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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BSG 29.02.2024 - B 8 AY 3/23 R
BSG 29.02.2024 - B 8 AY 3/23 R
Vorinstanz
vorgehend SG Hildesheim, 23. April 2020, Az: S 42 AY 102/19, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 6. Oktober 2022, Az: L 8 AY 46/20, Urteil
Tenor
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Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 6. Oktober 2022 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt wird, den Kläger von den Kosten für die stationäre Behandlung vom 19. März 2019 bis 23. April 2019 in Höhe von 8993,96 Euro gegenüber der A N mbH freizustellen.
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Der Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Revisionsverfahren.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe von 8993,96 Euro für eine vom 19.3.2019 bis 23.4.2019 durchgeführte stationäre Krankenhausbehandlung.
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Der 1988 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste Ende Juni 2018 über Italien, wo er erkennungsdienstlich erfasst wurde, in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zunächst wegen vorrangiger Zuständigkeit Italiens als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Bescheid vom 4.10.2018). Nach Scheitern einer fristgemäßen Überführung nach Italien (mit beabsichtigtem Abschiebetermin am 10.4.2019) lehnte das BAMF den Asylantrag als unbegründet ab (Bescheid vom 31.7.2019). Für die Zeit des Asylverfahrens war der Kläger dem Land Niedersachsen zugewiesen und angewiesen, den Wohnsitz in einem Ort im Kreisgebiet des Beklagten zu nehmen (Bescheid der Landesaufnahmestelle Niedersachsen vom 25.7.2018). Der Beklagte bewilligte dem Kläger laufende Leistungen nach dem AsylbLG.
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Nach einem Suizidversuch seines Mitbewohners im Zimmer der Flüchtlingsunterkunft zum Jahreswechsel 2018/2019 stellte sich der Kläger im Februar 2019 beim Psychosozialen Zentrum des Netzwerkes für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen eV wegen psychischer Beschwerden (Alpträume, Schlafstörungen, Ängste und Bedrohungsgefühle) vor. Einen Antrag auf Fahrkosten zur Teilnahme an acht Terminen einer Stabilisierungsgruppe des Netzwerks (in der Zeit vom 20.2.2019 bis 10.4.2019; einfache Strecke ca 60 km) lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 27.2.2019). Am Morgen des 19.3.2019 wurde der Kläger als Notfall stationär in der der zentralen Notfallambulanz des A H wegen Verdachts auf eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (ICD-10 F32.2) und eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS; ICD-10 F43.1) aufgenommen. Für die bis zum 23.4.2019 durchgeführte stationäre Behandlung stellte das Klinikum 8993,96 Euro in Rechnung, die der Kläger bislang nicht beglichen hat. Den am Tag der Aufnahme vom Kläger gestellten Antrag auf Kostenübernahme lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 25.3.2019; Widerspruchsbescheid vom 14.5.2019).
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Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Hildesheim den Beklagten zur Kostenübernahme verurteilt (Gerichtsbescheid vom 23.4.2020). Die Berufung des Beklagten vom 15.5.2020 hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Niedersachsen-Bremen vom 6.10.2022). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der nach dem AsylbLG leistungsberechtigte Kläger habe einen Anspruch auf Freistellung von den streitigen Kosten gegen den sachlich und örtlichen zuständigen Beklagten aus §§ 4, 6 AsylbLG. Die stationäre Behandlung des Klägers sei jedenfalls zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich gewesen. Eine vollstationäre psychiatrische Behandlung sei nach Würdigung der vorliegenden Unterlagen - eines vom Gesundheitsamt des Beklagten erstellten ärztlichen Gutachtens nach Aktenlage, wonach die stationäre Aufnahme zur Besserung oder Linderung der vorliegenden Erkrankung bzw zur Verhinderung weiterer Krankheitsfolgen geboten und unerlässlich gewesen sei, sowie einer vom SG eingeholten schriftlichen Auskunft vom Oberarzt der Klinik zur Notwendigkeit der stationären Behandlung - aus medizinischen Gründen erforderlich gewesen. Andere Behandlungsformen, etwa in der Gemeinschaftsunterkunft, in der der Selbstmordversuch des Mitbewohners stattgefunden hatte, seien unzureichend gewesen und der Beklagte habe die Übernahme von Kosten für eine ambulante Unterstützungsmaßnahme zu einem Zeitpunkt, als diese gegenüber einem stationären Krankenhausaufenthalt womöglich noch eine Alternative dargestellt hätte, abgelehnt.
