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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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EuGH 12.06.2012 - C-611/10, C-612/10
EuGH 12.06.2012 - C-611/10, C-612/10 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) - 12. Juni 2012 ( *1) - „Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer — Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 — Art. 14 Nr. 1 Buchst. a und Art. 14a Nr. 1 Buchst. a — Art. 45 AEUV und 48 AEUV — Vorübergehende Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dessen Gebiet die Tätigkeit normalerweise ausgeübt wird — Familienleistungen — Anzuwendende Rechtsvorschriften — Möglichkeit der Gewährung von Kindergeld durch den Mitgliedstaat, in dem die vorübergehende Beschäftigung ausgeübt wird, aber der nicht der zuständige Staat ist — Anwendung einer Antikumulierungsregel des nationalen Rechts, wonach diese Leistung ausgeschlossen ist, wenn eine vergleichbare Leistung in einem anderen Staat bezogen wird“
Leitsatz
In den verbundenen Rechtssachen C-611/10 und C-612/10
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Beschlüssen vom 21. Oktober 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Dezember 2010, in den Verfahren
Waldemar Hudzinski
gegen
Agentur für Arbeit Wesel – Familienkasse (C-611/10)
und
Jaroslaw Wawrzyniak
gegen
Agentur für Arbeit Mönchengladbach – Familienkasse (C-612/10)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, J.-C. Bonichot, J. Malenovský und M. Safjan, der Kammerpräsidentin A. Prechal (Berichterstatterin) sowie der Richter G. Arestis, A. Borg Barthet, M. Ilešič, J.-J. Kasel und D. Šváby,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von Herrn Hudzinski und Herrn Wawrzyniak, vertreten durch Rechtsanwalt N. Lamprecht,
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Fehér, K. Szíjjártó und K. Veres als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz und S. Grünheid als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Februar 2012
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 14 Nr. 1 Buchst. a und Art. 14a Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, diese wiederum geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 647/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 (ABl. L 117, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71), sowie der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und das Diskriminierungsverbot.
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen Herrn Hudzinski und der Agentur für Arbeit Wesel – Familienkasse sowie zwischen Herrn Wawrzyniak und der Agentur für Arbeit Mönchengladbach – Familienkasse wegen der Nichtgewährung von Kindergeld in Deutschland.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Die Erwägungsgründe 1 und 5 der Verordnung Nr. 1408/71 lauten:
„Die Vorschriften zur Koordinierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit gehören zur Freizügigkeit von Personen und sollen zur Verbesserung von deren Lebensstandard und Arbeitsbedingungen beitragen.
…
Bei dieser Koordinierung ist innerhalb der Gemeinschaft sicherzustellen, dass alle Arbeitnehmer und Selbständige, die Staatsangehörige der Mitgliedstaaten sind, sowie ihre Angehörigen und Hinterbliebenen nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten gleichbehandelt werden.“
In den Erwägungsgründen 8 bis 10 dieser Verordnung heißt es:
„Für Arbeitnehmer und Selbständige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, soll jeweils das System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats gelten, so dass eine Kumulierung anzuwendender innerstaatlicher Rechtsvorschriften und die sich daraus möglicherweise ergebenden Komplikationen vermieden werden.
Zahl und Reichweite der Fälle, in denen ein Arbeitnehmer oder Selbständiger als Ausnahme von der allgemeinen Regel gleichzeitig den Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten unterliegt, sind so klein wie möglich zu halten.
Um die Gleichbehandlung aller im Gebiet eines Mitgliedstaats erwerbstätigen Arbeitnehmer und Selbständigen am besten zu gewährleisten, ist es zweckmäßig, im Allgemeinen die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats anzuwenden, in dessen Gebiet der Betreffende seine Arbeitnehmer- oder Selbständig[entätigkeit] ausübt.“
Art. 13 („Allgemeine Regelung“) der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor:
„(1) Vorbehaltlich der Artikel 14c und 14f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt Folgendes:
Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;
…“
Art. 14 („Sonderregelung für andere Personen als Seeleute, die eine abhängige Beschäftigung ausüben“) dieser Verordnung sieht vor:
„Vom Grundsatz des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe a) gelten folgende Ausnahmen und Besonderheiten:
-
Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats von einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehört, abhängig beschäftigt wird und die von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und sie nicht eine andere Person ablöst, für welche die Entsendungszeit abgelaufen ist.
…“
-
Art. 14a („Sonderregelung für andere Personen als Seeleute, die eine selbständige Tätigkeit ausüben“) der Verordnung Nr. 1408/71 lautet:
„Vom Grundsatz des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe b) gelten folgende Ausnahmen und Besonderheiten:
-
Eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet eines Mitgliedstaats ausübt und die eine Arbeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausführt, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet;
…“
-
In Titel III Kapitel 7 der Verordnung Nr. 1408/71 sieht Art. 73 („Arbeitnehmer oder Selbständige, deren Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Staat wohnen“) vor:
„Ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, hat, vorbehaltlich der Bestimmungen in Anhang VI, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten.“
Im selben Kapitel der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt Art. 76 („Prioritätsregeln für den Fall der Kumulierung von Ansprüchen auf Familienleistungen gemäß den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates und den Rechtsvorschriften des Staates, in dem die Familienangehörigen wohnen“):
„(1) Sind für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, Familienleistungen aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorgesehen, so ruht der Anspruch auf die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gegebenenfalls gemäß Artikel 73 bzw. 74 geschuldeten Familienleistungen bis zu dem in den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaates vorgesehenen Betrag.
