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BFH 18.01.2012 - XI R 13/10
BFH 18.01.2012 - XI R 13/10 - Keine Vorsteuerberichtigung wegen Entnahme bei Einbringung einer vermieteten Wohnung als Sonderbetriebsvermögen in eine GbR
Normen
§ 2 UStG, § 3 Abs 1b S 1 Nr 1 UStG, § 3 Abs 9a Nr 1 UStG, § 15a Abs 1 UStG, § 15a Abs 2 UStG, § 15a Abs 4 UStG, § 44 Abs 4 UStDV, Art 16 EGRL 112/2006
Vorinstanz
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 12. November 2009, Az: 6 K 1396/08, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Eine Entnahme von Gegenständen ist eine tatsächliche, vom Willen des Unternehmers gesteuerte, nicht auf eine Gegenleistung abzielende Wertabgabe des Unternehmens zu unternehmensfremden Zwecken.
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2. NV: Eine Entnahme von Gegenständen aus dem Unternehmen liegt nur dann vor, wenn der Vorgang bei entsprechender Ausführung an einen Dritten als Lieferung bzw. Werklieferung anzusehen wäre.
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3. NV: Die Zugehörigkeit eines Gegenstandes des Anlagevermögens zum Unternehmensvermögen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne richtet sich grundsätzlich nach der Zuordnung des Gegenstandes zum Unternehmen.
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4. NV: Die Nutzungsüberlassung einer Wohnung, die ein Unternehmer seinem Vermietungsunternehmen zugeordnet hat, an eine GbR, deren Mitunternehmer er ist, schließt nicht zwingend die fortdauernde Zuordnung dieser Wohnung zum Unternehmen i.S. des § 2 UStG aus.
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5. NV: Die ertragsteuerrechtliche und umsatzsteuerrechtliche Zuordnung einer Wohnung können auseinanderfallen, da das Umsatzsteuerrecht mit seinen unionsrechtlichen Vorgaben eigene Voraussetzungen aufstellt, die nicht denen des deutschen Ertragsteuerrechts entsprechen müssen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) führte in den Jahren 1995 bis 1997 an seinem in X belegenen Gebäude erhebliche Baumaßnahmen durch und machte entsprechende Vorsteuerabzugsbeträge geltend. Das bisher einstöckige Gebäude wurde u.a. um zwei Etagen aufgestockt. Das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss vermietete der Kläger steuerpflichtig an eine GmbH, über deren Vermögen im Jahr 1999 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Danach wurde im Jahr 2000 das 1. Obergeschoss zu einer Wohnung umgebaut und ab Dezember 2000 umsatzsteuerfrei an einen Dritten vermietet. Ab 2004 war die Tochter des Klägers Mieterin der Wohnung.
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Bei der Umsatzsteuerfestsetzung für 2000 sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) in der im Jahr 2000 erfolgten steuerfreien Vermietung des 1. Obergeschosses eine "Entnahme" des Gebäudeteils aus dem Unternehmensvermögen und berichtigte die bisher anerkannten Vorsteuern von 42.270,17 DM nach § 15a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) i.V.m. § 44 Abs. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung dahingehend, dass Vorsteuern in Höhe von (72/120 von 42.270,17 DM =) 25.362,10 DM zurückgefordert wurden (Umsatzsteuerbescheid für 2000 vom 7. September 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2008).
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Das Finanzgericht (FG) führte u.a. aus, das FA sei zu Recht von einer "Entnahme" der Wohnung aus dem unternehmerischen Bereich des Klägers ausgegangen. Entsprechend dem Vortrag des Klägers, dass das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss im Jahr 2000 als Sonderbetriebsvermögen des Klägers bei der Y-GbR --bestehend aus dem Kläger und seiner Ehefrau-- eingebracht worden sei, habe dieser Gegenstand nicht mehr dem Unternehmen des Klägers gedient. Dieser Vorgang sei als "Entnahmeverbrauch" zu beurteilen.
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Allerdings sei der Umfang der Vorsteuerkorrektur vom FA zu hoch angesetzt worden. Der maßgebliche Korrekturbetrag belaufe sich auf (72/120 von 28.875 DM =) 17.325 DM.
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Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 925 und Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2011, 631 veröffentlicht.
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Mit seiner Revision beruft sich der Kläger auf die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG oder § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG und § 15a UStG unzutreffend ausgelegt.
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Die Auffassung des FG, im Streitfall habe eine "Entnahme" i.S. von § 15a Abs. 4 UStG stattgefunden, sei unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteil vom 21. April 1988 V R 135/83, BFHE 153, 175, BStBl II 1988, 746) sei eine Entnahme "ein tatsächlicher Vorgang, bei dem der Unternehmer einen zuvor dem unternehmerischen Bereich zugeordneten Gegenstand endgültig aus diesem Bereich herausnimmt; es handelt sich um eine tatsächliche (vom Willen des Unternehmers gesteuerte) Wertabgabe des Unternehmens." Diese Rechtsprechung sei uneingeschränkt auf den nunmehr geltenden § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG übertragbar. Im Streitfall seien die Räume nicht für außerunternehmerische Zwecke verwendet worden.
