soll.“
In Art. 3 der Verordnung Nr. 1069/2009 heißt es:
„Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Begriff
‚tierische Nebenprodukte‘: ganze Tierkörper oder Teile von Tieren oder Erzeugnisse tierischen Ursprungs beziehungsweise andere von Tieren gewonnene Erzeugnisse, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, einschließlich Eizellen, Embryonen und Samen;
‚Folgeprodukt‘: Produkte, die durch eine(n) oder mehrere Behandlungen, Umwandlungen oder Verarbeitungsschritte aus tierischen Nebenprodukten gewonnen werden;
…
‚Unternehmer‘: die natürlichen oder juristischen Personen, unter deren effektiver Kontrolle sich ein tierisches Nebenprodukt oder ein Folgeprodukt befindet; dies schließt Beförderungsunternehmen, Händler und Verwender ein;
…
‚Anlage‘ oder ‚Betrieb‘: jeder Ort an dem die Tätigkeit in Zusammenhang mit der Handhabung tierischer Nebenprodukte oder Folgeprodukte steht; ausgenommen davon sind Fischereifahrzeuge;
…“
Art. 4 („Ausgangspunkt in der Herstellungskette und Pflichten“) Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1069/2009 bestimmt:
„(1) Sobald die Unternehmer tierische Nebenprodukte oder Folgeprodukte herstellen, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, kennzeichnen sie diese und gewährleisten, dass sie in Übereinstimmung mit dieser Verordnung behandelt werden (Ausgangspunkt).
(2) Die Unternehmer stellen [in] allen Phasen der Sammlung, des Transports, der Handhabung, der Verarbeitung, der Umwandlung, der Bearbeitung, der Lagerung, des Inverkehrbringens, des Vertriebs, der Verwendung und Entsorgung in den unter ihrer Kontrolle stehenden Unternehmen sicher, dass tierische Nebenprodukte und Folgeprodukte den Anforderungen dieser Verordnung, die für ihre Aktivitäten von Bedeutung sind, gerecht werden.“
Art. 7 („Kategorisierung tierischer Nebenprodukte und ihrer Folgeprodukte“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1069/2009 sieht vor:
„Tierische Nebenprodukte sind nach dem Grad der von ihnen ausgehenden Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier gemäß den in den Artikeln 8, 9 und 10 festgelegten Listen in spezifische Kategorien einzustufen.“
In Art. 10 („Material der Kategorie 3“) der Verordnung Nr. 1069/2009 heißt es:
„Material der Kategorie 3 umfasst folgende tierische Nebenprodukte:
Schlachtkörper und Teile von geschlachteten Tieren oder[,] im Fall von getötetem Wild, ganze Körper oder Teile von toten Tieren, die gemäß den Gemeinschaftsvorschriften genusstauglich, jedoch aus kommerziellen Gründen nicht dafür bestimmt sind;
Schlachtkörper und folgende Teile, die entweder von Tieren stammen, die in einem Schlachthof geschlachtet und nach einer Schlachttieruntersuchung als zum menschlichen Verzehr schlachttauglich eingestuft wurden[,] oder ganze Körper und die folgenden Tierteile, die von Wild stammen, das gemäß den Gemeinschaftsvorschriften zum menschlichen Verzehr getötet wurde:
Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile von Tieren, die gemäß den Gemeinschaftsvorschriften als genussuntauglich zurückgewiesen wurden, jedoch keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufwiesen;
Geflügelköpfe;
Häute und Felle, einschließlich Zuputzabschnitte und Spalt; Hörner und Füße, einschließlich Zehenknochen sowie Carpus und Metacarpusknochen, Tarsus und Metatarsusknochen von
anderen Tieren als Wiederkäuern, die auf [transmissible spongiforme Enzephalopathien] getestet werden müssen, sowie
Wiederkäuern, die gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien (ABl. 2001, L 147, S. 1)] mit negativem Ergebnis getestet wurden;
Schweinsborsten;
Federn;
…“
Art. 14 („Beseitigung und Verwendung von Material der Kategorie 3“) der Verordnung Nr. 1069/2009 bestimmt:
„Material der Kategorie 3 ist
…
zu verarbeiten, außer wenn es sich um Material der Kategorie 3 handelt, das sich durch Zersetzung, oder Verderb so verändert hat, dass es durch dieses Produkt eine unannehmbare Gefahr für die Gesundheit von Mensch oder Tier darstellt, und zu verwenden
zur Herstellung von Futtermittel für andere Nutztiere als [Pelztiere], die gemäß Artikel 31 in Verkehr gebracht werden sollen, außer wenn es sich um Material gemäß Artikel 10 Buchstaben n, o und p handelt;
…“
Titel II („Pflichten der Unternehmer“) der Verordnung Nr. 1069/2009 enthält die Art. 21 bis 43.
