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BFH 26.09.2019 - V R 36/17
BFH 26.09.2019 - V R 36/17 - Billigkeitsregelung zur Organschaft
Normen
§ 163 AO, § 227 AO, § 2 Abs 2 Nr 2 UStG 2005, Art 3 Abs 1 GG, UStG VZ 2008, UStG VZ 2009, UStG VZ 2010
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 24. Mai 2017, Az: 1 K 1543/16, Urteil
Leitsatz
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NV: Die Billigkeitsregelung zur Organschaft im BMF-Schreiben vom 05.07.2011 (BStBl I 2011, 703) kann von der Finanzverwaltung dahingehend verstanden werden, dass bei Schwester-Kapitalgesellschaften keine finanzielle Eingliederung vorliegt, wenn die eine GmbH an der anderen GmbH nur zu 50 % beteiligt ist.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 24.05.2017 - 1 K 1543/16 aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Streitig ist die Anerkennung einer Organschaft bei Schwester-Kapitalgesellschaften für 2008 bis 2010 (Streitjahre) aufgrund der Billigkeitsregelung im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 05.07.2011 (BStBl I 2011, 703).
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Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine juristische Person in der Rechtsform einer GmbH, die in 1991 von den Eheleuten K errichtet wurde. Gegenstand des Unternehmens ist die Belieferung von Alten- und Pflegeheimen mit Lebensmitteln, Hausverbrauchs- und Heimbedarfsgütern sowie aller damit verbundenen Dienstleistungen.
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Ihre Umsätze führte die Klägerin ausschließlich an ein Alten- und Pflegeheim in der Rechtsform einer GmbH (H-GmbH) aus, an der die Eheleute bis Ende 2010 jeweils hälftig beteiligt waren.
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In 2005 veräußerten die Eheleute jeweils 25% ihrer Geschäftsanteile an der Klägerin an die H-GmbH, sodass die Anteile an der Klägerin seitdem von den Eheleuten mit je 25 % und von der H-GmbH zu 50 % gehalten wurden. Am 09.12.2005 schlossen die Klägerin und die H-GmbH einen "Bewirtschaftungsvertrag" ab. Seitdem erbringt die Klägerin ihre Leistungen ausschließlich gegenüber der H-GmbH. Alleiniger Geschäftsführer der Klägerin und der H-GmbH ist HK (Ehemann).
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte die Klägerin ab 2006 als Organgesellschaft der H-GmbH (Organträgerin). Eine Außenprüfung bei der Klägerin für die Jahre 2006 bis 2007 hatte zwar beanstandet, dass keine umsatzsteuerrechtliche Organschaft bestehe, weil die H-GmbH nur zu 50 % an der Klägerin beteiligt sei und es daher an einer finanziellen Eingliederung fehle (Bericht vom 20.12.2010), die Rechtsbehelfsstelle des FA half jedoch den Einsprüchen der Klägerin gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide 2006 und 2007 ab, weil es davon ausging, dass eine Organschaft aufgrund der Übergangsregelung des BMF im Schreiben vom 05.07.2011 (BStBl I 2011, 703) noch bis einschließlich 31.12.2011 anzuerkennen sei. Für die Folgejahre 2008 bis 2010 (Streitjahre) kam das FA hingegen auf der Grundlage desselben BMF-Schreibens zu dem Ergebnis, dass die Übergangsregelung im Streitfall nicht anwendbar sei. Die Klägerin habe daher als selbständiges Unternehmen ihre Umsätze gegenüber der H-GmbH zu versteuern. Deren Höhe sowie die Vorsteuern schätzte das FA und änderte die Umsatzsteuerfestsetzungen der Streitjahre.
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Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 28.12.2012 zurück, weil es an der finanziellen Eingliederung der Klägerin in die H-GmbH fehle. Ohne eigene Mehrheitsbeteiligung könne die H-GmbH ihren Willen bei der Klägerin nicht durchsetzen. Die Übergangsregelung im BMF-Schreiben sei nicht anwendbar. Im anschließenden Klageverfahren beantragte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2015, aus Billigkeitsgründen keine Umsatzsteuer festzusetzen und das Klageverfahren bis zur Entscheidung des FA über den Billigkeitsantrag ruhen zu lassen. Nach Zustimmung des FA beschloss das Finanzgericht (FG) das Ruhen dieses Verfahrens.
