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BFH 21.04.2023 - III B 41/22
BFH 21.04.2023 - III B 41/22 - Gehörsverletzung durch Versagung der Akteneinsicht
Normen
Art 103 Abs 1 GG, § 78 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 6 FGO, § 119 Nr 3 FGO, § 155 FGO, § 227 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 22. März 2022, Az: 8 K 1749/19, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Das Gericht verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es eine beantragte Akteneinsicht versagt, ohne dass ein rechtlich anzuerkennender Grund hierfür vorliegt.
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2. NV: Beantragt ein erst kurz vor der mündlichen Verhandlung mandatierter Prozessbevollmächtigter Akteneinsicht, kann sich daraus ein erheblicher Grund für die Verlegung des Termins ergeben.
Tenor
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Auf die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 22.03.2022 - 8 K 1749/19 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Sächsische Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) richtet sich gegen das klageabweisende Einzelrichter-Urteil des Sächsischen Finanzgerichts (FG) vom 22.03.2022 - 8 K 1749/19. Es erging aufgrund einer mündlichen Verhandlung, an der für die Kläger niemand teilnahm, nachdem der Bevollmächtigte sich legitimiert und Akteneinsicht beantragt hatte.
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Der Kläger ist selbständiger Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Die Klägerin und er wurden im Einspruchs- und Klageverfahren zunächst durch den als Rechtsanwalt zugelassenen Sozietätspartner des Klägers vertreten. Im Anschluss an die Ladung zur mündlichen Verhandlung beantragte dieser mit Schreiben vom 14.03.2022 Terminverlegung. Er versicherte anwaltlich, dass er am Verhandlungstag längerfristig geplante Termine wahrzunehmen habe und die Kläger, die "zwingend den Termin der mündlichen Verhandlung mit wahrnehmen" wollten, sich in ihrem seit längerer Zeit geplanten Jahresurlaub befänden.
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Aufgrund einer nicht exakt umgesetzten Verfügung des Einzelrichters bat das FG am 15.03.2022 um "Vorlage konkretisierender Ladungen und Termine" (laut der dem Schreiben zugrundeliegenden Verfügung gemeint war die "Vorlage konkurrierender Ladungen und Termine"). Der frühere Prozessbevollmächtigte antwortete mit Schreiben vom 17.03.2022, dass es sich um seit mehreren Monaten geplante Termine mit Mandanten aus dem Ausland handle. Pandemiebedingt hätten sie bereits mehrfach verschoben werden müssen. Wegen der gesellschaftsrechtlichen Komplexität sei die Teilnahme aller Rechtsanwälte der Kanzlei zwingend erforderlich. Als Alternativtermine für die mündliche Verhandlung im Streitfall wurden angesichts der Osterferien im April und zur Vermeidung weiterer Verlegungsanträge drei Tage Anfang Mai vorgeschlagen (03.05.2022, 04.05.2022 oder 05.05.2022 ab 10:00 Uhr).
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Nach Ablehnung des Terminverlegungsantrags durch das FG teilte der frühere Bevollmächtigte dem FG mit Schreiben vom 21.03.2022 die Niederlegung seines Mandats mit. Mandatiert sei nunmehr der aus dem Rubrum ersichtliche neue Bevollmächtigte. Es werde noch einmal um Terminverlegung gebeten.
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Mit Schreiben an das FG vom 21.03.2022 beantragte auch der neue Prozessbevollmächtigte die Aufhebung des Verhandlungstermins am Folgetag. Unter Bezugnahme auf ein Telefonat, das er mit dem Einzelrichter geführt hatte, teilte er mit, dass die Angelegenheit für ihn völlig neu sei. Er beantragte Akteneinsicht, ohne die eine sachgerechte Vorbereitung nicht möglich sei.
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Das FG führte die mündliche Verhandlung am 22.03.2022 in Abwesenheit der Kläger und des Bevollmächtigten durch. Im Verhandlungsprotokoll hielt der Einzelrichter fest, dass für die Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen sei und dass der "am gestrigen Tage eingeschaltete Prozessbevollmächtigte" Terminverlegung beantragt habe.
