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BVerfG 13.07.2021 - 2 BvR 1214/21
BVerfG 13.07.2021 - 2 BvR 1214/21 - Erlass einer einstweiligen Anordnung im Verfassungsbeschwerdeverfahren: Einstweilige Untersagung des Vollzugs einer Auslieferung an Rumänien - mögliche Verletzung des Verbots unmenschlicher und erniedrigender Behandlung (Art 4 EUGrdRCh) - Folgenabwägung
Normen
Art 1 Abs 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, Art 4 EUGrdRCh, Art 3 MRK
Vorinstanz
vorgehend Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, 5. Juli 2021, Az: OLG Ausl (A) 44/2018, Beschluss
vorgehend Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, 16. Juni 2021, Az: OLG Ausl (A) 44/2018, Beschluss
nachgehend BVerfG, 27. Januar 2022, Az: 2 BvR 1214/21, Stattgebender Kammerbeschluss
Tenor
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Die Übergabe des Beschwerdeführers an die rumänischen Behörden wird bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, einstweilen untersagt.
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Die Generalstaatsanwaltschaft Saarbrücken wird mit der Durchführung der einstweiligen Anordnung beauftragt.
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Die Vollziehung der Auslieferungshaft bleibt von der einstweiligen Anordnung unberührt.
Gründe
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Zur Verfahrenssicherung wird die Übergabe des Beschwerdeführers an die rumänischen Behörden gemäß § 32 Abs. 1 und Abs. 2 BVerfGG bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, einstweilen untersagt.
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1. Das Bundesverfassungsgericht kann einen Zustand durch einstweilige Anordnung gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG gegeben sind, ist wegen der weittragenden Folgen einer einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 55, 1 3>; 82, 310 312>; 94, 166 216 f.>; 104, 23 27>; 106, 51 58>).
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Als Mittel des vorläufigen Rechtsschutzes hat die einstweilige Anordnung auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren die Aufgabe, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern; sie soll auf diese Weise dazu beitragen, Wirkung und Bedeutung einer erst noch zu erwartenden Entscheidung in der Hauptsache zu sichern und zu erhalten (vgl. BVerfGE 42, 103 119>). Deshalb bleiben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht, es sei denn, die Hauptsache erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 89, 38 43 f.>; 103, 41 42>; 118, 111 122>; stRspr). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, so hat das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich lediglich im Rahmen einer Folgenabwägung die Nachteile abzuwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 105, 365 371>; 106, 351 355>; 108, 238 246>; 125, 385 393>; 132, 195 232 f. Rn. 87>; stRspr).
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2. Nach diesen Maßstäben ist eine einstweilige Anordnung zu erlassen.
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a) Die Verfassungsbeschwerde ist weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Es erscheint vielmehr möglich, dass die Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 4 GRCh verletzt, weil das Gericht seiner Verpflichtung nach Art. 4 GRCh, auf der zweiten Prüfungsstufe im Einzelfall zu prüfen und durch zusätzliche Informationen aufzuklären, ob der Beschwerdeführer nach seiner Überstellung in einer rumänischen Haftanstalt einer Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sein wird, nicht hinreichend nachgekommen ist (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 - u.a., Rn. 42 ff.). Hinsichtlich der angeforderten, aber ausgebliebenen Zusicherungen und Mitteilungen, insbesondere in Bezug auf die in der Haftanstalt Rahova vorgesehene Quarantänezeit, könnten noch weitere Informationen von den rumänischen Behörden notwendig sein, damit die erforderliche Gesamtwürdigung der Haftbedingungen auch für diesen Zeitraum auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage erfolgen kann.
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b) Die nach § 32 Abs. 1 BVerfGG erforderliche Folgenabwägung geht zugunsten des Beschwerdeführers aus. Die Folgen, die einträten, wenn der Beschwerdeführer überstellt werden würde, sich später aber herausstellte, dass die Überstellung rechtswidrig war, wiegen schwerer als die Folgen, die entstünden, wenn die Überstellung einstweilen untersagt bliebe, sich später aber herausstellte, dass sie ohne Rechtsverstoß hätte durchgeführt werden können. Denn im erstgenannten Fall wäre dem Beschwerdeführer eine erfolgreiche Geltendmachung seiner Einwände gegen die Überstellung voraussichtlich nicht mehr möglich. Demgegenüber könnte der Beschwerdeführer, sollte sich die geplante Überstellung als rechtmäßig erweisen, zu einem späteren Zeitpunkt an die rumänischen Behörden übergeben werden. Sein Aufenthalt in Deutschland würde sich lediglich bis zu einem solchen späteren Termin verlängern.
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