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Das FA lehnte mit Bescheid vom 29.10.2015 den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ab und wies den dagegen eingelegten Einspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin besitze kein schützenswertes Vertrauen für die Annahme, Organgesellschaft der H-GmbH gewesen zu sein, da diese nicht die Mehrheit der Stimmrechte an der Klägerin gehalten habe. Auf eine mittelbare Beteiligung der Gesellschafter komme es ebenso wenig an wie auf einen Stimmbindungsvertrag.
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Die Klage vor dem FG hatte hingegen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 132 veröffentlichten Urteil ist das FA auf der Grundlage der Übergangsregelung im BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 703 verpflichtet, aus Billigkeitsgründen keine Umsatzsteuer gegen die Klägerin festzusetzen, da diese als Organgesellschaft der H-GmbH gelte. Die Übergangsregelung setze nur voraus, dass die am vermeintlichen Organkreis beteiligten Unternehmer unter Berufung auf Abschn. 2.8 Abs. 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) in der am 04.07.2011 geltenden Fassung übereinstimmend eine finanzielle Eingliederung annehmen. Diese Voraussetzung sei erfüllt, da die Verwaltungsregelung für eine finanzielle Eingliederung zwar den Besitz der entscheidenden Anteilsmehrheit (in der Regel mehr als 50 %) an der Organgesellschaft fordere, aber nicht regele, wie sich diese Mehrheit errechne. Mit der Bezugnahme auf das bereits im BStBl veröffentlichte Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18.12.1996 - XI R 25/94 (BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441) sei klar gewesen, dass schon eine nicht unwesentliche Beteiligung der Organ-Kapitalgesellschaft an der Organgesellschaft ein Über- und Unterordnungsverhältnis begründe und zusätzliche Beteiligungen gemeinsamer Anteilseigner für die finanzielle Eingliederung zu berücksichtigen seien.
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Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 163 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO--).
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Im Streitfall bestehe keine sachliche Unbilligkeit i.S. der Übergangsregelung des BMF-Schreibens in BStBl I 2011, 703, da dieses andere Sachverhalte betreffe. Ein sachlicher Billigkeitsgrund bestehe nur für die durch die Änderung der Rechtsprechung unmittelbar betroffenen Steuerpflichtigen. Das BFH-Urteil vom 22.04.2010 - V R 9/09 (BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597) betreffe die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine KG, im Streitfall gehe es aber weder um die Eingliederung in eine Personengesellschaft noch um die Zusammenrechnung mittelbarer Beteiligungen. Im Urteil vom 01.12. 2010 - XI R 43/08 (BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600) sei eine Organschaft zwischen zwei Kapitalgesellschaften abgelehnt worden, an denen eine natürliche Person alleiniger Anteilseigner des Organträgers und der potentiellen Organschaft gewesen sei. Auch insoweit sei der Sachverhalt nicht vergleichbar.
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Entgegen der Ansicht des FG ergebe sich aus dem BFH-Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441 nichts anderes. Nach den Urteilsgründen müsse die Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein. Dies erfordere eine zur Durchsetzung des eigenen Willens erforderliche Stimmenmehrheit. Hierfür sei unmaßgeblich, ob der Organträger über keine oder nur über eine unmittelbare Beteiligung verfüge, die nicht zur Durchsetzung seines Willens ausreiche. Halte der Organträger nicht die Mehrheit der Stimmrechte, sei er rechtlich nicht in der Lage, seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen. Eine einschränkende Anwendung dieses Urteils auf Fälle mit ausschließlichem Anteilsbesitz von natürlichen Personen sei dem Urteil nicht zu entnehmen.
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Die Klägerin habe nicht davon ausgehen können, dass die unmittelbare Beteiligung der H-GmbH von 50 % zur Begründung einer Organschaft ausreichen könne. Zur finanziellen Eingliederung führe nur eine Zusammenrechnung der unmittelbaren Beteiligung von 50 % mit der mittelbaren Beteiligung des HK von 25 %. Eine solche Zusammenrechnung mittelbarer Beteiligungen und unmittelbarer Beteiligungen sei jedoch bereits mit BFH-Urteil vom 22.11.2001 - V R 50/00 (BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167) abgelehnt worden. Dies gelte insbesondere dann, wenn --wie hier-- der Minderheitsgesellschafter auch beim potentiellen Organträger über keine eigene Mehrheitsbeteiligung verfüge (Anteilsbesitz 50 %). Damit hätten sich für einen gewissenhaften Steuerpflichtigen Zweifel an der Annahme einer Organschaft ergeben müssen.