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In den Entscheidungsgründen des mit der Beschwerde angefochtenen Urteils vertrat das FG die Auffassung, es habe trotz Ausbleibens der Kläger mündlich verhandeln und entscheiden können. Die Kläger seien hierauf mit der Ladung gemäß § 91 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen worden. Das FG sei auch nicht gehalten gewesen, den Terminverlegungsanträgen nachzukommen. Erhebliche Gründe i.S. des § 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) lägen nicht vor. Insbesondere liege nach § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO kein erheblicher Grund für eine Verlegung im Ausbleiben einer Partei, wenn sie nicht ohne Verschulden am Erscheinen verhindert sei. Sein Nichterscheinen habe der neue Bevollmächtigte der Kläger nicht begründet. Nehme man an, dass er das Ausbleiben durch seine kurzfristige Mandatierung und sein Akteneinsichtsgesuch gerechtfertigt sehe, so sei dennoch kein erheblicher Verlegungsgrund gegeben. Der Wechsel des Prozessbevollmächtigten vor der mündlichen Verhandlung stelle nur dann einen Grund zur Terminänderung dar, wenn der Wechsel nicht vom Kläger verschuldet werde oder zumindest aus schutzwürdigen Gründen erfolge. Die Kläger hätten keine Gründe für den Bevollmächtigtenwechsel mitgeteilt. Offenbar sei er vor dem Hintergrund erfolgt, dass das Gericht einem unbelegten und unbegründeten Verlegungsantrag des abgelösten Bevollmächtigten nicht stattgegeben habe. Ein schutzwürdiger Grund für den Bevollmächtigtenwechsel liege darin nicht. Die Kläger könnten auch nicht geltend machen, dass sie in der Person des neu bestellten Bevollmächtigten schuldlos an einer Vorbereitung des Verhandlungstermins gehindert gewesen seien (§ 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Denn der Wechsel des Bevollmächtigten selbst sei nicht unverschuldet gewesen, sondern von den Klägern ausgegangen. Dass er im Zusammenhang mit der Verzögerung des Rechtsstreits durch Terminverlegung zu sehen sei, ergebe sich auch daraus, dass die Kläger über ihren abgelösten Prozessbevollmächtigten auf die Klageerwiderung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) schriftlich bekundet hätten, dass der Rechtsstreit in tatsächlicher Hinsicht ausgeschrieben sei und weiterer Sachvortrag auf Seiten der Kläger nicht erfolge (vgl. FG-Akte, Bl. 120).
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Mit der Nichtzulassungsbeschwerde beantragen die Kläger die Zulassung der Revision und machen Verfahrensmängel geltend. Insbesondere rügen sie die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die Versagung der Terminverlegung und die Versagung der Akteneinsicht.
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Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist begründet. Das FG hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör verletzt, indem es die mündliche Verhandlung am 22.03.2022 durchgeführt und entschieden hat, ohne dem erst am Vortag mandatierten Bevollmächtigten zuvor die erstmals beantragte Akteneinsicht zu gewähren. Hierin liegt ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, der zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG führt (§ 116 Abs. 6 FGO).
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1. Für die Gewährung rechtlichen Gehörs in der mündlichen Verhandlung und durch die Gewährung von Akteneinsicht gelten die folgenden Grundsätze:
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a) Der grundrechtsgleiche Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) umfasst das Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor der Entscheidung des Gerichts zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern sowie in rechtlicher Hinsicht alles vorzutragen, was sie für wesentlich halten (vgl. Senatsbeschluss vom 03.04.2019 - III B 80/18, BFH/NV 2019, 841, Rz 10). Die Möglichkeit zur Äußerung wird den Beteiligten durch die Einreichung der Klagebegründung und weiterer Schriftsätze sowie durch die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gegeben. Es obliegt den Beteiligten, diese Gelegenheiten wahrzunehmen. Insoweit wird der Anspruch auf rechtliches Gehör durch die prozessuale Mitverantwortung der Beteiligten begrenzt (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 08.04.2022 - IX B 10/21, BFH/NV 2022, 733, Rz 11). Dem Gericht gebietet der Gehörsanspruch, für die Beteiligten überraschende Entscheidungen zu unterlassen. Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten oder nicht bekannten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste (vgl. Senatsbeschluss BFH/NV 2019, 841, Rz 10).
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b) Nach § 96 Abs. 2 FGO darf das Gericht das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Es handelt sich bei dieser Vorschrift um eine Ausgestaltung des durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör, dessen Verletzung einen absoluten Revisionsgrund darstellt (§ 119 Nr. 3 FGO). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet ein Gericht nicht nur, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, sondern auch, sie über die entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu informieren. Eine Art. 103 Abs. 1 GG genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Beteiligten zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt müssen sie sich über den gesamten Verfahrensstoff informieren können. Das Gebot rechtlichen Gehörs sichert ihnen ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung, damit sie ihr Verhalten im Prozess selbstbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Insbesondere folgt aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör die Möglichkeit der Akteneinsicht im finanzgerichtlichen Verfahren (vgl. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 13.04.2010 - 1 BvR 3515/08, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2010, 862, Rz 35 ff.; BFH-Beschluss vom 15.02.2022 - X B 137/20, BFH/NV 2022, 730, Rz 15).
