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BFH 16.07.2024 - XI B 9/24
BFH 16.07.2024 - XI B 9/24 - Einordnung eines Schreibens des FA als wiederholende Verfügung oder als Zweitbescheid
Normen
§ 118 AO, § 68 S 3 FGO
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 29. Januar 2024, Az: 9 K 182/20 K, G, Urteil
Leitsatz
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1. NV: § 68 FGO ist auch auf wiederholende Verfügungen anwendbar.
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2. NV: Aus Sicht des Steuerpflichtigen --als Erklärungsempfänger-- ist ein als Bescheid bezeichnetes Schreiben des Finanzamts (FA), das mitteilt, dass es einen vorangegangenen Bescheid ändert, keine wiederholende Verfügung, sondern ein Zweitbescheid, wenn das FA in einem laufenden Klageverfahren dem Finanzgericht (FG) telefonisch mitteilt, dass noch Änderungsbescheide ergangen seien, das Schreiben daraufhin dem FG übermittelt und der Steuerpflichtige jedenfalls dadurch das Schreiben erhält.
Tenor
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Die Beschwerde des Beklagten wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 29.01.2024 - 9 K 182/20 K, G wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe
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Die Beschwerde des Beklagten und Beschwerdeführers (Finanzamts --FA--) ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen.
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1. Dem Finanzgericht (FG) ist kein Verfahrensfehler dadurch unterlaufen, dass es in Bezug auf den Streitgegenstand Körperschaftsteuer für das Jahr 2014 über den Bescheid wegen Körperschaftsteuer vom 14.06.2023 entschieden hat, weil es ihn als (inhaltsgleichen) Änderungsbescheid im Sinne des § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) angesehen hat.
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a) Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Gegen diesen Grundsatz kann ein FG verstoßen, wenn es die Abgrenzung zwischen wiederholender Verfügung und Zweitbescheid unzutreffend vornimmt (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 04.02.2021 - VIII B 38/20, BFH/NV 2021, 641, Rz 3 und 4).
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b) Ein solcher Verstoß liegt jedoch im Streitfall nicht vor, so dass der Senat offen lassen kann, ob das Urteil des FG darauf beruhen könnte.
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aa) Das FA weist im Ausgangspunkt zwar zutreffend darauf hin, dass die wiederholende Verfügung eines Verwaltungsakts kein neuer Verwaltungsakt ist, auch wenn sie die äußere Form eines Verwaltungsakts hat und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 25.02.1997 - VII R 129/95, BFH/NV 1997, 542, unter II.3.; BFH-Beschluss vom 20.07.2012 - VI B 21/12, BFH/NV 2012, 1764). Es kommt vielmehr darauf an, ob der Steuerpflichtige den materiellen Gehalt der bekannt gegebenen Regelung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben als Verwaltungsakt (Zweitbescheid) verstehen konnte (vgl. BFH-Beschluss vom 16.03.2001 - IV B 17/00, BFH/NV 2001, 1103). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalles, die bei der Entscheidung, ob einer Verwaltungsäußerung Regelungsgehalt zukommt, zu würdigen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 24.11.1999 - V B 137/99, BFH/NV 2000, 550, unter 2.a). Allerdings verhilft dieser Vortrag der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg, weil § 68 FGO auch auf wiederholende Verfügungen anwendbar ist (vgl. BFH-Urteile vom 20.05.2010 - IV R 74/07, BFHE 229, 71, BStBl II 2010, 1104, Rz 21; vom 17.12.2020 - IV R 14/20 (IV R 42/16), BFH/NV 2021, 753, Rz 33, m.w.N.; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 AO Rz 173).
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bb) Unabhängig davon hat das FG aber auch zu Recht angenommen, dass der Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2014 vom 14.06.2023 keine wiederholende Verfügung, sondern ein Zweitbescheid ist.
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Das FG hat seine Auffassung auf Seite 15 f. des Urteils damit begründet, dass der Bescheid ausdrücklich als solcher bezeichnet ist, er mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist und er überdies ausdrücklich den Bescheid vom 19.05.2022 ersetzen sollte. Im Streitfall kommt hinzu, dass die Sachbearbeiterin des FA der Senatsvorsitzenden und Berichterstatterin im Zuge eines Telefonats am 19.09.2023 auf Nachfrage mitgeteilt hat, dass unter anderem zur Körperschaftsteuer für das Jahr 2014 noch "Änderungsbescheide" ergangen seien, die sie vorab in Kopie an das FG übermitteln werde. Mit Schreiben vom 19.09.2023 hat das FA überdies "…Kopien folgender Bescheide zum o.a. Klageverfahren…" per Telefax an das FG übermittelt; darunter war der streitbefangene Bescheid ausdrücklich als "(letzter) Körperschaftsteuerbescheid 2014 vom 14.06.2023" benannt worden. Im Protokoll des Erörterungstermins vom 26.09.2023 ist zudem festgehalten, dass "…seitens des FA noch nachfolgende Änderungsbescheide an das Gericht übersandt worden sind, die der Klägerseite bereits vorliegen müssten". Außerdem führt das Protokoll aus, dass den "… "Vertretern der Klägerin … Kopien des letzten Schriftsatzes des FA … (d.h. die Übersendung der Änderungsbescheide)…" übergeben worden sind. Spätestens mit der Aushändigung der Bescheidkopien im Rahmen des Erörterungstermins vom 26.09.2023 durfte die Klägerin mit Blick auf § 68 Satz 3 FGO den --vom FA als Erklärenden stets und durchgängig als "Bescheid" bezeichneten-- Körperschaftsteuer-Änderungsbescheid für das Jahr 2014 vom 14.06.2023 als solchen --das heißt als Zweitbescheid-- verstehen.