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Im Übrigen dürfe das Gericht die Richtlinien nicht selbst auslegen, sondern nur prüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist. Im Streitfall sei die Ablehnung der Billigkeitsmaßnahme ermessensgerecht, da die Auslegung der Übergangsregelung durch die Finanzverwaltung möglich gewesen sei.
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Das FA beantragt,
das Urteil des FG vom 18.07.2017 (gemeint wohl 24. 05.2017) 1 K 1553/16 aufzuheben.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt die Vorentscheidung und trägt ergänzend vor: Die Übergangsregelung sei nach ihrem eindeutigen Wortlaut anwendbar. Die H-GmbH und die Klägerin seien übereinstimmend von einer Organschaft ausgegangen und hätten nach der historischen Entwicklung der Verwaltungsanweisungen auch von einer Organschaft ausgehen können. Im Schrifttum sei das BFH-Urteil in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600 dahingehend verstanden worden, dass erst hierdurch das Institut der mittelbaren finanziellen Eingliederung vollumfänglich aufgegeben wurde, während bislang eine finanzielle Eingliederung über die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft für möglich erachtet worden sei.
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Die Beteiligten haben mit ihren Schriftsätzen vom 22.11.2017 (Klägerin) und vom 30.01.2018 (FA) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision des FA ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das angefochtene Urteil verletzt § 102 FGO i.V.m. §§ 163, 227 AO, indem es das FA verpflichtet, auf der Grundlage der Übergangsregelung des BMF für die Streitjahre keine Umsatzsteuer festzusetzen. Die Ablehnung der abweichenden Steuerfestsetzung durch das FA war nicht ermessensfehlerhaft.
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1. Nach § 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. § 163 AO soll sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalls, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrags insoweit Rechnung tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil vom 12.12.2013 - X R 39/10, BFHE 244, 485, BStBl II 2014, 572, unter II.1., m.w.N.). Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen der abweichenden Festsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO ebenso wie des Erlasses nach § 227 AO nicht näher konkretisiert, sondern die Entscheidung in das Ermessen der Finanzbehörden gestellt. Zur Vereinheitlichung der Anwendung von Billigkeitsregeln kann wiederum das BMF Verwaltungsvorschriften erlassen, die die entscheidenden Ermessenserwägungen der Finanzbehörden festschreiben und damit deren Ermessen auf Null reduzieren (vgl. BFH-Urteil vom 21.07.2016 - X R 11/14, BFHE 254, 497, BStBl II 2017, 22, unter II.1.).
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2. Das zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft erlassene BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 703 ist eine solche ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift. Es behandelt die Konsequenzen aus den BFH-Urteilen in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597 und in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, die zu einer Änderung der Rechtsprechung bei der finanziellen Eingliederung von Kapital- und Personengesellschaften führten. Neben einer Änderung von Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE ordnet das BMF an, dass die Grundsätze dieses Schreibens in allen offenen Fällen anzuwenden sind.
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Für die Zurechnung von vor dem 01.01.2012 ausgeführten Umsätzen wird es jedoch nicht beanstandet, wenn die am vermeintlichen Organkreis beteiligten Unternehmer unter Berufung auf Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE in der am 04.07.2011 geltenden Fassung übereinstimmend eine finanzielle Eingliederung annehmen.
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a) Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften, die unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) zur Selbstbindung der Verwaltung führen, sind bei der gerichtlichen Prüfung, ob die Finanzverwaltung ihre Ermessensentscheidung fehlerfrei, insbesondere willkürfrei getroffen hat, von den Finanzgerichten zu beachten (BFH-Urteile vom 13.01.2011 - V R 43/09, BFHE 233, 58, BStBl II 2011, 610, sowie vom 19.03.2009 - V R 48/07, BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92, sowie vom 10.06.1992 - I R 142/90, BFHE 168, 226, BStBl II 1992, 784).