Art. 21 („Sammlung und Kennzeichnung der Kategorie und Transport“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1069/2009 sieht vor:
„Die Unternehmer sammeln ein, kennzeichnen und transportieren tierische Nebenprodukte unverzüglich unter Bedingungen, die Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier verhindern.“
In Art. 24 („Zulassung von Anlagen oder Betrieben“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1069/2009 heißt es:
„Die Unternehmer sorgen dafür, dass die ihrer Kontrolle unterstehenden Anlagen oder Betriebe von der zuständigen Behörde zugelassen werden, wenn diese Anlagen oder Betriebe eine oder mehrere der folgenden Tätigkeiten ausüben:
…
i) Lagerung tierischer Nebenprodukte;
…“
Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1069/2009 bestimmt:
„Die Verordnung [Nr. 1774/2002] wird mit Wirkung vom 4. März 2011 aufgehoben.“
In Art. 55 („Übergangsmaßnahmen“) der Verordnung Nr. 1069/2009 heißt es:
„Betriebe, Anlagen und Nutzer, die gemäß der Verordnung [Nr. 1774/2002] vor dem 4. März 2011 zugelassen oder registriert wurden, gelten als gemäß dieser Verordnung zugelassen oder registriert.“
Deutsches Recht
§ 1 des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes vom 25. Januar 2004 (BGBl. 2004 I S. 82) in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: TierNebG) bestimmt:
„Dieses Gesetz dient der Durchführung der Verordnung [Nr. 1069/2009] und der in ihrem Rahmen oder zu ihrer Durchführung erlassenen unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union.“
§ 12 Abs. 1 und 2 TierNebG sieht vor:
„(1) Die Einhaltung der Vorschriften der in § 1 genannten unmittelbar geltenden Rechtsakte, die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen sowie der nach den in § 1 genannten unmittelbar geltenden Rechtsakten, diesem Gesetz oder nach einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung getroffenen vollziehbaren Anordnungen werden durch die zuständige Behörde … überwacht.
(2) Die zuständige Behörde kann im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Einhaltung der Vorschriften der in § 1 genannten unmittelbar geltenden Rechtsakte, dieses Gesetzes sowie der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen erforderlich sind. Dies gilt auch nach erfolgter Registrierung nach Artikel 23 der Verordnung [Nr. 1069/2009] oder der Erteilung einer Zulassung nach Artikel 24 der Verordnung [Nr. 1069/2009].“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
Am 10. November 2004 erhielt A. gemäß Art. 17 der Verordnung Nr. 1774/2002, wonach Verarbeitungsbetriebe für Material der Kategorie 3 dazu verpflichtet waren, eine Zulassung einzuholen, eine solche Zulassung für ihren in A-Stadt gelegenen Verarbeitungsbetrieb für tierische Nebenprodukte der Kategorie 3.
Im Jahr 2016 stellten Beamte des Landkreises Jerichower Land bei einer Kontrolle in einer von A. in B-Stadt betriebenen Halle fest, dass sich Transportbehälter mit Schlachtkörperabfällen und Tierfleischresten, die zu der Kategorie 3 im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 1069/2009 gehörten, in einem mit einer Kühleinrichtung versehenen Lkw-Auflieger befanden. Sie stellten auch fest, dass einige Schlachtkörper im Zustand der Verwesung waren, dass sich auf dem Hallenboden Flüssigkeiten mit Maden befanden, die aus den Behältern stammten, und dass sich im Randbereich der Halle Mäuse- und Rattenkot befand.