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Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er rügt eine Verletzung von §§ 4 und 6 AsylbLG. Das LSG habe nicht offenlassen dürfen, auf welche Anspruchsgrundlage der Anspruch gestützt werde. Anhaltspunkte für eine akute Erkrankung im Sinne von § 4 AsylbLG seien aber nicht benannt worden. Bei der Prüfung des daher allein in Betracht kommenden Anspruchs auf Grundlage von § 6 AsylbLG sei das dem Beklagten zustehende Ermessen nicht berücksichtigt worden. Die Bewertung des LSG, dass eine stationäre Behandlung des Klägers unerlässlich gewesen sei, könne nicht nachvollzogen werden.
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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 6. Oktober 2022 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 23. April 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beklagte verurteilt wird, ihn von den Kosten für die stationäre Behandlung vom 19. März 2019 bis 23. April 2019 in Höhe von 8993,96 Euro gegenüber der A mbH freizustellen.
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Er hält die angegriffenen Entscheidungen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Leistungen wegen der stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 8993,96 Euro hat. Die Voraussetzungen des § 4 Abs 1 Satz 1 AsylbLG (in der insoweit unverändert gebliebenen Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber vom 30.6.1993, BGBl I 1074) sind erfüllt.
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Gegenstand der Klage ist der Bescheid des Beklagten vom 25.3.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.5.2019 (§ 95 SGG). Gegen diesen Bescheid, mit dem der Beklagte es abgelehnt hat, die Krankenbehandlung zu erbringen, wendet sich der Kläger zulässigerweise im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und 4, § 56 SGG). Zutreffend ist das LSG in den Gründen seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass sich der originäre Sachleistungsanspruch nach § 4 AsylbLG in einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten der Krankenhausbehandlung umgewandelt hat (vgl BSG vom 30.10.2013 - B 7 AY 2/12 R - BSGE 114, 292 = SozR 4-3500 § 25 Nr 3, RdNr 28), weil der Kläger die Leistung selbst beschafft, aber nicht vorfinanziert hat. Der vom Senat geänderte Tenor macht dies deutlich.
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Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel, die einer Entscheidung in der Sache entgegenstehen, liegen nicht vor. Insbesondere war der Träger des behandelnden Krankenhauses nicht notwendig beizuladen. Nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG sind Dritte zu einem Rechtsstreit beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (sog echte notwendige Beiladung). Eine solche prozessuale Situation liegt in Bezug auf den Träger des Krankenhauses nicht vor, weil die Entscheidung über den Leistungsanspruch nach dem AsylbLG das Rechtsverhältnis des Klägers zum Krankenhausträger unberührt lässt. Anders als im Sozialhilferecht (vgl dazu nur BSG vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 R - BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 14 ff) beinhaltet ein Bewilligungsbescheid nach dem AsylbLG keinen Schuldbeitritt zur Zahlungsverpflichtung des Leistungsberechtigten gegenüber einem Leistungserbringer. Der auf Sachleistung und nicht Sachleistungsverschaffung gerichtete Anspruch nach § 4 AsylbLG begründet keine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen dem Krankenhausträger und dem zuständigen Leistungsträger.
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In der Sache folgt die Leistungsberechtigung des Klägers dem Grunde nach während der stationären Behandlung aus § 1 Abs 1 Nr 5 AsylbLG (insoweit in der unverändert gebliebenen Fassung des Gesetzes vom 30.6.1993); denn der Kläger war nach der Ablehnung seines Asylantrags entsprechend dem Bescheid vom 4.10.2018 vollziehbar ausreisepflichtig. Der Beklagte ist für die Leistungen nach dem AsylbLG an den Kläger auf Grundlage der Feststellungen des LSG der sachlich und örtlich zuständige Träger. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus § 10 AsylbLG iVm § 2 Abs 2 Satz 1 des Gesetzes zur Aufnahme von ausländischen Flüchtlingen und zur Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes Niedersachsen (vom 11.3.2004, Nds GVBl 2004, 100, in der Fassung vom 13.12.2007, Nds GVBl 2007, 710); die örtliche Zuständigkeit folgt aus der Zuweisung in das Kreisgebiet des Beklagten (§ 10a Abs 2 Satz 1 iVm § 10a Abs 3 Satz 1 und 4 AsylbLG). Vorliegend richtet sich die Zuständigkeit nach dem durch die Zuweisungsentscheidung fingierten gewöhnlichen Aufenthalt vor Eintritt in die Einrichtung (zur Problematik im Einzelnen BSG vom 29.2.2024 - B 8 AY 2/23 R). Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass sich der Zuweisungsbescheid noch nicht auf andere Weise erledigt hat, weil das Asylverfahren im März/April 2019 noch nicht rechtskräftig beendet war (§§ 46, 47 Abs 1 Satz 1 AsylG in der Fassung vom 20.7.2017, BGBl I 2780, § 48 AsylG, § 50 Abs 4 bis 6 AsylG, § 60 AsylG iVm § 67 Abs 1 Satz 1 Nr 6 AsylG in der Fassung des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016, BGBl I 390).