(2) Wird in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt, so kann der zuständige Träger des anderen Mitgliedstaats Absatz 1 anwenden, als ob Leistungen in dem ersten Mitgliedstaat gewährt würden.“
In Art. 10 („Vorschriften für das Zusammentreffen von Ansprüchen auf Familienleistungen oder -beihilfen für Arbeitnehmer und Selbständige“) der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung, diese wiederum geändert durch die die Verordnung Nr. 647/2005 (im Folgenden: Verordnung Nr. 574/72), heißt es:
Der Anspruch auf Familienleistungen oder -beihilfen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats geschuldet werden, nach denen der Erwerb des Anspruchs auf diese Leistungen oder Beihilfen nicht von einer Versicherung, Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit abhängig ist, ruht, wenn während desselben Zeitraums für dasselbe Familienmitglied Leistungen allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach Artikel 73, 74, 77 oder 78 der Verordnung geschuldet werden, bis zur Höhe dieser geschuldeten Leistungen.
Wird jedoch
in dem Fall, in dem Leistungen allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach Artikel 73 oder 74 der Verordnung geschuldet werden, von der Person, die Anspruch auf die Familienleistungen hat, oder von der Person, an die sie zu zahlen sind, in dem unter Buchstabe a) erstgenannten Mitgliedstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt, so ruht der Anspruch auf die allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats oder nach den genannten Artikeln geschuldeten Familienleistungen, und zwar bis zur Höhe der Familienleistungen, die in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats vorgesehen sind, in dessen Gebiet das Familienmitglied wohnhaft ist. Leistungen, die der Mitgliedstaat zahlt, in dessen Gebiet das Familienmitglied wohnhaft ist, gehen zu Lasten dieses Staates;
…“
Deutsches Recht
§ 62 („Anspruchsberechtigte“) Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bestimmt:
„Für Kinder im Sinne des § 63 hat Anspruch auf Kindergeld nach diesem Gesetz, wer
im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
nach § 1 Absatz 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
nach § 1 Absatz 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.“
In § 65 („Andere Leistungen für Kinder“) EStG heißt es:
„(1) Kindergeld wird nicht für ein Kind gezahlt, für das eine der folgenden Leistungen zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre:
Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder Kinderzuschüsse aus den gesetzlichen Rentenversicherungen,
Leistungen für Kinder, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder einer der unter Nummer 1 genannten Leistungen vergleichbar sind,
…
(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 der Bruttobetrag der anderen Leistung niedriger als das Kindergeld nach § 66 [EStG], wird Kindergeld in Höhe des Unterschiedsbetrags gezahlt, wenn er mindestens 5 Euro beträgt.“
§ 66 EStG enthält Bestimmungen zur Höhe und zu den Modalitäten der Zahlung des Kindergelds.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Herr Hudzinski ist polnischer Staatsangehöriger, wohnt in Polen und ist dort als selbständiger Landwirt tätig. Er ist in diesem Mitgliedstaat auch sozialversichert.
Vom 20. August bis 7. Dezember 2007 arbeitete Herr Hudzinski als Saisonarbeitnehmer bei einem Gartenbauunternehmen in Deutschland. Für das Jahr 2007 wurde er auf seinen Antrag in Deutschland als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt.
Für den Zeitraum, während dessen Herr Hudzinski in Deutschland arbeitete, beantragte er für seine beiden Kinder, die ebenfalls in Polen wohnen, die Zahlung von Kindergeld gemäß §§ 62 ff. EStG in Höhe von monatlich 154 Euro pro Kind.
Die Agentur für Arbeit Wesel – Familienkasse wies diesen Antrag sowie den gegen den ablehnenden Bescheid gerichteten Einspruch ab. Da auch die Klage gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung abgewiesen wurde, legte Herr Hudzinski beim vorlegenden Gericht gegen das erstinstanzliche Urteil Revision ein.
Herr Wawrzyniak ist polnischer Staatsangehöriger und wohnt zusammen mit seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter in Polen. Dort ist er auch sozialversichert.
Von Februar bis Dezember 2006 arbeitete Herr Wawrzyniak als entsandter Arbeitnehmer in Deutschland. Für das Jahr 2006 wurde er in Deutschland zusammen mit seiner Ehefrau als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt.
Für den Zeitraum, während dessen Herr Wawrzyniak in Deutschland arbeitete, beantragte er für seine Tochter die Zahlung von Kindergeld gemäß §§ 62 ff. EStG in Höhe von monatlich 154 Euro. Seine Ehefrau war, und zwar auch in diesem Zeitraum, ausschließlich in Polen krankenversichert. Sie erhielt dort, und wiederum auch in diesem Zeitraum, Kindergeld für die Tochter in Höhe von monatlich 48 PLN, was ungefähr 12 Euro entspricht.
Die Agentur für Arbeit Mönchengladbach – Familienkasse wies den Antrag von Herrn Wawrzyniak sowie den gegen den ablehnenden Bescheid gerichteten Einspruch ab. Da auch seine Klage gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung abgewiesen wurde, legte Herr Wawrzyniak beim vorlegenden Gericht gegen das erstinstanzliche Urteil Revision ein.
In ihren Revisionen vor dem Bundesfinanzhof machen Herr Hudzinski und Herr Wawrzyniak geltend, aus dem Urteil vom 20. Mai 2008, Bosmann (C-352/06, Slg. 2008, I-3827), ergebe sich, dass die §§ 62 ff. EStG auch dann anwendbar seien, wenn nach der Verordnung Nr. 1408/71 die Bundesrepublik Deutschland nicht der zuständige Mitgliedstaat sei, und zwar gemäß Art. 14a Nr. 1 Buchst. a dieser Verordnung im Fall von Herrn Hudzinski und gemäß ihrem Art. 14 Nr. 1 Buchst. a im Fall von Herrn Wawrzyniak.