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c) Im einfachgesetzlichen Prozessrecht ist das verfassungsrechtlich aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Recht auf Akteneinsicht in § 78 FGO geregelt (vgl. BFH-Beschluss vom 28.02.2020 - X B 100/19, BFH/NV 2020, 914, Rz 26). Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO können die Beteiligten die Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Mit Letzteren sind die tatsächlich dem Gericht vorgelegten Akten gemeint, d.h. insbesondere die den Streitfall betreffende, von der Finanzbehörde gemäß § 71 Abs. 2 FGO vorgelegte Akte (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30.09.2016 - X B 27/16, BFH/NV 2017, 162, Rz 7, und vom 14.07.2022 - IV B 66/21, BFH/NV 2022, 1074, Rz 16 ff.). Ein Akteneinsichtsgesuch kann das FG grundsätzlich nur verweigern, soweit sich aus § 78 Abs. 4 FGO oder der Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses oder unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes Einschränkungen ergeben (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2010, 862, Rz 39; Senatsbeschluss vom 10.04.2015 - III B 42/14, BFH/NV 2015, 1102, Rz 10). Nach den Umständen des Einzelfalls kann eine Versagung ferner bei rechtsmissbräuchlicher Ausübung des Akteneinsichtsrechts und insbesondere im Fall der Prozessverschleppung gerechtfertigt sein (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2022, 730, Rz 16 ff., und Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.06.2011 - 9 B 23/11, juris, Rz 4).
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2. Nach diesen Maßstäben liegt im Streitfall ein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 3 FGO). Das FG hat das rechtliche Gehör der Kläger verletzt, da es die Reichweite des verfassungsrechtlich geschützten Anspruchs auf Akteneinsicht verkannt und diese deshalb den Klägern zu Unrecht nicht gewährt hat. Das FG wäre verpflichtet gewesen, dem neuen Bevollmächtigten vor der Entscheidung die beantragte Akteneinsicht zu gewähren und hierzu den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen, da es dem Bevollmächtigten die beantragte Akteneinsicht in die Gerichtsakte und die dem FG vorliegenden Behördenakten (15 Bände Steuerakten, vgl. FG-Akte, Bl. 115 und 118) auf andere Weise nicht eröffnen konnte. Auf die Urlaubsabwesenheit der laut dem früheren Bevollmächtigten teilnahmewilligen Kläger kommt es für die Gehörsverletzung nicht an.
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a) Die Kläger hatten gemäß § 78 Abs. 1 FGO einen Anspruch auf Einsicht in die Gerichtsakte und die dem FG vorgelegten Behördenakten. Dieser Anspruch war im Ausgangsverfahren von den Klägern noch nicht geltend gemacht und vom FG noch nicht erfüllt worden. Nach der Mandatsniederlegung durch den alten Bevollmächtigten, die von den Klägern entgegen der Auffassung des FG nicht verschuldet wurde, durfte der neue Bevollmächtigte Akteneinsicht beantragen und diese im Interesse einer sachgerechten Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung für erforderlich halten. Ob das FG die Akteneinsicht für erforderlich hielt, ist unerheblich.
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Das FG hat die erbetene Akteneinsicht im Bewusstsein des Antrags der Kläger zu Unrecht versagt, indem es die mündliche Verhandlung am 22.03.2022 durchgeführt und einen erheblichen Grund für die Verlegung des Termins verneint hat. Auch im Telefonat vom 21.03.2022 bot es die Akteneinsicht nicht an. Für die Verweigerung der Akteneinsicht durch das FG bestand keine Rechtfertigung, insbesondere genügen hierfür nicht die vom FG in den Urteilsgründen (unter I.) angeführten Argumente. Der Akteneinsichtsantrag war insbesondere nicht rechtsmissbräuchlich. Er diente nicht der Prozessverschleppung, sondern den legitimen Informationsinteressen der Kläger und des sie vertretenden neuen Bevollmächtigten. Nach dem letzten Schreiben des früheren Bevollmächtigten vom 05.03.2020 fasste das FG am 12.03.2020 einen Verbindungsbeschluss und ca. zwei Jahre später am 28.02.2022 einen Einzelrichterübertragungsbeschluss (vgl. FG-Akte, Bl. 120 ff.). Der Einzelrichter verfügte die Ladung, die den Beteiligten laut den Empfangsbekenntnissen am 03.03.2022 zuging (vgl. FG-Akte, Bl. 127 ff.). Bei dem u.a. mit der Urlaubsabwesenheit der Kläger begründeten Antrag auf Terminverlegung handelte es sich um den ersten Verlegungsantrag im Klageverfahren. Auch angesichts der vorgeschlagenen Ersatztermine für Anfang Mai 2022 kann von einem --wie das FG meint-- Wechsel des Bevollmächtigten "im Zusammenhang mit der Verzögerung des Rechtsstreits durch Terminverlegung" und erst recht von einer Prozessverschleppungsabsicht der Kläger keine Rede sein.
