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BFH 05.03.2012 - III B 236/11
BFH 05.03.2012 - III B 236/11 - Erheblicher Grund für Terminsverlegung bei Bestellung eines Haupt- und eines Unterbevollmächtigten - erstmalige Geltendmachung der Befangenheit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Normen
Art 103 Abs 1 GG, § 227 Abs 1 S 1 ZPO, § 42ff ZPO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 119 Nr 2 FGO, § 51 FGO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 18. Januar 2011, Az: 8 K 15210/09, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Wird der Steuerpflichtige im FG-Verfahren sowohl durch einen Hautp- als auch durch einen Unterbevollmächtigten vertreten, reicht es zur Darlegung eines erheblichen Grundes für eine Terminsverlegung nicht aus, wenn die Begründung nur einen der Bevollmächtigen betrifft. Trägt der Steuerpflichtige deshalb nicht vor, warum eine Wahrnehmung des Termins durch den anderen Bevollmächtigten ebenfalls nicht in Betracht kommt, darf das Gericht insoweit regelmäßig von dem Bestehen einer Vertretungsmöglichkeit ausgehen.
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2. NV: Eine Befangenheit der an der FG-Entscheidung beteiligten Richter kann nicht erstmals im Verfahren über die Nichtzulassung der Revision geltend gemacht werden.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) --eine diplomierte Textilingenieurin (Studienrichtung Bekleidungstechnik)-- übte im Streitjahr 2006 eine als "Marketingberaterin für Musik, Kunst und Mode" bezeichnete Tätigkeit aus. Ihre hieraus erzielten Einkünfte erklärte sie als solche aus selbständiger Arbeit (§ 18 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung --EStG--). Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) wertete die Tätigkeit der Klägerin demgegenüber aufgrund der von ihr eingereichten Beschreibung als "Beratung im Bereich der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit (Public-Relations-Berater)" und demzufolge als gewerblich i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Darüber hinaus erkannte er verschiedene Aufwendungen, u.a. für eine zweiwöchige Reise nach Thailand, nicht als Betriebsausgaben an. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die anschließende Klage wurde von der X-Steuerberatungsgesellschaft mbH (GmbH) im Namen der Klägerin eingereicht.
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Nach Ladung der GmbH als Prozessbevollmächtigte der Klägerin zur mündlichen Verhandlung am 18. Januar 2011 war am 13. Januar 2011 ein Schriftsatz von Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwalt K beim Finanzgericht (FG) eingegangen, in dem dieser u.a. darauf hinwies, er bestelle sich in Untervollmacht für die Klägerin. Am 17. Januar 2011 bat K um Terminsaufhebung. In einem beigefügten Attest wurde ihm bescheinigt, aufgrund eines akuten Infekts weder arbeits- noch reisefähig zu sein. Den Verlegungsantrag lehnte der Senatsvorsitzende noch am selben Tag unter Verweis auf die fortbestehende Bevollmächtigung der GmbH und die mögliche Teilnahme am Termin durch diese ab. Die Ablehnung wurde sowohl K als auch der GmbH übermittelt. In einem weiteren Fax vom 17. Januar 2011 wies K nun darauf hin, er sei deshalb von der GmbH mandatiert worden, weil er als Jurist die Grundsätze des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Aufteilungs- und Abzugsverbot besser würdigen könne als ein reiner Steuerberater. Außerdem würden sich Juristen bekanntermaßen auch besser im Prozessrecht auskennen. Das FG führte die mündliche Verhandlung durch und wies die Klage ab.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) begehrt.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen, soweit ihre Darlegung überhaupt den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt, nicht vor.
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1. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen.
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a) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO) durch die ohne die Anwesenheit der Klägerin oder eines ihrer Prozessbevollmächtigten durchgeführte mündliche Verhandlung liegt nicht vor.
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aa) Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht einen Termin aus "erheblichen Gründen" vor seiner Durchführung aufheben oder (unter Bestimmung eines neuen Termins) verlegen. Sind die geltend gemachten Gründe i.S. des § 227 ZPO erheblich, so verdichtet sich die in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessensfreiheit zu einer Rechtspflicht. Welche Gründe als erheblich anzusehen sind, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls. In der ungerechtfertigten Ablehnung der Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten Termins liegt im Allgemeinen die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und damit ein Verfahrensmangel (z.B. BFH-Beschluss vom 5. Juni 2007 VI B 132/06, BFH/NV 2007, 1701).
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Ein erheblicher Grund für eine Änderung des Termins liegt zwar regelmäßig in einer kurzfristigen, überraschenden Erkrankung eines Prozessbevollmächtigten, falls diese den Prozessbevollmächtigten an der Wahrnehmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung hindert (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 8. März 2006 VII B 266/05, BFH/NV 2006, 1316). Dies gilt jedoch nur, falls eine Vertretung nicht in Betracht kommt oder als nicht zumutbar erscheint (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Januar 2010 VIII B 221/09, juris, m.w.N.).
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Kann der Prozessbevollmächtigte deshalb einen anberaumten Termin nicht wahrnehmen, so ist das Gericht gleichwohl nicht an der Durchführung des Termins gehindert, wenn die Prozessvollmacht auf eine Sozietät ausgestellt ist und der Termin durch ein anderes Mitglied der Sozietät sachgerecht wahrgenommen werden kann. Hinderungsgründe für eine Wahrnehmung des Termins durch eine andere Person müssen in einem solchen Fall, sofern sie nicht offenkundig sind, im Einzelnen vorgetragen werden; ohne einen solchen Vortrag darf das Gericht von dem Bestehen einer Vertretungsmöglichkeit ausgehen und demgemäß das Vorliegen "erheblicher Gründe" für eine Terminsverlegung verneinen (vgl. BFH-Beschluss vom 7. April 2004 I B 111/03, BFH/NV 2004, 1282, sowie Senatsbeschluss vom 25. November 2008 III B 161/07, BFH/NV 2009, 406, jeweils m.w.N.).
