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BFH 07.10.2021 - III R 8/20
BFH 07.10.2021 - III R 8/20 - (Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 31.08.2021 III R 41/19 - Kindergeld; Berücksichtigung eines Kindes nach krankheitsbedingtem Ausbildungsabbruch)
Normen
§ 62 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 63 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst a EStG 2009, § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst c EStG 2009, § 32 Abs 4 S 1 Nr 3 EStG 2009, § 88 AO, § 76 FGO, Abschn 17.2 Abs 1 S 4 DA-KG 2020, EStG VZ 2015, EStG VZ 2016
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 17. Juni 2019, Az: 1 K 186/17, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Ist ein Kind krankheitsbedingt nicht in der Lage, sich ernsthaft um eine Ausbildungsstelle zu bemühen oder sie zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kann es nur dann nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt werden, wenn es sich um eine vorübergehende Erkrankung handelt und die im Anspruchszeitraum bestehende Ausbildungswilligkeit nachgewiesen wird.
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2. NV: Von einer vorübergehenden Erkrankung ist auszugehen, wenn sie im Hinblick auf die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate währt.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 17.06.2019 - 1 K 186/17 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Streitig ist der Kindergeldanspruch für den Zeitraum April 2015 bis August 2016.
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Die im Juni 1993 geborene Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Tochter der Beigeladenen. Sie begann im Oktober 2013 eine dreijährige Berufsausbildung als Friseurin. Zum 31.03.2015 kündigte sie das Ausbildungsverhältnis und unterzog sich wegen Drogenabhängigkeit vom ...04.2015 bis ...05.2015 einer stationären Entgiftungsbehandlung. Ferner erfolgten vom ...06.2015 bis ...05.2016 und vom ...05.2016 bis ...08.2016 stationäre Entwöhnungsbehandlungen. Während ihrer drogenbedingten Behandlungen bezog die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, auf die das zugunsten der Beigeladenen festgesetzte und an die Klägerin abgezweigte Kindergeld angerechnet wurde. Am 01.09.2016 begann die Klägerin erneut eine Ausbildung zur Friseurin.
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Nachdem die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) von dem Abbruch der Ausbildung erfahren hatte, hob sie mit Bescheid vom 09.02.2017 die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum April 2015 bis August 2016 gegenüber der Beigeladenen auf und forderte mit weiterem Bescheid vom 09.02.2017 das insoweit bereits ausbezahlte Kindergeld in Höhe von 3.212 € von der Klägerin zurück. Die hiergegen sowohl von der Klägerin als auch von der Beigeladenen erhobenen Einsprüche wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidungen vom 02.05.2017 als unbegründet zurück.
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Der von der Klägerin gegen den Aufhebungs- und den Rückforderungsbescheid und beide Einspruchsentscheidungen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt und hob alle angegriffenen Bescheide auf.
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Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts.
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Die Familienkasse beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Die Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert und keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der erkennende Senat nicht abschließend prüfen, ob das FG zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Klägerin im Streitzeitraum ein von der Beigeladenen an sie abgezweigter Kindergeldanspruch für sich selbst zusteht.
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1. Nach § 62 Abs. 1 Satz 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird für ein Kind, welches das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, Kindergeld u.a. dann gewährt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG) oder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG).
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Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG kann das für ein Kind festgesetzte Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Wurde die Kindergeldfestsetzung in einem solchen Abzweigungsfall zu Recht aufgehoben und ist damit der rechtliche Grund für die Kindergeldzahlung weggefallen, so ist nur das Kind als Abzweigungsempfänger nach § 37 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Abgabenordnung (AO) zur Erstattung verpflichtet (Senatsurteil vom 10.03.2016 - III R 29/15, BFH/NV 2016, 1278, Rz 26, m.w.N.).
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2. Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass die Klägerin im Streitzeitraum i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet wurde.
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a) In Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG befindet sich, wer "sein Berufsziel" noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des "angestrebten" Berufs geeignet sind (z.B. Senatsurteil vom 27.11.2019 - III R 65/18, BFH/NV 2020, 765, Rz 9, m.w.N.).
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Dabei werden Ausbildungsmaßnahmen zwar einerseits durch eine Einschreibung an einer Schule oder Hochschule oder einen Ausbildungsvertrag mit einem Ausbildungsbetrieb indiziert. Andererseits genügt aber das rein formale Bestehen eines Ausbildungsverhältnisses nicht, wenn es an ernsthaften und nachhaltigen Ausbildungsmaßnahmen fehlt (z.B. Senatsurteile in BFH/NV 2020, 765, Rz 10, und vom 18.01.2018 - III R 16/17, BFHE 260, 481, BStBl II 2018, 402, Rz 11, jeweils m.w.N.). Soweit Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind seinem gewählten Ausbildungsgang nicht ernsthaft und hinreichend nachgeht, liegt keine Berufsausbildung vor (Senatsurteile vom 03.07.2014 - III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 32, und vom 08.09.2016 - III R 27/15, BFHE 255, 202, BStBl II 2017, 278, Rz 22).