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Anspruchsgrundlage für die begehrte Leistung ist allein § 4 Abs 1 Satz 1 AsylbLG. Dem Kläger stehen dagegen keine Ansprüche aus einer sog Quasiversicherung (vgl § 264 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - <SGB V>) zu. Einem Anspruch auf sog Analogleistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG (hier in der Fassung des Integrationsgesetzes vom 31.7.2016 <BGBl I 1939>) als Voraussetzung hierfür steht entgegen, dass er (nach Einreise im Juni 2018) während der Krankenhausbehandlung jedenfalls die sog Wartezeit von 15 Monaten für eine leistungsrechtliche Privilegierung noch nicht erfüllt hatte. Unerheblich ist, ob laufende Leistungen nur eingeschränkt zu erbringen waren (vgl § 1a AsylbLG; hier in der Fassung des Integrationsgesetzes); denn Leistungen nach § 4 AsylbLG sind auch in einem solchen Fall von der Anspruchsberechtigung dem Grunde nach umfasst.
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Die nach § 6b AsylbLG (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes vom 10.12.2014 <BGBl I 2187>) iVm § 18 SGB XII erforderliche Kenntnis des Beklagten lag vor. Das behandelnde Krankenhaus hat den Beklagten nach den Feststellungen des LSG am Tag der Aufnahme über die konkrete stationäre Behandlung des Klägers informiert und der Kläger am selben Tag Leistungen beantragt, sodass Kenntnis vom konkreten Bedarfsfall bestand (vgl nur Coseriu/Filges in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl, § 6b AsylbLG RdNr 17, Stand 2.1.2023). Die vorangehende Genehmigung eines Krankenhausaufenthalts durch den Träger der Leistung sieht das Gesetz - anders als der Beklagte ohne weitere Begründung meint - nicht vor (so auch Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 8. Aufl 2024, § 4 AsylbLG RdNr 20; Langer in GK-AsylbLG, § 4 RdNr 22, Stand 10/2019; Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl 2019, § 4 RdNr 39). Nach den Feststellungen des LSG verfügte der Kläger zudem weder über Einkommen noch Vermögen (vgl § 7 AsylbLG), das dem Anspruch entgegenstehen könnte.
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Nach § 4 Abs 1 Satz 1 AsylbLG sind zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände ua die erforderliche ärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Hierzu gehört die streitige stationäre Behandlung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus. Auf Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG, die der Beklagte nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen hat, lag bei ihm eine akute Erkrankung vor, deren stationäre Behandlung erforderlich war.
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Unter einer Erkrankung im Sinne des § 4 Abs 1 Satz 1 AsylbLG ist - trotz des von § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V geringfügig abweichenden Wortlauts - wie im Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand zu verstehen, der behandlungsbedürftig ist (vgl zum Krankheitsbegriff des § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V nur BSG vom 30.9.2015 - B 3 KR 14/14 R - SozR 4-2500 § 33 Nr 48 RdNr 29 mwN; zweifelnd L. Frerichs, Der Anspruch auf Krankenbehandlung nach §§ 4, 6 AsylbLG, 2023, S 47 ff). Dabei ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte und der systematischen Auslegung auch, dass vom Anspruch nach § 4 Abs 1 Satz 1 AsylbLG nicht lediglich die Behandlung somatischer Erkrankungen erfasst ist. § 4 AsylbLG ist § 37 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) nachgebildet (vgl BT-Drucks 12/4451 zu § 3, S 9), der wiederum auf den Krankheits- und Krankenbehandlungsbegriff des SGB V Bezug genommen hat. Für die GKV ist spätestens mit Einführung des SGB V die Gleichstellung körperlich und psychisch Kranker verdeutlicht (vgl § 27 Abs 1 Satz 3 SGB V; nunmehr § 27 Abs 1 Satz 4 SGB V) und hiermit der Auftrag verbunden, dass das Leistungsangebot für psychisch Kranke nicht hinter demjenigen für somatisch Kranke zurückbleibt und insbesondere auch die stationäre Krankenhausbehandlung erfasst (vgl BSG vom 16.2.2005 - B 1 KR 18/03 R - BSGE 94, 161 = SozR 4-2500 § 39 Nr 4, RdNr 19). Diese Entwicklung des Krankheitsbegriffs in der GKV, der auch für die Krankenhilfe im SGB XII gilt, ist für den Begriff der Erkrankung des AsylbLG nachzuvollziehen; denn im Ausgangspunkt sind die Leistungen nach § 4 AsylbLG den Leistungen an die übrigen Sozialhilfeempfänger nachgebildet (BT-Drucks 12/4451 S 9 zu § 3 des Entwurfs).
