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BFH 06.02.2018 - IX R 14/17
BFH 06.02.2018 - IX R 14/17 - (Ortsübliche Marktmiete i.S. des § 21 Abs. 2 EStG für möblierte oder teilmöblierte Wohnungen - Möblierungszuschlag - Berücksichtigung einer überlassenen Einbauküche)
Normen
§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 9 Abs 1 S 2 EStG 2002, § 21 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 9 EStG 2009, § 21 Abs 2 EStG vom 29.12.2003, § 21 EStG 2009, EStG VZ 2006, EStG VZ 2007, EStG VZ 2008, EStG VZ 2009, EStG VZ 2010
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 3. November 2016, Az: 11 K 3115/14 E, Urteil
nachgehend FG Düsseldorf, 3. April 2020, Az: 11 K 1828/18 E, Beschluss
Leitsatz
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1. Bezieht sich ein Mietspiegel nicht auf möbliert oder teilmöbliert vermietete Wohnungen, ist für die Möblierung im Rahmen der Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete i.S. des § 21 Abs. 2 EStG ein Zuschlag zu berücksichtigen, soweit sich auf dem örtlichen Mietmarkt für möblierte Wohnungen hierfür ein Zuschlag ermitteln lässt .
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2. Ein solcher Möblierungszuschlag kann nicht aus dem Monatsbetrag der linearen AfA für die überlassenen Möbel und Einrichtungsgegenstände abgeleitet werden. Der Ansatz eines prozentualen Mietrenditeaufschlags ist nicht zulässig .
Tenor
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Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 3. November 2016 11 K 3115/14 E aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Streitig ist, ob bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemachte Werbungskosten wegen verbilligter Vermietung (§ 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der maßgebenden Fassung der Streitjahre 2006 bis 2010 --EStG a.F.--) anteilig zu kürzen sind.
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Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihren Einkommensteuererklärungen für diese Jahre erklärten sie ungekürzte Werbungskostenüberschüsse aus einer an ihren Sohn vermieteten Eigentumswohnung in A. Das im Jahr 1955 errichtete Objekt befindet sich in einem Mehrfamilienhaus. Die Kläger vermieteten dem Sohn die 80 qm große Wohnung ab dem 1. August 2006 zu einer Kaltmiete von 324,19 € zuzüglich einer Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 155 €. Nach den Bestimmungen des Mietvertrages war die Wohnung mit einer neuen Einbauküche ausgestattet; zudem wurden dem Sohn laut Vertrag eine Waschmaschine und ein Trockner zur Nutzung überlassen. Der von den Klägern gezahlte Kaufpreis für die Küche betrug 8.620 € zuzüglich 1.005 € für deren Montage. Die Anschaffungskosten für den Trockner betrugen 685 €. Die gebrauchte Waschmaschine setzten die Kläger zu Beginn des Mietverhältnisses mit einem Restwert von 604 € an. Sie ließen für den Anschluss des Trockners und der Waschmaschine zwei Steckdosen verlegen; die Kosten hierfür betrugen 322 €.
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In ihren Einkommensteuererklärungen machten die Kläger Absetzungen für Abnutzung (AfA) für die Einbauküche, die Waschmaschine und den Trockner in Höhe von 119 € pro Monat geltend. Die für die Bemessung der (Teil-)Entgeltlichkeitsquote zu ermittelnde ortsübliche Vergleichsmiete berechneten sie auf der Grundlage des Mietspiegels der Stadt A von 2005. Dieser sieht für ein Gebäude der Baujahre 1948 bis 1974 eine Mietspanne pro Quadratmeter und Monat von 5,60 € bis 5,75 € vor. Der Mietspiegel berücksichtigt aus der Vielzahl der möglichen Ausstattungsmerkmale nur die "wesentlichen Einflussgrößen"; insbesondere sieht er bei den Ausstattungsmerkmalen Zu- und Abschläge für "Heizung, Fassade, Treppenhaus, Fenster, Elektroanschlüsse, Warmwasserversorgung, Sanitäreinrichtungen, Wandfliesen und Fußbodenbeläge" vor. Für eine mittlere Wohnlage setzten die Kläger bei der Ermittlung der ortsüblichen Miete einen Faktor von 1,00, für die Ausstattung sowie die sonstigen Gegebenheiten einen Faktor von 0,95 an. Sie unterließen es, für die mitvermieteten Bestandteile der Wohnung in Form der Einbauküche, des Trockners und der Waschmaschine die ortsübliche Vergleichsmiete gesondert zu erhöhen, berücksichtigten die überlassenen Geräte jedoch nach dem Punktesystem des Mietspiegels unter den sonstigen Einflüssen. So hätte sich ohne Berücksichtigung der Geräte nach Berechnung der Kläger ein Ausstattungsfaktor von 0,92 anstatt von 0,95 ergeben. Nach der Berechnung der Kläger ergab sich eine ortsübliche monatliche Vergleichsmiete von 5,39 € pro Quadratmeter. Hieraus errechneten sie für die vermietete Wohnfläche eine monatliche Kaltmiete von "430,92 €" (= 5,39 € x 80 qm; rechnerisch richtig wäre 431,20 €).