Herr Wawrzyniak macht außerdem geltend, dass sein Anspruch auf deutsches Kindergeld auch nicht nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 2 EStG ausgeschlossen sei, da diese Vorschrift unionsrechtswidrig, jedenfalls aber im von der Verordnung Nr. 1408/71 erfassten Bereich nicht anzuwenden sei.
Das vorlegende Gericht geht insoweit zwar davon aus, dass das Urteil Bosmann so zu verstehen sei, dass auch ein nach den Art. 13 ff. der Verordnung Nr. 1408/71 nicht zuständiger Mitgliedstaat die Befugnis habe, einem Wanderarbeitnehmer Familienleistungen nach seinem nationalen Recht zu gewähren.
Jedoch gehe aus dem genannten Urteil hervor, dass diese Befugnis nur in bestimmten Fällen bestehe.
Erstens stehe diese Befugnis einem nach den Art. 13 ff. der Verordnung Nr. 1408/71 nicht zuständigen Mitgliedstaat nur dann zu, wenn er eine Familienleistung, wie dies in der Rechtssache Bosmann der Fall gewesen sei, gewähren müsse, um zu vermeiden, dass ein Arbeitnehmer infolge der Wahrnehmung seines Rechts auf Freizügigkeit einen Rechtsnachteil erleide.
Die Ausgangsverfahren beträfen aber keinen solchen Fall, da Herr Hudzinski und Herr Wawrzyniak durch ihre vorübergehende Beschäftigung in Deutschland keinen Rechtsnachteil erlitten hätten.
Gemäß Art. 14 Nr. 1 Buchst. a und Art. 14a Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 habe sich das für sie geltende Sozialrechtsstatut nämlich nicht geändert, so dass auf sie im Zeitraum ihrer vorübergehenden Beschäftigung in Deutschland weiterhin die polnischen Rechtsvorschriften anwendbar gewesen seien.
Somit hätten sie den nach deutschem Recht vorgesehenen günstigeren Kindergeldanspruch, da sie ihn zu keinem Zeitpunkt erworben hätten, auch nicht verlieren können.
Zweitens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass sich die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalte auch unter einem anderen erheblichen Gesichtspunkt von dem Sachverhalt unterschieden, der dem Urteil Bosmann zugrunde gelegen habe. Im Gegensatz zu jenem Fall sei nämlich in den vorliegenden Ausgangsverfahren die Bundesrepublik Deutschland nicht der Wohnmitgliedstaat der Kinder. Es stelle sich somit die Frage, ob dieser Umstand eine weitere Voraussetzung darstelle, welche die Befugnis des nicht zuständigen Mitgliedstaats, Wanderarbeitnehmern Familienleistungen zu gewähren, beschränke.
Drittens ergibt sich nach Ansicht des vorlegenden Gerichts weiter die Frage, ob diese Befugnis nicht auf die Fälle zu beschränken sei, in denen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats kein Anspruch auf vergleichbare Familienleistungen bestehe, wie es sich im Sachverhalt der Rechtssache Bosmann verhalten habe, wohingegen die vorliegenden Ausgangsverfahren Fälle beträfen, in denen die Arbeitnehmer derartige Leistungen im zuständigen Mitgliedstaat bezögen.
Sodann stelle sich, selbst wenn entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts der nicht zuständige Mitgliedstaat in Fällen wie denen der Ausgangsverfahren die Befugnis habe, Familienleistungen zu gewähren, obwohl sich diese Fälle grundlegend von dem im Urteil Bosmann behandelten unterschieden, die Frage, ob das Unionsrecht, insbesondere die Bestimmungen des Vertrags über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und das Diskriminierungsverbot, der Anwendung einer Vorschrift wie der des § 65 EStG entgegenstünden, der zufolge Familienleistungen nicht gewährt würden, wenn der Betroffene Anspruch auf vergleichbare Leistungen im zuständigen Mitgliedstaat habe.
Schließlich weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass sich für den Fall, dass diese Frage entgegen seiner Auffassung bejaht werden sollte, die weitere Frage stelle, wie eine dann gegebene Anspruchskumulierung zu lösen sei.
Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof in der Rechtssache C-611/10 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 14a Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen, dass er dem danach nicht zuständigen Mitgliedstaat jedenfalls dann die Befugnis nimmt, nach seinem nationalen Recht dem nur vorübergehend in seinem Gebiet beschäftigten Arbeitnehmer Familienleistungen zu gewähren, wenn weder der Arbeitnehmer selbst noch seine Kinder in dem nicht zuständigen Staat wohnen oder sich dort gewöhnlich aufhalten?
In der Rechtssache C-612/10 hat der Bundesfinanzhof das Verfahren ebenfalls ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 14 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen, dass er dem danach nicht zuständigen Mitgliedstaat, in den ein Arbeitnehmer entsandt wird und der auch nicht der Wohnmitgliedstaat der Kinder des Arbeitnehmers ist, jedenfalls dann die Befugnis nimmt, dem entsandten Arbeitnehmer Familienleistungen zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer durch seine Entsendung in diesen Mitgliedstaat keinen Rechtsnachteil erleidet?
Für den Fall, dass die erste Frage verneint wird:
Ist Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen, dass der nicht zuständige Mitgliedstaat, in den ein Arbeitnehmer entsandt wird, jedenfalls nur befugt ist, Familienleistungen zu gewähren, wenn feststeht, dass in dem anderen Mitgliedstaat kein Anspruch auf vergleichbare Familienleistungen besteht?
