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BFH 24.01.2018 - I B 81/17
BFH 24.01.2018 - I B 81/17 - Feststellung von nach DBA von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünften - Notwendige Beiladung zum Klageverfahren bei doppelstöckigen Personengesellschaften - keine Nachholung der Beiladung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde
Normen
§ 180 Abs 1 Nr 2 Buchst a AO, § 180 Abs 5 Nr 1 AO, § 48 Abs 1 Nr 1 FGO, § 48 Abs 1 Nr 4 FGO, § 48 Abs 1 Nr 5 FGO, § 60 Abs 3 S 1 FGO, § 123 Abs 1 S 2 FGO
Vorinstanz
vorgehend FG München, 6. Juli 2017, Az: 11 K 411/13, Urteil
nachgehend BFH, 23. September 2019, Az: I B 16/19, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Die gesonderten Feststellungen gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO einerseits und gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO andererseits sind jeweils rechtlich selbständige Feststellungen, die zusammengefasst werden können, aber nicht müssen.
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2. NV: Die inländischen Gesellschafter einer (Ober-)Personengesellschaft, die ihrerseits an einer ausländischen (Unter-) Personengesellschaft beteiligt ist, sind zu einem Klageverfahren der Obergesellschaft gegen einen Bescheid, mit dem eine Feststellung gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO in Bezug auf von der Untergesellschaft erzielte Einkünfte abgelehnt wird (negativer Feststellungsbescheid), notwendig beizuladen (Fortführung des Senatsurteils vom 11. Juli 2017 I R 34/14, juris).
Tenor
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Auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 6. Juli 2017 11 K 411/13 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht München zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GbR, deren (sechs) Gesellschafter im Streitjahr (2010) im Inland wohnten. Die Klägerin gründete mit einer Kapitaleinlage von ... € in Großbritannien die M-Partnership, deren Rechtsform nach den Feststellungen der Vorinstanz mit der einer inländischen Personengesellschaft vergleichbar ist. Die weitere Gesellschafterin der M-Partnership war eine britische Kapitalgesellschaft (Ltd.), die keine Kapitaleinlage zu leisten hatte. Geschäftsgegenstand der M-Partnership war der Handel mit Gold, Edelmetallen und anderen Metallen und Wertpapieren aller Art.
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Am ... 2010 erwarb die M-Partnership Goldbarren für insgesamt ... €, die sie im Januar/Februar 2011 wieder veräußerte. In ihrem "profit and loss account" für 2010 erfasste die --nicht bilanzierende und in Großbritannien nicht bilanzierungspflichtige-- M-Partnership die Aufwendungen für den Erwerb des Goldes als Verlust und rechnete diesen in voller Höhe der Klägerin zu.
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In ihrer Feststellungserklärung für 2010 erklärte die Klägerin negative, nach dem mit Großbritannien bestehenden Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) steuerfreie Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... €, die dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen seien. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--)- erließ daraufhin einen negativen Feststellungsbescheid für 2010, demzufolge keine Feststellungen nach § 180 Abs. 5 der Abgabenordnung in der für das Streitjahr geltenden Fassung (AO) zu treffen seien, weil keine gewerblichen, nach DBA steuerfreien Einkünfte vorlägen. Die Klägerin sei vermögensverwaltend tätig.
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In dem anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin beantragt, den negativen Feststellungsbescheid aufzuheben und das FA zu verpflichten, entsprechend der eingereichten Feststellungserklärung für den Feststellungszeitraum 2010 einen Feststellungsbescheid mit dem Inhalt zu erlassen, dass die Verluste aus der ausländischen Betriebsstätte der Klägerin in Höhe von ... € als im Rahmen des Progressionsvorbehalts bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes zu berücksichtigende ausländische Verluste aus gewerblicher Tätigkeit festgestellt und den Gesellschaftern entsprechend deren Beteiligungsquoten zugeordnet werden.
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Die Klage hatte keinen Erfolg; das Finanzgericht (FG) München hat sie mit Urteil vom 6. Juli 2017 11 K 411/13 als unbegründet abgewiesen. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen kam das FG zu dem Ergebnis, dass die Klägerin zwar über die Beteiligung an der M-Partnership negative gewerbliche Einkünfte erzielt, dass es sich dabei jedoch mangels im Streitjahr in Großbritannien vorhandener Betriebsstätte der M-Partnership nicht um Einkünfte gehandelt hat, die nach einem DBA steuerfrei sind. Folglich unterläge der Verlust nicht nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dem Progressionsvorbehalt.
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Die Klägerin beantragt mit ihrer Beschwerde, die Revision gegen das FG-Urteil zuzulassen.
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Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde erweist sich wegen Verfahrensmangels als im Ergebnis begründet und führt gemäß § 116 Abs. 6 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
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1. Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) ist allerdings unbegründet. Die Klägerin macht geltend, das FG habe ihr Klagebegehren unzureichend ermittelt und infolgedessen nicht über den gesamten Verfahrensgegenstand entschieden, indem es die Klage als unbegründet abgewiesen habe, ohne darüber zu entscheiden, ob ein inländischer Verlust der Klägerin aus Gewerbebetrieb festzustellen sei. Das Klagebegehren sei rechtsschutzgewährend dahin auszulegen, dass die Klägerin, für den Fall, dass der Verlust keiner in Großbritannien belegenen Betriebsstätte zuzurechnen ist, beantragt, den angefochtenen Bescheid dahin zu ändern, dass ein inländischer Verlust aus Gewerbebetrieb festgestellt wird.
