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BFH 16.03.2023 - V R 14/21 (V R 45/19), V R 14/21, V R 45/19
BFH 16.03.2023 - V R 14/21 (V R 45/19), V R 14/21, V R 45/19 - Erfordernis eines Änderungsantrags zur Vermeidung widerstreitender Steuerfestsetzung bei Organschaft
Normen
§ 2 Abs 2 Nr 2 UStG 2005, § 176 Abs 1 S 1 Nr 3 AO, § 172 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AO, § 174 Abs 3 AO, Art 11 EGRL 112/2006, § 161 HGB, §§ 161ff HGB, § 34 Abs 3 AO, § 80 InsO, UStG VZ 2010
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 7. November 2019, Az: 1 K 1952/18, Urteil
Leitsatz
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1. Eine Personenhandelsgesellschaft mit einer "kapitalistischen Struktur" kann Organgesellschaft sein, wenn neben dem Organträger Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft auch Personen sind, die in das Unternehmen des Organträgers nicht finanziell eingegliedert sind (Anschluss an das EuGH-Urteil Finanzamt für Körperschaften Berlin vom 15.04.2021 - C 868/19, EU:C:2021:285 und insoweit Aufgabe des BFH-Urteils vom 02.12.2015 - V R 25/13, BFHE 251, 534, BStBl II 2017, 547).
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2. Macht eine KG geltend, dass sie aufgrund geänderter BFH-Rechtsprechung Organgesellschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sei, setzt die Aufhebung einer gegenüber der KG ergangenen Steuerfestsetzung voraus, dass der Organträger zur Vermeidung eines widersprüchlichen Verhaltens einen Antrag auf Änderung der für ihn vorliegenden Steuerfestsetzung stellt.
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3. Organträger und Organgesellschaft können nicht beanspruchen, im selben Besteuerungszeitraum für den einen Unternehmensteil (z.B. Organgesellschaft) auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung und für den anderen Unternehmensteil (z.B. Organträger) nach der geänderten Rechtsprechung besteuert zu werden (Bestätigung des BFH-Urteils vom 26.08.2021 - V R 13/20, BFHE 273, 364).
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 07.11.2019 - 1 K 1952/18 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Baden-Württemberg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter der A-GmbH & Co. KG (KG). Gesellschafter der KG waren im Jahr 2010 (Streitjahr) die A-Verwaltungs-GmbH als Komplementärin ohne eigenen Kapitalanteil (Komplementär-GmbH) sowie die beiden Kommanditisten VA mit einem Kapitalanteil von 80 % und SA mit 20 %. Bei der KG bedurften Gesellschafterbeschlüsse nach § 7 Abs. 2 des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrags vom 31.01.2003 grundsätzlich der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Gesellschafter der Komplementär-GmbH waren im Streitjahr ebenfalls VA zu 80 % und SA zu 20 %. Einziger Geschäftsführer war VA. VA verpachtete der KG mit Pachtvertrag vom 01.02.2008 das Betriebsgrundstück und diverse Maschinen, die wesentliche Betriebsgrundlagen der KG waren.
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Die KG gab am 26.08.2011 eine nicht zustimmungsbedürftige Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr ab mit einer Umsatzsteuer von … €, die vollständig bezahlt wurde. VA erklärte seine entgeltlichen Umsätze aus der Verpachtung der Betriebsgrundlagen ebenfalls mit einer Umsatzsteuererklärung 2010 vom 26.08.2011.
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Das Amtsgericht X eröffnete mit Beschluss vom 31.12.2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG und bestimmte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Aufgrund der für das Streitjahr vollständig entrichteten Umsatzsteuer waren keine Steuerforderungen zur Tabelle anzumelden. Über das Vermögen des VA wurde am 16.11.2015 ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet.
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Die KG gab am 29.12.2015 eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr ab, in der sie keine Umsätze mehr erklärte. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom gleichen Tag unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt vom 16.07.2015 - C-108/14, C-109/14 (EU:C:2015:496), das Bestehen einer Organschaft zwischen VA als Organträger und der KG als Organgesellschaft festzustellen.
