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BFH 12.11.2012 - III B 186/11
BFH 12.11.2012 - III B 186/11 - Verfahrensmängel durch Übergehen von Beweisanträgen - Revisionszulassung wegen Willkürentscheidung
Normen
§ 76 Abs 1 S 1 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 119 Nr 6 FGO, § 155 FGO, § 295 Abs 1 ZPO, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 15. Juli 2010, Az: 4 K 1521/09, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Wird ein Beweisantrag vom FG verfahrenswidrig übergangen, liegt darin ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht und gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Das Rügerecht geht jedoch verloren, wenn der in der mündlichen Verhandlung fachkundig vertretene oder selbst fachkundige Beteiligte dies dort nicht rügt, und zwar unabhängig von einem Verzichtswillen.
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2. NV: Die Rüge, das Urteil des FG stelle eine willkürliche oder greifbar gesetzeswidrige Entscheidung dar, ist nur dann ordnungsgemäß erhoben, wenn insbesondere der schwerwiegende Rechtsfehler, seine Offensichtlichkeit sowie seine Korrekturmöglichkeit im Revisionsverfahren substantiiert dargelegt werden.
Gründe
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Die Beschwerde in Bezug auf das Streitjahr 2005 ist jedenfalls unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Soweit die Beschwerdebegründung den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt, liegen die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor.
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1. Eine Zulassung wegen Verfahrensmängeln der Vorentscheidung nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO kommt nicht in Betracht.
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a) Die Rüge des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger), das Finanzgericht (FG) habe gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) und gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verstoßen, indem es ohne weitere Sachverhaltsermittlungen von einem Getrenntleben des Klägers und seiner damaligen Ehefrau ausgegangen sei, hat keinen Erfolg.
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aa) Wird ein Beweisantrag vom FG verfahrenswidrig übergangen, dann liegt darin ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht und gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Juni 2005 X B 180/03, BFH/NV 2005, 1843). Ein Verfahrensmangel kann jedoch nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten können und verzichtet haben (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung). Zu diesen verzichtbaren Mängeln gehört nach der ständigen Rechtsprechung des BFH auch das Übergehen von Beweisanträgen. Liegt ein solcher verzichtbarer Verfahrensmangel vor, so geht das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren, sondern auch dadurch, dass der in der mündlichen Verhandlung fachkundig vertretene oder selbst fachkundige Beteiligte --so wie der als Rechtsanwalt zugelassene Kläger-- dies in der mündlichen Verhandlung nicht rügt, und zwar unabhängig davon, ob ein Verzichtswille gegeben ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1843, m.w.N.; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler --HHSp--, § 120 FGO Rz 208, m.w.N.).
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bb) So verhält es sich im Streitfall. Der Kläger hat ausweislich des Sitzungsprotokolls weder seine schriftsätzlich beantragten Zeugeneinvernahmen wiederholt noch das Unterbleiben dieser Beweiserhebungen gerügt. Er hat auch nicht vorgetragen, aus welchen Gründen er an einer solchen Rüge gehindert gewesen sein soll. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass ihm eine rechtzeitige Rüge aufgrund des Verhaltens des FG nicht möglich gewesen wäre. Vielmehr war dem Kläger bekannt, dass das FG nicht beabsichtigte, in der mündlichen Verhandlung die von ihm benannten Personen als Zeugen zu vernehmen. Es teilte dem Kläger mit Schreiben vom 30. Juni 2010 mit, dass sich die von ihm benannten Zeugen --gemeint waren seine ehemalige Ehefrau und die beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder-- auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen hätten. Zudem teilte es dem Kläger mit Schreiben vom 2. Juli 2010 mit, dass keine weiteren Zeugen zu dem Termin geladen seien.
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Da der Kläger die aus seiner Sicht fehlerhaft unterlassene Beiziehung der Akten des Familiengerichts in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt hat, hat er auch insoweit ein etwaiges Rügerecht verloren (z.B. BFH-Beschluss vom 5. August 2004 IV B 224/02, BFH/NV 2005, 44).