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Dem ist nicht beizupflichten. Dem Klageantrag ist ein hilfsweises Verpflichtungsbegehren in Bezug auf den Erlass eines Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte und mit ihnen in Zusammenhang stehende Besteuerungsrundlagen gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO weder ausdrücklich noch konkludent nach den Grundsätzen der rechtsschutzgewährenden Auslegung zu entnehmen. Der ursprüngliche Feststellungsantrag der Klägerin gegenüber dem FA, der angefochtene Bescheid, der erstinstanzliche Klageantrag und das FG-Urteil beziehen sich ausschließlich auf die gesonderte und einheitliche Feststellung von nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen und deshalb dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünften i.S. von § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO. Die gesonderten Feststellungen gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO einerseits und gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO andererseits sind jeweils rechtlich selbständige Feststellungen, die zusammengefasst werden können, aber nicht müssen (Senatsbeschluss vom 4. April 2007 I R 110/05, BFHE 217, 535, BStBl II 2007, 521; Senatsurteil vom 24. Juli 2013 I R 57/11, BFHE 243, 102, BStBl II 2016, 633; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 180 AO Rz 102). Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine selbständige Feststellung nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO, deren Bestandskraft die Durchführung eines gesonderten Feststellungsverfahrens nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO nicht hindern würde. Es besteht daher unter dem Gesichtspunkt der rechtsschutzgewährenden Auslegung kein Grund für die Annahme eines über den Wortlaut des Klageantrags hinausgehenden Hilfsbegehrens der Klägerin.
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2. Das FG hat es jedoch verfahrensfehlerhaft unterlassen, die Gesellschafter der Klägerin nach § 60 Abs. 3 FGO (notwendig) beizuladen. Eine unterbliebene notwendige Beiladung stellt einen vom Rechtsmittelgericht von Amts wegen zu prüfenden Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar (z.B. Senatsurteil vom 11. Juli 2017 I R 34/14, juris).
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a) Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte (notwendig) beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Klagen nicht alle von mehreren nach § 48 FGO Klagebefugten, müssen deshalb die übrigen Klagebefugten mit Ausnahme solcher, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von dem Ausgang des Rechtsstreits betroffen sind, zum Verfahren beigeladen werden (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. November 2003 VIII R 38/01, BFH/NV 2004, 1372, m.w.N.).
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b) Nach der zu unmittelbar an ausländischen Gesellschaften beteiligten inländischen Mitunternehmern ergangenen Rechtsprechung des BFH gilt § 48 FGO auch dann, wenn verfahrensgegenständlich die Feststellung der aus einer ausländischen Personengesellschaft erzielten und dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO ist. Danach ist grundsätzlich die ausländische Personengesellschaft (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO) klagebefugt; die Klagebefugnis der Gesellschafter ist an das Vorliegen einer der in § 48 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 FGO genannten Tatbestände gebunden (Senatsurteil vom 18. August 2015 I R 42/14, BFH/NV 2016, 164; BFH-Urteil vom 19. Januar 2017 IV R 50/13, BFH/NV 2017, 751).
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c) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind bei einem negativen Feststellungsbescheid neben der Gesellschaft nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO auch die Gesellschafter selbst klagebefugt (z.B. Senatsurteil vom 11. Juli 2017 I R 34/14, juris; BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 751). Ein negativer Feststellungsbescheid liegt auch dann vor, wenn das FA --wie hier-- die Durchführung eines Feststellungsverfahrens nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO mit der Begründung ablehnt, es seien keine nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünfte gegeben (Senatsurteil vom 11. Juli 2017 I R 34/14, juris; BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 751).
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d) Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für die im Streitfall gegebene Konstellation, dass die Gesellschafter nicht unmittelbar, sondern über eine weitere (Ober-)Personengesellschaft (hier: die Klägerin) an der ausländischen (Unter-)Personengesellschaft beteiligt sind und ausnahmsweise --weil kein anderer unbeschränkt Steuerpflichtiger Gesellschafter an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist-- die die Untergesellschaft betreffenden Besteuerungsgrundlagen im Rahmen des Feststellungsverfahrens der Obergesellschaft festzustellen sind (s. hierzu Senatsurteil vom 9. Dezember 2010 I R 49/09, BFHE 232, 145, BStBl II 2011, 482) und die Behörde einen negativen Feststellungsbescheid erlassen hat. Denn gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG steht der mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligte Gesellschafter dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleich; er ist als Mitunternehmer des Betriebs der Gesellschaft anzusehen, an der er mittelbar beteiligt ist, wenn er und die Personengesellschaften, die seine Beteiligung vermitteln, jeweils als Mitunternehmer der Betriebe der Personengesellschaften anzusehen sind, an denen sie unmittelbar beteiligt sind.
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3. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO kann der BFH zwar eine notwendige Beiladung nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO im Revisionsverfahren mit heilender Wirkung für das finanzgerichtliche Verfahren nachholen, nicht hingegen auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (BFH-Beschlüsse vom 8. Oktober 2002 III B 74/02, BFH/NV 2003, 195; vom 21. Dezember 2011 IV B 101/10, BFH/NV 2012, 598). Die Sache ist daher nach § 116 Abs. 6 FGO an die Vorinstanz zurückzuverweisen, ohne dass es auf die weiteren von der Klägerin vorgebrachten Zulassungsgründe ankommt.
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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