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BFH 25.09.2012 - I B 189/11
BFH 25.09.2012 - I B 189/11 - Verfassungsmäßigkeit einer Übergangsregelung (kein Verstoß gegen Rückwirkungsverbot)
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 12 Abs 2 S 4 UmwStG 1995 vom 29.10.1997, § 27 Abs 3 UmwStG 1995 vom 19.12.1997, Art 20 Abs 3 GG, Art 76 Abs 1 GG, Art 77 Abs 2a GG
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 19. Oktober 2011, Az: 12 K 12248/09, Urteil
nachgehend BVerfG, 19. August 2014, Az: 2 BvR 116/13, Kammerbeschluss ohne Begründung
Leitsatz
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1. NV: Die Übergangsregelung des § 27 Abs. 3 UmwStG 1995 i.d.F. des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 1997 (BGBl I 1997, 3121, BStBl I 1998, 7) ist auch insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar und wirkt nicht in unzulässiger Weise zurück, als sich danach die Streichung des § 12 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1995 durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928) erstmals für Umwandlungen auswirkt, deren Eintragungen im Handelsregister nach dem 5. August 1997 beantragt worden ist (Bestätigung des Senatsurteils vom 29. April 2008 I R 103/01, BFHE 221, 121, BStBl II 2008, 723) .
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2. NV: Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Steuerpflichtigen in den Fortbestand der Rechtslage ist bei zustimmungspflichtigen Gesetzesänderungen nicht erst ab dem Zeitpunkt gemindert, in dem der Bundesrat der Gesetzesänderung zugestimmt hat .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine AG, war alleinige Gesellschafterin der X-GmbH, deren Geschäftsanteile sie im Jahr 1991 zum Kaufpreis von … DM erworben und mit der sie sodann ein ertragsteuerliches Organschaftsverhältnis begründet hatte. Im Jahr 1992 veräußerte die X-GmbH ihren gesamten Geschäftsbetrieb an die Klägerin und unterhielt fortan keinen aktiven Geschäftsbetrieb mehr. Den durch die Veräußerung entstandenen Gewinn führte die X-GmbH an die Klägerin ab. Aufgrund der durch die Gewinnabführung bewirkten Wertminderung nahm die Klägerin auf die Geschäftsanteile der X-GmbH eine Teilwertabschreibung um … DM vor.
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Im Rahmen einer umfassenden Bereinigung der Konzernstruktur wurden im Jahr 1997 (Streitjahr) zahlreiche Beteiligungsgesellschaften, darunter auch die X-GmbH, auf die Klägerin verschmolzen. Der Verschmelzungsvertrag mit der X-GmbH wurde am 23. Juni 1997 notariell beurkundet; die Gesellschafterversammlung der X-GmbH stimmte der Verschmelzung mit Beschluss vom 7. Juli 1997, die Hauptversammlung der Klägerin stimmte ihr mit Beschluss vom 12. August 1997 zu. Die Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister wurde am 19. August 1997 beantragt und erfolgte am 11. Dezember 1997.
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Die Klägerin erfasste das mit der Verschmelzung auf sie übergegangene Vermögen mit den Buchwerten. Eine Hinzurechnung des Betrags der im Jahr 1992 vorgenommenen Teilwertabschreibung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes 1995 (UmwStG 1995) nahm sie unter Berufung auf die Bestimmung des § 12 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1995 i.d.F. vor der Änderung durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928) --UmwStG 1995 a.F.-- nicht vor. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) war demgegenüber der Auffassung, gemäß der Übergangsregelung in § 27 Abs. 3 UmwStG 1995 i.d.F. des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 1997 (BGBl I 1997, 3121, BStBl I 1998, 7) sei die geänderte Fassung des § 12 Abs. 2 UmwStG 1995 i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform (UmwStG 1995 n.F.) auf die streitgegenständliche Verschmelzung anzuwenden, die eine Regelung wie § 12 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1995 a.F. nicht mehr enthalte. Er rechnete deshalb dem Gewinn der Klägerin für das Jahr 1997 den Betrag der Teilwertabschreibung des Jahres 1992 hinzu und erließ entsprechende ertragsteuerliche Änderungsbescheide.