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bb) Danach ist die Ablehnung der Terminsverlegung durch das FG nicht zu beanstanden. Die Klägerin wurde vor dem FG aufgrund Vollmachtserteilung durch die GmbH als Prozessbevollmächtigte und bei weiter geltender Hauptvollmacht kraft Untervollmacht durch K vertreten. Entgegen ihrer Ansicht gilt die Vertretungsmöglichkeit nicht nur im Fall der Beauftragung einer Sozietät, sondern auch bei separater Beauftragung von mehreren Bevollmächtigten bzw. --wie im Streitfall-- bei Haupt- und Unterbevollmächtigung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. November 1987 IX R 56/83, BFH/NV 1988, 317, zur Verhandlung in Abwesenheit des Unterbevollmächtigten; BFH-Beschluss vom 13. Mai 2011 V B 60/10, BFH/NV 2011, 1886). Denn auch der Unterbevollmächtigte eines Prozessvertreters ist Vertreter der Partei, in deren Namen er handelt (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. März 1981 III ZR 60/80, Neue Juristische Wochenschrift 1981, 1727). Eine Terminsabsetzung war deshalb allein aufgrund der geltend gemachten Erkrankung des Unterbevollmächtigten K nicht zwingend angezeigt, worauf sowohl die GmbH als auch K durch den Senatsvorsitzenden hingewiesen wurden.
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Es hätte vielmehr der Darlegung gegenüber dem FG bedurft, weshalb eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sowohl der GmbH als auch K nicht möglich war. Eine diese Anforderungen erfüllende Begründung des Antrags auf Terminsverlegung wurde gleichwohl nicht gegeben. Insbesondere reichte die pauschale Behauptung, K sei als Jurist besser in der Lage, die vom Großen Senat des BFH aufgestellten Grundsätze zum Aufteilungs- und Abzugsverbot zu würdigen ebenso wenig aus wie der Hinweis, es gehe zudem "um die Anwendung des Prozessrechts, bei der sich Juristen bekanntermaßen besser auskennen" würden.
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b) Soweit die Klägerin als "weiteren Verfahrensfehler" geltend macht, der 8. Senat des FG sei in der Sache von vornherein befangen gewesen, kann sie damit im Beschwerdeverfahren wegen der Nichtzulassung der Revision nicht gehört werden.
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Ein Verfahrensverstoß nach § 119 Nr. 2 FGO liegt nur vor, wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. Es genügt nicht, wenn ein Beteiligter erstmals mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision die Befangenheit der Mitglieder des erkennenden Senats des FG geltend macht (BFH-Beschluss vom 8. Oktober 2008 II B 42/08, BFH/NV 2009, 46). Denn die Besorgnis der Befangenheit kann nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung innerhalb des dafür vorgesehenen Zwischenverfahrens (vgl. § 51 FGO i.V.m. §§ 42 ff. ZPO) geltend gemacht werden (BFH-Beschlüsse vom 10. Juni 1998 IV B 114/97, BFH/NV 1999, 57; vom 18. Mai 2005 X B 107/04, BFH/NV 2005, 1617; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 51 Rz 29, m.w.N.).
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2. Auch eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt nicht in Betracht. Insoweit fehlt es bereits an der ordnungsgemäßen Darlegung des Zulassungsgrundes.
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a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, genügt dafür nicht. Der Beschwerdeführer muss vielmehr konkret auf die Rechtsfrage und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. BFH-Beschluss vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).
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b) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin nicht. Sie macht geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, da ihre --vom FG als gewerblich angesehene-- Tätigkeit als Textilingenieurin symptomatisch für die Modebranche sei, "derartige Tätigkeiten" einem ständigen Wandel unterlägen und modernen Entwicklungen anzupassen seien, weil sie sonst nicht erfolgreich geführt werden könnten. Für Berufe im Bereich der Modeentwicklung mit dem Hintergrund Textilingenieur sei deshalb festzulegen, welche Einkunftsart einschlägig sei. Forciert werde die grundsätzliche Bedeutung noch dadurch, dass sich das FG mit ihrer aktuellen Situation nicht auseinandergesetzt habe.
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Hieraus ergibt sich jedoch weder eine bestimmte Rechtsfrage, die der BFH in einem Revisionsverfahren klären könnte, noch eine über die Besonderheiten des Einzelfalls aufgrund der von der Klägerin konkret ausgeübten Tätigkeit hinausgehende Bedeutung für die Allgemeinheit.
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Letztlich wendet sich die Klägerin gegen die --ihrer Ansicht nach unzutreffende-- Würdigung durch das FG, wonach die von ihr im Streitjahr ausgeübte Tätigkeit gerade nicht dem eines Textilingenieurs mit dem Fachbereich Bekleidungstechnik entsprach. Mit Einwänden gegen die materielle Richtigkeit des Urteils kann die Zulassung der Revision jedoch grundsätzlich nicht erreicht werden (z.B. BFH-Beschluss vom 4. November 2010 VII B 60/10, BFH/NV 2011, 869).
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