Die Beamten des Landkreises Jerichower Land stellten fest, dass der Transport und das Abstellen dieses Materials der Kategorie 3 wie folgt abliefen: Zunächst wurden die Behälter bei den Erzeugern eingesammelt und mit fünf Fahrzeugen zur Halle in B-Stadt gebracht. In dieser Halle wurden die Behälter sodann, ohne dass ihr Inhalt behandelt wurde, unmittelbar in den Kühlauflieger umgeladen. Die Behälter blieben somit in der Regel für zwei Stunden im Lkw-Auflieger, wobei dieser Zeitraum jedoch in Einzelfällen bis zu acht Stunden betragen konnte. Nach Einsammlung aller Transportbehälter wurden diese von einem Lkw mit Kühlauflieger zu dem von A. in A-Stadt betriebenen Verarbeitungsbetrieb befördert. Bei den Behältern, die nicht luft- bzw. wasserdicht waren, handelte es sich überwiegend um übliche Abfallbehälter (240 Liter) und sogenannte Euro-Boxen (600 Liter).
Mit Bescheid vom 4. Januar 2017, der auf der Grundlage von § 12 Abs. 2 TierNebG erging, untersagte der Landkreis Jerichower Land A., tierische Nebenprodukte in ihrer Halle in B-Stadt zu lagern, da diese Gesellschaft hierzu nicht über eine Zulassung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 1069/2009 verfüge.
Nach erfolglosem Widerspruch gegen diesen Bescheid erhob A. Klage vor dem Verwaltungsgericht (Deutschland). Dieses Gericht hob den Bescheid mit der Begründung auf, dass die kurzfristige Unterbrechung eines Transportvorgangs, ohne dass diese Unterbrechung mit einem Entleervorgang oder einem Wechsel der Transportbehältnisse verbunden sei, nicht als Lagerung tierischer Nebenprodukte im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 1069/2009 eingestuft werden könne.
Der Landkreis Jerichower Land legte gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berufung beim Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, ein.
Nach Ansicht dieses Gerichts hängt die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits von der Auslegung des Begriffs der „Lagerung“ im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 1069/2009 ab, da der Bescheid vom 4. Januar 2017, mit dem dieser Landkreis A. untersagt habe, tierische Nebenprodukte in ihrer Halle in B-Stadt zu lagern, darauf gestützt gewesen sei, dass mit Lastkraftwagen beförderte Behälter mit tierischen Nebenprodukten einige Stunden lang in dieser Halle abgestellt worden seien.
Unter diesen Umständen hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 24 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 1069/2009 dahin auszulegen, dass der Begriff der „Lagerung“ eine Unterbrechung eines Transportvorgangs erfasst, bei dem Behälter mit tierischen Nebenprodukten der Kategorie 3 in ein anderes Transportfahrzeug umgeladen und darin vor dem Weitertransport zu einer Verarbeitungsanlage für mehrere – bis zu acht – Stunden abgestellt werden, ohne dass das Material behandelt oder in andere Behälter umgefüllt wird?
Zur Vorlagefrage
Mit seiner einzigen Vorlagefrage möchte das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Deutschland) wissen, ob Art. 24 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 1069/2009 dahin auszulegen ist, dass der dort verwendete Begriff der „Lagerung“ die Unterbrechung eines Transportvorgangs für einen Zeitraum von einigen Stunden bis zu acht Stunden erfasst, während dessen Transportbehälter mit tierischen Nebenprodukten der Kategorie 3 von einem Transportfahrzeug in ein anderes umgeladen werden, bevor sie zu einer Verarbeitungsanlage gebracht werden, ohne dass diese tierischen Nebenprodukte während dieser Unterbrechung behandelt oder in andere Transportbehälter umgefüllt werden.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1069/2009 tierische Nebenprodukte nach dem Grad der von ihnen für die Gesundheit von Mensch und Tier ausgehenden Gefahr in drei spezifische Kategorien (mit den Nummern 1, 2 und 3) einstuft. Insbesondere fällt unter die Kategorie 3 Material, bei dem der Unionsgesetzgeber annimmt, dass von ihm eine geringe Gefahr ausgeht. Von Material der Kategorien 1 und 2 geht hingegen eine hohe Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier aus, die höchste von Material der Kategorie 1 (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. September 2021, Toropet, C-836/19, EU:C:2021:668, Rn. 41).