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2. In Bezug auf die vom FG getroffene inhaltliche Entscheidung, das FA habe die von der Klägerin zum 31.12.2014 angesetzte Rückstellung wegen einer drohenden Verpflichtung zur Rückzahlung von Zinsen an die … (X) in Höhe eines Teilbetrags zu Unrecht gewinnerhöhend aufgelöst, hat das FA --worauf die Klägerin in ihrer Beschwerdeerwiderung hingewiesen hat-- keine Zulassungsgründe geltend gemacht.
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3. Hinsichtlich der Hauptforderung der Klägerin gegen die X hat das FG angenommen, dass das FA diese zu Unrecht zum Bilanzstichtag gewinnerhöhend aktiviert habe; aber selbst wenn --entgegen der Auffassung des FG-- dem Grunde nach von einem aktivierungsfähigen Anspruch der Klägerin gegenüber der X auszugehen wäre, hätte das FA den Gewinn der Klägerin insoweit zu Unrecht erhöht, weil der Teilwert der Forderung zum Bilanzstichtag 0 € betragen habe. In Bezug auf die dazu geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) fehlt es an hinreichenden Darlegungen.
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a) Das FA macht geltend, mit dieser Auffassung weiche das FG von mehreren Entscheidungen des BFH ab. Außerdem sei grundsätzlich bedeutsam, ob eine mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintretende auflösende Bedingung mit einer bereits eingetretenen auflösenden Bedingung bilanziell gleichzustellen sei, so dass eine mit ihr belastete Forderung wie eine bestrittene Forderung anzusehen und nicht zu aktivieren beziehungsweise auszubuchen sei. Das FG bilde die Gefahr des Untergangs des Anspruchs entgegen den Grundsätzen der Rechtsprechung des BFH nicht auf der Passivseite ab, sondern mindere die Aktivseite. Die Risiken seien vielmehr durch Bildung einer Rückstellung zu berücksichtigen.
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b) Ausgehend davon hat das FA nicht dargelegt, dass die (aus Sicht des FA vorliegende) Abweichung eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage betrifft.
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Wäre die Forderung, wie das FA meint, zu aktivieren, aber wegen der Risiken auf der Passivseite eine Rückstellung in gleicher Höhe zu bilden, wäre die vom FA bejahte Abweichung nicht entscheidungserheblich, was die Zulassung der Revision ausschlösse (vgl. dazu z.B. BFH-Beschluss vom 04.12.2008 - XI B 250/07, BFH/NV 2009, 394, unter 2.b). Vor diesem Hintergrund hätte das FA darlegen müssen, warum aufgrund der Gefahr, dass der von der X im Jahr 2012 beschlossenen Satzungsänderung nach der vom FG zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) Rückwirkung zukommen könnte (vgl. dazu BGH-Urteile vom 06.10.2021 - IV ZR 96/19, BGHZ 231, 179; vom 08.08.2022 - KZR 111/18, Neue Zeitschrift für Kartellrecht 2022, 645) und daher die Bildung einer Rückstellung in nämlicher Höhe aus dessen Sicht nicht erfolgen kann, beziehungsweise warum für die Körperschaftsteuer 2014 und den Gewerbesteuermessbetrag 2014 sonst entscheidungserheblich sein soll, dass richtigerweise eine Forderung zu aktivieren und in gleicher Höhe eine Rückstellung zu bilden sei, statt die Forderung nicht zu aktivieren oder mit einem Teilwert von 0 € zu aktivieren. All dies hat das FA nicht getan, was zu seinen Lasten geht.
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c) Aus dem gleichen Grund hat das FA nicht im Sinne des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO hinreichend dargelegt, warum die von ihm für grundsätzlich bedeutsam und klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage im Streitfall klärbar sein soll (vgl. zur Notwendigkeit von Darlegungen dazu BFH-Beschluss vom 29.05.2024 - IX B 83/23, www.rechtsprechung-im-internet.de, Rz 4).
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4. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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