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BFH 05.12.2019 - V S 24/19
BFH 05.12.2019 - V S 24/19 - Rügefrist, Bekanntgabefiktion, tatsächliche Zugangsvermutung, gesetzlicher Richter
Normen
Art 101 Abs 1 GG, § 51 FGO, § 133a FGO, § 42 ZPO
Vorinstanz
vorgehend BFH, 29. August 2019, Az: V S 12/19 (PKH), Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Für die Berechnung der zweiwöchigen Rügefrist nach § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Bekanntgabefiktion des § 133a Abs. 2 Satz 3 FGO zwar nicht anwendbar; das Gericht darf jedoch beim Fehlen anderweitiger konkreter Anhaltspunkte im Wege der tatsächlichen Vermutung davon ausgehen, dass einfache Post drei Tage nach der Aufgabe zur Post dem Empfänger zugegangen ist .
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2. NV: Soweit der Rügeführer behauptet, der mit der Anhörungsrüge angefochtene Beschluss sei (wesentlich) später bei ihm eingegangen, hat er dies substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen .
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3. NV: Die Rüge einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist im Rahmen einer Anhörungsrüge nicht statthaft .
Tenor
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Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 29.08.2019 - V S 12/19 (PKH) wird als unzulässig verworfen.
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Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Den Antrag des Klägers, Antragstellers und Rügeführers (Rügeführer) auf Prozesskostenhilfe (PKH) für eine beabsichtigte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hat der Senat durch Beschluss vom 29.08.2019 - V S 12/19 (PKH) abgelehnt. Dieser Beschluss ist dem Rügeführer mit einem von der Geschäftsstelle am 26.09.2019 abgesandten Brief bekannt gegeben worden.
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In einem als "Befangenheitsantrag" überschriebenen Fax vom 15.10.2019 lehnt der Rügeführer den gesamten Spruchkörper wegen "nicht vorurteilsfreier und rechts- und verfahrensfehlerfreier Entscheidung" ab und fordert dienstliche Äußerungen. Durch die Entscheidung des --seiner Ansicht nach befangenen-- Spruchkörpers sei er in seinem Grundrecht aus Art. 101 des Grundgesetzes (GG) verletzt. Unter VII. seines Schreibens "Entscheidungsgründe und adversative oder disjunktive Gegenrede" wiederholt der Rügeführer die einzelnen Begründungselemente des Senatsbeschlusses V S 12/19 (PKH), setzt diesen seine davon abweichende Ansicht entgegen und macht geltend, dass der Senatsbeschluss seinen Anspruch auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletze.
Entscheidungsgründe
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II.
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Der Senat kann trotz der Erklärung des Rügeführers, er lehne die an der Beschlussfassung beteiligten Richter ab, in der aus dem Rubrum ersichtlichen Besetzung über die Anhörungsrüge entscheiden. Diese ist unzulässig und daher durch Beschluss zu verwerfen (§ 133a Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Da sich der Rügeführer gegen den Beschluss vom 29.08.2019 - V S 12/19 (PKH) wendet, wertet der Senat das Rechtsmittel als Anhörungsrüge nach § 133a der FGO.
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Danach ist das Verfahren auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
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a) Die Zulässigkeit der Anhörungsrüge erfordert schlüssige und substantiierte Darlegungen, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen in dem vorausgegangenen Verfahren, auf das sich die Anhörungsrüge bezieht (hier: V S 12/19 (PKH)), sich der Rügeführer nicht hat äußern können oder welches entscheidungserhebliche Vorbringen das Gericht nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen habe, und dass die Entscheidung ohne die behauptete Gehörsverletzung anders ausgefallen wäre (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11.03.2010 - V S 20/09, BFH/NV 2010, 1289). Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben (§ 133a Abs. 2 Satz 1 FGO); der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen.