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Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 15.07.2003 - VIII R 47/02 (BFHE 203, 106, BStBl II 2003, 848, unter II.1.c) für den Fall zugelassen, dass die Ausbildung infolge einer Erkrankung oder wegen der Schutzfristen vor und nach der Entbindung (§ 3 Abs. 1 und 2 des Mutterschutzgesetzes --MuSchG--) unterbrochen wird. Gleiches hat der BFH für den Fall angenommen, dass das Kind während eines Ausbildungsverhältnisses in Untersuchungshaft genommen oder wegen eines laufenden Strafverfahrens im Ausland mit einem Ausreiseverbot belegt wird (BFH-Urteil vom 20.07.2006 - III R 69/04, BFH/NV 2006, 2067, unter II.1.c). Vorausgesetzt wurde insoweit jedoch, dass das Kind einen Ausbildungsplatz hat und ausbildungswillig ist (BFH-Urteile in BFHE 203, 106, BStBl II 2003, 848, unter II.1.c, sowie in BFH/NV 2006, 2067, unter II.1.c). Wurde das Ausbildungsverhältnis beendet, indem das Kind z.B. von der Schule abgemeldet wurde oder der Ausbildungsvertrag einvernehmlich aufgehoben oder einseitig gekündigt wurde, fehlt es schon am formalen Fortbestehen eines Ausbildungsverhältnisses. Die tatsächliche Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen ist nicht mehr wegen der Erkrankung oder der Mutterschutzfristen, sondern wegen des Wegfalls des Ausbildungsverhältnisses ausgeschlossen. Dementsprechend kommt eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht mehr in Betracht, soweit eine Ausbildung infolge einer Erkrankung nicht nur unterbrochen, sondern abgebrochen wurde.
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b) Danach scheidet im Streitfall eine Berücksichtigung der Klägerin als in Ausbildung befindliches Kind ab April 2015 aus, da die Klägerin nach den Feststellungen des FG ihr Ausbildungsverhältnis zum 31.03.2015 kündigte, die Berufsausbildung somit vorzeitig abgebrochen und deshalb auch keine weiteren Ausbildungsmaßnahmen mehr durchgeführt hat.
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3. Die vom FG festgestellten Tatsachen reichen auch nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Klägerin nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen ist.
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a) Die Berücksichtigung als Kind, das eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG), setzt voraus, dass der Beginn der Ausbildung nicht an anderen Umständen als dem Mangel eines Ausbildungsplatzes scheitert (Senatsurteile vom 07.04.2011 - III R 24/08, BFHE 233, 44, BStBl II 2012, 210, Rz 27; vom 13.06.2013 - III R 58/12, BFHE 242, 118, BStBl II 2014, 834, Rz 14, und vom 12.11.2020 - III R 49/18, BFHE 271, 229, Rz 12). Dabei ist zwar grundsätzlich jeder Ausbildungswunsch des Kindes zu berücksichtigen; seine Verwirklichung darf jedoch nicht an den persönlichen Verhältnissen des Kindes scheitern (BFH-Urteil vom 15.07.2003 - VIII R 71/99, BFH/NV 2004, 473, unter II.b aa). Das Kind muss die Ausbildungsstelle im Falle des Erfolgs seiner Bemühungen antreten können (BFH-Urteil vom 15.07.2003 - VIII R 79/99, BFHE 203, 94, BStBl II 2003, 843, unter II.2.a; Senatsurteile vom 27.09.2012 - III R 70/11, BFHE 239, 116, BStBl II 2013, 544, Rz 26, sowie in BFHE 260, 481, BStBl II 2018, 402, Rz 16).
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b) In der Person des Kindes liegende Gründe, welche der Aufnahme einer Berufsausbildung entgegenstehen, liegen z.B. vor, wenn ein Kind nicht die Voraussetzungen für den angestrebten Studiengang erfüllt (BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 473) oder wenn ausländerrechtliche Gründe einer Berufsausbildung entgegenstehen (Senatsurteil in BFHE 233, 44, BStBl II 2012, 210). Ein Kind ist auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn es eine Ausbildung wegen Übergewichts nicht antreten könnte (BFH-Beschluss vom 08.11.1999 - VI B 322/98, BFH/NV 2000, 432). Dagegen ist es für den Bezug von Kindergeld ausnahmsweise unschädlich, wenn das Kind die Suche nach einem Ausbildungsplatz während der Schutzfristen nach dem MuSchG unterbricht (Senatsurteil in BFHE 242, 118, BStBl II 2014, 834).