Art. 24 Abs. 1 dieser Verordnung, der von den Betreibern der Anlagen oder Betriebe, die eine der dort genannten Tätigkeiten, zu denen gemäß Art. 24 Abs. 1 Buchst. i die Lagerung tierischer Nebenprodukte gehört, ausüben, eine Zulassung verlangt, gilt nicht für die Tätigkeit der Beförderung von tierischen Nebenprodukten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Mai 2019, ReFood, C-634/17, EU:C:2019:443, Rn. 42).
Da die Beklagte des Ausgangsverfahrens für die Halle, die sie in B-Stadt betreibt, nicht über eine solche Zulassung verfügt, geht es bei der vom vorlegenden Gericht gestellten Frage darum, ob die Unterbrechung eines Transportvorgangs, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, als Teil dieses Transports anzusehen ist, mit der Folge, dass sie der Zulassungspflicht entzogen ist, oder ob davon auszugehen ist, dass die Unterbrechung unter den Begriff der „Lagerung“ im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 1069/2009 fällt.
Hierzu ist festzustellen, dass dieser Begriff in der Verordnung Nr. 1069/2009 nicht definiert wird und dass der Wortlaut von Art. 24 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung für sich genommen keine klare Auslegung dieses Begriffs zulässt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind für die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 23. November 2021, IS [Rechtswidrigkeit des Vorlagebeschlusses], C-564/19, EU:C:2021:949, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Was den Zusammenhang angeht, in den sich Art. 24 der Verordnung Nr. 1069/2009 einfügt, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1069/2009 Unternehmer, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallende tierische Nebenprodukte oder Folgeprodukte herstellen, in allen Phasen der Sammlung, des Transports, der Handhabung, der Verarbeitung, der Umwandlung, der Bearbeitung, der Lagerung, des Inverkehrbringens, des Vertriebs, der Verwendung und Entsorgung sicherzustellen haben, dass diese tierischen Nebenprodukte den Anforderungen der Verordnung gerecht werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. September 2021, Toropet, C-836/19, EU:C:2021:668, Rn. 55).
Wie sich aus ihrem 36. Erwägungsgrund ergibt, sieht die Verordnung Nr. 1069/2009 außerdem vor, dass die Unternehmer die Hauptverantwortung dafür tragen, dass die Verordnung eingehalten wird, um die Gesundheit von Mensch und Tier zu schützen. Die Unternehmer haben die Verordnung, soweit sie für ihre Tätigkeiten gilt, beim Umgang mit tierischen Nebenprodukten einzuhalten (Urteil vom 2. September 2021, Toropet, C-836/19, EU:C:2021:668, Rn. 56).
Im Übrigen verlangt Art. 21 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1069/2009, dass die Unternehmer tierische Nebenprodukte „unverzüglich“ unter Bedingungen transportieren, die Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier verhindern. Obwohl diese Verordnung die Möglichkeit einer Unterbrechung des Transports nicht grundsätzlich ausschließt, verbietet sie daher übermäßige Verzögerungen beim Transport.
