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BFH 13.05.2015 - VII R 41/14
BFH 13.05.2015 - VII R 41/14 - Keine rückwirkende Änderung der Tilgungsbestimmung
Normen
§ 36 Abs 2 Nr 1 EStG 2002, § 218 Abs 2 AO, EStG VZ 2008
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 28. August 2014, Az: 5 K 193/12, Urteil
Leitsatz
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NV: Ob bei Zahlung eines Ehegatten auf die Gesamtschuld der Ehepartner ein von den Erfahrungssätzen abweichender Tilgungswille vorliegt, richtet sich ausschließlich nach dem zum Zeitpunkt der Zahlung für das Finanzamt erkennbaren Tilgungswillen, da eine Tilgungsbestimmung nicht rückwirkend geändert werden kann.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 28. August 2014 5 K 193/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegen den Kläger und Revisionskläger (Kläger) und dessen damalige Ehefrau Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2008 fest. Der Kläger zahlte die festgesetzten Beträge (pro Quartal 565 € Einkommensteuer, 15 € Solidaritätszuschlag und 20 € evangelische Kirchensteuer) im Jahr 2008 von seinem Konto an das FA. Seit dem 19. Dezember 2009 lebten die Eheleute getrennt.
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Mit Abgabe der Einkommensteuererklärung 2008 im Februar 2010 beantragten die Eheleute die getrennte Veranlagung. Im März 2010 erließ das FA gegenüber der Ehefrau einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008. Auf den ermittelten Nachzahlungsbetrag rechnete das FA die Hälfte der vom Kläger geleisteten Vorauszahlungen für Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag sowie die gesamten Vorauszahlungen für die evangelische Kirchensteuer an, da der Kläger keiner Konfession angehörte.
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Mit Schreiben vom 8. April 2010 erklärte der Kläger gegenüber dem FA, er habe die Einkommensteuervorauszahlungen ausschließlich auf eigene Rechnung geleistet. In dem an den Kläger gerichteten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 14. April 2010 rechnete das FA die vom Kläger für den Veranlagungszeitraum 2008 geleisteten Vorauszahlungen zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag trotzdem nur zur Hälfte an (1.130 € Einkommensteuer sowie 30 € Solidaritätszuschlag).
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Am 6. August 2010 erging auf Antrag des Klägers hierüber ein Abrechnungsbescheid. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, aufgrund der zwischen Eheleuten bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft habe das FA davon ausgehen dürfen, dass der Kläger nicht nur seine eigene Steuerschuld, sondern auch die Steuerschuld seiner damaligen Ehefrau habe begleichen wollen. Dass der Kläger die Zahlungen von seinem Konto geleistet habe und die festgesetzten Vorauszahlungen ausschließlich auf seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit beruhten, sei für die Tilgungsbestimmung unerheblich. Die Tilgungsbestimmung im Schreiben vom 8. April 2010 könne zu keinem anderen Ergebnis führen, da sie nachträglich erfolgt sei. Darüber hinaus habe die Ehefrau zu diesem Zeitpunkt bereits einen Einkommensteuerbescheid erhalten, der ohne ihre Zustimmung nur unter den Voraussetzungen der §§ 172 ff. der Abgabenordnung (AO) habe geändert werden können.
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Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs habe sich nicht auf Fälle bezogen, bei denen von Anfang an eine getrennte Veranlagung beantragt worden sei. Außerdem ergebe sich weder aus § 37 Abs. 2 AO noch aus § 36 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), dass es für den erkennbaren Tilgungswillen allein auf den Zahlungszeitpunkt ankomme. Vielmehr müsse im Streitfall die Tilgungsbestimmung im Schreiben vom 8. April 2010 berücksichtigt werden. Ansonsten komme es zu einer Enteignung in Höhe der hälftigen Vorauszahlungen, die nicht durch Art. 14 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes gerechtfertigt sei.
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Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Abrechnungsbescheid vom 6. August 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 2012 dahin zu ändern, dass seine Vorauszahlungen zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag für das Jahr 2008 in voller Höhe angerechnet werden (2.260 € Einkommensteuer und 60 € Solidaritätszuschlag).