Falls auch diese Frage verneint wird:
Stehen dann gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Vorschriften einer nationalen Rechtsvorschrift wie § 65 EStG entgegen, die einen Anspruch auf Familienleistungen ausschließt, wenn eine vergleichbare Leistung im Ausland zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre?
Falls diese Frage bejaht wird:
Wie ist die dann gegebene Kumulation des Anspruchs im zuständigen Staat, der zugleich Wohnmitgliedstaat der Kinder ist, und des Anspruchs im nicht zuständigen Staat, der auch nicht Wohnmitgliedstaat der Kinder ist, zu lösen?
Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Februar 2011 sind die Rechtssachen C-611/10 und C-612/10 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
Zu den Vorlagefragen
Zur einzigen Vorlagefrage in der Rechtssache C-611/10 und zu den beiden ersten Vorlagefragen in der Rechtssache C-612/10
Mit der einzigen Frage in der Rechtssache C-611/10 und den beiden ersten Fragen in der Rechtssache C-612/10, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 14 Nr. 1 Buchst. a und Art. 14a Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedstaat, der nach diesen Vorschriften nicht als zuständiger Staat bestimmt ist, verwehren, nach seinem nationalen Recht einem Wanderarbeitnehmer, der unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren in seinem Hoheitsgebiet vorübergehend eine Arbeit ausführt, auch dann Leistungen für Kinder zu gewähren, wenn erstens festgestellt wird, dass der betreffende Erwerbstätige durch die Wahrnehmung seines Rechts auf Freizügigkeit keinen Rechtsnachteil erlitten hat, da er seinen Anspruch auf gleichartige Familienleistungen im zuständigen Mitgliedstaat behalten hat, und zweitens, dass weder dieser Erwerbstätige noch das Kind, für das diese Leistung beansprucht wird, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Mitgliedstaats haben, in dem die Arbeit vorübergehend ausgeführt wurde.
Hierzu ist festzustellen, dass, wie das vorlegende Gericht zu Recht angenommen hat, die auf die Situation der Kläger der Ausgangsverfahren hinsichtlich ihres Anspruchs auf Familienleistungen anwendbaren Rechtsvorschriften durch Art. 14 Nr. 1 Buchst. a bzw. Art. 14a Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt werden.
Es steht nämlich fest, dass Herr Wawrzyniak nach Art. 14 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 während des Zeitraums von weniger als 12 Monaten, für den er nach Deutschland entsandt war, weiterhin den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterlag, in dessen Gebiet die Gesellschaft, für die er normalerweise arbeitet, ihren Betriebssitz hat, d. h. den polnischen Rechtsvorschriften.
Ebenso ist unstreitig, dass Herr Hudzinski nach Art. 14a Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 während des Zeitraums von weniger als 12 Monaten, in dem er in Deutschland erwerbstätig war, weiterhin den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterlag, in dessen Gebiet er normalerweise eine selbständige Tätigkeit ausübt, d. h. den polnischen Rechtsvorschriften.
Vor diesem Hintergrund ist darauf hinzuweisen, dass die Vorschriften des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71, nach denen sich die auf innerhalb der Europäischen Union zu- und abwandernde Erwerbstätige anzuwendenden Rechtsvorschriften bestimmen, nach ständiger Rechtsprechung u. a. bezwecken, dass die Betroffenen grundsätzlich dem System der sozialen Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaats unterliegen, so dass die Kumulierung anwendbarer nationaler Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermieden werden. Dieser Grundsatz kommt insbesondere in Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung zum Ausdruck (vgl. u. a. Urteil vom 14. Oktober 2010, Schwemmer, C-16/09, Slg. 2010, I-9717, Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Da Art. 48 AEUV eine Koordinierung und keine Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vorsieht, werden im Übrigen die materiellen und formellen Unterschiede zwischen den Systemen der sozialen Sicherheit der einzelnen Mitgliedstaaten und folglich zwischen den Ansprüchen der dort Versicherten durch diese Bestimmung nicht berührt, so dass jeder Mitgliedstaat dafür zuständig bleibt, im Einklang mit dem Unionsrecht in seinen Rechtsvorschriften festzulegen, unter welchen Voraussetzungen die Leistungen eines Systems der sozialen Sicherheit gewährt werden (vgl. u. a. Urteil vom 30. Juni 2011, da Silva Martins, C-388/09, Slg. 2011, I-5737, Randnr. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).
In diesem Rahmen kann das Primärrecht der Union einem Versicherten nicht garantieren, dass ein Wechsel in einen anderen Mitgliedstaat hinsichtlich der sozialen Sicherheit neutral ist. Somit kann die Anwendung – gegebenenfalls aufgrund der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 – einer nationalen Regelung, die in Bezug auf Leistungen der sozialen Sicherheit weniger günstig ist, grundsätzlich mit den Anforderungen des Primärrechts der Union auf dem Gebiet der Personenfreizügigkeit vereinbar sein (vgl. entsprechend Urteil da Silva Martins, Randnr. 72).
Aus diesen Grundsätzen ergibt sich, dass die Kläger der Ausgangsverfahren, die sich von einem Mitgliedstaat in einen anderen, im vorliegenden Fall die Bundesrepublik Deutschland, begeben haben, um dort eine Arbeit auszuführen, grundsätzlich nur einen Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats haben, die nach der Verordnung Nr. 1408/71 allein anwendbar sind, selbst wenn diese, wie im vorliegenden Fall, weniger günstig sind als die Leistungen gleicher Art nach den deutschen Rechtsvorschriften.