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Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid für 2000 dahingehend zu ändern, dass bei der Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG für das Jahr 2000 ein Betrag von 240,63 DM (entsprechend 123,04 €) zu berücksichtigen ist.
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Das FA beantragt, die Sache gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zurückzuverweisen.
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Es hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung, dass infolge der Vermietung der Räume im 1. Obergeschoss eine "Entnahme" des Gebäudeteils aus dem Unternehmen stattgefunden habe, nicht mehr fest. Dementsprechend sei auch keine Vorsteuerkorrektur nach § 15a Abs. 4 UStG durchzuführen.
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Für das Streitjahr 2000 sei aber § 15a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 UStG anzuwenden. Die danach vorzunehmende Vorsteuerberichtigung erstrecke sich nicht nur auf einen Monat (Dezember), sondern habe für den gesamten Zeitraum zu erfolgen, ab dem eine geänderte Verwendungsabsicht für die Räume im 1. Obergeschoss (umgebaute Wohnung) bestanden habe. In diesem Zusammenhang sei offen, ob die Räume in der Zeit von Januar 2000 bis November 2000 leer gestanden hätten oder ob eine Vermietung an die GbR erfolgt sei. Mit dem Umbau der Büro-, Schulungs- und Sanitärräume im 1. Obergeschoss solle im Juli 2000 begonnen worden sein.
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Damit sei unklar, welcher Zeitraum für die Vorsteuerberichtigung zu berücksichtigen sei. Es sei denkbar, dass nicht erst ab Dezember 2000, sondern zumindest ab Beginn des Umbaus ab Juli 2000 --ggf. ab einem früheren Zeitpunkt-- eine Änderung der Verhältnisse i.S. des § 15a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 UStG anzunehmen sei.
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Der Kläger führt hierzu ergänzend aus: Soweit das FA nunmehr eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 i.V.m. § 15a Abs. 2 UStG für zutreffend halte, sei die Sache spruchreif im Sinne einer Klagestattgabe entsprechend der begehrten nur ratierlichen Berichtigung der Vorsteuer. Denn der BFH sei gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die tatsächlichen Feststellungen des FG gebunden. Danach beginne der Berichtigungszeitraum (erst) ab Dezember 2000. Im Übrigen sei das FG insoweit nicht zu eigenen Ermittlungen verpflichtet gewesen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
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Das FG hat zu Unrecht eine "Entnahme" des 1. Obergeschosses des Gebäudes aus dem Unternehmensvermögen des Klägers bejaht und ist daher unzutreffend vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung i.S. von § 15a Abs. 4 i.V.m. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG ausgegangen. Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ab welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung i.S. von § 15a Abs. 1 i.V.m. § 15a Abs. 2 UStG vorliegen.
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1. Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, innerhalb von fünf Jahren seit dem Beginn der Verwendung, so ist nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Bei Grundstücken einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile, bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Boden tritt an die Stelle des Zeitraums von fünf Jahren ein solcher von zehn Jahren (§ 15a Abs. 1 Satz 2 UStG).
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Nach § 15a Abs. 2 Satz 1 UStG ist bei der Berichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG für jedes Kalenderjahr der Änderung in den Fällen des Satzes 1 von einem Fünftel und in den Fällen des Satzes 2 von einem Zehntel der auf das Wirtschaftsgut entfallenden Vorsteuerbeträge auszugehen.
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Nach § 15a Abs. 4 Satz 1 UStG liegt eine Änderung der Verhältnisse auch vor, wenn das noch verwendungsfähige Wirtschaftsgut vor Ablauf des nach § 15a Abs. 1 bis 3 UStG maßgeblichen Berichtigungszeitraums veräußert oder nach § 3 Abs. 1b UStG geliefert wird und dieser Umsatz für den Vorsteuerabzug anders zu beurteilen ist als die Verwendung im ersten Kalenderjahr. Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG wird die Entnahme eines Gegenstandes durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt.
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Gemäß § 15a Abs. 6 UStG ist die Berichtigung nach § 15a Abs. 4 UStG so vorzunehmen, als wäre das Wirtschaftsgut in der Zeit von der Veräußerung oder Lieferung i.S. des § 3 Abs. 1b UStG bis zum Ablauf des maßgeblichen Berichtigungszeitraums unter entsprechend geänderten Verhältnissen weiterhin für das Unternehmen verwendet worden.