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte die Werbungskostenüberschüsse zunächst in Höhe von 6.030 € (2006), 5.336 € (2007), 4.214 € (2008), 4.940 € (2009) und 4.994 € (2010) an. Die entsprechenden Einkommensteuerbescheide enthielten hinsichtlich der Einkünfteerzielungsabsicht aus der Vermietung des Objekts einen Vorläufigkeitsvermerk. Am 18. Februar 2014 erließ das FA Änderungsbescheide zur Einkommensteuer für 2006 bis 2010, in denen es keine Werbungskostenüberschüsse aus der Vermietung dieser Wohnung mehr anerkannte.
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Die Kläger legten hiergegen Einsprüche ein. Das FA erließ am 23. Juni 2014 zunächst weitere Änderungsbescheide zur Einkommensteuer für 2006 bis 2010, in denen es einen Teil der erklärten Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung anerkannte. Dabei ging das FA von einer ortsüblichen Vergleichsmiete von 5,60 € als unterstem Wert für eine vergleichbare Wohnung aus und errechnete eine Entgeltlichkeitsquote in Höhe von 67,49 %. Mit Schreiben vom 5. August 2014 setzte das FA die Kläger sodann von einer beabsichtigten Verböserung in Kenntnis. Es wies darauf hin, dass die Kläger die Aufwendungen für die Einbauküche, die Waschmaschine und den Trockner ab dem Jahr 2007 als auf fünf Jahre zu verteilende Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 10.440 € geltend gemacht hatten, obwohl bereits für das Jahr 2006 durch Einspruchsentscheidung vom 23. April 2009 entschieden worden sei, dass diese Kosten nur im Rahmen der AfA zu berücksichtigen seien. Unter verbösender Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen 2006 bis 2010 wies das FA die Einsprüche durch Einspruchsentscheidung vom 29. August 2014 als unbegründet zurück. Das FA erkannte Werbungskostenüberschüsse nur noch in Höhe von 3.403 € (2006), 4.880 € (2007), 638 € (2008), 1.223 € (2009) und 1.196 € (2010) an. Es ging insoweit von einer verbilligten Vermietung aus, da die ortsübliche Vergleichsmiete unter Einbeziehung eines Möblierungszuschlags zu bestimmen sei. Den Möblierungszuschlag setzte es in Höhe der monatlichen AfA ohne Berücksichtigung eines Gewinnaufschlags an. Zur Bestimmung der monatlichen AfA berücksichtigte das FA neben dem Kaufpreis und den Montagekosten für die Einbauküche und den Kaufpreisen von Trockner und Waschmaschine auch die Kosten für die beiden zusätzlichen Steckdosen in Höhe von 322 €. Da die Überschussprognose negativ ausfalle, seien die Werbungskosten anteilig zu kürzen.
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Die Kläger haben hiergegen Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, seit dem Beginn der Vermietung an den Sohn überschreite der vereinbarte Mietzins die Schwelle von 75 % der ortsüblichen Marktmiete.
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Die Klage hatte überwiegend keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 1277 veröffentlichten Urteil vom 3. November 2016 11 K 3115/14 E, für die anteilige Kürzung des Werbungskostenabzugs sei eine Entgeltlichkeitsquote in Höhe von 72,43 % (= tatsächliche Zahlung in Höhe von 479,19 €/ortsübliche Marktmiete in Höhe von 661,59 €) anstelle von 67,49 % zugrunde zu legen. Bei deren Ermittlung sei die Kaltmiete um einen Möblierungszuschlag für die Einbauküche und die Nutzungsmöglichkeit von Waschmaschine und Trockner in Höhe der monatlichen AfA von 90,95 € zuzüglich eines Gewinnaufschlags von 4 % zu erhöhen. Die Montagekosten der Einbauküche stellten als Aufwendungen zur erstmaligen Herstellung der Betriebsbereitschaft abschreibungsfähige Anschaffungskosten dar; die Aufwendungen für die Steckdosen seien dagegen der bestimmungsgemäßen Nutzung der Wohnung zuzuordnen. Der Möblierungszuschlag sei nicht in den Ausstattungsmerkmalen des Mietspiegels der Stadt A für 2005 berücksichtigt. Der Ausstattungsfaktor der Wohnung ohne Berücksichtigung der mitvermieteten Gegenstände sei mit 0,92 anzusetzen. Die unterhalb eines Entgeltlichkeitsanteils von 75 % erforderliche Überschussprognose falle negativ aus.