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b) Allerdings haben die Finanzgerichte nur zu prüfen, ob sich die Behörden an die Richtlinien gehalten haben und ob die Richtlinien selbst einer sachgerechten Ermessensausübung entsprechen (BFH-Urteil vom 21.10.1999 - I R 1/98, BFH/NV 2000, 691). Dabei ist für die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift nicht maßgeblich, wie das FG eine solche Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Das FG darf daher Verwaltungsanweisungen nicht nach den allgemeinen Auslegungsmethoden selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (Senatsurteile vom 24.11.2005 - V R 37/04, BFHE 211, 411, BStBl II 2006, 466, Leitsätze 1 und 2, sowie vom 13.01.2005 - V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460; BFH-Beschluss vom 04.06.2003 - VII B 138/01, BFHE 202, 231, BStBl II 2003, 790, unter II.2.c, m.w.N.). Den Finanzbehörden ist es danach lediglich verwehrt, die Anwendung der Verwaltungsanweisung in offensichtlich von der Verwaltungsanweisung gedeckten Einzelfällen ohne zwingende Sachgründe abzulehnen (BFH-Urteile vom 07.12.2005 - I R 123/04, BFH/NV 2006, 1097, unter II.2.d), vom 20.10.1999 - X R 69/96, BFHE 190, 185, BStBl II 2000, 259, unter II.3.c, sowie vom 23.04.1991 - VIII R 61/87, BFHE 164, 422, BStBl II 1991, 752).
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3. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Ablehnung der Billigkeitsmaßnahme durch das FA nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des FG ist der vorliegende Sachverhalt nicht offensichtlich von der Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung erfasst. Denn die Finanzverwaltung geht bereits seit der Veröffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 (Leitsatz 2) davon aus, dass die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person in das Unternehmen eines Organträgers nicht gegeben ist, wenn dieser die notwendige (qualifizierte) Stimmenmehrheit in der juristischen Person nur mit Hilfe eines Minderheitsgesellschafters erreichen kann. Die Finanzverwaltung durfte die Übergangsregelung somit dahingehend verstehen, dass im Falle der Klägerin mangels finanzieller Eingliederung in die H-GmbH keine Organschaft über mittelbare Beteiligung der Minderheitsgesellschafter vorlag.
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a) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Eine finanzielle Eingliederung liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn der Organträger unmittelbar oder mittelbar an der Organgesellschaft beteiligt ist, sodass er seinen Willen bei ihr durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Dies erfordert im Regelfall eine einfache Stimmenmehrheit und damit mehr als 50 % der Stimmrechte in der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167). Während nach überkommener Rechtsprechung eine mittelbare finanzielle Eingliederung auch über einen oder mehrere an beiden Gesellschaften beteiligte Gesellschafter begründet werden konnte (BFH-Urteil vom 17.04.1969 - V R 123/68, BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505), schränkte der BFH diese Rechtsprechung im Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441 dahingehend ein, dass eine finanzielle Eingliederung in das Unternehmen einer GmbH nicht gegeben ist, wenn eine natürliche Person als Nichtunternehmer die Mehrheitsbeteiligung an mehreren Kapitalgesellschaften hält. War Organträger hingegen eine Personengesellschaft, konnte eine Kapitalgesellschaft, deren Anteile von den Gesellschaftern des Organträgers gehalten wird, weiterhin mittelbar finanziell eingegliedert sein (BFH-Urteil vom 20.01.1999 - XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136).
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Diese zweifelhafte Differenzierung nach der Rechtsform des Organträgers (vgl. hierzu Wäger, Organschaft im Umsatzsteuerrecht in Spindler/Tipke/Rödder, Steuerzentrierte Rechtsberatung, Festschrift Schaumburg, 2009, 1189 ff., 1198/1199) wurde durch die BFH-Urteile in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597 und in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600 (Rechtsprechungsänderung) beendet. Danach erfordert die finanzielle Eingliederung sowohl bei einer Kapitalgesellschaft als auch bei einer Personengesellschaft als Organträger eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung der Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft an der Organgesellschaft; nicht mehr ausreichend ist seitdem eine mittelbare Beherrschung über den oder die Gesellschafter der Gesellschaft.
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b) Vor diesem Hintergrund geht das FG zwar zu Recht davon aus, dass Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE in der am 04.07.2011 geltenden Fassung nicht selbst regelte, ob für die --zur finanziellen Eingliederung erforderliche-- Stimmrechtsmehrheit neben der unmittelbaren Beteiligung eines (vermeintlichen) Organträgers auch die (mittelbaren) Beteiligungen der Gesellschafter zu berücksichtigen sind. Die Bezugnahme in Abschn. 2.8 Abs. 5 Satz 6 UStAE auf das im BStBl veröffentlichte BFH-Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441 könnte durchaus dafür sprechen, dass im Falle einer nicht unwesentlichen Beteiligung der Organträger-Kapitalgesellschaft an der Organgesellschaft die zusätzlichen Beteiligungen gemeinsamer Anteilseigner zu berücksichtigen waren und somit eine finanzielle Eingliederung begründen konnten. Im Streitfall läge damit eine Stimmrechtsmehrheit bei der H-GmbH vor, sodass die Klägerin als Organgesellschaft zu behandeln wäre.
