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BVerfG 27.04.2021 - 1 BvR 2731/19
BVerfG 27.04.2021 - 1 BvR 2731/19 - Nichtannahmebeschluss: Subsidiarität der auf eine Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG gestützten Verfassungsbeschwerde bei unterbliebener Anregung einer Vorlage gem Art 267 Abs 3 AEUV im fachgerichtlichen Verfahren - zudem Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage gem §§ 578, 579 ZPO, § 134 FGO bei Rüge einer willkürlichen Verletzung der Vorlagepflicht an den EuGH
Normen
Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, Art 267 Abs 3 AEUV, § 134 FGO, § 4 Nr 20 Buchst a UStG, § 578 Abs 1 ZPO, § 579 Abs 1 Nr 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend BFH, 22. August 2019, Az: V R 14/17, Urteil
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist.
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1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rügt, weil der Bundesfinanzhof seine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV unhaltbar gehandhabt habe, ist bereits zweifelhaft, ob die Verfassungsbeschwerde dem in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität genügt. Danach müssen Beschwerdeführende die Beseitigung des Hoheitsaktes, durch den sie sich in ihren Grundrechten verletzt sehen, zunächst mit den ihnen durch das Gesetz zur Verfügung gestellten anderen Rechtsbehelfen zu erreichen suchen (vgl. BVerfGE 22, 287 290 f.>; 73, 322 325>; 77, 275 282>). Der Grundsatz der Subsidiarität gebietet, dass Beschwerdeführende im Ausgangsverfahren alle prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 112, 50 60>; 129, 78 92>; 142, 268 280 Rn. 44>). Dies gilt insbesondere bei der Geltendmachung der Verletzung von Verfahrensgrundrechten wie Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 112, 50 62>).
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a) Dazu gehört zunächst, dass Beschwerdeführende bereits im Ausgangsverfahren die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens anregen müssen, auch wenn die Beteiligten des Ausgangsverfahrens dies nicht formell beantragen können (vgl. BVerfGE 73, 339 369>). Diese Möglichkeit, die geltend gemachte Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter zu verhindern, ist wahrzunehmen, um dem Grundsatz der Subsidiarität zu genügen (vgl. BVerfGK 13, 303 311>).
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b) Wird eine Verfassungsbeschwerde auf die Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gestützt, so gehört aber auch die Wiederaufnahme des Verfahrens mit Hilfe einer Nichtigkeitsklage, soweit sie statthaft ist, zum Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 BVerfGG (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 1992 - 2 BvR 40/92 -, Rn. 3; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 31. Juli 2001 - 1 BvR 304/01 -, Rn. 6). Dem steht nicht entgegen, dass es sich dabei um einen außerordentlichen Rechtsbehelf handelt (vgl. BVerfGE 34, 204; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 1992 - 2 BvR 40/92 -, Rn. 3).
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§ 578 Abs. 1, § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sehen für die Finanzgerichtsbarkeit über § 134 FGO den außerordentlichen Rechtsbehelf der Nichtigkeitsklage ausdrücklich für den Fall vor, dass das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist ein Gericht insbesondere auch dann im Sinne von § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn es willkürlich seine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union verletzt (vgl. BFHE 260, 410 416 Rn. 21>; BFHE 254, 481 486 f. Rn. 16, 26 f.>; Beschluss vom 4. September 2009 - IV K 1/09 -, Rn. 3 f.). Der Europäische Gerichtshof ist für die Auslegung des Unionsrechts in Fragen der Umsatzsteuer gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 75, 223 233 f.>; BFHE 260, 410 416 Rn. 21>). Eine Nichtigkeitsklage vor dem Bundesfinanzhof mit der Rüge der Verletzung der Vorlagepflicht an den Europäischen Gerichtshof wäre daher grundsätzlich statthaft.
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2. Vorliegend ist schon nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer in dem Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof angemahnt und insofern dem Grundsatz der Subsidiarität genügt hat. Aus den knappen Ausführungen im Revisionsurteil und in der Verfassungsbeschwerde geht insoweit lediglich hervor, dass er die Steuerfreiheit seiner Dirigentenumsätze nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG in Abrede gestellt und die Versagung des Vorsteuerabzugs als mit dem unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbar angesehen hat. Die Revisionsschrift selbst wurde nicht vorgelegt.
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Ob der Beschwerdeführer daher jedenfalls spätestens durch Erhebung einer Nichtigkeitsklage nach § 578 Abs. 1, § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 134 FGO gehalten gewesen wäre, zur Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität geltend zu machen, dass die von ihm in der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Umsatzsteuerfragen dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen seien, braucht vorliegend jedoch nicht abschließend geklärt zu werden, da die Verfassungsbeschwerde insgesamt nicht den Substantiierungsanforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügt.
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3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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