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Die Klägerin meint, die Anwendung des § 12 Abs. 2 UmwStG 1995 n.F. verstoße im Streitfall gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Ihre deswegen erhobene Klage blieb jedoch ohne Erfolg; das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hat sie mit Urteil vom 19. Oktober 2011 12 K 12248/09 als unbegründet abgewiesen.
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Die Klägerin beantragt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision gegen das FG-Urteil.
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Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe --soweit sie hinreichend begründet worden sind-- liegen nicht vor.
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1. Unter Berufung auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) möchte die Klägerin geklärt wissen, von welchem Zeitpunkt eines neuen Gesetzgebungsverfahrens an das Vertrauen eines Steuerpflichtigen in die gesetzlich noch geltende Rechtslage derart beeinträchtigt sei, dass er bei seinen Dispositionen auf die Geltung des zuvor ordnungsgemäß verkündeten Rechts nicht mehr vertrauen dürfe. Entgegen der Darstellung der Klägerin ist diese Frage indes --jedenfalls für die hier in Rede stehende Konstellation-- durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH hinreichend geklärt.
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a) Nach dem auch vom FG herangezogenen BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06 (BVerfGE 127, 31) mindert sich in der auch im Streitfall gegebenen Konstellation der sog. unechten Rückwirkung einer (nachteiligen) Gesetzesänderung die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Bürgers in den Fortbestand des geltenden Rechts grundsätzlich ab dem Zeitpunkt, in dem die Neuregelung in den Bundestag eingebracht wird, weil sich dadurch die geplante Rechtsänderung bereits konkret abzeichnet. Da die Streichung des § 12 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1995 a.F. durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform auf einem Vorschlag des Vermittlungsausschusses beruhte, ist der maßgebliche Zeitpunkt, in dem dieses geplante Gesetzesvorhaben öffentlich geworden ist, jener der Einbringung des Vermittlungsvorschlags in den Bundestag am 4. August 1997 (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 2011 IX R 81/06, BFHE 232, 460, BFH/NV 2011, 902), spätestens jedoch der vom FG für zutreffend gehaltene Zeitpunkt der Fassung des endgültigen Gesetzesbeschlusses durch den Bundestag am 5. August 1997. Der Gesetzgeber war deshalb von Verfassungs wegen nicht gehindert, den zeitlichen Anwendungsbereich der Neuregelung auf jene Umwandlungen zu erstrecken, die am 5. August 1997 noch nicht zum Handelsregister angemeldet waren (Senatsurteil vom 29. April 2008 I R 103/01, BFHE 221, 121, BStBl II 2008, 723; Senatsbeschlüsse vom 15. Juni 2009 I B 224/08, BFH/NV 2009, 1848, und vom 31. August 2009 I B 6/09, BFH/NV 2010, 48).
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b) Entgegen der Annahme der Klägerin bedarf die zitierte Senatsrechtsprechung zum Vertrauensschutz in Bezug auf die Übergangsregelung in § 27 Abs. 3 UmwStG 1995 i.d.F. des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung mit Blick auf den später ergangenen BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 31 keiner Modifikationen. Vielmehr sieht sich der Senat durch den BVerfG-Beschluss in den wesentlichen Grundzügen seiner Rechtsprechung bestätigt.
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Soweit es um die von der Klägerin nochmals aufgeworfene, vom Senat (im Urteil in BFHE 221, 121, BStBl II 2008, 723, und im Beschluss in BFH/NV 2010, 48) bejahte Frage geht, ob ein Gesetzesbeschluss das Vertrauen des Bürgers in den Fortbestand des geltenden Rechts mindern kann, der nach den Maßstäben des BVerfG (Beschluss vom 15. Januar 2008 2 BvL 12/01, BVerfGE 120, 56) in verfassungswidriger --aber nicht zur Nichtigkeit führender-- Weise erst aufgrund der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt worden ist, ergeben sich weder aus dem BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 31 noch aus dem Beschwerdevorbringen neue Aspekte, die ein Überdenken der Senatsauffassung angezeigt erscheinen lassen könnten.
