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BFH 08.10.2015 - VII B 147/14
BFH 08.10.2015 - VII B 147/14 - Schuldhafte Fristversäumnis bei Nichtbeachtung der üblichen Telefaxversendungszeit
Normen
§ 56 FGO
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 10. Juli 2014, Az: 12 K 2333/10 AO, Urteil
Leitsatz
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NV: Die übliche Telefaxversendungszeit umfasst nicht nur die rein technische Übertragungszeit, sondern auch einen Sicherheitszuschlag von 20 Minuten für den Fall einer etwaigen Belegung des Empfangsgeräts. Beginnt die Telefaxübermittlung so spät, dass unter Berücksichtigung der auf diese Weise ermittelten üblichen Telefaxversendungszeit kein rechtzeitiger Zugang des Schriftsatzes erwartet werden kann, liegt keine unverschuldete Fristversäumnis i.S. des § 56 FGO vor. Ob das Empfangsgerät tatsächlich belegt war, ist unerheblich .
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 10. Juli 2014 12 K 2333/10 AO wird als unzulässig verworfen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
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Die Beschwerde ist unzulässig, da die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) sie nicht innerhalb der in § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bezeichneten Frist begründet hat.
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1. Nach Verlängerung durch den Vorsitzenden (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO) ist die Frist zur Begründung der Beschwerde am 13. November 2014 abgelaufen. Diese Frist hat die Klägerin nicht gewahrt. Ihr Bevollmächtigter hat zwar am 13. November 2014 um 23:50 Uhr die Faxübertragung der 30 Seiten umfassenden Beschwerdebegründung gestartet. Das Empfangsgerät des Gerichts hat die letzte Seite dieses Schriftsatzes, auf der sich die Unterschrift des Bevollmächtigten befand, aber erst nach Mitternacht am 14. November 2014 empfangen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) folgt daraus die Versäumung der Begründungsfrist (BFH-Beschlüsse vom 25. November 2003 VII R 9/03, BFH/NV 2004, 519; vom 28. Januar 2010 VIII B 88/09, BFH/NV 2010, 919; vom 21. August 2012 X B 6, 7/12, BFH/NV 2013, 385, jeweils m.w.N.).
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2. Die von der Klägerin beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO ist nicht zu gewähren. Auch wenn man den Vortrag der Klägerin zu den Umständen der Fristversäumnis und den tatsächlichen Übertragungszeiten anderer Schriftsätze als wahr unterstellt, liegen die Voraussetzungen des § 56 FGO nicht vor. Denn die Klägerin war auch unter Berücksichtigung dieser Umstände nicht ohne Verschulden verhindert, die Begründungsfrist einzuhalten. Dabei muss sie sich das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).
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Zwar kann eine Frist im Interesse des Rechtsschutz suchenden Bürgers bis zuletzt ausgeschöpft werden. Jedoch ist beim vollen Ausnutzen der Frist besondere Sorgfalt geboten. Wird ein fristwahrender Schriftsatz erst kurz vor Fristablauf per Telefax an das Gericht übermittelt, ist eine Fristversäumnis nur dann unverschuldet, wenn der Absender mit der Übermittlung so rechtzeitig begonnen hat, dass er unter gewöhnlichen Umständen mit dem Abschluss des Übermittlungsvorgangs noch vor Fristablauf rechnen konnte (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 519; in BFH/NV 2010, 919).
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Im Streitfall hat der Bevollmächtigte die 30 Seiten umfassende Beschwerdebegründung nach seinem eigenen Vortrag erst um 23:40 Uhr fertiggestellt. Anschließend begann er mit dem Ausdruck des Schriftsatzes, um ihn in einem zweiten Schritt per Telefax an das Gericht zu übermitteln. Unabhängig davon, ob die durch fehlendes Druckerpapier verursachte Verzögerung beim Ausdruck entschuldbar war, hat er damit nicht den bei einer Telefaxübermittlung erforderlichen Sicherheitszuschlag berücksichtigt.
