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BVerfG 22.10.2021 - 1 BvR 1416/17
BVerfG 22.10.2021 - 1 BvR 1416/17 - Nichtannahmebeschluss: Mangelnde Darlegungen zum Fortbestehen der Annahme- und Zulässigkeitsvoraussetzungen bei entscheidungserheblichen Änderungen der Sach- und Rechtslage
Normen
§ 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 4 Abs 6 S 1 RdFunkBeitrStVtr
Vorinstanz
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 13. Juni 2017, Az: 3 O 10/17, Beschluss
Tenor
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Der Antrag auf Zulassung eines Beistands wird abgelehnt.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versagung von Prozesskostenhilfe, die der Beschwerdeführer zur Durchsetzung einer Befreiung als Härtefall nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) von der Rundfunkbeitragspflicht begehrt.
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Der litauische Beschwerdeführer und Antragsteller des Ausgangsverfahrens zog im Oktober 2014 aus Litauen (EU) nach Deutschland, um an einer Musikhochschule ein Klavierstudium aufzunehmen. Nach eigenen Angaben bezog er aus verschiedenen Quellen monatliche Einkünfte in einer Gesamthöhe von 530 Euro, von denen ihm nach Abzug von Wohnkosten monatlich 250 Euro zur Bestreitung des Lebensunterhalts verblieben. Dieser Betrag lag wesentlich unterhalb der damals geltenden Regelsätze nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) beziehungsweise dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Ein vom Beschwerdeführer gestellter Antrag auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) wurde in Ermangelung des Vorliegens der persönlichen Anspruchsvoraussetzungen abgelehnt. Einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht lehnte die beklagte Rundfunkanstalt damals ebenfalls ab. Die daraufhin beantragte Prozesskostenhilfe wurde ihm weder vom Verwaltungsgericht noch vom Oberverwaltungsgericht bewilligt. Die beabsichtigte Rechtsverteidigung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Beschwerdeführer sei nicht allein aus Gründen seines sehr geringen Einkommens als Härtefall von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.
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Der Beschwerdeführer hat gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im Verfahren über die Prozesskostenhilfe Verfassungsbeschwerde erhoben und die Zulassung eines pensionierten Richters am Amtsgericht als Beistand im Verfassungsbeschwerdeverfahren beantragt. Er macht geltend, durch die Versagung der Prozesskostenhilfe in seinen Rechten aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG verletzt zu sein.
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Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen. Der Minister für Justiz, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein und der Norddeutsche Rundfunk als Beklagter des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer auch ohne die Gewährung von Prozesskostenhilfe Klage erhoben hat, über die noch nicht rechtskräftig entschieden ist, und ihm zum 1. Oktober 2019 Ausbildungsförderung nach dem BAföG bewilligt wurde. Auf seinen Antrag hin ist er seitdem auch von der Rundfunkbeitragspflicht befreit.
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II.
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Die beantragte Zulassung eines Beistands ist abzulehnen, weil sie mangels Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde der Sache nicht objektiv dienlich ist. Eine im pflichtgemäßen Ermessen des Bundesverfassungsgerichts stehende Zulassung nach § 22 Abs. 1 Satz 4 BVerfGG kommt nur in Betracht, wenn die Zulassung subjektiv notwendig und objektiv sachdienlich ist (vgl. BVerfGE 8, 92 94>; BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Ersten Senats vom 21. Juni 2017 - 1 BvR 781/17 -, Rn. 2).
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil kein zwingender Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG vorliegt und auch sonst kein Grund für ihre Annahme ersichtlich ist. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig; damit hat sie keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 25 f.>).
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil aus ihrer Begründung nicht hervorgeht, dass noch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts besteht. Ein Beschwerdeführer ist angehalten, seine Verfassungsbeschwerde bei entscheidungserheblicher Veränderung der Sach- und Rechtslage aktuell zu halten und die Beschwerdebegründung gegebenenfalls auch nachträglich zu ergänzen (vgl. BVerfGE 106, 210 214 f.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 8. Juni 2021 - 1 BvR 2771/18 -, Rn. 57, 64; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 273/16 -, Rn. 5). Ihn trifft eine aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG fließende Begründungslast für das (Fort-)Bestehen der Annahme- und Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Denn der außerordentliche Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde dient primär der Durchsetzung subjektiver von der Verfassung gewährter Rechtspositionen, die nicht bereits anderweitig durchgesetzt sind oder absehbar durchgesetzt werden (vgl. Hellmann, in: Barczak, BVerfGG, § 90 Rn. 6 ff.).
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Dieser Begründungslast ist der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht nachgekommen, obschon Anlass dafür bestand, von einer entscheidungserheblichen Veränderung der Sachlage auszugehen. Im Zeitpunkt ihrer Erhebung bestand für die Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ein Rechtsschutzbedürfnis. Nachdem der Beschwerdeführer aber auch ohne Prozesskostenhilfe Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und das Bundesverwaltungsgericht seine ständige Rechtsprechung zur Anwendung der rundfunkbeitragsrechtlichen Härtefallklausel geändert hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 - BVerwG 6 C 10.18 -, Leitsatz 3, Rn. 22 ff.), hätte es eines ergänzenden Vortrags dazu bedurft, ob und inwieweit das Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde fortbesteht. Der Beschwerdeführer hat aber selbst nach Zustellung der Verfassungsbeschwerde nicht zur Existenz und zum Fortgang des anhängigen Klageverfahrens vor den Verwaltungsgerichten vorgetragen.
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2. Ausweislich der beigezogenen Verfahrensakte und der Stellungnahme des beklagten Norddeutschen Rundfunks steht eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über die vom Beschwerdeführer beantragte Berufungszulassung gegen das erstinstanzliche Urteil aus. In dieser prozessualen Situation, in der die Durchsetzung verfassungsrechtlicher Rechtspositionen noch im fachgerichtlichen Verfahren erfolgen kann, ist die Verfassungsbeschwerde auch mangels Subsidiarität (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) unzulässig. Auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Anwendung der rundfunkbeitragsrechtlichen Härtefallklausel (vgl. BVerfGK 19, 181; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. November 2011 - 1 BvR 3269/08 u.a. -) und infolge der Rechtsprechungsänderung des Bundesverwaltungsgerichts ist es zudem auch nicht aussichtslos, dass der Beschwerdeführer die Durchsetzung seines aktualisierten Rechtsschutzziels - die verbleibende Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht bis zum 1. Oktober 2019 - im anhängigen Klageverfahren erreichen kann.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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