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Beschränkt ist der Anspruch auf Behandlung nach § 4 Abs 1 Satz 1 AsylbLG allerdings auf die Behandlung akuter Erkrankungen. Während nach der Rechtslage bis zum Inkrafttreten des AsylbLG nach § 120 Abs 2 Satz 2 BSHG (in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 22.12.1981, BGBl I 1523) für bestimmte Gruppen von Ausländern - ua asylsuchenden Ausländern - Leistungen der Krankenhilfe einschränkend im Ermessen des Trägers standen (zu den Einzelheiten zusammenfassend L. Frerichs, Der Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 4 und 6 AsylbLG, 2023, S 58 f), erfolgt die Einschränkung der Hilfe bei Krankheit für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG damit auf der Tatbestandsseite. Der Gesetzgeber selbst hat aber davon abgesehen, den Begriff der akuten Erkrankung im Gesetz zu definieren. Vorrangig für die Entscheidung, welche Behandlungen geboten sind, sollen insoweit medizinische Gesichtspunkte sein (vgl BT-Drucks 12/4451 S 9 zu § 3 des Entwurfs).
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Schon nach dem Wortlaut des § 4 Abs 1 Satz 1 AsylbLG fällt unter den Begriff der "akuten Erkrankung", wie er im medizinischen Sprachgebrauch verwendet wird, ein plötzlich und unvermittelt auftretender, schnell und heftig verlaufender Zustand, im Gegensatz zu einem chronischen Zustand, der sich langsam entwickelt oder langsam verläuft (vgl zum Suchwort "akut" Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 269. Auflage 2023; Duden, Wörterbuch der medizinischen Fachbegriffe, 10. Auflage 2021). Teilweise wird im medizinischen Zusammenhang darüber hinaus noch einschränkend angenommen, dass akute Erkrankungen einen mehr oder minder klar bestimmbaren Ausgangspunkt haben und meist von vergleichbar kurzer Zeitdauer sind. Besteht in einem solchen Fall auch Behandlungsbedürftigkeit, sind Leistungen nach § 4 Abs 1 Satz 1 AsylbLG zu gewähren.
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Über den Wortlaut hinaus, wie er im medizinischen Sprachgebrauch verwendet wird, erfasst eine "akute Erkrankung" aber weitere Fälle. Bereits bei Schaffung des AsylbLG war auch im Hinblick auf die Versorgung im Krankheitsfall Ziel des Gesetzgebers, ein Leistungssystem zu schaffen, das für einen vorübergehenden Aufenthalt dem Grundsatz der Menschenwürde gerecht wird (BT-Drucks 12/4451 S 6). Ausgeschlossen sind daher mit der Gesetzbegründung zu § 4 AsylbLG ausdrücklich (nur) solche Behandlungen, die nicht eindeutig medizinisch indiziert sind oder solche langfristiger Natur, die wegen der voraussichtlich kurzen Dauer des Aufenthaltes nicht abgeschlossen werden können (BT-Drucks 12/4451 S 9 zu § 3 des Entwurfs). Die Verengung eines Anspruchs nach § 4 Abs 1 Satz 1 AsylbLG auf die Behandlung nur kurzfristig ("plötzlich und unvermittelt") auftretender Grunderkrankungen lässt sich dem nicht entnehmen. Auch aus dem weiteren Gang des Gesetzgebungsverfahrens lässt sich dieser Schluss nicht ziehen (so aber K. Frerichs in jurisPK-SGB XII, § 4 AsylbLG, 3. Aufl 2020, RdNr 48, Stand 20.12.2023; Langer in GK-AsylbLG, § 4 RdNr 27 f, Stand 10/2019; L. Frerichs, Der Anspruch auf Krankenbehandlung nach §§ 4, 6 AsylbLG, 2023, S 64). Die in den Ausschussverfahren vorgebrachte Forderung, auch die Behandlung von "unaufschiebbaren Behandlungsmaßnahmen" in § 4 Abs 1 AsylbLG aufzunehmen, hat zwar keine Mehrheit gefunden (vgl BT-Drucks 12/5008 S 14 zu § 3 des Entwurfs). Es ist aber vor dem Hintergrund der Begründung des Entwurfs ohne Weiteres denkbar, dass dieser Zusatz - ebenso wie die ausdrückliche Nennung einer Krankenhausbehandlung als ärztliche Maßnahme - als überflüssig angesehen worden ist. Andererseits ist der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber nicht zu entnehmen, dass