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Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) lehnte dies mit Bescheid vom 14.01.2016 ab, da eine Personengesellschaft nicht in eine umsatzsteuerliche Organschaft einbezogen werden könne. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 28.06.2018 zurück, da nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 02.12.2015 - V R 25/13 (BFHE 251, 534, BStBl II 2017, 547) und dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 26.05.2017 - III C 2 - S 7105/15/10002, 2017/0439168 (BStBl I 2017, 790) sowie nach Abschn. 2.8 Abs. 5a des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses eine Personengesellschaft nur dann in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert sein könne, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen seien, die in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert seien. Hieran fehle es, da neben VA auch SA an der KG beteiligt sei. Zudem stehe der Annahme einer Organschaft der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Der Kläger habe sich erst mit Schreiben vom 29.12.2015 auf eine Organschaft berufen und dem FA damit die Möglichkeit genommen, vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist zum 31.12.2015 VA zum Verfahren hinzuzuziehen. Die Steuerforderung könne beim vermeintlichen Organträger nicht mehr realisiert werden.
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Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 943 veröffentlichten Urteil der Klage statt. Alle Eingliederungsvoraussetzungen lägen vor. Zudem sei unter Berücksichtigung von Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) und der BFH-Urteile vom 19.01.2016 - XI R 38/12 (BFHE 252, 516, BStBl II 2017, 567) und vom 01.06.2016 - XI R 17/11 (BFHE 254, 164, BStBl II 2017, 581) die Organschaft mit einer KG als Organgesellschaft entgegen dem BFH-Urteil in BFHE 251, 534, BStBl II 2017, 547 und der dem entsprechenden Verwaltungsauffassung auch dann zu bejahen, wenn neben dem Organträger weitere natürliche Personen Gesellschafter der KG seien. Personengesellschaften dürften nur dann von der Organschaft ausgeschlossen werden, wenn dies zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sei, wofür im Streitfall keinerlei Anhaltspunkte bestünden. Der Kläger habe auch nicht gegen Treu und Glauben verstoßen. Das Verlangen nach einer gesetzeskonformen Besteuerung sei keine unzulässige Rechtsausübung. Die KG habe keine Ursache gesetzt, aufgrund der das FA bei objektiver Beurteilung darauf habe vertrauen dürfen, nicht in Anspruch genommen zu werden.
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Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Das Urteil des FG widerspreche dem BFH-Urteil in BFHE 251, 534, BStBl II 2017, 547. Zudem liege ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor, da der Kläger seinen Änderungsantrag erst kurz vor Eintritt der Festsetzungsverjährung zur Umsatzsteuer 2010 bei VA gestellt habe. Die vom Kläger angenommene Organschaft wäre bereits mit Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens bei der KG am 19.10.2011 wieder beendet worden. Das Urteil des FG widerspreche zudem der Verwaltungsauffassung.
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Der Kläger weist darauf hin, dass die Annahme einer Organschaft den Grundsatz der Rechtssicherheit nicht gefährde. Der Ausschluss der Organschaft beim Vorhandensein eines zweiten Gesellschafters, der nicht finanziell eingegliedert sei, diene weder der Verhinderung von Missbräuchen noch der Vermeidung von Steuerumgehungen. Das Ausschöpfen von Fristen führe nicht zu einem Verstoß gegen Treu und Glauben.
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Während des Revisionsverfahrens hat der Senat das Verfahren mit Beschluss vom 01.09.2020 - V R 45/19 bis zu einer Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Finanzamt für Körperschaften Berlin ausgesetzt.
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Im Anschluss an das EuGH-Urteil Finanzamt für Körperschaften Berlin vom 15.04.2021 - C-868/19 (EU:C:2021:285) hat der Senat das Verfahren wieder aufgenommen.
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Das FA wendet sich weiter gegen die Annahme einer Organschaft und weist im Übrigen darauf hin, dass es im Streitfall nicht um den Vollzug einer Organschaft bei allen an der Organschaft Beteiligten, sondern darum gehe, bei einem der Beteiligten die Insolvenzmasse anzureichern. Weiter verweist es auf den Grundsatz von Treu und Glauben.