Auch wenn die deutschen Behörden somit nach dem Unionsrecht nicht verpflichtet sind, das in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Kindergeld zu gewähren, stellt sich gleichwohl die Frage, ob das Unionsrecht die Möglichkeit einer solchen Gewährung ausschließt, zumal die Kläger der Ausgangsverfahren, wie aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervorgeht, diese Leistung nach den deutschen Rechtsvorschriften offenbar allein deshalb in Anspruch nehmen können, weil sie unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren oder so behandelt wurden, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Insoweit sind, wie der Gerichtshof in Randnr. 29 des Urteils Bosmann in Erinnerung gerufen hat, die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 im Licht des Art. 48 AEUV auszulegen, der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer erleichtern soll und u. a. impliziert, dass Wanderarbeitnehmer nicht deshalb Ansprüche auf Leistungen der sozialen Sicherheit verlieren oder geringere Leistungen erhalten dürfen, weil sie das ihnen vom Vertrag verliehene Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben.
Weiter hat der Gerichtshof in Randnr. 30 des genannten Urteils darauf hingewiesen, dass im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1408/71 ausgeführt wird, dass die in der Verordnung enthaltenen Vorschriften zur Koordinierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit zur Freizügigkeit von Personen gehören und zur Verbesserung von deren Lebensstandard und Arbeitsbedingungen beitragen sollen.
Im Licht dieser Erwägungen hat der Gerichtshof in Randnr. 31 des Urteils Bosmann festgestellt, dass unter den Umständen des dort zugrunde liegenden Verfahrens dem Wohnmitgliedstaat nicht die Befugnis abgesprochen werden kann, den in seinem Gebiet wohnhaften Personen Familienleistungen zu gewähren. Nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, zwar den Rechtsvorschriften dieses Staates, auch wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt, doch soll der Wohnmitgliedstaat mit dieser Verordnung nicht daran gehindert werden, dieser Person nach seinem Recht Familienleistungen zu gewähren.
In Randnr. 32 des Urteils Bosmann hat der Gerichtshof hinzugefügt, dass der in Randnr. 41 des vorliegenden Urteils angeführte Grundsatz der ausschließlichen Anwendung der nach den Vorschriften des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmten Rechtsvorschriften nicht als Grundlage dienen kann, um auszuschließen, dass ein Mitgliedstaat, der nicht der zuständige Mitgliedstaat ist und der den Anspruch auf eine Familienleistung nicht an eine Beschäftigung oder Versicherung bindet, einer in seinem Gebiet ansässigen Person eine solche Leistung gewähren kann, sofern sich diese Möglichkeit tatsächlich aus seinen Rechtsvorschriften ergibt.
In den vorliegenden Rechtssachen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die damit einem Mitgliedstaat, der nach den Vorschriften des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 nicht der zuständige Staat ist, unter Umständen, wie sie im Urteil Bosmann in Frage standen, zuerkannte Möglichkeit, einer in seinem Gebiet wohnhaften Person eine Familienleistung zu gewähren, auch für Sachverhalte wie die in den vorliegenden Ausgangsverfahren fraglichen anzuerkennen ist, obgleich diese sich von dem der Rechtssache Bosmann zugrunde liegenden Sachverhalt in mehrfacher Hinsicht unterscheiden.
Was erstens die Erheblichkeit des Umstands betrifft, dass die Kläger der Ausgangsverfahren durch die Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit weder Ansprüche auf Leistungen der sozialen Sicherheit verloren noch geringere Leistungen erhalten haben, da sie ihre Ansprüche auf Familienleistungen im zuständigen Mitgliedstaat behalten haben, so vermag es dieser Umstand für sich allein nicht auszuschließen, dass ein nicht zuständiger Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, solche Leistungen zu gewähren.
Wenn der Gerichtshof nämlich in Randnr. 29 des Urteils Bosmann auch darauf hingewiesen hat, dass Wanderarbeitnehmer nicht deshalb Ansprüche auf Leistungen der sozialen Sicherheit verlieren oder geringere Leistungen erhalten dürfen, weil sie das ihnen vom Vertrag verliehene Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben, ist doch dieser Hinweis ausdrücklich als ein Beispiel für die Folgerungen formuliert, die sich aus Art. 48 AEUV und dem Zweck dieser Vorschrift für die Auslegung der Verordnung Nr. 1408/71 ergeben können.
Zudem ist dieser Hinweis, der im Zusammenhang mit den besonderen Umständen des Ausgangsverfahrens der Rechtssache Bosmann zu sehen ist, nur von nachrangiger Bedeutung gegenüber dem in derselben Randnummer des Urteils Bosmann an erster Stelle genannten und ständiger Rechtsprechung entsprechenden Grundsatz, wonach die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 im Licht des Zwecks des Art. 48 AEUV auszulegen sind, der in der Herstellung größtmöglicher Freizügigkeit für die Wanderarbeitnehmer besteht (vgl. u. a. Urteil da Silva Martins, Randnr. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass aus dem ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1408/71 hervorgeht, dass diese zur Verbesserung des Lebensstandards und der Arbeitsbedingungen der Wanderarbeitnehmer beitragen soll.
In diesem Rahmen hat der Gerichtshof indessen festgestellt, dass man gleichzeitig über das Ziel der Verordnung Nr. 1408/71 hinausginge und die Zwecke und den Rahmen von Art. 48 AEUV außer Betracht ließe, legte man die Verordnung so aus, dass sie einem Mitgliedstaat verbietet, Arbeitnehmern sowie deren Familienangehörigen einen weiter gehenden sozialen Schutz zu gewähren, als sich aus der Anwendung dieser Verordnung ergibt (Urteil vom 16. Juli 2009, Von Chamier-Glisczinski, C-208/07, Slg. 2009, I-6095, Randnr. 56).
