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BAG 17.11.2011 - 5 AZR 682/09
BAG 17.11.2011 - 5 AZR 682/09
Vorinstanz
vorgehend ArbG Stuttgart, 15. Januar 2009, Az: 21 Ca 8899/07, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 10. August 2009, Az: 4 Sa 8/09, Urteil
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 10. August 2009 - 4 Sa 8/09 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 15. Januar 2009 - 21 Ca 8899/07 - zurückgewiesen hat.
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2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 15. Januar 2009 - 21 Ca 8899/07 - abgeändert, soweit es die Beklagte verurteilt hat, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für den Zeitraum 1. Mai bis 2. November 2007 134 Stunden gutzuschreiben. Insoweit wird die Klage insgesamt abgewiesen.
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3. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 10. August 2009 - 4 Sa 8/09 - wird zurückgewiesen und der Hilfsantrag des Klägers abgewiesen.
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4. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben der Kläger 46 % und die Beklagte 54 % zu tragen. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob und in welchem Umfang dem Arbeitszeitkonto des Klägers Stunden gutzuschreiben sind.
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Der Kläger ist seit Juni 1990 bei der Beklagten als Monteur beschäftigt. Seit 1. Juni 2005 ist er Mitglied der Industriegewerkschaft Metall. Die Beklagte trat mit Wirkung zum 31. Dezember 2005 aus dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. aus. Bis zu diesem Zeitpunkt wandte sie auf alle Arbeitsverhältnisse unabhängig von einer Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer die Tarifverträge für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden an.
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Am 24. Juni 2005 schlossen die Parteien mit Wirkung zum 1. Januar 2006 einen neuen Arbeitsvertrag, in dem sie eine individuelle regelmäßige Wochenarbeitszeit von 40 Stunden vereinbarten und festhielten, dass keine Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fänden.
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In einer am 7. Dezember 2005 geschlossenen „Betriebsvereinbarung Nr. 02/2005“ heißt es:
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„…
2.
Dauer der Arbeitszeit
Für die vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer beträgt die persönliche, regelmäßige, wöchentliche Arbeitszeit ab dem 01. Januar 2006 40 Stunden.
…
4.
Arbeitszeitkonto
Die Differenz zwischen der geleisteten Arbeitszeit und der Regelarbeitszeit wird 1:1 in ein Arbeitszeitkonto übertragen, welches für jeden einzelnen Arbeitnehmer geführt wird. (…)“
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Ab 1. Januar 2006 arbeitete der Kläger 40 Wochenstunden, während der Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 14. Juni 2005 (im Folgenden: MTV) eine tarifliche wöchentliche Arbeitszeit (ohne Pausen) von 35 Stunden vorsah.
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Mit seiner der Beklagten am 22. November 2007 zugestellten Klage hat der Kläger ua. geltend gemacht, seinem Arbeitszeitkonto seien für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 2. November 2007 insgesamt 480 Arbeitsstunden gutzuschreiben.
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Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 2. November 2007 480 Stunden gutzuschreiben.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr an die Tarifverträge für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden gebunden gewesen zu sein. Zudem habe der Kläger die sechsmonatige Ausschlussfrist des MTV nicht eingehalten.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für den Zeitraum 1. Mai bis 2. November 2007 134 Stunden gutzuschreiben. Das Landesarbeitsgericht hat unter Zurückweisung der Berufungen des Klägers und der Beklagten im Übrigen die Beklagte verurteilt, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für den Zeitraum 23. Mai bis 2. November 2007 113 Stunden gutzuschreiben. Mit der vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgen die Beklagte ihr Begehren auf vollständige Klageabweisung, der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag mit der Maßgabe, dass die Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers in der Spalte „FLEX“ erfolgen solle, weiter. Außerdem hat der Kläger in der Revisionsinstanz seine Klage um einen Hilfsantrag erweitert, mit dem er die Zahlung von 7.108,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2007 begehrt.
Entscheidungsgründe
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I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Beklagten gegen das der Klage teilweise stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht nicht in vollem Umfang stattgegeben.
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1. Die Klage ist mit dem in den Vorinstanzen gestellten (Haupt-)Antrag mit der in der Revisionsinstanz nachgeholten Konkretisierung dieses Leistungsantrags zulässig.
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Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können (vgl. BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 1036/06 - Rn. 9, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 42 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 16; 6. Juli 2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 72). Gleichermaßen kann der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3). Seit der im Revisionsverfahren erfolgten Konkretisierung des Leistungsbegehrens (Gutschrift in der Spalte „FLEX“) ist der Klageantrag hinreichend bestimmt.
