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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BSG 28.10.2024 - B 9 V 1/24 C
BSG 28.10.2024 - B 9 V 1/24 C
Tenor
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Der Antrag des Klägers auf Beiladung der Bundesrepublik Deutschland wird abgelehnt.
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Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 27. Juni 2024 wird zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Der Senat hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als unzulässig verworfen (Beschluss vom 27.6.2024; dem Kläger zugestellt am 30.7.2024). Soweit er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend mache, habe er die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht hinreichend dargetan. Es fehle an einer Auseinandersetzung mit den Folgen der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit der entschädigungsrechtlichen Ruhensvorschriften.
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Dagegen richtet sich die Anhörungsrüge des Klägers vom 13.8.2024, mit der er zugleich beantragt, die Bundesrepublik Deutschland zum Rüge- und zum fortzusetzenden Beschwerdeverfahren beizuladen. Zur Begründung trägt er vor, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden, indem der Senat zu Unrecht davon ausgegangen sei, er strebe "ausdrücklich eine vollständige Nichtanwendung der einschlägigen Ruhensvorschriften" an. Tatsächlich habe sich sein diesbezügliches Begehren auf die Grundrente bzw die monatliche Entschädigungszahlung beschränkt. Insoweit habe er in seiner Beschwerdebegründung die Methode der teleologischen Reduktion zwar nicht explizit benannt, aber der Sache nach angewandt.
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II. 1. In Angelegenheiten des Sozialen Entschädigungsrechts ist gemäß § 75 Abs 1 Satz 2 SGG die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen. Die in dieser Formulierung zum Ausdruck kommende Verpflichtung des Gerichts besteht indes - wie das BSG bereits entschieden hat - nur, wenn die Bundesrepublik selbst ihre Beiladung beantragt hat (BSG Urteil vom 22.4.1965 - 10 RV 375/63 - SozR Nr 29 zu § 75 SGG - juris RdNr 13 ff). Dafür spricht auch die Ausnahmevorschrift des § 168 Satz 2 SGG, die im Fall des § 75 Abs 1 Satz 2 SGG anders als bei nach § 75 Abs 2 SGG Beizuladenden keine gesonderte Zustimmung des Bundes voraussetzt. Ein solcher Antrag liegt hier nicht vor. Der diesbezügliche Antrag des Klägers ist vor diesem Hintergrund lediglich als Anregung anzusehen, von der Möglichkeit der einfachen Beiladung gemäß § 75 Abs 1 Satz 1 SGG Gebrauch zu machen, die im Ermessen des Gerichts steht. Davon sieht der Senat jedoch angesichts des eingetretenen Verfahrensstadiums ab.
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2. Die Anhörungsrüge ist jedenfalls unbegründet und nach § 178a Abs 4 Satz 2 SGG durch Beschluss außerhalb der mündlichen Verhandlung ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (vgl BSG Beschluss vom 8.11.2006 - B 2 U 5/06 C - SozR 4-1500 § 178a Nr 6 RdNr 7 f) zurückzuweisen. Ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die angegriffene Entscheidung ist nicht gegeben (§ 178a Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG), und die Rüge ist auch innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der möglichen Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben worden (§ 178a Abs 2 Satz 1 SGG). Ob der Kläger eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung in der gebotenen Weise dargelegt hat (§ 178a Abs 2 Satz 5 SGG), kann dahinstehen.
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Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) liegt in der Sache nicht vor. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass Beteiligte mit ihrem Vortrag "gehört", nicht aber zwingend auch "erhört" werden (stRspr; zB BSG Beschluss vom 13.7.2023 - B 11 AL 8/23 B - juris RdNr 8 BSG Beschluss vom 30.3.2023 - B 10 ÜG 2/22 B - juris RdNr 36; BSG Beschluss vom 3.3.2022 - B 9 V 37/21 B - juris RdNr 12). Die Gerichte werden durch Art 103 Abs 1 GG nicht dazu verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - juris RdNr 12 f mwN). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (stRspr; zB BVerfG <Kammer> Beschluss vom 16.1.2024 - 2 BvR 1114/23 - juris RdNr 35; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 7.6.2023 - 2 BvR 2139/21 - juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 22.4.2024 - B 9 BL 1/23 B - juris RdNr 8). Das Gericht ist insbesondere nicht gehalten, namentlich nicht bei letztinstanzlichen, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Entscheidungen, sich in den Gründen der Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nur anzunehmen, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falls ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht nicht nachgekommen ist. Besondere Umstände liegen etwa vor, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 7.6.2023 - 2 BvR 2139/21 - juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 31.8.2023 - B 11 AL 6/23 C - juris RdNr 4).