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Sowohl der BFH als auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) und der Bundesgerichtshof (BGH) gehen davon aus, dass für den Fall einer Belegung des Empfangsgeräts ein Sicherheitszuschlag in der Größenordnung von 20 Minuten einkalkuliert werden muss (BVerfG-Beschluss vom 15. Januar 2014 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126; BVerwG-Beschluss vom 29. Januar 2015 9 BN 2.14, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2015, 806; BGH-Beschluss vom 27. November 2014 III ZB 24/14, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht --FamRZ-- 2015, 323; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 519; in BFH/NV 2010, 919). Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem Beschluss in BVerfGE 135, 126 lediglich positiv eine Erfüllung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt festgestellt hat, wenn über die zu erwartende Übermittlungsdauer hinaus ein Sicherheitszuschlag in der Größenordnung von 20 Minuten einkalkuliert wird. Der Senat hat aber bereits in seinem Beschluss in BFH/NV 2004, 519 ausdrücklich entschieden, dass der Übermittler eines Telefaxes mit Verzögerungen von 20 Minuten aufgrund der Belegung des Empfangsgeräts rechnen muss (ebenso BVerwG-Beschluss in HFR 2015, 806, und BGH-Beschluss in FamRZ 2015, 323).
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Die übliche Telefaxversendungszeit, deren Beachtung erforderlich ist, um ohne Verschulden von der rechtzeitigen Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes per Fax ausgehen zu können, umfasst im Ergebnis nicht nur die rein technische Übertragungszeit, sondern zusätzlich einen Sicherheitszuschlag von etwa 20 Minuten. Beginnt die Telefaxübermittlung so spät, dass unter Berücksichtigung der auf diese Weise ermittelten üblichen Telefaxversendungszeit kein rechtzeitiger Zugang des Schriftsatzes erwartet werden kann, liegt keine unverschuldete Fristversäumnis i.S. des § 56 FGO vor. Dabei kommt es für die zusätzliche Berücksichtigung des Sicherheitszuschlags nicht darauf an, ob sich die Telefaxübertragung tatsächlich wegen einer Belegung des Empfangsgeräts verlängert hat (vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 919). Dem Einwand der Klägerin, dies widerspreche dem Schutzzweckzusammenhang, ist entgegenzuhalten, dass der Sicherheitszuschlag nicht isoliert zu betrachten ist, sondern in die Ermittlung einer einheitlichen üblichen Telefaxversendungszeit für vergleichbare Telefaxe eingeht. Dem entspricht auch die Gleichstellung der üblichen Telefaxversendungszeit mit den üblichen Postlaufzeiten durch das BVerfG in seinem Beschluss in BVerfGE 135, 126.
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Für den Streitfall folgt daraus, dass der Bevollmächtigte nicht erst um 23:40 Uhr mit dem Ausdruck des Schriftsatzes hätte beginnen dürfen. Denn der Zeitraum zwischen dem möglichen Beginn der Telefaxübertragung und dem Ablauf der Frist war dadurch kürzer als die übliche Telefaxversendungszeit, die sich aus der voraussichtlichen technischen Übertragungszeit und einem Sicherheitszuschlag von etwa 20 Minuten zusammensetzt.
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Der Hinweis der Klägerin, sowohl für das BVerwG als auch für den BGH spiele die Einhaltung des Sicherheitszuschlags keine Rolle, wenn das Empfangsgerät tatsächlich nicht besetzt gewesen sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der BVerwG-Beschluss vom 1. September 2014 2 B 93.13 zitiert zwar Entscheidungen des BGH, in denen die Einhaltung des Sicherheitszuschlags nicht geprüft worden ist. Letztlich war dieser Gesichtspunkt für das BVerwG aber nicht entscheidungserheblich, da bereits die Glaubhaftmachung des Zeitpunkts des Beginns der Telefaxübertragung fehlte. Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des BGH erging dagegen vor dem BVerfG-Beschluss in BVerfGE 135, 126, in dem das BVerfG den Sicherheitszuschlag zwar nicht erstmals angesprochen hat, aber nunmehr ausdrücklich von der Ermittlung einer üblichen Telefaxversendungszeit unter Einbeziehung eines Sicherheitszuschlags spricht und diese übliche Telefaxversendungszeit mit den üblichen Postlaufzeiten gleichstellt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das BVerfG in seinem Beschluss vom 2. Juli 2014 1 BvR 862/13 (nicht veröffentlicht) den spätestmöglichen Beginn der Faxübertragung unabhängig von einer tatsächlichen Belegung des Empfangsgeräts unter Einbeziehung eines Sicherheitszuschlags berechnet hat.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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