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BSG 08.08.2018 - B 6 KA 76/17 B
BSG 08.08.2018 - B 6 KA 76/17 B - Vertragsärztliche Versorgung - Angemessenheit der Vergütung - Honorarverteilungsregelung - Kalkulation mit "in etwa" festen Punktwerten
Normen
§ 72 Abs 2 SGB 5, § 85 Abs 4 S 7 SGB 5 vom 14.11.2003, § 85 Abs 4 S 8 SGB 5 vom 14.11.2003
Vorinstanz
vorgehend SG Marburg, 21. Oktober 2015, Az: S 11 KA 195/13
vorgehend Hessisches Landessozialgericht, 26. September 2017, Az: L 4 KA 46/15, Beschluss
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. September 2017 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
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Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10 000 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Der Kläger, ein seit 1993 in W. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, begehrt höheres Honorar für die Quartale II/2005 und III/2005. Entsprechende Forderungen für Vorquartale (I/2003 bis III/2004 und I/2005) hatten keinen Erfolg (vgl Senatsbeschluss vom 17.8.2011 - B 6 KA 10/11 B - BeckRS 2011, 76241).
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Der Kläger forderte für das Quartal II/2005 für 816 Behandlungsfälle der Primär- und Ersatzkassen ein Honorar von 65 953,15 Euro an. Die beklagte KÄV setzte hierfür zunächst ein Brutto-Honorar von 32 660,09 Euro und später von 32 913,79 Euro fest (Bescheid vom 22.1.2006, Änderungsbescheid vom 29.6.2006). Grundlage hierfür war ein Punktwert von 3,06 Cent (Primärkassen - PK) bzw 3,3 Cent (Ersatzkassen - EK) für Leistungen innerhalb des Regelleistungsvolumens (RLV) und von 0,467 bzw 0,471 Cent (PK/EK) für darüber hinaus erbrachte Leistungen. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg. Im Verlauf des sozialgerichtlichen Verfahrens berechnete die Beklagte - zwischenzeitlich ergangener Rechtsprechung des Senats Rechnung tragend - das Honorar neu und setzte es im Bescheid vom 18.6.2012 auf nunmehr 30 766,25 Euro fest, verzichtete aber auf eine Rückforderung des danach überzahlten Betrags.
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Für das Quartal III/2005 forderte der Kläger für 815 Behandlungsfälle der Primär- und Ersatzkassen ein Honorar von 58 166,33 Euro an. Die Beklagte bewilligte zunächst ein Brutto-Honorar von 28 165,01 Euro (Bescheid vom 10.8.2006) auf der Grundlage von Punktwerten in Höhe von 3,64/3,27 Cent für Leistungen innerhalb des RLV sowie von 0,467/0,471 Cent für die weiteren Leistungen. Später erhöhte sie das Honorar auf 29 040,33 Euro (Änderungsbescheid vom 2.8.2012); im Übrigen blieb der Widerspruch des Klägers ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid für beide Quartale gemeinsam vom 23.5.2007).
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Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21.10.2015). Die angefochtenen Honorarbescheide entsprächen den Regelungen in der Honorarverteilungsvereinbarung (HVV), die ihrerseits mit den Vorgaben des Bewertungsausschusses zu RLV und sonstigem höherrangigem Recht übereinstimme. Soweit das BSG im Urteil vom 18.8.2010 entschieden habe, dass die Ausgleichsregelung in Nr 7.5 HVV unwirksam sei (B 6 KA 27/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 58), habe der Kläger von jener Regelung ausschließlich profitiert und könne somit aus deren Nichtigkeit nichts für sich herleiten. Auch unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen könne er kein zusätzliches Honorar beanspruchen. Anhaltspunkte dafür, dass für die Gruppe der Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie im hier maßgeblichen Zeitraum kein ausreichender finanzieller Anreiz für eine vertragsärztliche Tätigkeit bestanden habe und deshalb die Funktionsfähigkeit der Versorgung gefährdet gewesen wäre, seien nicht ersichtlich.
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Das LSG hat die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 26.9.2017 zurückgewiesen. Es hat zur Begründung auf das SG-Urteil Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass auch kein Härtefall vorliege, der zu einem Anspruch auf höheres Honorar führen könne. Ein spezifischer Sicherstellungsbedarf habe nicht bestanden. Auch eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Praxis sei nicht feststellbar, zumal der Kläger nach von ihm vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen seinen Betriebsgewinn von 2003 (25 197 Euro) bis 2005 (44 706 Euro) erheblich habe steigern können.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der er eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend macht.