Die unionsrechtlichen Vorschriften zur Koordinierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit sind nämlich insbesondere in Anbetracht der mit ihnen verfolgten Ziele – vorbehaltlich ausdrücklich vorgesehener, diesen Zielen entsprechender Ausnahmen – so anzuwenden, dass sie dem Wanderarbeitnehmer oder den ihm gegenüber Berechtigten nicht Leistungen aberkennen, die allein nach dem Recht eines Mitgliedstaats gewährt werden (vgl. u. a. Urteil da Silva Martins, Randnr. 75).
In Anbetracht dieser Umstände ist festzustellen, dass eine Auslegung von Art. 14 Nr. 1 Buchst. a und Art. 14a Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71, die es einem Mitgliedstaat erlaubt, Familienleistungen in einer Situation wie der der Ausgangsverfahren zu gewähren, in der der Wanderarbeitnehmer durch die Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit weder den Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit verloren noch geringere Leistungen erhalten hat, da er seinen Anspruch auf gleichartige Familienleistungen im zuständigen Mitgliedstaat behalten hat, nicht ausgeschlossen werden kann, weil sie zur Verbesserung des Lebensstandards und der Arbeitsbedingungen der Wanderarbeitnehmer beizutragen vermag, indem diesen ein weiter gehender sozialer Schutz gewährt wird, als sich aus der Anwendung dieser Verordnung ergibt, und sie somit am Zweck dieser Vorschriften teilhat, der darin besteht, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu erleichtern.
Was zweitens die Hinweise im Urteil Bosmann auf den Wohnsitz des Wanderarbeitnehmers im Gebiet des nicht zuständigen Mitgliedstaats betrifft, dessen Familienleistung beansprucht wird, erklären sie sich durch den Umstand, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens in jener Rechtssache nach § 62 Abs. 1 EStG schon allein aufgrund ihres Wohnsitzes in diesem Mitgliedstaat Anspruch auf diese Leistung hatte, ohne dass diese Vorschrift diesen Anspruch von einer Beschäftigung oder Versicherung abhängig macht.
Somit handelt es sich um Hinweise zur Rechtsgrundlage der fraglichen Familienleistung im nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaats und insbesondere zu dem darin festgelegten Anknüpfungskriterium des Wohnsitzes.
Nach § 62 Abs. 1 EStG hat jedoch Anspruch auf das Kindergeld auch, wer ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war oder so behandelt wurde.
In den vorliegenden Ausgangsverfahren steht das zweite Anknüpfungskriterium in Frage.
Soweit nach dem nationalen Recht die beiden Anknüpfungskriterien in § 62 Abs. 1 EStG als solche den Anspruch auf Kindergeld begründen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, kann die Bezugnahme im Urteil Bosmann auf das Anknüpfungskriterium des Wohnsitzes des Wanderarbeitnehmers nicht bedeuten, dass ein Mitgliedstaat, der nach den Vorschriften des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 nicht der zuständige Staat ist, eine Familienleistung nur dann gewähren dürfte, wenn dieser Anspruch auf der Grundlage dieses Anknüpfungskriteriums geltend gemacht wird, und diese Möglichkeit hingegen in einer Situation ausgeschlossen wäre, in der das andere Anknüpfungskriterium anwendbar ist.
In diesem Zusammenhang wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob der Umstand von Bedeutung ist, dass in den Sachverhalten der Ausgangsverfahren, anders als in der im Urteil Bosmann behandelten Situation, das Kind nicht im Gebiet des nicht zuständigen Mitgliedstaats wohnt, in dem eine Leistung für dieses Kind beansprucht wird.
Hierzu ist festzustellen, dass sich der Gerichtshof im Urteil Bosmann nicht auf das Vorliegen dieses Elements der Anknüpfung an das Gebiet des nicht zuständigen Mitgliedstaats in der fraglichen Situation bezieht, um die Schlussfolgerung zu stützen, dass dieser Staat die Möglichkeit der Gewährung von Familienleistungen besitzt.
Schließlich ist festzustellen, dass in einer Situation wie der in der Rechtssache Bosmann in Rede stehenden der Wohnsitz des Wanderarbeitnehmers und der des Kindes im Gebiet des nicht zuständigen Mitgliedstaats vor allem in Anbetracht der Art der fraglichen Leistung zweifelsfrei eindeutige und besonders enge Anknüpfungselemente darstellten.
In den vorliegenden Ausgangsverfahren besteht die Anknüpfung der fraglichen Situationen an das Gebiet des nicht zuständigen Mitgliedstaats, dessen Familienleistungen beansprucht werden, in der unbeschränkten Steuerpflicht für die Einkünfte aus der vorübergehend ausgeführten Arbeit in diesem Mitgliedstaat. Diese Anknüpfung gründet sich auf ein eindeutiges Kriterium und kann, auch in Anbetracht des Umstands, dass die beanspruchte Familienleistung aus Steuereinnahmen finanziert wird, als hinreichend eng angesehen werden.
Unter diesen Umständen erscheint die Gewährung dieser Leistung, die nicht von einer Beschäftigung oder Versicherung abhängig ist, in den Sachverhalten der Ausgangsverfahren nicht geeignet, die Vorhersehbarkeit und die Effektivität der Anwendung der Koordinierungsregeln der Verordnung Nr. 1408/71 übermäßig zu beeinträchtigen, die Erfordernisse der Rechtssicherheit darstellen, die auch die Interessen der Wanderarbeitnehmer schützen und zu denen im Übrigen der in Randnr. 41 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gebrachte Grundsatz zählt, wonach grundsätzlich die Rechtsvorschriften des nach diesen Regeln als zuständiger Staat bestimmten Mitgliedstaats ausschließlich anwendbar sind.