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2. Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch, dass die vom 1. Januar 2006 bis zum 2. November 2007 über die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden hinaus geleistete Arbeitszeit als Mehrarbeit auf seinem Arbeitszeitkonto in der Spalte „FLEX“ verbucht wird. Dafür fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.
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a) Aus der Betriebsvereinbarung Nr. 2/2005 vom 7. Dezember 2005 ergibt sich kein Anspruch darauf, dass die über 35 Wochenstunden hinausgehende Arbeitszeit auf den Arbeitszeitkonten der Arbeitnehmer als Mehrarbeit verbucht wird. Die Betriebsvereinbarung wurde für eine Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden getroffen, nur die Differenz zwischen der geleisteten Arbeitszeit und dieser Regelarbeitszeit wird in ein Arbeitszeitkonto übertragen (Ziff. 2 und Ziff. 4 der Betriebsvereinbarung; vgl. dazu auch BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 13, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 50).
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b) Ebenso wenig ergibt sich der Klageanspruch aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag vom 24. Juni 2005.
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aa) Der Sachvortrag des Klägers enthält keine Anhaltspunkte dafür, aus dem Arbeitsvertrag ließe sich herleiten, dass die Differenz zwischen vertraglicher und tariflicher Wochenarbeitszeit als Mehrarbeit auf dem Arbeitszeitkonto verbucht werden solle.
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bb) Aus § 611 Abs. 1 BGB kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos haben (vgl. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 10 mwN, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1). Die Gutschrift von Arbeitsstunden setzt aber voraus, dass die gutzuschreibenden Stunden nicht vergütet wurden oder die dafür geleistete Vergütung vom Arbeitgeber wegen eines Entgeltfortzahlungstatbestands auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung hätte erbracht werden müssen (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3).
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cc) Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum Vergütung für 40 Arbeitsstunden wöchentlich erhalten. Ausgehend von den erteilten Lohnabrechnungen steht dies zwischen den Parteien außer Streit. Damit sind aber die Stunden, die laut Klageantrag auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers in der Spalte „FLEX“ als Mehrarbeit verbucht werden sollen, von der Beklagten laufend vergütet worden. Daran ändert die - zugunsten des Klägers unterstellte - Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden nach § 4 Abs. 3 TVG nichts. Der Kläger hat allenfalls für die wöchentlich „zu viel“ geleisteten Arbeitsstunden eine zu geringe Vergütung erhalten, sofern auch die arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung - wozu es allerdings an Sachvortrag des Klägers fehlt - nach § 4 Abs. 3 TVG unwirksam sein sollte. Eine zu geringe Vergütung von geleisteten Arbeitsstunden begründet aber keinen Anspruch, diese Stunden auf einem Arbeitszeitkonto als Mehrarbeit zu verbuchen, sondern nur auf Zahlung der Vergütungsdifferenz.
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II. Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Für den Anspruch auf Gutschrift von Arbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto fehlt es an einer Grundlage (siehe unter I 2). Der erstmals in der Revisionsinstanz klageerweiternd gestellte Hilfsantrag ist unzulässig.
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Die Einführung eines zusätzlichen Hilfsantrags in der Revisionsinstanz stellt eine nachträgliche Anspruchshäufung (§ 260 ZPO) und damit eine Klageänderung gem. § 263 ZPO dar, ohne dass lediglich einer der Fälle des § 264 ZPO vorliegen würde. Diese Klageänderung ist in der Revisionsinstanz unzulässig. Das Revisionsgericht kann nicht erstmals ein bisher nicht beschiedenes Begehren beurteilen, welches die Feststellung neuer Tatsachen erfordert (BAG 12. Juli 2006 - 5 AZR 646/05 - Rn. 17, BAGE 119, 62; 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 29, jeweils mwN). Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Die Entscheidung über den Hilfsantrag würde neue Feststellungen zur Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung, der Höhe der tariflichen Vergütung sowie zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist erfordern.
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III. Unter Berücksichtigung der rechtskräftigen Kostenentscheidung des Landesarbeitsgerichts nach § 91a ZPO hinsichtlich des in der Berufungsinstanz übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits haben von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz der Kläger 46 % und die Beklagte 54 % zu tragen, § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten der Revision hat der Kläger gem. § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
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