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BSG 14.08.2023 - B 7 AS 29/23 B
BSG 14.08.2023 - B 7 AS 29/23 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Bezeichnung einer Divergenz - Anforderungen - Geltendmachung einer Abweichung des LSG von älterer BSG-Rechtsprechung
Normen
§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Darmstadt, 27. Mai 2020, Az: S 21 AS 1166/17, Urteil
vorgehend Hessisches Landessozialgericht, 25. Januar 2023, Az: L 6 AS 411/20, Urteil
Tenor
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Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. Januar 2023 werden als unzulässig verworfen.
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Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
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Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG sind als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG). Die mit den Nichtzulassungsbeschwerden geltend gemachten Zulassungsgründe der Abweichung (Divergenz) und des Verfahrensmangels haben die Kläger in der Begründung der Beschwerden nicht schlüssig bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Verwerfung der Beschwerden erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen Abweichungen des Urteils des LSG von Urteilen des BSG (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) haben die Kläger in der Beschwerdebegründung nicht schlüssig bezeichnet. Für die Bezeichnung einer Abweichung ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage des BSG abweicht. Erforderlich ist, dass das LSG vom BSG aufgestellten Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe bezogen auf dieselbe konkrete rechtliche Aussage getroffen hat (vgl Meßling in Krasney/ Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2020, IX. Kap, RdNr 102 mwN). Stützt das LSG seine Entscheidung auf neuere Rechtsprechung des BSG und weicht dabei von älterer Rechtsprechung des BSG ab, muss in der Beschwerdebegründung näher dazu ausgeführt werden, dass sich die alte Rechtsprechung nicht überholt hat. Denn die Divergenzrüge zielt auf die Wahrung der Rechtseinheit, die auf der Grundlage der aktuellen Rechtsprechung beruht (vgl BSG vom 1.2.2022 - B 12 R 41/20 B - RdNr 13; Becker in SGb 2007, 261, 270).
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Diese Voraussetzungen erfüllt die Begründung der Beschwerden nicht.
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Soweit in ihr geltend gemacht wird, das LSG sei von der Entscheidung des BSG im Verfahren B 4 RA 62/02 R (RdNr 16) und dort in Bezug genommenen weiteren Entscheidungen des BSG abgewichen, bringen die Kläger vor, das LSG habe sich stattdessen auf ein Urteil des BSG im Verfahren B 13 R 16/09 R (RdNr 21 mwN) gestützt. Unabhängig davon, ob die beiden benannten BSG-Entscheidungen tatsächlich im Ergebnis voneinander abweichen, könnte auf eine derartige Abweichung selbst ohnehin keine Divergenzrüge gestützt werden. Soweit in diesem Zusammenhang die Abweichung des LSG von einer tragenden rechtlichen Aussage des BSG vorgebracht werden sollte, hätte es alsdann jedoch zumindest einer Auseinandersetzung mit einer Überholung der Rechtsprechung aus dem Verfahren B 4 RA 62/02 R durch das spätere Urteil des 13. Senats bedurft. Diese leistet die Beschwerdebegründung nicht.
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Wegen der gerügten Abweichung des Urteils des LSG von der Rechtsprechung des BSG im Verfahren B 14 AS 151/14 R gelingt der Beschwerdebegründung keine Gegenüberstellung voneinander abweichender tragender konkreter rechtlicher Aussagen. Denn das LSG hat die für die klägerische Nutzung der Zimmer in einem früheren Gasthaus ausweislich vorgelegter Quittungen für Strom gezahlten Beträge von monatlich 75 Euro (statt 80 Euro nach einer Mietbescheinigung) nicht als Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bewertet. Demgegenüber wird in der Beschwerdebegründung auf einen Rechtssatz des BSG in der oben genannten Entscheidung verwiesen zu einer im Mietvertrag vereinbarten Inklusivmiete, in der auch die Stromkosten enthalten sind. Dann seien die Leistungen für die Unterkunft nicht um einen aus der Regelleistung ermittelten Anteil für Haushaltsenergie zu kürzen, sondern die Unterkunftskosten in voller Höhe anzuerkennen, inklusive Stromkosten als untrennbarem Mietbestandteil, solange die Miete angemessen sei. Nach der in der Beschwerdebegründung wiedergegebenen Argumentation des LSG geht es indes nicht um die Kürzung um einen aus der Regelleistung ermittelten Anteil für Haushaltsenergie.
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Auch ein Verfahrensmangel, auf dem iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann, wird in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend dargelegt. Der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der § 109 SGG (Anhörung eines bestimmten Arztes) und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
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Mit dem Vorbringen zum Verstoß des LSG gegen § 202 SGG iVm § 307 ZPO iVm Art 3 GG iVm Art 20 Abs 3 GG iVm Art 19 Abs 4 GG iVm § 103 SGG iVm Art 103 Abs 1 GG, weil es kein Anerkenntnisurteil erlassen habe, machen die Kläger sinngemäß geltend, das LSG habe über einen Teil des Verfahrensgegenstands nicht entschieden. Indes haben die Kläger nach ihrem eigenen Vorbringen zwei (Teil-)Anerkenntnisse des Beklagten angenommen; weitere, nicht angenommene Anerkenntnisse des Beklagten standen nicht im Raum. Damit ist nach dem eigenen Vorbringen ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, nicht bezeichnet. Im Übrigen wird insoweit auf die entsprechenden Ausführungen zur Divergenzrüge verwiesen.
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Wegen des Rechts auf ein faires Verfahren werfen die Kläger dem LSG vor, es sei zu Unrecht nicht von einer - nicht aufgeschlüsselten - Gesamtmiete aus einem ersten Mietvertrag vom 30.7.2014 ausgegangen, sondern habe auf einen nach der Anmietung weiterer Räume zum 1.5.2015 abgeschlossenen Mietvertrag abgestellt. Indes ergibt sich aus der Beschwerdebegründung, dass in diesem späteren Mietvertrag Einzelheiten zur Zusammensetzung der geschuldeten Zahlungen (einschließlich eines Betrags für Haushaltsstrom von 80 Euro) festgehalten worden sind. Warum das Urteil für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum ab Mai 2015 nach dem Abschluss eines neuen Mietvertrags auf der Auslegung eines alten Mietvertrags beruhen können soll, lässt die Beschwerdebegründung indes offen. Dabei lässt der Senat dahinstehen, dass sich die Kläger nach dem Gesamtzusammenhang ihres Vorbringens insoweit nur gegen die nicht rügefähige freie richterliche Beweiswürdigung des LSG wenden (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Denn das LSG hat auf die auf Quittungen bestätigten Zahlungen für Strom in Höhe von monatlich 75 Euro abgestellt.
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Im Zusammenhang mit der Rüge der Verletzung von § 535 BGB iVm Art 20 Abs 3 GG iVm Art 19 Abs 4 GG iVm § 22 Abs 1 SGB II, weil eine Mietbescheinigung eine Erklärung ohne Rechtscharakter darstelle und nicht bindend sei, bezeichnen die Kläger die Verletzung von Verfahrensrecht schon nicht hinreichend.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
S. Knickrehm
Siefert
Neumann
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