insbesondere bei chronischen Erkrankungen ausschließlich Leistungen zur Sicherung der Gesundheit nach § 6 Abs 1 AsylbLG (wie zuvor nach § 120 Abs 2 Satz 2 BSHG) im Ermessensweg erbracht werden sollen. Die Begründung verweist hier auf Hygienemittel für Wöchnerinnen als einziges Beispiel (BT-Drucks 12/4451 S 10 zu § 5 des Entwurfs). Eine Auslegung, eine ärztliche Behandlung bei chronischen Grundleiden, die einen maßgeblichen Teil der denkbaren Fälle darstellen, sei aus Sicht des Gesetzgebers nur im Wege eines Ermessensanspruchs zu gewähren, lässt sich hieraus nicht gewinnen. Maßgeblich für die Auslegung bleibt vielmehr der erkennbar gewordene gesetzgeberische Wille, mit den Einschränkungen auf Tatbestandsseite mit § 4 AsylbLG ein abgesenktes, aber ausreichendes Niveau der Versorgung im Krankheitsfall zu erreichen.
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Der Begriff der von § 4 Abs 1 Satz 1 AsylbLG erfassten akuten Erkrankung ist deshalb dahin auszulegen, dass unter eine "akute Erkrankung" bei bestehenden (ggf chronischen) Erkrankungen auch ein laufender Behandlungsbedarf oder ein neu eingetretener Behandlungsbedarf wegen einer Verschlimmerung fällt, der eine Behandlung aus medizinischen Gründen unaufschiebbar werden lässt. Damit bei ggf langfristig behandlungsbedürftigen Erkrankungen der vorgesehene Leistungsumfang das verfassungsrechtlich Gebotene erreicht, dieses Minimum aber nicht übersteigt, ist zu fordern, dass über die Behandlungsbedürftigkeit hinaus eine Behandlungsdringlichkeit vorliegt (vgl auch Langer in GK-AsylbLG § 4 RdNr 56 ff, Stand 10/2019; Decker in Oestreicher/Decker SGB II/SGB XII, § 4 AsylbLG RdNr 10, Stand 10/2018). Eine akute Erkrankung, die unaufschiebbar der Behandlung bedarf, ist andererseits nicht erst dann anzunehmen, wenn ein Notfall vorliegt.
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Diese Auslegung folgt den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Grundgesetz (GG), das als Teil der physischen Existenz auch die Gesundheit umfasst (vgl BVerfG vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10 - BVerfGE 132, 134 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2, RdNr 64). Unter Beachtung des Stellenwertes der Gesundheit im Gefüge des Grundgesetzes sind damit Leistungen für solche Erkrankungen zu gewähren, die auch bei einem perspektivisch nur begrenzten Aufenthalt im Bundesgebiet dringend behandlungsbedürftig sind. Die Auslegung berücksichtigt im Übrigen auch die europarechtlichen Vorgaben, wonach die Mitgliedstaaten den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit von Antragstellern zu gewährleisten (vgl Art 17 Abs 2 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen - Aufnahmerichtlinie <ABl EU Nr L 180/96; Celex-Nr 32013L0033>) und dafür Sorge zu tragen haben, dass die Antragsteller die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen umfasst (vgl Art 19 Aufnahmerichtlinie; zum Ganzen Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 8. Aufl 2024, § 4 AsylbLG RdNr 11 ff; K. Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl 2020 , § 4 AsylbLG RdNr 38 ff, Stand 20.12.2023; Dinter, NZS 2021, 285; Kaltenborn, NZS 2015, 161; Eichenhofer, ZAR 2013, 169). Die Auslegung geht andererseits über die Grenzen des Wortlauts nicht hinaus; denn es können auch bei Dauerleiden akute, konkret behandlungsbedürftige Krankheitszustände vorliegen (so auch K. Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl 2020, § 4 AsylbLG RdNr 49, Stand 20.12.2023; Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl 2020, § 4 AsylbLG RdNr 25; Korff in BeckOK-SozR, § 4 AsylbLG RdNr 5, Stand 1.12.2023; ähnlich auch Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl 2019, § 4 RdNr 23; aA wohl Langer in GK-AsylbLG, § 4 AsylbLG RdNr 28, Stand 10/2019).