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b) Nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO kann das Gericht aus erheblichen Gründen auf Antrag oder von Amts wegen einen Termin aufheben oder verlegen. Liegen erhebliche Gründe i.S. von § 227 Abs. 1 ZPO vor, verdichtet sich das Ermessen zu einer Rechtspflicht. In diesem Fall muss ein für die mündliche Verhandlung angesetzter Termin zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs verlegt werden, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits durch die Verlegung verzögert würde. Wird ein Verlegungsantrag sehr kurzfristig, quasi "in letzter Minute", gestellt, muss der Beteiligte den Verlegungsgrund regelmäßig von sich aus glaubhaft machen (vgl. Senatsbeschluss vom 18.01.2022 - III B 108/21, BFH/NV 2022, 606, Rz 5 f.).
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Erheblicher Grund für die im Streitfall gebotene Terminverlegung war der von Verfassungs wegen zu erfüllende Anspruch auf Akteneinsicht, d.h. nicht allein der Bevollmächtigtenwechsel kurz vor der mündlichen Verhandlung (vgl. den vom FG zitierten BFH-Beschluss vom 30.01.2008 - V B 72/06, BFH/NV 2008, 812) und auch nicht das Ausbleiben der Kläger in der mündlichen Verhandlung oder deren mangelnde Vorbereitung auf den Termin (vgl. § 227 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 ZPO). Der Bevollmächtigte hatte die Akteneinsicht mit Schriftsatz vom 21.03.2022 beantragt, einer Glaubhaftmachung darüber hinaus bedurfte es insoweit nicht. Da das FG das Akteneinsichtsgesuch weder aus den im Urteil genannten noch aus anderen Gründen zurückweisen durfte, hätte es den Termin zur Vermeidung einer Gehörsverletzung verlegen müssen. Die urlaubsabwesenden Kläger und der neue Prozessbevollmächtigte mussten nicht damit rechnen, dass das FG die mündliche Verhandlung gleichwohl durchführen und durch Urteil entscheiden würde, ohne ihnen zuvor die beantragte Akteneinsicht eröffnet zu haben.
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c) Die Kläger haben das Recht, die Nichtgewährung der Akteneinsicht zu rügen, nicht nach § 295 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 Satz 1 FGO verloren (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2022, 730, Rz 22, und vom 30.05.2022 - II B 55/21, BFH/NV 2022, 903, Rz 12 ff.).
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d) Die Vorentscheidung des FG beruht auf der Gehörsverletzung. Denn nach § 119 Nr. 3 FGO ist ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war. Diese unwiderlegbare Kausalitätsvermutung gilt uneingeschränkt, wenn ein Gericht --wie im Streitfall-- das rechtliche Gehör verletzt, indem es in verfahrensfehlerhafter Weise aufgrund einer mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Kläger entscheidet (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 03.09.2001 - GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802, unter C.III.). Der Senat hat auch nicht darüber zu befinden, ob die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO wegen einer etwaigen Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen FG-Urteils zurückzuweisen sein könnte (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30.07.2001 - VII B 78/01, BFHE 195, 530, BStBl II 2001, 681, unter 2. am Ende, vom 19.08.2010 - VIII B 131/09, BFH/NV 2010, 2110, Rz 2, und in BFH/NV 2022, 730, Rz 23).
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3. Der Senat hält es für sachgerecht, das angefochtene Urteil gemäß § 116 Abs. 6 FGO aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. In Anbetracht dessen bedürfen die weiteren Verfahrensrügen der Kläger keiner Entscheidung. Ebenso wenig muss entschieden werden, ob das Vorgehen des FG auch das durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) garantierte Recht der Kläger auf ein faires Verfahren verletzte (vgl. BVerfG-Beschluss vom 04.01.2023 - 1 BvR 758/21, juris, Rz 13; Senatsbeschluss in BFH/NV 2015, 1102, Rz 19).
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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