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Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Der Kläger weist darauf hin, dass sich aus dem EuGH-Urteil Finanzamt für Körperschaften Berlin (EU:C:2021:285) ergebe, dass eine Personengesellschaft in der Form einer GmbH & Co. KG unter den gleichen Voraussetzungen wie eine juristische Person Organgesellschaft sein könne. Dies sei bereits seit dem EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015:496) erkennbar gewesen. Schon seitdem müsse die formelle Bescheidlage der materiellen Rechtslage folgen. Organträger und Organgesellschaft seien verschiedene Rechtssubjekte. Die Steuerfestsetzung der KG sei danach aufzuheben und die Umsätze und Vorsteuerbeträge der KG seien dem Organträger zuzurechnen. Dass dies nicht erfolgt sei, könne ihm nicht angelastet werden. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folge nichts anderes, da dieser nicht dazu diene, eine unvorteilhafte Verfahrensbehandlung der Finanzbehörden aufzufangen. Die Änderung gegenüber der KG könne demgemäß nicht von einem Antrag des VA auf Änderung seiner Steuer als Organträger abhängig sein. Es seien nicht einmal Anhaltspunkte für Missbrauch oder Steuerumgehung gegeben.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zwar zutreffend entschieden, dass im Streitfall aufgrund geänderter BFH-Rechtsprechung eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vorliegt. Es hat aber nicht hinreichend berücksichtigt, dass eine Änderung zugunsten der KG im Hinblick auf diese Rechtsprechungsänderung voraussetzt, dass der Organträger für seine Steuerfestsetzung einen Änderungsantrag stellt. Hierzu sind in einem zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen zu treffen.
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1. Das FG hat im Ausgangspunkt zutreffend entschieden, dass die KG eine Organgesellschaft in einer Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sein kann.
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a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Unionsrechtliche Grundlage ist Art. 11 MwStSystRL. Danach kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.
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b) Im Streitfall war VA aufgrund der Verpachtung an die KG Unternehmer. Auch die KG übte eine unternehmerische Tätigkeit aus. Die KG war in das Unternehmen des VA finanziell eingegliedert, da VA über die Mehrheit der Stimmrechte bei der KG verfügte. Die wirtschaftliche Eingliederung ergab sich aus der Verpachtung von für das Unternehmen der KG wesentlichen Betriebsgegenständen durch VA. Die organisatorische Eingliederung folgte daraus, dass VA einziger Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH war, die allein für die KG geschäftsführungs- und vertretungsbefugt war. VA war damit entsprechend dem EuGH-Urteil Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie vom 01.12.2022 - C-141/20 (EU:C:2022:943, Rz 69 f.) in der Lage, seinen Willen bei der Organgesellschaft durchzusetzen, so dass es ihm auch möglich war, die Umsätze des im Organkreis zusammengefassten Unternehmens ordnungsgemäß zu versteuern und den sich daraus nach § 18 UStG ergebenden Verpflichtungen auch im Hinblick auf die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft nachzukommen.
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c) Zwar handelt es sich bei der KG vorliegend um eine Personenhandelsgesellschaft mit einer "kapitalistischen Struktur". Dies steht aber nach der durch die BFH-Urteile in BFHE 251, 534, BStBl II 2017, 547, in BFHE 252, 516, BStBl II 2017, 567 und in BFHE 254, 164, BStBl II 2017, 581 geänderten BFH-Rechtsprechung ihrer Stellung als Organgesellschaft nicht entgegen, wobei es nach den BFH-Urteilen in BFHE 252, 516, BStBl II 2017, 567 und in BFHE 254, 164, BStBl II 2017, 581 nicht darauf ankommt, ob Gesellschafter der KG neben VA nur Personen sind, die in dessen Unternehmen finanziell eingegliedert sind. Dies hat der EuGH mit seinem Urteil Finanzamt für Körperschaften Berlin (EU:C:2021:285) bestätigt, dem sich der Senat anschließt. Eine Personenhandelsgesellschaft mit einer "kapitalistischen Struktur" kann daher Organgesellschaft sein, wenn neben dem Organträger Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft auch Personen sind, die in das Unternehmen des Organträgers nicht finanziell eingegliedert sind. Soweit der Senat dies in seinem zuvor ergangenen Urteil in BFHE 251, 534, BStBl II 2017, 547 anders beurteilt hat, hält er daran nicht fest.
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2. Das Urteil des FG ist gleichwohl aufzuheben. Macht eine KG geltend, dass sie aufgrund geänderter BFH-Rechtsprechung Organgesellschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG und damit nicht Steuerschuldnerin sei, setzt die Aufhebung einer gegenüber der KG ergangenen Steuerfestsetzung voraus, dass der Organträger zur Vermeidung eines widersprüchlichen Verhaltens bei der Anwendung von § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) einen Antrag auf Änderung der für ihn vorliegenden Steuerfestsetzung stellt.