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b) Die Anhörungsrüge ist im vorliegenden Fall unzulässig, weil sie verspätet eingelegt wurde und darüber hinaus keine substantiierte Darlegung einer Gehörsverletzung beinhaltet.
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aa) Die behauptete Gehörsverletzung ergibt sich aus der Begründung des Beschlusses V S 12/19 (PKH) vom 29.08.2019, sodass die Frist mit Kenntnis des Beschlusses begann. Die Bekanntgabefiktion des § 133a Abs. 2 Satz 3 FGO ist insoweit zwar nicht anwendbar (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 04.04.2007 - 1 BvR 66/07, Neue Juristische Wochenschrift 2007, 2242), mangels anderweitiger konkreter Anhaltspunkte darf das Gericht aber gleichwohl im Wege der tatsächlichen Vermutung davon ausgehen, dass einfache Post drei Tage nach der Aufgabe zur Post dem Empfänger zugegangen ist (BFH-Beschluss vom 15.12.2014 - X S 20/14, BFH/NV 2015, 508, Leitsatz 2).
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Im Hinblick darauf, dass der Beschluss am 26.09.2019 mit einfachem Brief abgesandt wurde und es sich beim 29.09.2019 um einen Sonntag handelt, verschiebt sich die Bekanntgabe auf den darauffolgenden Montag, den 30.09.2019 (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 05.05.2014 - III B 85/13, BFH/NV 2014, 1186). Die Zweiwochenfrist endete daher mit Ablauf des 14.10.2019. Da die Anhörungsrüge erst am 15.10.2019 bei Gericht einging, ist sie bereits verfristet. Soweit der Rügeführer behauptet, der Beschluss sei erst am 05.10.2019 und damit neun Tage nach Absendung der Geschäftsstelle des BFH bei ihm eingegangen, hat er diesen --bei gerichtsbekannten Postlaufzeiten innerhalb Deutschlands von einem Tag (vgl. hierzu Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21.10.2010 - IX ZB 73/10, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2011, 487, Leitsatz)-- unwahrscheinlichen Sachverhalt weder substantiiert dargelegt noch glaubhaft gemacht.
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bb) Darüber hinaus wird die Anhörungsrüge den Darlegungsanforderungen des § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO nicht gerecht, weil der Rügeführer keine Gehörsverletzung geltend macht. Aus seinen Ausführungen unter "Kardinalfragen" ergibt sich vielmehr, dass der Senat in dem angegriffenen Beschluss alle Einwendungen des Rügeführers zur Kenntnis genommen und sich mit ihnen umfassend auseinandergesetzt hat. Der Rügeführer macht mit seinem gesamten Vorbringen denn auch keine Verletzung rechtlichen Gehörs geltend, sondern streitet weiter in der Sache, weil er die Begründung des Senats für unzutreffend hält. Dass der Senat der Auffassung des Rügeführers nicht gefolgt ist, stellt keine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar, denn dieser Anspruch bedeutet nicht, dass das Gericht den Rügeführer "erhören", sich also seinen rechtlichen Ansichten anschließen müsste (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 22.11.2017 - V S 18/17 (PKH), BFH/NV 2018, 225, sowie vom 24.03.2015 - X B 127/14, BFH/NV 2015, 809). Die Anhörungsrüge dient nicht dazu, die Richtigkeit der zugrunde liegenden Entscheidung zu überprüfen (BFH-Beschluss vom 10.05.2016 - III S 10/16, BFH/NV 2016, 1290).
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cc) Soweit der Rügeführer die fehlerhafte Besetzung der Richterbank und damit eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 GG im angegriffenen Beschluss V S 12/19 (PKH) rügt, ist dieses Vorbringen bei einer Anhörungsrüge nicht statthaft (Senatsbeschluss vom 11.05.2007 - V S 6/07, BFHE 217, 230, BStBl II 2007, 653; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 133a FGO Rz 3; Bergkemper in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 133a FGO Rz 5).