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Es folgt der Begründung des FG und verweist auf seine Ausführungen im Klageverfahren.
Entscheidungsgründe
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II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der angefochtene Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) rechtmäßig ist. Auf die Einkommensteuerschuld des Klägers ist gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG nur die Hälfte der von seinem Konto abgebuchten Vorauszahlungen anzurechnen.
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1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG derjenige anrechnungsberechtigt, auf dessen Rechnung, nicht aber derjenige, auf dessen Kosten gezahlt worden ist. Es kommt also nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt erkennbar ist, getilgt werden sollte (Senatsurteil vom 26. Juni 2007 VII R 35/06, BFHE 218, 10, BStBl II 2007, 742, m.w.N.).
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Ist bei der Zahlung eines Gesamtschuldners kein abweichender Tilgungswille erkennbar, ist i.d.R. anzunehmen, dass der Gesamtschuldner nur seine eigene Steuerschuld tilgen wollte. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des Senats bei der Zahlung eines Ehegatten auf die Gesamtschuld der Ehepartner. Solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben (§ 26 Abs. 1 EStG), ist hier aufgrund der zwischen Ehepartnern bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft im Allgemeinen davon auszugehen, dass derjenige Ehegatte, der auf die gemeinsame Steuerschuld zahlt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will. Dabei kommt es allein darauf an, wie sich dem Finanzamt als Zahlungsempfänger die Umstände zum Zeitpunkt der Zahlung darstellten (Senatsurteil vom 22. März 2011 VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, m.w.N.).
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2. Von diesen Grundsätzen, an denen der Senat festhält (zur Kritik vgl. z.B. Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl. 2014, § 37 Rz 34), ist auch das FG ausgegangen und zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass bei dem Kläger die Vorauszahlungen zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag für das Jahr 2008 nur zur Hälfte angerechnet werden können.
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Zwar lebten die Eheleute seit dem 19. Dezember 2009 dauernd getrennt. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zahlungen gab es für das FA jedoch keine Veranlassung, eine abweichende Tilgungsbestimmung anzunehmen. Solch ein abweichender Tilgungswille lässt sich insbesondere nicht dem Schreiben des Klägers an das FA vom 8. April 2010 entnehmen. Da eine einmal getroffene Tilgungsbestimmung nicht rückwirkend geändert werden kann, kann es nämlich nur auf den für das Finanzamt erkennbaren Tilgungswillen zum Zeitpunkt der Zahlung ankommen (Senatsbeschluss vom 4. November 2003 VII B 382/02, BFH/NV 2004, 314; Senatsurteil in BFHE 218, 10, BStBl II 2007, 742). Entgegen der Auffassung des Klägers beschränkt sich die Rechtsprechung des Senats zur Tilgungsbestimmung bei Vorauszahlungen von Ehegatten auch nicht auf Fälle, bei denen zunächst die Zusammenveranlagung beantragt wird.
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Das Senatsurteil in BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607 führt im Streitfall ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Zwar hat der Senat in diesem Urteil offen gelassen, wie Vorauszahlungen aufzuteilen sind, wenn sie --wie im Streitfall-- nicht zur Tilgung der Steuerschulden ausreichen. Da sich diese Senatsrechtsprechung ausdrücklich auf die gesetzliche Zweckbestimmung der Vorauszahlungen (Sicherung eines stetigen Steueraufkommens) stützt, besteht in solch einem Fall aber keine Veranlassung, von einer gleichmäßigen Aufteilung nach Köpfen abzuweichen. Nur soweit diese Aufteilung zu einem Erstattungsanspruch eines Ehegatten führt, während der andere Ehegatte eine Abschlusszahlung zu leisten hätte, sind die Vorauszahlungen abweichend von der bei Ehegatten üblichen Aufteilung nach Köpfen diesem anderen Ehegatten zuzurechnen (Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 14. Januar 2015 IV A 3 - S 0160/11/10001, BStBl I 2015, 83).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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