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BFH 19.10.2017 - X S 9/17 (PKH)
BFH 19.10.2017 - X S 9/17 (PKH) - Frist zum Nachweis der Mittellosigkeit bei PKH für eine erhobene oder noch zu erhebende Entschädigungsklage
Normen
§ 198 Abs 5 S 2 GVG, § 56 Abs 1 FGO, § 142 FGO, § 155 S 2 FGO, § 114 Abs 1 S 1 ZPO, § 117 Abs 1 S 1 ZPO, § 117 Abs 2 S 1 ZPO, § 117 Abs 4 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 26. Oktober 2016, Az: 2 K 2181/10, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Wird PKH für eine vor dem BFH erhobene oder noch zu erhebende Entschädigungsklage gemäß § 198 GVG beantragt, muss der (nicht vertretene) Antragsteller innerhalb der Klagefrist von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Ausgangsverfahren seine Mittellosigkeit nachweisen .
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2. NV: Die Mittellosigkeit ist auch im Fall von PKH für eine Entschädigungsklage grundsätzlich auf den dafür eingeführten Formularen zu belegen .
Tenor
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Der Antrag wird abgelehnt.
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Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Tatbestand
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I.
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Der Antragsteller beantragte am 26. April 2017 Prozesskostenhilfe (PKH) sowie die Beiordnung eines Rechtsanwalts für eine von ihm angestrebte Entschädigungsklage nach § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG). Diese betrifft das Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg mit dem Aktenzeichen 2 K 2181/10. In diesem Verfahren war die Kaufpreisaufteilung einer betrieblich genutzten Immobilie durch das Finanzamt X streitig.
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Ausweislich der beigezogenen FG-Akten hat der Antragsteller in diesem Ausgangsverfahren am 19. Oktober 2016 Verzögerungsrüge erhoben. Das FG-Urteil vom 26. Oktober 2016 ist dem Antragsteller am 24. November 2016 zugestellt worden.
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Am 17. Mai 2017 hat die Senatsgeschäftsstelle den Antragsteller aufgefordert bis spätestens zum 19. Juni 2017 die beiliegende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen und seinen Anspruch auf Entschädigung zumindest in laienhafter Form zu begründen.
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Der Antragsteller reichte mit Schreiben vom 9. Juni 2017 neben einer kurzen Begründung einen Auszug des Gutachtens aus einem Verfahren zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ein. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei mangels Masse abzuweisen.
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Mit Schreiben der Senatsgeschäftsstelle vom 22. Juni 2017 wurde der Antragsteller erneut aufgefordert, die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachzureichen, damit seine aktuelle Situation beurteilt werden könne. Die Senatsgeschäftsstelle wies ihn darauf hin, dass diese Erklärung bis zum 27. Juni 2017 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingehen müsse.
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Diese Erklärung übersandte er per Fax-Schreiben am 28. Juni 2017.
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Auf den Hinweis der Senatsvorsitzenden vom 10. Juli 2017, dass die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu spät eingegangen sei, aber die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bestünde, stellte der Antragsteller zwar den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Gründe dafür, warum er die Erklärung erst am 28. Juni 2017 übersandt hat, nannte er jedoch nicht. Vielmehr erläuterte er, er sei davon ausgegangen, die bereits vorher eingereichten Unterlagen hätten auch in Bezug auf seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausgereicht, da das Formular keinen zusätzlichen Informationsgehalt beinhalte.
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Der Senat hat die FG-Akte zum Verfahren beigezogen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere konnte er durch den Antragsteller selbst auch ohne Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten wirksam gestellt werden. Denn für PKH-Anträge gilt der in § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) angeordnete Vertretungszwang nicht (Senatsbeschluss vom 7. Februar 2017 X S 31-36/16 (PKH), BFH/NV 2017, 612).
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2. Der PKH-Antrag ist jedoch nicht begründet. Der Antragsteller hat die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht fristgerecht eingereicht.
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a) PKH erhält auf entsprechenden Antrag ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Dabei ist dem beim Prozessgericht zu stellenden Antrag nach § 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Hierbei hat der Antragsteller die dafür eingeführten Formulare zu benutzen (§ 117 Abs. 4 ZPO).
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b) Wird vom Antragsteller keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht, ist die Gewährung von PKH abzulehnen, da der Nachweis über die Mittellosigkeit nicht erbracht worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 10. April 2013 X S 5/13 (PKH), BFH/NV 2013, 971). Das Gleiche gilt, wenn im Fall einer noch einzulegenden Nichtzulassungsbeschwerde ein Antragsteller nicht innerhalb der Beschwerdefrist nach § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO alles ihm Zumutbare unternimmt, um das in seiner Mittellosigkeit liegende Hindernis zu beheben (Senatsbeschluss vom 28. September 2005 X S 15/05 (PKH), BFH/NV 2005, 2249, unter II.2.b, m.w.N.).