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Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen (§ 21 Abs. 2 EStG) und formellen Rechts (Verletzung der Sachverhaltsaufklärungspflicht; die Schätzung der Instandhaltungskosten verletze Denk- und Erfahrungssätze).
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Nach Ergehen des angefochtenen Urteils hat das FA am 22. Dezember 2016 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre erlassen. Der Streitstoff des vorliegenden Verfahrens wird dadurch nicht berührt, weil die Besteuerungsgrundlagen in den Bescheiden vom 22. Dezember 2016 denen entsprechen, die bereits in den von den Klägern ursprünglich angefochtenen Änderungsbescheiden angesetzt waren.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des FG sowie alle Änderungsbescheide zur Einkommensteuer für 2006 bis 2010 vom 18. Februar 2014 und 23. Juni 2014 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. August 2014 sowie vom 22. Dezember 2016 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die finanzgerichtlichen Feststellungen tragen den Ansatz des gewählten Möblierungszuschlags für die Einbauküche und die Nutzungsmöglichkeit von Waschmaschine und Trockner --in Höhe der AfA der überlassenen Gegenstände einschließlich eines Gewinnaufschlags-- und dessen Berücksichtigung bei der Berechnung der Entgeltlichkeitsquote im Rahmen des § 21 Abs. 2 EStG nicht.
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1. Macht der Steuerpflichtige Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) aus der verbilligten --d.h. nicht marktgerechten-- Vermietung von Wohnraum geltend, kann sich mit Blick auf § 21 Abs. 2 EStG a.F. eine anteilige Kürzung seiner Werbungskosten ergeben.
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a) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt, wer ein Grundstück, Gebäude oder Gebäudeteil gegen Entgelt zur Nutzung überlässt und beabsichtigt, daraus auf Dauer der Nutzung ein positives Ergebnis zu erzielen (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Dezember 2007 IX R 30/07, BFH/NV 2008, 1300; vom 9. Oktober 2013 IX R 2/13, BFHE 244, 247, BStBl II 2014, 527; vom 11. Juli 2017 IX R 42/15, BFH/NV 2017, 1422). Bei einer langfristigen Vermietung ist grundsätzlich vom Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen, solange nach der in den Streitjahren zugrunde zu legenden Rechtslage der Mietzins nicht weniger als 75 % der ortsüblichen Marktmiete beträgt (BFH-Urteil vom 5. November 2002 IX R 48/01, BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646). Beträgt der Mietzins 56 % und mehr, jedoch weniger als 75 % der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Einkünfteerzielungsabsicht nach Maßgabe der Senatsrechtsprechung zu § 21 Abs. 2 EStG a.F. anhand einer Überschussprognose zu prüfen. Ist die Überschussprognose positiv, sind die mit der verbilligten Vermietung zusammenhängenden Werbungskosten in voller Höhe abziehbar. Ist die Überschussprognose negativ, ist die Vermietungstätigkeit in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen; die anteilig auf den entgeltlichen Teil entfallenden Werbungskosten sind abziehbar (BFH-Urteil in BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646). Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 56 % der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Nutzungsüberlassung schon von Gesetzes wegen --unabhängig von einer Überschussprognose-- in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen (§ 21 Abs. 2 EStG a.F.).
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b) Maßstab für die Berechnung der Entgeltlichkeitsquote im Rahmen des § 21 Abs. 2 EStG a.F. ist die ortsübliche Marktmiete. Darunter ist die ortsübliche Kaltmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung unter Einbeziehung der Spannen des örtlichen Mietspiegels zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung vom 25. November 2003 (BGBl I 2003, 2346) umlagefähigen Kosten zu verstehen (ständige Rechtsprechung, siehe zuletzt BFH-Urteil vom 10. Mai 2016 IX R 44/15, BFHE 254, 31, BStBl II 2016, 835, Rz 11).