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Unaufschiebbar ist eine Behandlung dann, wenn der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder die Behandlung erforderlich ist, um eine unumkehrbare oder akute Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ein kritisches Stadium zu verhindern. Wegen dieser Entscheidung, die - wie in der Gesetzesbegründung ausgeführt - im Wesentlichen nach medizinischen Gesichtspunkten zu erfolgen hat, sind im Ausgangspunkt die zu § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB V entwickelten Grundsätze übertragbar (dazu etwa BSG vom 6.3.2012 - B 1 KR 17/11 R - SozR 4-2500 § 18 Nr 7 RdNr 18; BSG vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R - BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 23; BSG vom 18.7.2006 - B 1 KR 24/05 R - BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 30; BSG vom 11.5.2017 - B 3 KR 30/15 R - BSGE 123, 144 = SozR 4-2500 § 13 Nr 34, RdNr 16 f). Der Begriff der "Unaufschiebbarkeit" einer Behandlung wird im SGB V zwar in einem anderen Sachzusammenhang genutzt; § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB V ersetzt in bestimmten Fällen den primär auf Sach- oder Dienstleistung gerichteten Leistungsanspruch nach dem SGB V durch einen Anspruch auf Kostenerstattung. Gleichwohl sind hier Maßstäbe gebildet worden, die aufzeigen, in welchen Fällen die Erbringung einer Leistung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht kein Aufschub möglich ist.
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Allerdings ist der zeitliche Rahmen, auf den sich diese Prüfung bezieht, an den Besonderheiten des AsylbLG auszurichten. Insoweit weicht die Prüfung von § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB V ab, die die zu erwartende Entscheidung der Krankenkasse als Bezugspunkt in den Blick nimmt. Die Behandlung auf Grundlage von § 4 Abs 1 Satz 1 AsylbLG muss in der perspektivisch bei Beginn der Behandlung verbleibenden Zeit des Aufenthalts zur Abwendung einer unumkehrbaren oder akuten Verschlechterung notwendig sein bzw bleiben oder (vor allem bei langfristigen Behandlungen) in diesem Zeitraum abgeschlossen werden können. Dies berücksichtigt das gesetzgeberische Ziel, wonach nicht in jedem Fall einer behandlungsbedürftigen Erkrankung ein Leistungsanspruch bestehen soll (so im Ergebnis aber Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl 2019, § 4 RdNr 23). Die Leistungen nach dem AsylbLG sollen insgesamt an die Grenze des zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz Notwendigen auch unter Berücksichtigung eines nur kurzen Aufenthalts gehen (BT-Drucks 12/4451, S 6; s auch BVerfG vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10 ua - BGBl I 2012, 1715 - BVerfGE 132, 134 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 RdNr 110).
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Entscheidend für die Bestimmung dieses Zeithorizonts ist, ob und ggf wann bei Beginn der Behandlung die Umsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Einzelfall tatsächlich zu erwarten ist und ob angesichts der zu erwartenden aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Behandlungserfolg noch erreicht werden kann. Mit diesem Merkmal ist sichergestellt, dass auf Grundlage von § 4 Abs 1 Satz 1 AsylbLG keine Krankenbehandlungen gewährt werden, die über das existenznotwendige Mindestniveau hinaus gehen. Entscheidend sind dabei die konkreten Lebensumstände des Leistungsempfängers. Gibt die für den Vollzug der Ausreise zuständige Behörde im Einzelfall zu erkennen, dass sie trotz vollziehbarer Ausreisepflicht auf Maßnahmen der Abschiebung verzichtet, hat dies auch Auswirkungen auf den notwendigen Schutz nach dem AsylbLG im Fall einer Erkrankung. Nur wenn im jeweiligen Einzelfall von einem nur (noch) kurzfristigen Aufenthalt im Inland auszugehen ist, sind die Einschränkungen in der Krankenversorgung vom Gesetzgeber beabsichtigt (zu diesem Aspekt im Zusammenhang mit Leistungsabsenkungen bereits BSG vom 27.2.2019 - B 7 AY 1/17 R - SozR 4-3520 § 1a Nr 3 RdNr 27). Eine pauschale Regelung allein nach dem Aufenthaltsstatus würde den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht (vgl BVerfG vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10 ua - BGBl I 2012, 1715 BVerfGE 132, 134, 172 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 RdNr 99 f). Insbesondere entfällt der existenznotwendige Schutz bei Krankheit auch für ggf längerfristige Behandlungen dann nicht, wenn zwar kein Daueraufenthaltsrecht besteht, aber faktisch bei Behandlungsbeginn von einem für die voraussichtliche Dauer der Behandlung verfestigten Aufenthalt des Leistungsberechtigten im Inland auszugehen ist. Je länger der Aufenthalt in der Bundesrepublik andauert, desto weniger kommt ein Aufschub von Behandlungen in Betracht, wenn die baldige Ausreise überhaupt ungewiss ist. Steht die Umsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen dagegen im Einzelfall unmittelbar bevor, sind ggf auch bei einem schweren Grundleiden keine Behandlungen zu gewähren, die perspektivisch nicht mehr abgeschlossen werden können. Auf die tatsächlich verfügbare medizinische Versorgung im Herkunfts- oder Zielland kommt es nicht an. Der Anspruch auf Leistungen beschränkt sich dann auf Maßnahmen, die eine akute, unumkehrbare Verschlechterung im verbleibenden Zeitraum im Inland verhindern bzw Schmerzzustände beheben. Erst wenn aus ausländerrechtlichen Entscheidungen vor diesem Hintergrund eine andere Bleibeperspektive folgt, ist diese im Rahmen des Anspruchs nach § 4 Abs 1 AsylbLG zu berücksichtigen.