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II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
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Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich), klärungsbedürftig sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 12/15 B - SozR 4-2500 § 116 Nr 11 RdNr 5 mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist oder wenn sich die Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus schon vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung klar beantworten lässt (BSG Beschluss vom 11.10.2017 - B 6 KA 29/17 B - Juris RdNr 4). Das ist hier der Fall.
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Der Kläger bezeichnet als grundsätzlich bedeutsam folgende Frage:
"Unterliegt es dem freien Gestaltungsspielraum der Parteien der Honorarverteilungsvereinbarung (HVV), den nach § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V i.d.F. des Gesetzes vom 14.11.2003 vereinbarten 'festen Punktwert' um mehr als 20 % zu senken, und zwar sowohl für Leistungen innerhalb des RLV als auch für die abzustaffelnden Leistungen jenseits des RLV?"
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Damit will er offenbar geklärt wissen, ob eine Absenkung des in Ziffer 6.4 HVV festgesetzten festen Punktwerts von 4,0 Cent für Leistungen innerhalb des RLV sowie von mindestens 0,51 Cent für darüber hinausgehende Leistungen aufgrund der in Punkt 2.2 der Anlage zu Ziffer 6.3 HVV vorgesehenen Quotierung bei nicht ausreichender Verteilungsmasse mit höherrangigem Recht vereinbar ist, wenn die Quotierung zu einer Absenkung um mehr als 20 % führt. Soweit der Kläger in seinen Ausführungen zusätzlich auf einen Punktwert von 5,0 Cent Bezug nimmt, den der Bewertungsausschuss bei der Bewertung der vertragsärztlichen Leistungen zugrunde gelegt habe, handelt es sich offenkundig nicht um den in seiner Frage angesprochenen Punktwert, welchen die "Parteien der HVV" vereinbart haben.
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Die genannte Frage ist hinsichtlich des im Streit stehenden Quartals III/2005 schon nicht entscheidungserheblich, weil hier die Quotierungsregelung nicht zu einem Absinken der an sich vereinbarten festen Punktwerte um mehr als 20 % führte. Rechnerisch liegt eine Reduzierung des Punktwerts von 4,0 Cent für Leistungen innerhalb des RLV ("oberer Punktwert") um mehr als 20 % nur vor, wenn der angewendete Punktwert weniger als 3,2 Cent beträgt; der Punktwert von 0,51 Cent für darüber hinausgehende Leistungen ("unterer Punktwert") ist nur dann um mehr als 20 % vermindert, wenn der angewendete Punktwert geringer als 0,408 Cent ist. Im Quartal III/2005 betrug aber der wegen der erforderlichen Quotierung der Honorarverteilung zugrunde gelegte "obere Punktwert" 3,64 bzw 3,27 Cent, der "untere Punktwert" 0,467 bzw 0,471 Cent; die Punktwerte lagen mithin sämtlich noch über der vom Kläger als problematisch angesehenen Schwelle. Im Quartal II/2005 belief sich der angewendete "obere Punktwert" hingegen auf 3,06 bzw 3,3 Cent, während der "untere Punktwert" dieselben Werte wie im nachfolgenden Quartal aufwies. Damit kann die vom Kläger aufgeworfene Frage allenfalls in Bezug auf den im Quartal II/2005 bei Leistungen für Versicherte der Primärkassen herangezogenen "oberen Punktwert" von 3,06 Cent von Bedeutung sein, sofern dieser isoliert betrachtet wird. Nach der Rechtsprechung des Senats ist zur Beurteilung der Angemessenheit der Vergütung jedoch stets eine Gesamtbetrachtung der Punktwerte für unterschiedliche Kassenarten erforderlich (BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 13/14 R - BSGE 118, 201 = SozR 4-2500 § 85 Nr 83, RdNr 29 f mwN).