Im vorliegenden Fall ergibt sich zunächst aus dem Vorlagebeschluss, dass – vorbehaltlich der dem vorlegenden Gericht obliegenden Prüfungen – die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Handlungen während der Unterbrechung eines Transportvorgangs stattfinden und dass sie nicht Teil des Transports sind, der auf der Straße in oder auf einem mobilen Fahrzeug erfolgt, sondern in einer Halle ausgeführt werden. Darüber hinaus befindet sich Material der Kategorie 3 regelmäßig in organisierter und planmäßiger Weise in den Räumlichkeiten der Beklagten des Ausgangsverfahrens, und zwar aufgrund ihrer bewussten Entscheidung und nicht wegen einer unvorhergesehenen Unterbrechung des Transportvorgangs oder einer Unterbrechung zur Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeit des Fahrers. Schließlich deuten die im Vorlagebeschluss beschriebenen Umstände darauf hin, dass nicht nur das Abstellen in der Halle häufig vorkommt, sondern dass die Beklagte des Ausgangsverfahrens auch keine Verfahren eingeführt hat, um Kontaminationen zu verhindern und eine regelmäßige Reinigung der Örtlichkeiten zu gewährleisten, was zu einer Gefahr für die Sicherheit der Lebensmittel- und Futtermittelkette führen kann.
Was die mit der Regelung über die tierischen Nebenprodukte hauptsächlich verfolgten Ziele angeht, ergibt sich aus Art. 1 und den Erwägungsgründen 2, 5, 6 und 11 der Verordnung Nr. 1069/2009, dass diese Ziele sind: ausreichende Kontrolle der Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier und Schutz der Sicherheit der Lebensmittel- und Futtermittelkette sowie Schaffung eines kohärenten und umfassenden Rahmens von Hygienevorschriften, die dem Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier angemessen sein sollten, das tierische Nebenprodukte, wenn sie während ihres Lebenszyklus von der Sammlung bis zu ihrer Verwendung oder Beseitigung von den Unternehmen behandelt werden, bergen (Urteil vom 2. September 2021, Toropet, C-836/19, EU:C:2021:668, Rn. 52).
Mithin wollte der Unionsgesetzgeber, dass die Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier während der gesamten Dauer der Nutzung der tierischen Nebenprodukte ausreichend und angemessen kontrolliert werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. September 2021, Toropet, C-836/19, EU:C:2021:668, Rn. 53).
Somit ist davon auszugehen, dass der Begriff der „Lagerung“ im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 1069/2009 eine Unterbrechung des Transports tierischer Nebenprodukte und ihr Umladen von einem Transportfahrzeug in ein anderes sowie ihre etwaige Entladung für ein vorübergehendes Abstellen, um anschließend zur Weiterverarbeitung in andere Anlagen transportiert zu werden, umfasst. Daraus folgt, dass der Betreiber einer Halle, in der solche Vorgänge ablaufen, über eine Zulassung nach Art. 24 dieser Verordnung verfügen muss.
Folglich ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 24 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 1069/2009 dahin auszulegen ist, dass der dort verwendete Begriff der „Lagerung“ die Unterbrechung eines Transportvorgangs für einen Zeitraum von einigen Stunden bis zu acht Stunden erfasst, während dessen Transportbehälter mit tierischen Nebenprodukten der Kategorie 3 von einem Transportfahrzeug in ein anderes umgeladen werden, bevor sie zu einer Verarbeitungsanlage gebracht werden, ohne dass diese tierischen Nebenprodukte während dieser Unterbrechung behandelt oder in andere Transportbehälter umgefüllt werden.
Kosten
Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 24 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (Verordnung über tierische Nebenprodukte)
ist dahin auszulegen, dass
der dort verwendete Begriff der „Lagerung “ die Unterbrechung eines Transportvorgangs für einen Zeitraum von einigen Stunden bis zu acht Stunden erfasst, während dessen Transportbehälter mit tierischen Nebenprodukten der Kategorie 3 von einem Transportfahrzeug in ein anderes umgeladen werden, bevor sie zu einer Verarbeitungsanlage gebracht werden, ohne dass diese tierischen Nebenprodukte während dieser Unterbrechung behandelt oder in andere Transportbehälter umgefüllt werden.
Biltgen
Passer
Arastey Sahún
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 22. Februar 2024.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Kammerpräsident
F. Biltgen
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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