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c) Die Klägerin sieht als klärungsbedürftig an, ob in dem Fall, dass ein Gesetzesvorhaben durch den Vermittlungsausschuss erst kurz vor dem Gesetzesbeschluss und für die Öffentlichkeit nicht wahrnehmbar in den Bundestag eingebracht worden ist, der Gesetzesbeschluss des Bundestags oder --bei gemäß Art. 77 Abs. 2a des Grundgesetzes zustimmungspflichtigen Gesetzen-- erst der Zustimmungsbeschluss des Bundesrats als vertrauensmindernder Umstand anzusehen ist. Die Antwort auf diese Frage lässt sich indes ohne Weiteres aus der Begründung des BVerfG-Beschlusses in BVerfGE 127, 31 ableiten. Wenn danach schon die Einbringung eines Entwurfs einer Gesetzesänderung in den Bundestag die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die Fortgeltung der Rechtslage mindern kann, dann muss diese Minderung dann, wenn es an einem für die Öffentlichkeit wahrnehmbaren Einbringungsverfahren gefehlt hat, doch spätestens dann eintreten, wenn der Gesetzesbeschluss des Bundestags ergangen ist. Denn maßgeblich für einen verminderten Vertrauensschutz ist nach der Beschlussbegründung des BVerfG der Zeitpunkt, in dem die mögliche zukünftige Gesetzesänderung in konkreten Umrissen allgemein vorhersehbar wird. Eine endgültige Gewissheit über den Eintritt der künftigen Rechtsänderung, wie sie nach dem Zustimmungsbeschluss des Bundesrats regelmäßig gegeben ist, ist demnach nicht erforderlich.
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2. Eine Divergenz des angefochtenen Urteils zum BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 31 (Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer BFH-Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) hat die Klägerin nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargetan. Zur Darlegung einer Divergenz ist es erforderlich, einen das FG-Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz aus einer anderen Gerichtsentscheidung in der Weise gegenüberzustellen, dass die Abweichung erkennbar wird (Senatsbeschluss vom 25. April 2007 I B 117/06, BFH/NV 2007, 1619, m.w.N.). Des Weiteren ist auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Dezember 2005 VIII B 74/05, BFH/NV 2006, 740; Senatsbeschluss vom 29. Februar 2012 I B 88/11, BFH/NV 2012, 1089, m.w.N.). Jedenfalls an letzterer Darlegung fehlt es hier.
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Die Klägerin beruft sich darauf, dass das BVerfG in seinem Beschluss in BVerfGE 127, 31, in dem es um die mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 rückwirkend angeordnete Ersetzung des halben Einkommensteuersatzes für Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen durch die sog. Fünftelregelung ging, zwischen dem Verpflichtungsgeschäft (Abschluss der Entschädigungsvereinbarung) und dem Vollzugsgeschäft (Entschädigungszahlung) differenziert hat. Es ist zu dem Ergebnis gekommen, dass in dem Fall, in dem die Entschädigung zwar erst nach der Einbringung des Gesetzentwurfs zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 in den Bundestag vereinbart worden war, sie dem Arbeitnehmer aber noch vor dessen Verkündung im Bundesgesetzblatt tatsächlich zugeflossen ist, das Vertrauen der Arbeitnehmer auf das bestehende Recht das Änderungsinteresse des Gesetzgebers überwiege.
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Die Klägerin meint nun, aus dem Umstand, dass im Streitfall die Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister (am 19. August 1997) noch vor der Verkündung des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform im Bundesgesetzblatt (am 31. Oktober 1997) beantragt worden ist, herleiten zu können, nach den Maßstäben des BVerfG müsse auch hier der Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen überwiegen. Es fehlen in der Beschwerdebegründung jedoch substantiierte Ausführungen zur Vergleichbarkeit beider Konstellationen. Die Klägerin beruft sich insoweit lediglich darauf, in beiden Fällen lägen mehraktige Sachverhalte vor. Inwiefern aber der noch keine unmittelbaren Rechtswirkungen zeitigende und überdies bis zur Eintragung noch zurücknehmbare (Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 48) Eintragungsantrag inhaltlich mit dem den Entschädigungsvertrag endgültig und vollständig vollziehenden Zufluss des Entschädigungsbetrags beim Arbeitnehmer im Fall des BVerfG vergleichbar sein soll, ergibt sich aus ihrem Vorbringen nicht.
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