Nach alledem ist auf die einzige Frage in der Rechtssache C-611/10 und die beiden ersten Fragen in der Rechtssache C-612/10 zu antworten, dass Art. 14 Nr. 1 Buchst. a und Art. 14a Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedstaat, der nach diesen Vorschriften nicht als zuständiger Staat bestimmt ist, nicht verwehren, nach seinem nationalen Recht einem Wanderarbeitnehmer, der unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren in seinem Hoheitsgebiet vorübergehend eine Arbeit ausführt, auch dann Leistungen für Kinder zu gewähren, wenn erstens festgestellt wird, dass der betreffende Erwerbstätige durch die Wahrnehmung seines Rechts auf Freizügigkeit keinen Rechtsnachteil erlitten hat, da er seinen Anspruch auf gleichartige Familienleistungen im zuständigen Mitgliedstaat behalten hat, und zweitens, dass weder dieser Erwerbstätige noch das Kind, für das diese Leistung beansprucht wird, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Mitgliedstaats haben, in dem die vorübergehende Arbeit ausgeführt wurde.
Zur dritten und zur vierten Frage in der Rechtssache C-612/10
Mit der dritten und der vierten Frage in der Rechtssache C-612/10, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht, insbesondere die Antikumulierungsregeln in Art. 76 der Verordnung Nr. 1408/71 und Art. 10 der Verordnung Nr. 547/72, die Bestimmungen des Vertrags über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und das Diskriminierungsverbot, dahin auszulegen ist, dass es in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden der Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift wie § 65 EStG entgegensteht, die den Anspruch auf Leistungen für Kinder ausschließt, wenn eine vergleichbare Leistung in einem anderen Staat zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre.
Da sich aus der Prüfung der ersten beiden Fragen in der Rechtssache C-612/10 ergibt, dass Art. 14 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, dass die Bundesrepublik Deutschland, die nach dieser Vorschrift nicht der zuständige Staat ist, in einer Situation wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden befugt, aber nicht verpflichtet ist, einem entsandten Arbeitnehmer, der in seinem Hoheitsgebiet einer vorübergehenden Beschäftigung nachgeht, nach seinem nationalen Recht Leistungen für Kinder zu gewähren, muss dieser Staat – worauf das vorlegende Gericht hinweist – grundsätzlich auch darüber entscheiden können, ob und gegebenenfalls in welcher Weise er den Umstand berücksichtigen will, dass in dem nach der genannten Vorschrift zuständigen Mitgliedstaat, im vorliegenden Fall der Republik Polen, ein Anspruch auf eine vergleichbare Leistung besteht.
Wenn allerdings in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren fraglichen das Recht des nicht zuständigen Mitgliedstaats einen Anspruch auf eine Familienleistung vorsieht, die dem Wanderarbeitnehmer einen zusätzlichen sozialen Schutz aufgrund des Umstands einräumt, dass er in diesem Staat im Zeitraum seiner dortigen Beschäftigung unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war oder so behandelt wurde, sind in diesem Recht etwaig vorgesehene Antikumulierungsregeln wie die des § 65 EStG dann nicht anwendbar, wenn festgestellt wird, dass diese Anwendung gegen das Unionsrecht verstößt.
So hat der Gerichtshof im von den Klägern der Ausgangsverfahren angeführten Urteil Schwemmer entschieden, dass die Antikumulierungsregel des Art. 10 der Verordnung Nr. 574/72 in dem fraglichen Sachverhalt des Ausgangsverfahrens dahin auszulegen war, dass der Anspruch auf das nach deutschem Recht geschuldete Kindergeld nicht nach § 65 Abs. 1 EStG in Höhe des Betrags, der in der Schweiz hätte bezogen werden können, teilweise ausgesetzt werden darf.
Jedoch ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Situation nicht unter diese Antikumulierungsregel und im Übrigen auch nicht unter die des Art. 76 der Verordnung Nr. 1408/71 fällt, da sie keinen Fall der Kumulierung von Ansprüchen nach dem nationalen Recht des Wohnmitgliedstaats des Kindes mit Ansprüchen nach dem Recht des Beschäftigungsmitgliedstaats betrifft, der nach dieser Verordnung als zuständiger Staat bestimmt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Bosmann, Randnr. 24, und Schwemmer, Randnrn. 43 und 51).
Im Ausgangsverfahren ist die Republik Polen nämlich zugleich der Wohnmitgliedstaat des betroffenen Kindes und der Beschäftigungsmitgliedstaat des entsandten Arbeitnehmers, der nach Art. 14 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 als zuständiger Staat bestimmt ist, d. h. der Staat, in dessen Gebiet die Gesellschaft, für die dieser normalerweise arbeitet, ihren Betriebssitz hat.
Daraus folgt, dass die Antikumulierungsregeln in Art. 76 der Verordnung Nr. 1408/71 und Art. 10 der Verordnung Nr. 574/72 im vorliegenden Fall dem Ausschluss des Anspruchs auf eine Leistung für Kinder nach einer nationalen Antikumulierungsregel wie derjenigen in § 65 EStG nicht entgegenstehen können.