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a) Der Grundsatz von Treu und Glauben ist im Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt anerkannt. Er gebietet, dass im "Steuerrechtsverhältnis" jeder Beteiligte auf die berechtigten Belange des anderen Teils angemessen Rücksicht nimmt und sich zu seinem eigenen früheren Verhalten nicht in Widerspruch setzt. Er bringt keine Steueransprüche und -schulden zum Entstehen oder Erlöschen, sondern kann allenfalls ein bestehendes konkretes Steuerrechtsverhältnis dahingehend modifizieren, dass eine Forderung nicht mehr geltend gemacht oder ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 06.07.2016 - X R 57/13, BFHE 256, 1, BStBl II 2017, 334, Rz 16).
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b) Der Grundsatz von Treu und Glauben ist auch bei der Anwendung von § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO zu berücksichtigen. Danach darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich wie vorliegend (s. oben II.1.c) die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung (vorliegend aufgrund der Umsatzsteuererklärung 2010 des VA vom 26.08.2011) von der Finanzbehörde angewandt worden ist.
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Dabei verstößt es gegen Treu und Glauben ("venire contra factum proprium"), wenn der Steuerpflichtige aufgrund einer Rechtsprechungsänderung z.B. die Aufhebung eines ihn belastenden Bescheids fordert und erreicht und später geltend macht, er habe auf die Anwendung der früheren Rechtsprechung vertraut und sei nicht bereit, die für ihn negativen Folgen der Rechtsprechungsänderung hinzunehmen (BFH-Urteil vom 08.02.1995 - I R 127/93, BFHE 177, 332, BStBl II 1995, 764, unter II.C.4.; vgl. auch BFH-Urteil vom 25.04.2013 - V R 2/13, BFHE 241, 304, BStBl II 2013, 844, Leitsatz 1). Hierzu hat der Senat mit Urteil vom 26.08.2021 - V R 13/20 (BFHE 273, 364) in Bezug auf die Rechtsprechungsänderung durch das BFH-Urteil in BFHE 252, 516, BStBl II 2017, 567 (und damit ebenso in Bezug auf das inhaltsgleiche BFH-Urteil in BFHE 254, 164, BStBl II 2017, 581) sowie das BFH-Urteil in BFHE 251, 534, BStBl II 2017, 547 entschieden, dass Organträger und Organgesellschaften nicht beanspruchen können, im selben Besteuerungszeitraum für den einen Unternehmensteil (z.B. Organgesellschaft) auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung und für den anderen Unternehmensteil (z.B. Organträger) nach der geänderten Rechtsprechung besteuert zu werden. Dies beruht darauf, dass das maßgebliche "Steuerrechtsverhältnis" (s. oben II.2.a) bei Anwendung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zum Organträger als Steuerschuldner und Steuerpflichtigen besteht und sich dabei entsprechend dieser Vorschrift auch auf die Organgesellschaft als Bestandteil dieses Steuerrechtsverhältnisses erstreckt. Dem kommt Vorrang gegenüber der vom Kläger als maßgeblich angesehenen zivilrechtlichen Betrachtung als eigenständige Rechtssubjekte zu.
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c) Dementsprechend kann nicht zugleich beansprucht werden, dass einerseits die KG nach der geänderten BFH-Rechtsprechung als Organgesellschaft behandelt wird, während andererseits VA, der erst aufgrund der geänderten BFH-Rechtsprechung als Organträger anzusehen ist, Vertrauensschutz gemäß § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO in die frühere BFH-Rechtsprechung gewährt wird, nach der er nicht Organträger für die KG war. Daher ist unter Berücksichtigung des Senatsurteils in BFHE 273, 364 dieser Widerstreit dahingehend aufzulösen, dass der Unternehmensteil der Organschaft, zu dessen Gunsten der Änderungsschutz nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO wirkt, diesen durch die Stellung eines Änderungsantrags entfallen lassen muss, um so ein widersprüchliches Verhalten in Bezug auf die Besteuerung der Umsätze des anderen Unternehmensteils der Organschaft zu vermeiden.
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Dieses Antragserfordernis wirkt in der Weise zu Lasten der KG, die als Organgesellschaft mit VA gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verbunden ist, dass eine Aufhebung der für sie vorliegenden Steuerfestsetzung voraussetzt, dass aufgrund eines von VA zu stellenden Antrags eine Besteuerung der Umsätze der KG entsprechend der Rechtsauffassung der KG bei VA als Organträger erfolgen kann. Somit kommt eine Aufhebung der für die KG bestehenden Steuerfestsetzung aufgrund ihrer sich erst aus der geänderten BFH-Rechtsprechung ergebenden Stellung als Organgesellschaft nur in Betracht, wenn VA gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO vor Ablauf der für ihn geltenden Festsetzungsfrist beantragt, die Umsätze der KG als Organgesellschaft bei seiner Steuerfestsetzung zu erfassen und damit auf den sich aus § 176 AO ergebenden Vertrauensschutz verzichtet.