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c) Wird PKH für eine vor dem BFH erhobene oder noch zu erhebende Entschädigungsklage gemäß § 198 GVG beantragt, muss der (nicht vertretene) Antragsteller innerhalb der Klagefrist von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Ausgangsverfahren nach § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG i.V.m. § 155 Satz 2 FGO den Nachweis seiner Mittellosigkeit anhand der dafür eingeführten Formulare führen. Etwas anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn der Antragsteller auf einen entsprechenden Vordruck im Ausgangsverfahren hingewiesen hat. Dagegen genügt es nicht, darauf zu verweisen, dass über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (vgl. insoweit nur Urteil des Bundesgerichtshof vom 4. Juli 2002 IX ZB 221/02, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 2793).
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d) Ein Antragsteller kann sich nicht auf Unkenntnis berufen, da er sich über die Voraussetzungen einer Bewilligung von PKH grundsätzlich selbst kundig machen muss; die Gerichte treffen insoweit keine besonderen Hinweispflichten (vgl. nur Senatsbeschluss vom 26. Januar 2011 X S 37/10 (PKH), BFH/NV 2011, 633).
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e) Ausgehend hiervon hat der Antragsteller das dafür vorgesehene Formular über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht fristgerecht eingereicht.
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aa) Da das Urteil des FG im Ausgangsverfahren dem Antragsteller am 24. November 2016 zugestellt worden und Rechtskraft am 27. Dezember 2016 eingetreten ist, hatte er gemäß § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG i.V.m. § 155 Satz 2 FGO bis zum 27. Juni 2017 u.a. seine Mittellosigkeit anhand des Formulars nachzuweisen. Dies geschah nicht. Das Formular ist erst am 28. Juni 2017 und damit nach Ablauf der Klagefrist beim BFH eingegangen.
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bb) Soweit der Antragsteller stattdessen auf die auszugsweise vorgelegten Unterlagen, die die Eröffnung seines Insolvenzverfahrens betreffen, verweist, sind diese nicht geeignet, seine aktuelle finanzielle Situation darzulegen. Zum einen fehlen das Aktenzeichen des Verfahrens und ein Hinweis darauf, dass das erstellte Gutachten sein Vermögen betroffen hat. Zum anderen enthalten sie keine Angaben zum Zeitpunkt der dort getroffenen Feststellungen.
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cc) Auch deshalb ist der Antragsteller von der Senatsgeschäftsstelle (erneut) mit Schreiben vom 22. Juni 2017 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, das Formular bis zum Ende der Klagefrist am 27. Juni 2017 einzureichen. Spätestens aufgrund dieses Schreibens hätte ihm klar sein müssen, dass die bislang eingereichten Unterlagen --selbst unter Zugrundelegung eines laienhaften Verständnisses-- nicht ausreichten.
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dd) Auf etwaige im Ausgangsverfahren eingereichte amtliche Vordrucke zur Gewährung von PKH hat der Antragsteller nicht hingewiesen. Diese ergeben sich auch nicht aus den beigezogenen Akten.
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f) Somit bedurfte es einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hierauf hat ihn die Senatsvorsitzende ausdrücklich hingewiesen. Eine solche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 Abs. 1 FGO scheidet jedoch aus. Der Antragsteller hat sein fehlendes Verschulden an der Fristversäumung nicht dargelegt.
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aa) Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Hiernach schließt jedes Verschulden --also auch einfache Fahrlässigkeit-- die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (vgl. nur BFH-Beschluss vom 26. Februar 2014 IX R 41/13, BFH/NV 2014, 881, m.w.N.). Die Tatsachen, die auf ein fehlendes Verschulden schließen lassen, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Dazu gehört eine vollständige, substantiierte und in sich schlüssige Darlegung der Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2010 IV R 5/10, BFH/NV 2011, 809).
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bb) Unter Beachtung dieser Maßstäbe hat der Antragsteller sein fehlendes Verschulden an der Fristversäumung nicht glaubhaft gemacht. Denn insoweit fehlt es bereits an diesbezüglichen Ausführungen. Der Antragsteller verweist in seinem Schreiben vom 2. August 2017 lediglich auf die bereits eingereichten Unterlagen aus dem Insolvenzantragsverfahren und stellt im Übrigen die aus seiner Sicht vorliegenden Voraussetzungen für eine Entschädigung nach § 198 GVG (erneut) dar. Warum er sein auf den 27. Juni 2017 datiertes Fax-Schreiben erst einen Tag später übersandt hat, sagt er nicht.
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3. Mangels Erfolgs des PKH-Antrags kann auch dem Antrag auf Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten nach § 142 Abs. 2 FGO nicht entsprochen werden (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 24. September 2009 IV S 13/09 (PKH), BFH/NV 2010, 233, unter II.2., m.w.N.).
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4. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. In Ermangelung eines Gebührentatbestands nach dem Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz (GKG) werden keine Gerichtskosten erhoben (§ 3 Abs. 2 GKG). Kosten, die dem Gegner entstanden sind, werden nicht erstattet (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).
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