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c) Ist ein Kind aus Krankheitsgründen gehindert, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben oder diesen im Falle der erfolgreichen Bewerbung zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kommt --wie der Senat mit Urteil vom 31.08.2021 - III R 41/19 (BFHE 274, 149, BFH/NV 2022, 385) entschieden hat-- eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG nur unter eingeschränkten Voraussetzungen in Betracht.
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aa) Zunächst muss es sich regelmäßig um eine vorübergehende Krankheit handeln. Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Notwendigkeit, die von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erfassten Fälle von den unter § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG fallenden Fällen abzugrenzen. Letztere Bestimmung erfordert zum einen eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung, die nach der maßgeblichen Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch eine mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate dauernde Beeinträchtigung voraussetzt (Senatsurteil in BFHE 271, 229, Rz 14). Zweck dieses Kriteriums ist es, vorübergehende Gesundheitsstörungen aus dem Behinderungsbegriff auszuschließen und damit nur Beeinträchtigungen eines bestimmten Schweregrades zu erfassen (Senatsurteil vom 27.11.2019 - III R 44/17, BFHE 267, 337, BStBl II 2020, 558, Rz 26). Zum anderen werden behinderte Kinder nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nur dann berücksichtigt, wenn sie außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, was eine Prüfung des Bedarfs des Kindes und der diesem zur Verfügung stehenden Mittel erfordert. Insoweit lässt sich der gesetzgeberische Wille erkennen, dass bei einer nicht nur vorübergehenden Erkrankung des Kindes eine typische Unterhaltssituation, die zur steuerlichen Berücksichtigung des Kindes führt, nicht allein aufgrund der Erkrankung angenommen werden darf, sondern darüber hinaus die Feststellung eines konkreten Unterhaltsbedarfs erforderlich ist. Diese Wertung des Gesetzgebers würde aber umgangen, wenn längerfristig erkrankte Kinder auch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erfasst werden könnten, ohne dass eine solche Bedarfsprüfung stattfindet. Gerade bei längerfristig erkrankten Kindern ist es nicht ausgeschlossen, dass Sozialleistungen in Anspruch genommen werden, die einen Unterhaltsbedarf ausschließen könnten.
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Werden die Bemühungen um einen Ausbildungsplatz oder die Aufnahme einer Ausbildung daher durch eine Krankheit verhindert, darf die im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigungsfähige gesundheitliche Beeinträchtigung regelmäßig mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate andauern. Dabei ist --um den Gleichlauf mit der Feststellung einer Behinderung zu gewährleisten-- nicht die (rückblickend) seit Beginn der Erkrankung oder gar seit ihrer erstmaligen ärztlichen Feststellung tatsächlich abgelaufene Zeit, sondern die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung maßgebend (BFH-Urteil vom 18.06.2015 - VI R 31/14, BFHE 251, 147, BStBl II 2016, 40, Rz 22; Senatsurteil in BFHE 267, 337, BStBl II 2020, 558, Rz 26). Zur Beurteilung dieser Frage ist (ggf.) eine Prognose zur (weiteren) Entwicklung der Funktionsbeeinträchtigung zu stellen (Senatsurteil vom 19.01.2017 - III R 44/14, BFH/NV 2017, 735, Rz 18, m.w.N.).
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bb) Des Weiteren ist erforderlich, dass die Ausbildungswilligkeit des Kindes für den entsprechenden Anspruchszeitraum nachgewiesen wird.
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(1) Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Berücksichtigungstatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG bei einem gesunden Kind voraus, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (Senatsurteil vom 22.09.2011 - III R 35/08, BFH/NV 2012, 232, Rz 11, m.w.N.). Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, es habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets bei der Agentur für Arbeit als ausbildungssuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegenzuwirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben (Senatsurteil in BFH/NV 2012, 232, Rz 12, m.w.N.). Die Nachweise für die Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen; über 18 Jahre alte Kinder haben mitzuwirken (§ 68 Abs. 1 EStG). Es liegt auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (Senatsurteil in BFH/NV 2012, 232, Rz 13, m.w.N.).
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Obwohl das Kindergeld monatlich entsteht und deshalb die Anspruchsvoraussetzungen --wie das Bemühen um einen Ausbildungsplatz-- in jedem Monat gegeben sein müssen, braucht nicht zwingend für jeden Monat ein erneuter Nachweis vorgelegt zu werden, der das Bemühen um einen Ausbildungsplatz dokumentiert. Es ist daher nicht erforderlich, dass sich das Kind jeden Monat erneut um eine Ausbildungsstelle bewirbt, solange über die bisherigen Bewerbungen noch nicht entschieden ist; allerdings ist spätestens nach Ablauf von drei Monaten eine Parallelbewerbung erforderlich, wenn das Kind innerhalb dieses Zeitraums keine Absage erhalten hat (Senatsurteil in BFH/NV 2012, 232, Rz 16, m.w.N.).