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d) Das Erfordernis einer entsprechenden Antragstellung durch den Organträger steht nicht im Widerspruch zum Unionsrecht.
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aa) Das Besteuerungsverfahren wird, soweit es den Streitfall betrifft, nicht durch die MwStSystRL geregelt. Daher dürfen die Mitgliedstaaten in Ermangelung harmonisierter Vorschriften die Verfahrensvorschriften ihres innerstaatlichen Rechts anwenden, sofern sie dabei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität einhalten (EuGH-Urteil Caterpillar Financial Services vom 20.12.2017 - C-500/16, EU:C:2017:996, Rz 37). Diesen Grundsätzen entspricht eine bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist erforderliche Antragstellung wie auch die Berücksichtigung der sich im Rahmen eines Steuerrechtsverhältnisses nach Treu und Glauben ergebenden Bindungen.
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bb) Hierfür spricht im Übrigen die Erwägung des EuGH, dass die nationale Bestimmung des Organträgers als einzigen Steuerpflichtigen nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führen darf (EuGH-Urteile Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie, EU:2022:943, und Finanzamt T vom 01.12.2022 - C-269/20, EU:C:2022:944). Eine Haftung der Organgesellschaft nach § 73 AO ist wegen des Grundsatzes der Akzessorietät nur bei Bestehen der Steuerschuld des Organträgers zu bejahen. Das Erfordernis einer Antragstellung durch den Organträger, um eine Festsetzung ihm gegenüber zu ermöglichen, dient dazu, die Gefahr von Steuerverlusten zu vermeiden.
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3. Die Sache ist nicht spruchreif. Dem Senat ist eine Prüfung, ob VA einen Änderungsantrag für eine bei ihm vorzunehmende Versteuerung der Umsätze der KG gestellt hat, verwehrt. Dabei kann ein derartiger Antrag auch jetzt noch durch VA oder im Fall eines noch nicht beendeten Insolvenzverfahrens über sein Vermögen durch seinen Insolvenzverwalter gestellt werden, wenn im Streitfall die Festsetzungsfrist als zeitliche Grenze für den Antrag i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO (BFH-Urteil vom 03.03.2011 - III R 45/08, BFHE 233, 6, BStBl II 2011, 673, Leitsatz 2) entgegen der Annahme des FA nach § 174 Abs. 3 AO noch nicht abgelaufen ist.
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a) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid (hier: für VA) erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid (hier: für die KG) zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist (hier: die des VA), insoweit gemäß § 174 Abs. 3 Satz 1 AO nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Dabei steht eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach Abgabe einer entsprechenden Steuererklärung (§ 168 Satz 1 AO) einem Steuerbescheid i.S. von § 174 Abs. 3 AO gleich (BFH-Urteil vom 19.12.2013 - V R 7/12, BFHE 245, 80, BStBl II 2017, 841, Rz 50).
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§ 174 Abs. 3 AO ist auch anzuwenden, wenn der "andere Steuerbescheid" --z.B. entsprechend der formellen Bescheidlage-- einen anderen Steuerpflichtigen (hier: die KG aufgrund der Verneinung der Stellung als Organgesellschaft) betrifft (BFH-Urteil vom 27.08.2014 - II R 43/12, BFHE 246, 506, BStBl II 2015, 241, Rz 20). Für den bestimmten Sachverhalt kommt es auf den einzelnen Lebenssachverhalt an, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft, und damit auf den einheitlichen, für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex, nicht aber auf das Bestehen einer Organschaft als hierfür unbeachtlichen Rechtsbegriff (vgl. BFH-Urteil vom 21.09.2016 - V R 24/15, BFHE 254, 505, BStBl II 2017, 143, Rz 22 f. zu § 174 Abs. 4 AO). Daher besteht die Änderungsberechtigung nach § 174 Abs. 3 AO z.B. dann, wenn das FA Umsätze und Vorsteuerbeträge einer GmbH erkennbar deshalb nicht bei dieser berücksichtigt hat, weil es davon ausgeht, dass diese bei einer anderen Person als Organträger zu erfassen seien (BFH-Urteil vom 08.02.1996 - V R 54/94, BFH/NV 1996, 733, unter II.1.). Dementsprechend besteht die Änderungsbefugnis gemäß § 174 Abs. 3 AO auch dann, wenn Umsätze und Vorsteuerbeträge einer KG erkennbar deshalb nicht beim Organträger berücksichtigt werden, da das FA davon ausgeht, diese seien mangels Organschaft bei der KG zu erfassen.
