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BFH 15.05.2020 - IX B 119/19
BFH 15.05.2020 - IX B 119/19 - Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten; tatsächlicher Zugang
Normen
§ 180 S 3 ZPO, § 189 ZPO, § 116 Abs 3 FGO
Vorinstanz
vorgehend FG Nürnberg, 16. September 2019, Az: 6 K 353/19, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Regelung des § 180 Satz 3 ZPO, die den Zusteller bei der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten dazu verpflichtet, auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks einen Vermerk über das Datum der Zustellung anzubringen, gehört zu den zwingenden Zustellungsvorschriften i.S. des § 189 ZPO.
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2. NV: Der tatsächliche Zugang i.S. des § 189 ZPO setzt voraus, dass der Adressat das zuzustellende Schriftstück in den Händen hält.
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 16.09.2019 - 6 K 353/19 wird als unzulässig verworfen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
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Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der dafür bestimmten Frist begründet worden (dazu unter 1.); eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht (dazu unter 2.).
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1. Nach § 116 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bundesfinanzhof (BFH) unter Darlegung der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO schriftlich zu begründen. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO).
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a) Im Streitfall ist der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) das angefochtene Urteil vom 16.09.2019 ausweislich der ordnungsgemäß unterschriebenen und an das Finanzgericht (FG) Nürnberg zurückgesandten Zustellungsurkunde am 12.11.2019 durch Einlegen in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt worden (§ 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 180 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Die Klägerin hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass auf dem von ihr zur BFH-Akte gereichten Umschlag des FG-Urteils das Zustelldatum nicht vermerkt ist. Ein Schriftstück gilt nach § 189 ZPO erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs als zugestellt, wenn es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist. Die Regelung des § 180 Satz 3 ZPO, die den Zusteller bei der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten dazu verpflichtet, auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks einen Vermerk über das Datum der Zustellung anzubringen, gehört zu den zwingenden Zustellungsvorschriften i.S. des § 189 ZPO (BFH-Beschlüsse vom 19.01.2005 - II B 38/04, BFH/NV 2005, 900; vom 19.09.2007 - VI B 151/06, BFH/NV 2007, 2332; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 06.05.2014 - GrS 2/13, BFHE 244, 536, BStBl II 2014, 645; BFH-Beschluss vom 26.04.2017 - X B 22/17, BFH/NV 2017, 1058; BFH-Urteile vom 21.09.2011 - I R 50/10, BFHE 235, 255, BStBl II 2012, 197; vom 28.07.2015 - VIII R 2/09, BFHE 251, 162, BStBl II 2016, 447).
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Der tatsächliche Zugang i.S. des § 189 ZPO setzt voraus, dass der Adressat das zuzustellende Schriftstück in den Händen hält (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 244, 536, BStBl II 2014, 645, Rz 65). Nach dem Vorbringen der ursprünglichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Schriftsatz vom 13.02.2020 bzw. den Angaben der mit der Postverwaltung betrauten Person befand sich das FG-Urteil am 13.11.2019 nicht im Hausbriefkasten der Klägerin, sondern wurde erst am Abend des 14.11.2019 von der Klägerin entnommen. Der Senat geht daher von einem tatsächlichen Zugang des angefochtenen Urteils i.S. eines "In-die-Hand-Bekommens" (s. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 244, 536, BStBl II 2014, 645, Rz 65; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 53 Rz 137) am 14.11.2019 aus. Der --zudem widersprüchliche-- pauschale Hinweis des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Schriftsatz vom 01.04.2020, die Entnahme sei "am späten Abend des 14.11.2019, vermutlich nach 24 Uhr" erfolgt, vermag daran nichts zu ändern. Ebenso wenig kommt es auf die nunmehr behauptete spätere tatsächliche Kenntnisnahme des FG-Urteils ("keinesfalls vor dem 15.11.2019") an.
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b) Vor diesem Hintergrund lief die Begründungsfrist im Grundsatz am 14.01.2020 aus (§ 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Sie ist mit Schreiben vom 27.12.2019 um einen Monat (bis zum 13.02.2020) verlängert worden. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde mit Faxschreiben vom 17.02.2020 ist damit nicht rechtzeitig beim BFH eingegangen.
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c) Im Schriftsatz vom 13.02.2020 kann die erforderliche Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht erblickt werden. Dort hat die Klägerin allein beantragt, "die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zum 17.02.2020 zu bestimmen" sowie das Verhandlungsprotokoll zu ergänzen. Auch der Hinweis auf die Unrichtigkeit des Tatbestands des FG-Urteils (keine Belehrung, dass der Termin nur verlegt werden kann, wenn die krankheitsbedingte Verhandlungsunfähigkeit durch Vorlage eines ärztlichen Attests glaubhaft gemacht wird) genügt den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht.
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2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist kommt im Streitfall nicht in Betracht. Die Klägerin hat weder einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt noch Gründe für die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist dargelegt.
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3. Von einer weiteren Begründung und insbesondere der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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