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2. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nunmehr unstreitig, dass die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 4 UStG nicht erfüllt sind, weil eine Entnahme i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG nicht vorliegt.
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a) Eine Entnahme von Gegenständen ist eine tatsächliche, vom Willen des Unternehmers gesteuerte, nicht auf eine Gegenleistung abzielende Wertabgabe des Unternehmens zu unternehmensfremden Zwecken (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 3. November 1983 V R 4-5/73, BFHE 140, 115, BStBl II 1984, 169, unter B.II.1.a; vom 26. April 1995 XI R 5/94, BFHE 178, 474, BStBl II 1996, 248, unter 2.; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 329).
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Eine Entnahme eines Gegenstandes aus dem Unternehmen i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG liegt nur dann vor, wenn der Vorgang bei entsprechender Ausführung an einen Dritten als Lieferung bzw. Werklieferung anzusehen wäre (vgl. Leonard in Bunjes, UStG, 10. Aufl., § 3 Rz 144; Michl in Offerhaus/Söhn/ Lange, § 3 UStG Rz 74b). Dabei können auch wirtschaftlich abgrenzbare Teile eines Gebäudes Gegenstand einer Lieferung sein (vgl. Martin in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 3 Rz 93 unter Hinweis auf Art. 13 Teil B Buchst. g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - nunmehr Art. 135 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112 EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 347, 1).
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Der Begriff der Entnahme i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG ist deckungsgleich mit dem Begriff der Entnahme in Art. 16 MwStSystRL (Klenk in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 3 Rz 327).
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b) Die Annahme des FG, eine "Entnahme" des Gebäudeteils in Gestalt der Wohnung im 1. Obergeschoss liege darin, dass der Kläger diese im Jahr 2000 der GbR durch Überführung in sein Sonderbetriebsvermögen "zur Verfügung" gestellt habe, ist unzutreffend.
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Denn dieser Vorgang --seine Richtigkeit unterstellt-- erfüllt nicht die Tatbestandsmerkmale einer "Entnahme" i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG.
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aa) Die Zugehörigkeit eines Gegenstandes des Anlagevermögens zum Unternehmensvermögen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne richtet sich grundsätzlich nach der Zuordnung des Gegenstands zum Unternehmen (vgl. z.B. Oelmaier in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 1 Rz 27, und zur Zuordnungsentscheidung bei gemischt genutzten Gebäuden z.B. BFH-Urteile vom 7. Juli 2011 V R 42/09, BFH/NV 2011, 1980; vom 19. Juli 2011 XI R 29/09, BFHE 234, 556, BFH/NV 2011, 2198, unter II.1.c).
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bb) Im Streitfall hat der Kläger nach den Feststellungen des FG das gesamte Gebäude zu Vermietungszwecken im Rahmen seines von ihm betriebenen Vermietungsunternehmens genutzt, so dass umsatzsteuerrechtlich das gesamte Gebäude --einschließlich des das 1. Obergeschoss umfassenden Gebäudeteils-- dem Unternehmen des Klägers zugeordnet war (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil in BFHE 178, 474, BStBl II 1996, 248, unter 1.; Korn in Bunjes, a.a.O., § 2 Rz 153 ff., m.w.N.).
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Der Kläger hat weder ausdrücklich eine Entnahme dieses Gebäudeteils (1. Obergeschoß) erklärt, noch ihn konkludent seinem Unternehmensvermögen entnommen.
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cc) Die vom FG angenommene --und als wesentlich angesehene-- ertragsteuerrechtliche Behandlung der Wohnung im 1. Obergeschoss des Gebäudes "als Sonderbetriebsvermögen des Klägers bei der Y-GbR" steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
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Denn die Nutzungsüberlassung einer Wohnung, die ein Unternehmer seinem Unternehmen zugeordnet hat, an eine GbR, deren Mitunternehmer er ist, schließt nicht zwingend die fortdauernde Zuordnung dieser Wohnung zum Unternehmen i.S. des § 2 UStG aus. Die ertragsteuerrechtliche und umsatzsteuerrechtliche Zuordnung einer Wohnung können auseinanderfallen, da das Umsatzsteuerrecht i.V.m. dem Unionsrecht für die Zuordnung eigene Voraussetzungen aufstellt, die nicht denen des deutschen Ertragsteuerrechts entsprechen müssen.