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Da die Überlassung von möblierten oder --wie im Streitfall-- teilmöblierten Wohnungen regelmäßig mit einem gesteigerten Nutzungswert verbunden ist, der sich häufig auch in einer höheren ortsüblichen Miete niederschlägt, ist für die Überlassung solcher Wohnungen grundsätzlich ein Möblierungszuschlag anzusetzen, der am Markt zu realisieren ist (insoweit gleicher Ansicht FG Baden-Württemberg, Urteil vom 7. September 2002 11 K 126/98, EFG 2003, 156 --rechtskräftig-- für Einbauküche, Einbauschränke und Badezimmermöbel; Niedersächsisches FG vom 7. Dezember 2010 3 K 251/08, EFG 2011, 628 --rechtskräftig--; FG München, Urteil vom 25. Mai 2011 1 K 4079/09, EFG 2012, 1058, die Revision wurde nachgehend durch BFH-Urteil vom 11. Dezember 2012 IX R 14/12, BFHE 239, 453, BStBl II 2013, 279 als unbegründet zurückgewiesen; Pfirrmann in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 21 EStG Rz 206; Schmidt/Kulosa, EStG, 36. Aufl., § 21 Rz 159; vgl. auch BFH-Urteil vom 27. Juni 1995 IX R 90/93, BFH/NV 1996, 29). Der Vermieter räumt dem Mieter durch die Möblierung sachlich einen Mehrwert an Gebrauchsmöglichkeiten ein. Durch die Überlassung erspart der Mieter eigene Aufwendungen für Möbel und Einrichtungsgegenstände, die, soweit ihnen ein erheblicher Wert beizumessen ist, am Markt unter fremden Dritten regelmäßig durch eine Erhöhung der ortsüblichen Kaltmiete abgebildet werden. Dabei ist es unerheblich, ob sich die überlassenen Möbel oder Gegenstände in den vermieteten Wohnräumen, dem mitvermieteten Keller oder Räumlichkeiten des Gemeinschaftseigentums befinden.
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c) Die ortsübliche Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung sowie gegebenenfalls der marktübliche Gebrauchswert der überlassenen Möblierung sind vom FG als Tatsacheninstanz festzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 17. August 2005 IX R 10/05, BFHE 211, 151, BStBl II 2006, 71, unter II.1.b, Rz 15, betreffend eine unmöblierte Wohnung). Diese Feststellung ist als Frage der Tatsachen- und Beweiswürdigung vom Revisionsgericht nur daraufhin zu prüfen, ob das FG im Rahmen der Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat.
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d) Zur Ermittlung der Höhe der ortsüblichen Miete kann grundsätzlich der örtliche Mietspiegel herangezogen werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 211, 151, BStBl II 2006, 71, unter II.1.b, Rz 15; Blümich/Schallmoser, § 21 EStG Rz 543). Soweit nicht etwas anderes festgelegt ist, bezieht sich der Mietspiegel auf nicht möblierte Wohnungen (Emmerich in Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, § 558 BGB Rz 33). Einbauküche und Einbauschränke stellen insoweit keine Möblierung dar; sind sie vorhanden und werden sie im Rahmen eines Mietverhältnisses ohne zusätzliches Entgelt zur Nutzung überlassen, ist die im Mietspiegel ausgewiesene ortsübliche Miete für unmöblierte Wohnungen in geeigneter Weise zu erhöhen: Soweit der Mietspiegel für eine überlassene Einbauküche mit Herd, Spüle, Kühlschrank sowie Schränken oder für andere Gegenstände, beispielsweise einen prozentualen Zuschlag oder eine Erhöhung des Ausstattungsfaktors über das Punktesystem vorsieht, ist diese Erhöhung als marktüblich anzusehen. In solchen Fällen darf ein darüber hinausgehender Möblierungszuschlag nicht angesetzt werden.
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Demgegenüber ist ein am Markt realisierbarer Möblierungszuschlag zu berücksichtigen, wenn sich im Einzelfall der Gebrauchswert von im Rahmen eines Mietverhältnisses ohne zusätzliches Entgelt zur Nutzung überlassener Einrichtungsgegenstände aus dem Mietspiegel nicht entnehmen lässt. Ein gegebenenfalls erforderlicher Zuschlag ist dann vom FG auf der in den Entscheidungsgründen darzulegenden Grundlage des örtlichen Mietmarkts für möblierte Wohnungen zu ermitteln. Wenn das Gericht nicht über die erforderliche eigene Sachkunde über den auf dem Mietmarkt üblichen Gebrauchswert der überlassenen Gegenstände verfügt, drängt sich die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf (vgl. Blümich/Schallmoser, a.a.O.). Unter Umständen kann das FG aber auch auf aktuellere Entwicklungen auf dem maßgebenden Mietmarkt oder auf Neuauflagen des örtlichen Mietspiegels zurückgreifen, wenn es sich im Rahmen der Gesamtwürdigung des Sachverhalts davon überzeugen kann, dass diese auf die Beurteilung der Marktsituation im jeweiligen Streitjahr zurückübertragen werden können.