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Nach den Feststellungen des LSG liegt eine akute Erkrankung des Klägers vor. Die Richtigkeit der Feststellungen des LSG zum medizinischen Sachverhalt bezweifelt der Beklagte zwar. Er hat sie aber nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffen; die Feststellungen binden den Senat (§ 163 SGG).
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Auf Grundlage dieser Feststellungen wurde der Kläger wegen Verdachts auf eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (ICD-10 F32.2) sowie einer PTBS (PTBS -ICD-10 F 43.1) stationär aufgenommen und im Folgenden bis zur Stabilisierung und Wiederherstellung der Alltagstauglichkeit behandelt. Die Fortführung der stationären Behandlung war zur Verhinderung der Verschlechterung der Gesundheitszustandes und/oder einer Eigengefährdung wegen vor der Aufnahme bestehender Suizidgedanken erforderlich. Dabei hat das LSG die getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand (vgl hierzu BSG vom 30.9.2015 - B 3 KR 14/14 R - SozR 4-2500 § 33 Nr 48 RdNr 19) als auch zur Behandlungsbedürftigkeit und -dringlichkeit allein auf Grundlage der vorhandenen medizinischen Erkenntnisse getroffen. Es hat dargestellt, dass der Kläger am Morgen des 19.3.2019 notfallmäßig stationär wegen Verdachts auf eine schwere depressive Episode sowie einer PTBS aufgenommen wurde, nachdem ein Mitarbeiter der Unterkunft von bei dem Kläger seit dem Suizidversuch des Mitbewohners bestehenden ausgeprägten Schlafproblemen, Kopfschmerzen, Alpträumen und Angstzuständen berichtet hatte. Nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts war der Kläger ua wach, bewusstseinsklar und ausreichend orientiert, im Kontakt jedoch niedergeschlagen, schüchtern und hilfesuchend und schilderte bei unter Hinzuziehung eines Dolmetschers durchgeführten ärztlichen Behandlungsterminen seit seiner Flucht und dem Selbstmordversuch seines Mitbewohners bestehende sieben- bis achtmal täglich, jeweils etwa 15 bis 20 Minuten auftretende Flashbacks, Alpträume und Angstattacken mit Herzrasen, Hitzewellen und Schweißausbrüchen sowie (zurückliegende) Suizidgedanken.
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Die Feststellungen des LSG tragen sowohl die Diagnose einer schweren depressiven Episode (vgl www.icd-code.de/icd/code/F32.2.html, abgerufen 29.2.2024) als auch einer PTBS, die als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß beschrieben wird, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Nach den Feststellungen des LSG haben die behandelnden Ärzte während des Krankenhausaufenthalts über typische Merkmale einer PTBS, insbesondere Flashbacks, Träumen oder Albträumen berichtet, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten (dazu www.icd-code.de/icd/code/F43.-.html) und bei denen nach einigen Wochen Besserung eintrat. Sowohl bei dem Verdacht auf eine schwere depressive Episode als auch auf eine PTBS war unter Zugrundelegung der durch das Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zu den beim Kläger geschilderten Symptomen eine stationäre Behandlung indiziert (vgl www.icd-code.de/icd/code/F32.-.html). Andere Behandlungsformen, insbesondere im häuslichen Umfeld, etwa in der Gemeinschaftsunterkunft, in der der Selbstmordversuch des Mitbewohners stattgefunden hatte, sind nach den Feststellungen des LSG im Zeitpunkt der Aufnahme nicht ausreichend gewesen. Zudem hatte der Beklagte die Übernahme von Kosten für die Teilnahme an einer ambulanten Stabilisierungsgruppe zu einem früheren Zeitpunkt (auf Grundlage von § 6 Abs 1 AsylbLG) abgelehnt. Die gängigen Diagnosesysteme des ICD-10, die der Senat - wie bereits das LSG - insoweit für die Schlussfolgerungen heranzieht, sind generelle Tatsachen, für die die Beschränkung aus § 163 Halbsatz 1 SGG nicht gilt (vgl nur BSG vom 28.6.2022 - B 2 U 9/20 R - RdNr 23 mwN).