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(2) Die Ausbildungswilligkeit eines wegen vorübergehender Erkrankung an Bemühungen um einen Ausbildungsplatz oder an der Aufnahme einer Ausbildung gehinderten Kindes ist ebenfalls für die Monate, für die der Kindergeldanspruch geltend gemacht wird, zu belegen. Als Nachweis kommt etwa die von der Verwaltung geforderte schriftliche Erklärung, sich unmittelbar nach Wegfall der gesundheitlichen Hinderungsgründe um eine Berufsausbildung zu bemühen, sie zu beginnen oder fortzusetzen in Betracht (A 17.2 Abs. 1 Satz 4 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz 2020 vom 27.08.2020, BStBl I 2020, 703). Allerdings lässt der Untersuchungsgrundsatz (§ 88 Abs. 1 und 2 AO, § 76 Abs. 1 und 4 FGO) keine Beschränkung auf dieses Beweismittel zu. Denkbar sind daher auch andere Nachweise, etwa dergestalt, dass das Kind während der Erkrankung mit der früheren Ausbildungseinrichtung in Kontakt getreten ist und sich konkret über die (Wieder-)Aufnahme der Ausbildung nach dem voraussichtlichen Ende der Krankheit informiert hat. Ebenso ist denkbar, dass das Kind sich an eine neue Ausbildungseinrichtung oder die Ausbildungsvermittlung der Agentur für Arbeit mit dem Ziel gewandt hat, eine Ausbildung zwar noch nicht zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn --dann wäre es schon unabhängig von der Erkrankung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen, wenn es die angebotene Stelle dann antreten könnte--, aber doch jedenfalls nach dem Ende der Erkrankung aufzunehmen.
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Regelmäßig nicht ausreichen wird es dagegen, wenn der Kindergeldberechtigte die Familienkasse zunächst unter Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht nicht über den krankheitsbedingten Abbruch einer Ausbildung oder der Bemühungen um eine Ausbildungsstelle informiert, der Familienkasse damit die Möglichkeit der zeitnahen Anforderung eines Nachweises der Ausbildungswilligkeit nimmt und die Ausbildungswilligkeit des volljährigen Kindes erst im Nachhinein rückwirkend pauschal behauptet. Denn in einem solchen Fall kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Kind während der Erkrankung seinen Ausbildungswillen aufgegeben und sich z.B. für die Aufnahme einer regulären Erwerbstätigkeit oder eines Freiwilligendienstes entschieden hat. In den letztgenannten Fällen wäre die Wartezeit bis zur Aufnahme der Erwerbstätigkeit oder des Freiwilligendienstes im Gegensatz zur Wartezeit bis zur Aufnahme der Ausbildung nicht von den in § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG aufgezählten Berücksichtigungstatbeständen erfasst.
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d) Im Streitfall hat das FG festgestellt, dass sich die Klägerin wegen Drogenabhängigkeit vom ...04.2015 bis ...05.2015 einer stationären Entgiftungsbehandlung unterzog und ferner vom ...06.2015 bis ...05.2016 und vom ...05.2016 bis ...08.2016 stationäre Entwöhnungsbehandlungen erfolgten. Es fehlen jedoch Feststellungen dazu, dass die nach der Art der Krankheit zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate andauern würde, was angesichts der bereits festgestellten Krankheitsdauer eher unwahrscheinlich sein dürfte. Zudem hat das FG hinsichtlich der Frage der Ausbildungswilligkeit nur festgestellt, dass die Klägerin ab 01.09.2016 erneut eine dreijährige Ausbildung zur Friseurin begann. Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass sich die Ausbildungswilligkeit im Streitzeitraum manifestiert hat, wurden dagegen bislang nicht festgestellt.
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4. Da das FG weder eine Behinderung noch eine behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt festgestellt hat, vermag der Senat auch nicht zu entscheiden, ob die Klägerin nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden kann.
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5. Die Streitsache ist nicht spruchreif und geht an das FG zurück, das zu prüfen haben wird, ob die Klägerin nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c oder Nr. 3 EStG zu berücksichtigen ist.
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6. Mangels Feststellung der Voraussetzungen für eine rechtmäßige Aufhebung der Kindergeldfestsetzung kann der Senat auch nicht darüber befinden, ob das an die Klägerin abgezweigte Kindergeld zu Recht von dieser zurückgefordert wurde.
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7. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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