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e) Ist ein marktüblicher Gebrauchswert für die überlassenen Möbel nicht zu ermitteln, kommt ein Möblierungszuschlag nicht in Betracht. Insbesondere kann der Möblierungszuschlag nicht aus dem Monatsbetrag der linearen AfA für die überlassenen Möbel und Einrichtungsgegenstände zuzüglich eines typisierten Mietrenditeaufschlags von 4 % abgeleitet werden (insoweit unzutreffend Niedersächsisches FG in EFG 2011, 628, rechtskräftig), weil eine solche Typisierung den vom Gesetz in § 21 Abs. 2 EStG geforderten Maßstab des örtlichen Mietmarkts außer Acht lässt.
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2. Nach diesen Grundsätzen kann die Entscheidung des FG keinen Bestand haben.
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a) Schon die Annahme des FG, die Kaltmiete sei um einen typisierten Möblierungszuschlag für die Einbauküche und die Nutzungsmöglichkeit von Waschmaschine und Trockner in Höhe der monatlichen AfA auf die überlassenen Gegenstände zuzüglich eines Gewinnaufschlags von 4 % zu erhöhen, ist rechtsfehlerhaft. Denn ein solcher Ansatz beachtet die Umstände des ortsüblichen Mietmarkts nicht und verletzt daher aus den unter II.1.e der Entscheidungsgründe genannten Erwägungen § 21 Abs. 2 EStG a.F.
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b) Unzutreffend ist das FG überdies davon ausgegangen, dass der Möblierungszuschlag schon deshalb nicht über die Ausstattungsmerkmale des Mietspiegels 2005 der Stadt A zu berücksichtigen sei, weil sich aus diesem eine Berücksichtigung von Möblierung oder einer anderweitigen Einrichtung nicht entnehmen lasse. Die im Mietspiegel enthaltene Aufzählung von Ausstattungsmerkmalen (Heizung, Fassade, Treppenhaus, Fenster, Elektroanschlüsse, Warmwasserversorgung, Sanitäreinrichtungen, Wandfliesen und Fußbodenbeläge) sei, so das FG, zwar nicht abschließend, allerdings seien die dort aufgeführten Ausstattungsmerkmale sämtlich gebäudebezogen. Der Mietspiegel der Stadt A wolle zur Typisierung mit seinem Punktesystem nur die wesentlichen Ausstattungsmerkmale erfassen.
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Für diese vom FG gezogenen Folgerungen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Die Annahme, dass sich dem Mietspiegel die Berücksichtigung einer überlassenen Einbauküche nicht ausdrücklich entnehmen lasse, erfüllt das Gebot der Nachvollziehbarkeit der Beweiswürdigung jedenfalls dann nicht, wenn der Mietspiegel darauf hinweist, dass die darin enthaltene Aufzählung von Ausstattungsmerkmalen gerade nicht abschließend ist. Das Gericht hat in einem solchen Fall konkrete Feststellungen dazu zu treffen, ob die Überlassung einer Einbauküche zu den zu berücksichtigenden, aber nicht explizit aufgelisteten Ausstattungsmerkmalen gehört. Da das Urteil des FG insoweit lückenhaft ist, kann es auch aus diesem Grund keine Bindungswirkung i.S. des § 118 Abs. 2 FGO entfalten.
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3. Das Urteil des FG ist aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat keine (ausreichenden) Feststellungen dazu getroffen, ob der Mietspiegel 2005 der Stadt A die überlassene Einbauküche über die Ausstattungsmerkmale der Wohnung berücksichtigt und gegebenenfalls in welcher Höhe der Gebrauchswert für die überlassene Möblierung in Form eines Möblierungszuschlags nach Maßgabe des in den Streitjahren zugrunde zu legenden örtlichen Mietmarkts für möblierte Wohnungen anzusetzen ist. Dies hat es unter Beachtung der unter II.1. genannten Grundsätze im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
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Ohne Bindung für die Entscheidung im zweiten Rechtszug weist der Senat darauf hin, dass der aktuelle Mietspiegel der Stadt A für Objekte, die einschließlich einer Einbauküche vermietet werden, eine Erhöhung des Ausstattungsfaktors um 0,03 Punkte vorsieht.
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4. Da die Revision bereits in der Sache Erfolg hat, kommt es auf die geltend gemachten Verfahrensrügen nicht an.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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