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Unerheblich für den Anspruch auf § 4 Abs 1 Satz 1 AsylbLG ist nach den oben dargestellten Maßstäben, ob bereits vor dem Aufnahmetag und vor dem Suizidversuch des Mitbewohners (etwa als Reaktion auf Erlebnisse auf der Flucht oder in der Zeit davor) eine ggf chronifizierte depressive Erkrankung bestanden hat. In jedem Fall lag nach den festgestellten Diagnosen eine akute Verschlimmerung dieses Zustands vor, die eine entsprechende Behandlung aus medizinischen Gründen auch angesichts der perspektivisch zu Beginn der Behandlung nur noch kurzen Aufenthaltsdauer unaufschiebbar hat werden lassen. Für eine Beeinflussung der Beurteilungen durch die behandelnden Ärzte aufgrund der geplanten Abschiebung des Klägers nach Italien (am 10.4.2019) bestehen keine Anhaltspunkte, schon weil die verantwortliche Krankenhausärztin nach den bindenden Feststellungen des LSG von diesem Termin keine Kenntnis hatte. Ob der Kläger selbst diesen genauen Termin bereits kannte, ist zwar unklar geblieben, aber ohne Belang.
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Auf Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG war auch der anschließende ca vierwöchige Verbleib des Klägers in der Klinik erforderlich und jedenfalls zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich. Die Fortführung der stationären Behandlung bei unklarer Bewertung der Verhältnisse war danach indiziert, um eine mögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes und/oder eine Eigengefährdung außerhalb dieses Rahmens zu verhindern. Die Dauer der Behandlung ergab sich demnach daraus, dass nach den Verlaufs- und Pflegeberichten das inaktive Verhalten des Klägers - er hatte nach den Feststellungen bis Mitte April 2019 sein Zimmer auch tagsüber kaum verlassen und viel geschlafen - und die vorhandene Sprachbarriere - der Kläger hat sich allein in seiner Muttersprache (Paschtu bzw Farsi) verständigen können - trotz der Hinzuziehung eines Dolmetschers bei einzelnen Therapiegesprächen eine Kontaktaufnahme und die Einschätzung des medizinischen Sachverhalts sowie eine adäquate, pflegerische Maßnahmeplanung in besonderer Weise erschwert bzw entgegengestanden haben.
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Der Beklagte behauptet zwar pauschal, es hätten dem LSG keine Unterlagen vorgelegen, die die dargestellten Diagnosen und die daraus gezogenen Schlüsse stützen. Diese Behauptungen sind aber so nicht nachvollziehbar. Im Wesentlichen geht der Beklagte von einem abweichenden Begriff einer akuten Erkrankung aus. Soweit er sinngemäß ausführt, es seien (nach Einholung der Stellungnahme des behandelnden Oberarztes) noch weitere Ermittlungen notwendig gewesen, zeigt er selbst nicht auf, um welche Ermittlungen es sich handeln sollte. Er führt lediglich aus, es sei zur Substantiierung eines Beweisantrags, der vor allem das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen PTBS zum Gegenstand habe, regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes notwendig, verkennt aber, dass hier nicht lediglich ein fachärztliches Attest, sondern ein Behandlungsbericht eines psychiatrischen Krankenhauses vorgelegen hat. Ausgehend von diesem Behandlungsbericht und dem Gutachten des medizinischen Dienstes des Beklagten nach Aktenlage, auf dessen Grundlage das LSG die Beweiswürdigung vorgenommen hat, hat er selbst aber keinen förmlichen Beweisantrag gestellt. Im Kern zweifelt der Beklagte damit die Beweiswürdigung des LSG an, die dem Revisionsgericht indes entzogen ist.
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Die vom Krankenhaus gegenüber dem Kläger (als Selbstzahler) auf Grundlage des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz) geltend gemachten Kosten sind schließlich der Höhe nach nicht zu beanstanden, wovon auch die Beteiligten ausgehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Krauß
Stäbler
Bieresborn
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