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Ungeachtet dessen hat der Senat die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage in seiner Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Im Urteil vom 8.12.2010 (B 6 KA 42/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 61 RdNr 14 f), das ebenfalls zu der im Bezirk der Beklagten ab 1.4.2005 geltenden HVV und zum Quartal II/2005 ergangen ist, hat der Senat entschieden, dass diese HVV - auch die Quotierung nach Punkt 2.2 der Anlage zu Ziffer 6.3 HVV - den Vorgaben des Bewertungsausschusses, die dieser gemäß § 85 Abs 4 S 7 und 8 SGB V (in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes <GMG> vom 14.11.2003, BGBl I 2190) für die Honorarverteilung zu treffen hatte, entsprach. In dem ebenfalls zum Quartal II/2005 ergangenen Urteil vom 5.6.2013 (B 6 KA 32/12 R - BSGE 113, 298 = SozR 4-2500 § 85 Nr 76, RdNr 42) wurde klargestellt, dass die Regelung in § 85 Abs 4 S 7 SGB V (idF des GMG), nach der das festzulegende RLV mit "festen Punktwerten" zu vergüten ist, einschränkend dahingehend zu interpretieren sei, dass es ausreiche, wenn die Gewährung eines festen Punktwerts dem Grunde nach sichergestellt sei und es nicht regelhaft zu einer Abweichung komme. Der Senat hat dies damit begründet, dass bei begrenzter Gesamtvergütung auch im System der RLV ein gewisses Floaten der Punktwerte nicht zu vermeiden sei und deshalb auch die RLV eine Quotierung voraussetzten. Damit ist für die damals maßgebliche Rechtslage geklärt, dass die Quotierung eines in der HVV vorgegebenen festen Punktwerts für den Fall, dass die im Arztgruppen-Honorartopf vorhandenen Mittel nicht ausreichen, mit den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben vereinbar war (B 6 KA 32/12 R -, aaO, RdNr 41). Im Urteil vom 15.6.2016 (B 6 KA 18/15 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 87 RdNr 34 ff, 37 - streitbefangen war hier ebenfalls das Quartal II/2005) hat der Senat seine Rechtsprechung zur damaligen Rechtslage zusammengefasst und bekräftigt, es genüge, wenn Honorarverteilungsregelungen sicherstellten, dass die Vertragsärzte mit "in etwa" festen Punktwerten kalkulieren könnten.
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Weiterer Klärungsbedarf besteht auch nicht zu der Frage, bis zu welchem Ausmaß eine Quotierungsregelung für RLV-Punktwerte noch eine ausreichende Nähe zu den gesetzlichen Vorgaben aufweist bzw ab wann sie "in einen Gesetzesverstoß umkippt". Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die hierfür maßgebliche gesetzliche Regelung in § 85 Abs 4 S 7 SGB V (idF des GMG) zum 31.12.2011 außer Kraft getreten ist (Neufassung des § 85 Abs 4 SGB V durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz <GKV-VStG> vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Bereits zuvor galten jedoch für Zeiträume ab 1.1.2009 die durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (vom 26.3.2007, BGBl I 378) eingeführten besonderen Regelungen zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen in § 87a bis § 87c SGB V mit strikten Vorgaben zur Ermittlung arzt- und praxisbezogener RLV (vgl zB BSG Urteil vom 2.8.2017 - B 6 KA 7/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 12, RdNr 36). Für Zeiträume ab 2012 sind für die Honorarverteilung nunmehr die neu gestalteten Vorschriften in § 87b Abs 2 SGB V (idF des GKV-VStG - nF) maßgeblich. Sie sehen keine Vorgabe von "festen Punktwerten" mehr vor, sondern lediglich den Auftrag, dass "dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden" soll (§ 87b Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V nF). Bei Rechtsfragen zu bereits außer Kraft getretenem Recht kann eine Klärungsbedürftigkeit nur anerkannt werden, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage dieses ausgelaufenen Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihrer Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 28.6.2017 - B 6 KA 84/16 B - Juris RdNr 6 mwN). Das ist hier nicht ersichtlich. Der Kläger hat hierzu lediglich ausgeführt, dass "hinsichtlich der folgenden Quartale noch entsprechende Rechtsstreitigkeiten anhängig sind, unter anderem vom Kläger", betreffend die Zeiträume 2006 bis 2009. Dies genügt nicht, um eine erhebliche Zahl noch offener Fälle und eine Bedeutung über den Einzelfall des Klägers hinaus plausibel zu machen. Der Kläger hat überdies nicht mitgeteilt, ob und inwieweit die Quotierungen der RLV-Punktwerte in den Jahren 2006 bis 2009 im Bezirk der Beklagten die von ihm in seiner Rechtsfrage als problematisch angesehene Schwelle von 20 % überschritten haben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Danach fallen die Kosten eines erfolglos eingelegten Rechtsmittels dem Rechtsmittelführer zur Last. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO).
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Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG sowie § 5 ZPO. Danach ist für jeden der in objektiver Klagehäufung geltend gemachten Quartalshonoraransprüche mangels ausreichender Anhaltspunkte zum Umfang des wirtschaftlichen Interesses des Klägers an der erstrebten Neubescheidung ein Betrag von 5000 Euro anzusetzen, hier also insgesamt 10 000 Euro.
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