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2. Sollte das Rechtsschutzbegehren des Rügeführers (auch) darauf gerichtet sein, den Spruchkörper wegen der Abweisung seines PKH-Antrags im Verfahren V S 12/19 (PKH) nachträglich abzulehnen, wäre dieses Ablehnungsgesuch bereits unzulässig. Einem Ablehnungsgesuch fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Sachentscheidung, an der mitzuwirken ein Richter durch Ablehnung gehindert werden soll, bereits wirksam ergangen ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27.06.2011 - III B 91/10, BFH/NV 2011, 1164, Rz 20, sowie vom 17.08.2007 - IV B 143/06, juris). Vorliegend wurde der Befangenheitsantrag mehr als zwei Wochen nach Bekanntgabe des BFH-Beschlusses V S 12/19 (PKH) gestellt. Er konnte sich daher auf diesen nicht mehr auswirken.
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3. Der Senat konnte über die Anhörungsrüge in seiner sich aus dem senatsinternen Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Besetzung entscheiden. Denn das Ablehnungsgesuch des Rügeführers, mit dem die Richter des PKH-Verfahrens pauschal als befangen abgelehnt werden, ist rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig. Über das Ablehnungsgesuch muss nicht durch gesonderten Beschluss entschieden werden (Senatsbeschluss vom 03.07.2014 - V S 13/14, BFH/NV 2014, 1572, m.w.N.).
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a) Im Streitfall ist ein Ablehnungsgrund i.S. des § 51 FGO i.V.m. § 42 der Zivilprozessordnung (ZPO) weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht worden. Der Rügeführer hat lediglich vorgebracht, er lehne die am PKH-Beschluss V S 12/19 (PKH) beteiligten Richter wegen "nicht vorurteilsfreier und rechts- und verfahrensfehlerhafter Entscheidung" als befangen ab. Hiermit legt er nicht einmal ansatzweise dar, woraus der Rügeführer folgert, dass der Spruchkörper nicht vorurteilsfrei entschieden habe. Er kritisiert nur die sachliche Entscheidung des Senats im Beschluss V S 12/19 (PKH) als rechtsfehlerhaft. Damit zeigt er aber keine konkreten Anhaltspunkte auf, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung auf eine Befangenheit jedes einzelnen Mitglieds des Spruchkörpers hindeuten könnten. Letzteres wäre aber erforderlich gewesen, um eine Ablehnung des gesamten Spruchkörpers zu begründen. Denn das Richterablehnungsverfahren dient nicht dazu, die Beteiligten gegen unrichtige Rechtsauffassungen des Richters zu schützen. Deshalb kann aus der im Rahmen einer früheren richterlichen Entscheidung vertretenen, für den Betroffenen ungünstigen Rechtsansicht allein kein Ablehnungsgrund hergeleitet werden, auch wenn diese Auffassung falsch sein sollte (Senatsbeschluss vom 22.05.2017 - V B 133/16, BFH/NV 2017, 1199, sowie BFH-Beschlüsse vom 20.06.2016 - X B 167/15, BFH/NV 2016, 1577, Rz 23; vom 29.12.2015 - IV B 68/14, BFH/NV 2016, 575, Rz 6, und vom 29.07.1998 - VII S 11/98, BFH/NV 1999, 201, Rz 16).
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b) Ist das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich und deshalb offensichtlich unzulässig, entscheidet das Gericht darüber in der nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Besetzung, ohne dass es einer vorherigen dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richter nach § 51 FGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO bedarf (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2016, 1577, Rz 21; vom 03.07.2014 - V S 15/14, BFH/NV 2014, 1574, Rz 5, sowie vom 16.12.2009 - V B 23/08, BFH/NV 2010, 1866, Rz 15).
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4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133a Abs. 4 Satz 4 FGO ab.
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5. Die Kostenpflicht der Anhörungsrüge folgt aus Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz --GKG-- Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Es fällt eine Festgebühr von 60 € an.
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