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BFH 29.11.2011 - VII S 36/11
BFH 29.11.2011 - VII S 36/11 - (Klage auf Erteilung steuerlicher Informationen aus den Steuerakten eines Dritten - "Den Streitfall betreffende Akten" i.S. des § 71 Abs. 2 FGO - Einsichtsrecht - Anhörungsrüge wegen angeblicher Überraschungsentscheidung)
Normen
§ 71 FGO, § 78 Abs 1 FGO, § 133a FGO, Art 103 Abs 1 GG, § 96 Abs 2 FGO
Vorinstanz
vorgehend BFH, 9. September 2011, Az: VII B 73/11, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Ist eine Klage auf Erteilung steuerlicher Informationen aus den Steuerakten eines Dritten gerichtet, handelt es sich bei diesen Steuerakten nicht um "die den Streitfall betreffenden Akten" i.S. des § 71 Abs. 2 FGO. Werden diese Akten gleichwohl von der Finanzbehörde unaufgefordert dem FG übersandt, besteht kein Akteneinsichtsrecht nach § 78 Abs. 1 FGO .
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2. NV: Dass das Gericht in dem die versagte Akteneinsicht betreffenden Beschwerdeverfahren die Frage für entscheidungserheblich ansieht, ob es sich bei diesen Akten um "die dem Gericht vorgelegten Akten" i.S. des § 78 Abs. 1 FGO handelt, und diese Frage verneint, ist eine Entscheidung, mit der ein sachkundig Beteiligter rechnen musste .
Gründe
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Der Senat sieht den Anspruch des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
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Anders als der Kläger offenbar meint, hat der Senat mit dem Beschluss vom 9. September 2011 VII B 73/11 nicht die Auffassung vertreten, das Recht eines Beteiligten auf Einsichtnahme in diejenigen dem Gericht vorliegenden Akten, welche vom Gericht als in Betracht kommende Entscheidungsgrundlage herangezogen worden sind, hänge von ihrer Entscheidungserheblichkeit für den betreffenden Rechtsstreit ab. Eine solche Betrachtungsweise ließe sich mit dem Anspruch der am finanzgerichtlichen Verfahren Beteiligten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht vereinbaren.
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Unter den besonderen Umständen des Streitfalls, in dem im finanzgerichtlichen Verfahren der Hauptsache 6 K 440/10 um die Erteilung steuerlicher Informationen aus den Steuerakten eines Dritten, nämlich des Insolvenzschuldners, gestritten wird, in dem der Zugriff auf den Inhalt dieser Steuerakten also gerade das Ziel der Klage vor dem Finanzgericht (FG) ist, stellte sich in dem vorangegangenen Beschwerdeverfahren vielmehr die Frage, ob solche Akten "die den Streitfall betreffenden Akten" i.S. des § 71 Abs. 2 FGO sind, die das FG nach Eingang einer Klage von der Finanzbehörde anfordert bzw. diese von sich aus dem FG übermittelt und die die Beteiligten (grundsätzlich uneingeschränkt) gemäß § 78 Abs. 1 FGO als "vorgelegte Akten" einsehen können.
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Weder dass der Senat diese Frage als entscheidungserheblich angesehen hat noch dass er sie verneint hat, kann unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Streitfalls als eine Entscheidung angesehen werden, mit der der sachkundig vertretene Kläger nicht rechnen musste. Das angeblich Überraschende an der Entscheidung lässt sich insbesondere nicht mit dem Hinweis auf die Senatsbeschlüsse vom 16. August 1999 VII B 131/99 (BFH/NV 2000, 78) und vom 28. November 2005 VII B 54/05 (BFH/NV 2006, 758) begründen, da es in jenen Verfahren nicht um die den Streitfall kennzeichnende Konstellation ging, in der die Frage des Akteneinsichtsrechts gemäß § 78 Abs. 1 FGO solche Akten betrifft, auf eben deren Inhalt sich das Klagebegehren im Hauptsacheverfahren richtet.
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Es dürfte auch eher als naheliegend und nicht als unvorhersehbar anzusehen sein, ein Akteneinsichtsrecht nach § 78 Abs. 1 FGO hinsichtlich solcher Akten zu verneinen, die das FG nicht beigezogen hat, sondern die ihm unaufgefordert übermittelt worden sind, und die nicht den Verwaltungsvorgang betreffen, welcher dem Klageverfahren vorausgegangen ist und zu ihm geführt hat, sondern bei denen es sich um einen Dritten betreffende Steuerakten handelt, der nicht Beteiligter des jeweiligen gerichtlichen Verfahrens ist. Dass anderes gelten mag, falls das FG ihm unaufgefordert übersandte Verwaltungsakten, bei denen es sich nicht um solche i.S. des § 71 Abs. 2 FGO handelt, nicht an die Finanzbehörde zurücksendet, sondern bei der Gerichtsakte behält, hat der Senat im Beschluss vom 9. September 2011 ausgeführt.
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Das vorangegangene Beschwerdeverfahren hat durch die vom Senat vorgenommene Prüfung, ob die den Insolvenzschuldner betreffenden Steuerakten als "die dem Gericht vorgelegten Akten" i.S. des § 78 Abs. 1 FGO anzusehen sind, keine Wendung erfahren, mit der ein sachkundiger bzw. sachkundig vertretener Prozessbeteiligter nicht rechnen konnte. Diese Prüfung war ohnehin nach dem Wortlaut der Vorschrift erforderlich und insbesondere --wie ausgeführt-- durch das den Streitfall kennzeichnende Merkmal bedingt, dass die Offenlegung steuerlicher Informationen aus den Akten des Insolvenzschuldners gerade das im Hauptsacheverfahren verfolgte Ziel ist, diese Akten mit anderen Worten Gegenstand der Klage sind, nicht aber als Entscheidungsgrundlage dafür in Betracht kommen, ob der im Hauptsacheverfahren verfolgte Anspruch des Klägers besteht oder nicht. Diese zu prüfende Frage war auch bereits durch den vorausgegangenen Beschluss des FG vom 24. Februar 2011 6 K 440/10 vorgezeichnet, denn das FG hat in diesem Beschluss ausgeführt:
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"Da Speicherkontoauszüge und insbesondere die Besteuerungsgrundlagen in den Steuerakten enthalten sind bzw. sein können, deckt sich der Antrag auf Akteneinsicht insoweit mit dem Klagebegehren des Klägers. Die vollständige Gewährung der beantragten Akteneinsicht bedeutete in großen Teilen bereits eine Vorwegnahme der Hauptsache und war deshalb zurückzuweisen."
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Mit diesen Ausführungen umschreibt das FG die vom beschließenden Senat im Beschwerdeverfahren angestellten Erwägungen lediglich mit anderen Worten. Anders als der Kläger meint, kann also nicht davon gesprochen werden, die rechtlichen Erwägungen des Senats zum Akteneinsichtsrecht unter den besonderen Umständen des Streitfalls seien vom FG bisher nicht thematisiert worden. Der Kläger musste vielmehr von der Möglichkeit ausgehen, das Beschwerdegericht könnte ebenso wie das FG entscheiden. Dass er evtl. aufgrund eigener Rechtsprüfung erwartete, seine Beschwerde werde Erfolg haben, rechtfertigt es nicht, den Beschluss vom 9. September 2011 als Überraschungsentscheidung zu bezeichnen.
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Für die Entscheidung wird nach der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz eine Gebühr in Höhe von 50 € erhoben.
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