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c) Das FG hat bei seiner Entscheidung allerdings nicht berücksichtigt, dass die Finanzverwaltung ihre Auffassung zur finanziellen (mittelbaren) Eingliederung mit der Veröffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 weiter eingeschränkt hat. Nach Leitsatz 2 dieses Urteils ist die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person in das Unternehmen eines Organträgers nicht gegeben, wenn dieser die notwendige qualifizierte Stimmenmehrheit in der juristischen Person nur mit Hilfe eines Minderheitsgesellschafters erreichen kann.
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aa) Der Fall betraf die finanzielle Eingliederung zweier GmbHs (PTA und PS) in das Unternehmen einer KG (Klägerin im dortigen Streitfall). An der KG waren der Gesellschafter E mit 80 % und K mit 20 % beteiligt. Die Kapitalanteile an den beiden GmbHs hielten die Klägerin (60 %), der Minderheitsgesellschafter der Klägerin K (20 %) und ein Dritter (20 %). Beschlüsse der GmbH erforderten grundsätzlich 65 % der Stimmen, in Ausnahmefällen 75 % der Stimmen. Das FA bejahte eine finanzielle Eingliederung, da es hierfür ausreiche, dass beim Organträger und den Organgesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die für die Beschlussfassungen erforderliche Mehrheit verfügten. FG und BFH lehnten hingegen eine Zusammenrechnung der Anteile ab und gaben der Klage statt. Die Beteiligung des Minderheitsgesellschafters K sichere der Klägerin (KG) nicht die notwendige Mehrheit in beiden GmbHs, vielmehr hänge die Stimmenmehrheit der Klägerin vom jeweiligen Stimmverhalten des K ab. Eine vom Willen der Klägerin abweichende Willensbildung bei K sei deswegen nicht ausgeschlossen, weil er bei der Willensbildung in der Klägerin überstimmt worden sein könnte. Die Beteiligung des K könne erst dann zu den Stimmen des Mehrheitsgesellschafters hinzugezählt werden, wenn dieser sich durch eine Stimmrechtsbindung zu einem gleich gerichteten Stimmverhalten verpflichtet habe. Solange nicht gewährleistet sei, dass die Klägerin ihren Willen aufgrund ihrer finanziellen Beteiligung an den jeweiligen GmbHs durchsetzen könne, seien diese nicht in ihr Unternehmen eingegliedert. Da es im vorliegenden Streitfall für eine Stimmrechtsbindung weder Feststellungen noch Anhaltspunkte gibt, ist eine finanzielle Eingliederung ausgeschlossen.
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bb) In der vorbehaltslosen Veröffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 liegt die Anweisung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder an die nachgeordneten Dienststellen der Finanzverwaltung, die in der jeweiligen Entscheidung enthaltenen Rechtsgrundsätze auf gleichgelagerte Sachverhalte allgemein --über den entschiedenen Einzelfall hinaus-- anzuwenden (vgl. BFH-Urteil vom 31.08.2011 - X R 19/10, BFHE 234, 420, BStBl II 2012, 190, unter II.2.c).
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d) Die Sache ist entscheidungsreif. Die Veröffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 stellt für die Finanzverwaltung einen sachlichen Grund dar, die Anwendung der Billigkeitsregelung ermessensfehlerfrei abzulehnen. Das anderslautende Urteil des FG ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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4. Mit seiner Entscheidung weicht der V. Senat des BFH nicht von dem Urteil des XI. Senats des BFH vom 26.06.2019 - XI R 3/17 (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2019, 2135, Der Betrieb --DB-- 2019, 2384) ab, das zu einem anderen Sachverhalt ergangen ist. Der vorliegende Fall betrifft die finanzielle Eingliederung bei unmittelbarer Beteiligung (50 %) unter Hinzurechnung der Anteile eines Minderheitsgesellschafters, während es in dem BFH-Urteil in DStR 2019, 2135, DB 2019, 2384 um die finanzielle Eingliederung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft bei ausschließlich mittelbaren Beteiligungen geht. Das hier streitentscheidende Senatsurteil in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 wird daher bei den Nachweisen zur bisherigen Rechtsprechung in der Entscheidung in DStR 2019, 2135, DB 2019, 2384 (unter II.1. der Gründe) nicht erwähnt.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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