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b) Bereits unzulässig ist die vom Kläger erhobene Rüge, sein Recht auf Gehör sei auch dadurch verletzt worden, dass das FG ihm entgegen seines in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags keine Akteneinsicht gewährt habe.
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Zur schlüssigen Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Versagung der begehrten Akteneinsicht muss der Beschwerdeführer u.a. substantiiert darlegen, was er bei rechtzeitiger Gewährung der Akteneinsicht noch vorgetragen hätte und dass dies die Entscheidung des FG --auf der Basis der von diesem vertretenen Rechtsauffassung-- hätte beeinflussen können (z.B. BFH-Beschluss vom 1. August 2005 X B 24/05, BFH/NV 2005, 2222).
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Hieran fehlt es. Der Kläger hat in der Beschwerdebegründung ausgeführt, die Akteneinsicht sei erforderlich gewesen, um das FG für den Fall, dass diesem wider Erwarten der gesamte entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht bekannt gewesen sein sollte, hierauf nochmals hinweisen zu können. Damit wird jedoch nicht dargelegt, welche entscheidungserheblichen Tatsachen er bei (rechtzeitiger) Gewährung der Akteneinsicht noch vorgetragen hätte.
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c) Mit der Rüge, das Urteil des FG enthalte hinsichtlich der für das Streitjahr 2005 versagten Zusammenveranlagung keine Begründung, macht der Kläger einen Verfahrensfehler i.S. des § 119 Nr. 6 FGO geltend. Eine Entscheidung ist jedoch nur dann nicht mit Gründen versehen, wenn diese ganz oder zu einem wesentlichen Teil fehlen (z.B. Senatsbeschluss vom 21. April 2010 III B 182/09, BFH/NV 2010, 1435, m.w.N.). Ein derartiger Mangel liegt hier jedoch nicht vor. Das FG hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass eine Zusammenveranlagung in den Streitjahren wegen der fehlenden ehelichen Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner damaligen Ehefrau ausscheide.
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Die von dem FG gegebene Begründung bezog sich daher nicht nur auf das Jahr 2004, sondern auch auf das Jahr 2005.
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2. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist nicht ordnungsgemäß bezeichnet.
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Nach Auffassung des Klägers hat die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung, ob die ehemalige Ehefrau die Zustimmung zur Aussage der gemeinsamen minderjährigen Kinder allein verweigern konnte oder hierfür wegen Interessenskollision ein Pfleger hätte bestellt werden müssen. In der Beschwerdebegründung wird jedoch u.a. nicht dargelegt, warum diese Rechtsfrage trotz fehlender Rüge der unterbliebenen Zeugeneinvernahme (s. dazu 1.a) im Revisionsverfahren klärbar sein soll.
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3. Soweit der Kläger ausführt, die Revision sei nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO zuzulassen, weil ein Rechtsfehler vorliege, der geeignet sei, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, fehlt es ebenfalls an einer ordnungsgemäßen Darlegung.
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Dieser Zulassungsgrund ist nur gegeben, wenn die Entscheidung des FG schwerwiegende Rechtsfehler aufweist und deshalb objektiv willkürlich erscheint oder greifbar gesetzwidrig ist. Diese besonderen Umstände sind in der Beschwerdeschrift darzulegen (BFH-Beschluss vom 24. Juli 2006 IX B 208/05, BFH/NV 2006, 2269), insbesondere der schwerwiegende Fehler, seine Offensichtlichkeit sowie seine Korrekturmöglichkeit im Revisionsverfahren (Lange in HHSp, § 116 FGO Rz 202).
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Hieran fehlt es in der Beschwerdebegründung. Mit den allgemeinen Behauptungen, das FG habe seine Rechte auf rechtliches Gehör, auf effektiven Rechtsschutz und auf ein faires Verfahren verletzt, legt der Kläger keine objektiv willkürliche oder greifbar gesetzwidrige Entscheidung dar.
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4. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
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