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b) Im Streitfall ergibt sich der bestimmte Sachverhalt, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft, aus der Umsatztätigkeit der mit VA finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch verbundenen KG. Dieser Sachverhalt wurde in der Annahme, dass die Umsätze der KG trotz Vorliegens der Eingliederungs-voraussetzungen in einem für diese zu erlassenden Steuerbescheid zu erfassen seien, bei der Steuerfestsetzung des Organträgers nicht berücksichtigt.
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Allerdings kann der Senat nicht entscheiden, ob diese Nichtberücksichtigung auch erkennbar war. Erkennbarkeit liegt insbesondere vor, wenn der Steuerpflichtige durch sein eigenes Verhalten die Finanzbehörde veranlasst hat, einen Sachverhalt nicht bei ihm, sondern bei einem anderen zu erfassen (BFH-Urteil in BFHE 246, 506, BStBl II 2015, 241, Rz 22). Hierfür kann im Streitfall die zeitgleiche Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen von VA und der KG, der die damals herrschende Meinung zugrunde lag, nach der eine KG keine Organgesellschaft war, sprechen.
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c) Sollten danach die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO erfüllt sein, ist die Nachholung, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung für VA --und damit auch die Antragstellung durch VA gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO-- nach § 174 Abs. 3 Satz 2 AO bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist zulässig. Maßgebend ist hierfür somit nicht die Festsetzungsfrist für den auf § 174 Abs. 3 AO gestützten neuen Bescheid gegenüber VA (vgl. BFH-Urteil in BFHE 246, 506, BStBl II 2015, 241, Rz 23), sondern die Festsetzungsfrist für die KG, die gemäß § 171 Abs. 3a AO in ihrem Ablauf gehemmt ist (BFH-Urteil in BFHE 246, 506, BStBl II 2015, 241, Rz 25 zu § 171 Abs. 3a AO).
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Im Fall eines fortbestehenden Insolvenzverfahrens über das Vermögen des VA ist auf eine durch seinen Insolvenzverwalter abzugebende Erklärung abzustellen. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass im Insolvenzverfahren ein Änderungsbescheid gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 87 der Insolvenzordnung (InsO) nicht mehr ergehen kann (BFH-Urteil vom 13.05.2009 - XI R 63/07, BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11, unter II.2.a aa). An dessen Stelle tritt die Eintragung des sich für das Kalenderjahr ergebenden Steueranspruchs als Insolvenzforderung in die Insolvenztabelle (§ 178 InsO) oder --im Fall des Bestreitens (§ 179 InsO)-- der gemäß § 185 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO zu erlassende Feststellungsbescheid (BFH-Urteil vom 21.11.2013 - V R 21/12, BFHE 244, 70, BStBl II 2016, 74, Rz 23 zur Parallelfrage bei der Haftung nach § 13c UStG). Die Eintragung in die Tabelle ersetzt damit im Insolvenzverfahren den Steuerbescheid (BFH-Urteil vom 17.09.2019 - VII R 5/18, BFHE 266, 104, Leitsatz 2). Da der Insolvenzverwalter dem an die Stelle eines Änderungsbescheids tretenden Tabelleneintrag im Hinblick auf § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO widersprechen könnte, ist auch für diesen Fall die Inanspruchnahme des aus dieser Vorschrift ansonsten ergebenden Vertrauensschutzes auszuschließen.
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Die Änderung nach § 174 Abs. 3 AO gegenüber einem Dritten (hier: gegenüber dem Organträger) nach Einlegung eines Rechtsbehelfs durch den anderen Steuerpflichtigen (hier: durch den Insolvenzverwalter der KG) setzt im Übrigen nicht die Beteiligung des Dritten (Organträger) gemäß § 174 Abs. 5 AO am Verfahren des anderen (des Insolvenzverwalters der KG) voraus (BFH-Urteile vom 01.08.1984 - V R 67/82, BFHE 141, 490, BStBl II 1984, 788, Leitsatz, und in BFHE 245, 80, BStBl II 2017, 841, Rz 58). Dementsprechend kommt es nicht auf die weitergehenden Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO an.
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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