Gleichwohl kann die Anwendung einer solchen Antikumulierungsregel des nationalen Rechts in einem Verfahren wie dem Ausgangsverfahren, soweit sie, wie aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte hervorgeht, offenbar nicht zu einer Kürzung des Betrags der Leistung um die Höhe des Betrags einer in einem anderen Staat gewährten vergleichbaren Leistung, sondern zum Ausschluss dieser Leistung führt, einen erheblichen Nachteil darstellen, der faktisch eine weitaus größere Zahl Wanderarbeitnehmer als sesshafter Arbeitnehmer beeinträchtigt, die ihre gesamten Tätigkeiten in dem betreffenden Mitgliedstaat ausübten, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Es sind nämlich vor allem Wanderarbeitnehmer, die in einem anderen Mitgliedstaat, insbesondere in ihrem Herkunftsmitgliedstaat, vergleichbare Leistungen in zudem potenziell sehr unterschiedlicher Höhe beziehen können.
Ein solcher Nachteil scheint umso weniger gerechtfertigt, als die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Leistung aus Steuereinnahmen finanziert wird und der Kläger des Ausgangsverfahrens nach den fraglichen nationalen Rechtsvorschriften aufgrund des Umstands, dass er in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war, einen Anspruch auf diese Leistung hat.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass der Zweck der Art. 45 AEUV und 48 AEUV verfehlt würde, wenn die Wanderarbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlieren würden, die ihnen allein die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats sichern (vgl. in diesem Sinne Urteil da Silva Martins, Randnr. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich außerdem, dass mit den Art. 45 AEUV bis 48 AEUV ebenso wie mit der zu ihrer Durchführung erlassenen Verordnung Nr. 1408/71 insbesondere verhindert werden soll, dass ein Arbeitnehmer, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, ohne objektiven Grund schlechter gestellt wird als ein Arbeitnehmer, der seine gesamte berufliche Laufbahn in einem einzigen Mitgliedstaat zurückgelegt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil da Silva Martins, Randnr. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Daher steht der in Randnr. 76 des vorliegenden Urteils benannte Nachteil auch dann in Widerspruch zu den Anforderungen des Primärrechts der Union auf dem Gebiet der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, wenn er sich durch die Unterschiede zwischen den Systemen der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten erklären lässt, die trotz der vom Unionsrecht vorgesehenen Koordinierungsregeln weiterhin bestehen (vgl. entsprechend u. a. Urteil da Silva Martins, Randnrn. 72 und 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Diese Ergebnis kann nicht durch den Zweck von Art. 14 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 in Frage gestellt werden, der, worauf das vorlegende Gericht hinweist, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs darin besteht, die Dienstleistungsfreiheit zu fördern, indem diese Bestimmung vermeidet, dass ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen verpflichtet ist, seine im Übrigen dem System der sozialen Sicherheit dieses Staates unterliegenden Arbeitnehmer, wenn sie zur Verrichtung von Arbeiten von begrenzter Dauer in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden, bei dessen entsprechendem System anzumelden, was die Inanspruchnahme der Dienstleistungsfreiheit durch ein solches Unternehmen erschweren würde (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 10. Februar 2000, FTS, C-202/97, Slg. 2000, I-883, Randnrn. 28 und 29).
Hierzu ist festzustellen, dass der Ausschluss der Leistung für Kinder, der sich in der im Ausgangsverfahren streitigen Situation aus der Anwendung einer nationalen Antikumulierungsregel wie § 65 EStG ergibt, nicht zur Vermeidung von Kosten und Verwaltungsaufwand bestimmt ist, die ein Wechsel des anwendbaren nationalen Rechts für Unternehmen anderer Mitgliedstaaten, die Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden, mit sich bringen kann.
Es steht nämlich fest, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Leistung gewährt wird, ohne dass die Unternehmen, denen diese Arbeitnehmer angehören, verpflichtet wären, zur Finanzierung dieser Leistung beizutragen, und ohne dass ihnen in diesem Zusammenhang die Beachtung von Verwaltungsformalitäten aufgebürdet würde.
Daher ist auf die dritte und die vierte Frage in der Rechtssache C-612/10 zu antworten, dass die Bestimmungen des Vertrags über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer dahin auszulegen sind, dass sie in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden der Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift wie § 65 EStG entgegenstehen, soweit diese nicht zu einer Kürzung des Betrags der Leistung um die Höhe des Betrags einer in einem anderen Staat gewährten vergleichbaren Leistung, sondern zum Ausschluss der Leistung führt.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
Art. 14 Nr. 1 Buchst. a und Art. 14a Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung, diese wiederum geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 647/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005, sind dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat, der nach diesen Vorschriften nicht als zuständiger Staat bestimmt ist, nicht verwehren, nach seinem nationalen Recht einem Wanderarbeitnehmer, der unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren in seinem Hoheitsgebiet vorübergehend eine Arbeit ausführt, auch dann Leistungen für Kinder zu gewähren, wenn erstens festgestellt wird, dass der betreffende Erwerbstätige durch die Wahrnehmung seines Rechts auf Freizügigkeit keinen Rechtsnachteil erlitten hat, da er seinen Anspruch auf gleichartige Familienleistungen im zuständigen Mitgliedstaat behalten hat, und zweitens, dass weder dieser Erwerbstätige noch das Kind, für das diese Leistung beansprucht wird, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Mitgliedstaats haben, in dem die vorübergehende Arbeit ausgeführt wurde.
Die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer sind dahin auszulegen, dass sie in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden der Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift wie § 65 des Einkommensteuergesetzes entgegenstehen, soweit diese nicht zu einer Kürzung des Betrags der Leistung um die Höhe des Betrags einer in einem anderen Staat gewährten vergleichbaren Leistung, sondern zum Ausschluss der Leistung führt.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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