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Vorliegend sind solche besonderen Umstände nicht erkennbar. Der Senat hat sich mit dem aus seiner Sicht bedeutsamen Beschwerdevorbringen des Klägers auseinandergesetzt. Der Kläger beanstandet mit seiner Anhörungsrüge im Wesentlichen, der Senat habe mit seiner Formulierung, der Kläger habe "ausdrücklich eine vollständige Nichtanwendung der einschlägigen Ruhensvorschriften" angestrebt, dessen wahres Begehren verkannt. Sein Verständnis dieses Zitats ist allerdings - wie die Anhörungsrüge selbst eingehend belegt - nicht zutreffend. Schließlich beschränkt sich schon die - in dem Beschluss vom 27.6.2024 wörtlich zitierte - Rechtsfrage des Klägers ausdrücklich auf "die Grundrente (§§ 30, 31 BVG) bzw. die monatliche Entschädigungszahlung (§ 83 SGB XIV)". Es bestand auch kein Anlass, die vermeintliche Rechtsansicht des Klägers zu anderen als den streitgegenständlichen Leistungen darzustellen, zumal wenn der Beklagte ebenfalls der Ansicht ist, dass nicht sämtliche Ansprüche ruhen und dem Kläger daher bereits eine Pflegezulage gewährt. Mit dem Adjektiv "vollständig", das laut Duden (https://www.duden.de/rechtschreibung/vollstaendig; zuletzt abgerufen am 28.10.2024) "komplett" oder "gänzlich" bedeutet, sollte vielmehr zum Ausdruck gebracht werden, dass der Kläger die Auszahlung der streitgegenständlichen Leistungen in voller Höhe begehrt; er also im Ausgangspunkt auch deren teilweises Ruhen ablehnt. Hintergrund dessen war die entsprechende Angabe in der Beschwerdebegründung, die der Kläger um den Zusatz ergänzt hatte, "hilfsweise" begehre er "das Ruhen nur zu 1/3".
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Damit fehlt es zugleich an der Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Gehörsverletzung. Auch für sein - als Minus im Klageantrag enthaltenes - prozessuales Minimalziel, das Ruhen auf einen Teilbetrag der Grundrente zu beschränken, so dass ihm der Rest der Leistung ausgezahlt würde, hat die Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt, "wie sich das gewünschte Ergebnis methodengerecht erreichen ließe" (so die Formulierung im Senatsbeschluss vom 27.6.2024). Die in der Anhörungsrüge wiederholten Elemente der Beschwerdebegründung hat der Senat bei seiner Entscheidung nicht etwa übersehen, sondern gewürdigt und für nicht ausreichend erachtet, um eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 65 BVG bzw § 8 SGB XIV zu begründen. An dieser Einschätzung hält er fest. Denn der Kläger scheint dabei eher von einem Anwendungsvorrang des höherrangigen Unionsrechts und einem unmittelbaren Rückgriff auf die Richtlinie auszugehen als von einer Interpretation des nationalen Rechts.
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Dass der Kläger die Verwerfung seiner Beschwerde als unzulässig für falsch hält, begründet keine Gehörsverletzung. Was seinen Vorwurf angeht, die Argumentation des Senats sei "zirkelschlüssig", kommt hinzu, dass er übersieht, dass die Klärungsfähigkeit der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage in dem Beschluss vom 27.6.2024 nicht beurteilt wird; dieser ist vielmehr allein darauf gestützt, die Beschwerdebegründung verfehle die diesbezüglichen Darlegungsanforderungen.
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3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 178a Abs 4 Satz 4 SGG).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Kaltenstein
Othmer
B. Schmidt
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