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Zwar kann für die Frage, ob ein Unternehmer ein Wirtschaftsgut umsatzsteuerrechtlich seinem Unternehmen zugeordnet hat, auch die bilanzielle und ertragsteuerliche Behandlung dieses Wirtschaftsguts ein Indiz für die umsatzsteuerliche Behandlung sein (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1980, unter II.3., m.w.N.). So kann z.B. der Umstand, dass der Unternehmer gewillkürtes Betriebsvermögen nicht bilanziert, ein Indiz dafür sein, dass er es auch umsatzsteuerrechtlich nicht seinem Unternehmen zuordnet (vgl. BFH-Urteile vom 31. Januar 2002 V R 61/96, BFHE 197, 372, BStBl II 2003, 813, unter II.2.b cc; vom 28. Februar 2002 V R 25/96, BFHE 198, 216, BStBl II 2003, 815, unter II.2.a).
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Eine ertragsteuerrechtliche Behandlung eines zuvor dem Unternehmen zugeordneten Wirtschaftsguts als Sonderbetriebsvermögen bedeutet aber nicht, dass diese umsatzsteuerrechtliche Zuordnung zum Unternehmen nun nicht mehr besteht (vgl. auch zur umsatzsteuerrechtlichen Unmaßgeblichkeit von Sonderbetriebsvermögen für die Frage einer finanziellen Eingliederung im Rahmen einer Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG: BFH-Urteile vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.4.c; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.3.d bb).
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c) Auch die ab Dezember 2000 erfolgte steuerfreie Vermietung der Wohnung im 1. Obergeschoss des Gebäudes erfüllt entgegen der ursprünglich vom FA vertretenen Rechtsauffassung nicht die Voraussetzungen einer "Entnahme" i.S. des § 15a Abs. 4 UStG i.V.m. § 3 Abs. 1b UStG. Denn die Zugehörigkeit der Wohnung zum Unternehmensvermögen des Klägers wird nicht durch den Umstand beeinflusst, ob die Vermietung steuerfrei oder steuerpflichtig erfolgt. Dies kann lediglich Auswirkungen auf den Umfang des Vorsteuerabzugs haben, weil für Eingangsbezüge, die für steuerfreie Ausgangsumsätze verwendet werden, nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist.
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3. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Denn die tatsächlichen Feststellungen des FG erlauben keine abschließende Entscheidung darüber, ab welchem Zeitpunkt im Streitjahr 2000 ggf. eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG i.V.m. § 15a Abs. 2 UStG in Betracht kommt.
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a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, wurde die im 1. Obergeschoss befindliche Wohnung im Jahr 2000 umsatzsteuerfrei an einen Dritten vermietet. Festgestellt ist, dass diese Vermietung ab Dezember 2000 stattgefunden hat. Damit haben sich die Verwendungsverhältnisse gegenüber der erstmaligen --für den Vorsteuerabzug maßgebenden-- Verwendung geändert (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 9. Februar 2011 XI R 35/09, BFHE 233, 86, BStBl II 2011, 1000, unter II.2.c aa). Denn das 1. Obergeschoss war bis Ende 1999 steuerpflichtig an die GmbH vermietet. Auch dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
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Den tatsächlichen Feststellungen des FG lässt sich aber nicht entnehmen, ob im Jahr 2000 bereits vor Dezember und ggf. ab welchem Zeitpunkt eine Vermietung an die Y-GbR stattgefunden hat bzw. beabsichtigt war. Für diesen Fall hätten sich möglicherweise die Verhältnisse i.S. von § 15a Abs. 1 UStG schon zu einem früheren Zeitpunkt geändert (vgl. z.B. Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 15a Rz 130, Heidner in Bunjes, a.a.O., § 15a Rz 16).
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Entgegen der Auffassung des FA wäre ein etwaiger Leerstand der Räume vor Dezember 2000 in diesem Zusammenhang unbeachtlich, weil der BFH seine diesbezüglich ergangene Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 12. Mai 1993 XI R 64-65/90, BFHE 172, 152, BStBl II 1993, 849) wegen der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung inzwischen aufgegeben hat (BFH-Urteil vom 25. April 2002 V R 58/00, BFHE 200, 434, BStBl II 2003, 435).
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b) Was den Beginn des Vorsteuerberichtigungszeitraums angeht, besteht abweichend von der Auffassung des Klägers keine Bindung an entsprechende tatsächliche Feststellungen des FG nach § 118 Abs. 2 FGO, da diese insoweit fast gänzlich fehlen. Insoweit reicht es nicht für eine Bindung des BFH nach § 118 Abs. 2 FGO aus, dass das FG --ausgehend von dem seinerzeit gegebenen Streitstand-- die ursprüngliche und den angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Auffassung des FA bestätigt hat, der Berichtigungszeitraum beginne (erst) im Dezember 2000. Die pauschale Bezugnahme des FG im Tatbestand seines Urteils auf "die gewechselten Schriftsätze" und die "vorgelegten Behördenakten" können die fehlenden eigenen tatsächlichen Feststellungen des FG zu den Tatsachen nicht ersetzen (vgl. z.B. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 217 f., m.w.N.; Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 37, m.w.N.).
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Das FG wird die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
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