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BFH 24.08.2011 - VIII R 36/09
BFH 24.08.2011 - VIII R 36/09 - Zahnarzt - Betriebskostenversicherung - Aufteilung - Betriebliche und private Veranlassung - Quarantänerisiko
Normen
§ 4 Abs 4 EStG 1999
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 5. November 2008, Az: 7 K 116/05, Urteil
Tatbestand
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I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Beiträge für eine Betriebskostenversicherung als Betriebsausgaben abziehbar sind.
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte in den Streitjahren (1999 bis 2001) Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Zahnarzt und Inhaber einer (Privat-)Praxis für Zahnheilkunde, deren Gewinn er nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte.
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Er hatte eine Betriebskostenversicherung mit einem Jahresbeitrag (in den Streitjahren) von jeweils 4.800 DM abgeschlossen. Danach war der Versicherer verpflichtet, den Aufwand an fortlaufenden Betriebskosten zu ersetzen, wenn der Betrieb durch Arbeitsunfähigkeit des Inhabers wegen Krankheit oder Unfallfolgen oder aber durch behördlich angeordnete Quarantäne unterbrochen werden sollte.
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Die Aufwendungen für die Betriebskostenversicherung machte der Kläger erfolglos als Betriebsausgaben bei seinen Einkünften aus freiberuflicher ärztlicher Tätigkeit geltend. Die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 648 veröffentlichten Urteil ab.
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Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.
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Das FG habe unter Verstoß gegen die Denkgesetze verkannt, dass die streitige Betriebskostenversicherung ausschließlich betriebliche Risiken versichere, der Versicherungsabschluss damit betrieblich veranlasst und folglich die entsprechenden Beiträge als Betriebsausgaben abzuziehen seien.
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Zu Unrecht hätte das FG in der angefochtenen Entscheidung wie auch der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 19. Mai 2009 VIII R 6/07 (BFHE 225, 119, BStBl II 2010, 168) auf die "versicherte Risikoursache" als Abgrenzungsmerkmal zwischen betrieblich und privat veranlassten Versicherungsverträgen abgestellt. Vielmehr müssten Versicherungsverträge schon dann als betrieblich veranlasst angesehen werden, wenn ihr Gegenstand Risiken der Einkünfteerzielung wie hier fortlaufende Betriebskosten seien. Danach seien Unfall- und Krankenversicherungen nur dann der steuerunerheblichen Einkommensverwendung zuzurechnen, wenn sie nicht an die Einkünfteerzielung anknüpften.
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Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide vom 29. Juli 2003 für die Streitjahre 1999 bis 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 15. Juli 2005 unter Ansatz der Aufwendungen für die Betriebskostenversicherung von jährlich 4.800 DM als weitere Betriebsausgaben des Klägers bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit zu ändern.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
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Er folgt dem BFH-Urteil in BFHE 225, 119, BStBl II 2010, 168.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Zu Recht geht die angefochtene Entscheidung allerdings davon aus, dass die Aufwendungen für eine Betriebskostenversicherung der hier streitigen Art nicht als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG abgezogen werden können, soweit die Versicherung das allgemeine Erkrankungs- oder Unfallrisiko des Versicherungsnehmers abdeckt und bei Eintritt dieser Risiken die Betriebskosten des vom Versicherungsnehmer unterhaltenen Betriebs zahlt. Zurückzuverweisen ist die Sache aber, weil die streitige Versicherung auch das Risiko einer Betriebsunterbrechung durch eine amtlich angeordnete Quarantäne abdeckt und der insoweit entstandene Prämienaufwand als Betriebsausgabe abziehbar ist; die (noch fehlenden) tatsächlichen Feststellungen für die Bemessung dieses Anteils der Versicherung des Quarantänerisikos an der Gesamtprämie hat das FG nachzuholen.
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1. Im Ausgangspunkt zu Recht hat das FG die Entscheidung in der Frage, ob die streitigen Aufwendungen des Klägers für seine Betriebsausfallversicherung Betriebsausgaben seiner freiberuflichen Praxis sind, an der Art des versicherten Risikos orientiert.
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a) Insoweit gelten für Betriebsausfall- oder Betriebsunterbrechungsversicherungen nach der BFH-Entscheidung in BFHE 225, 119, BStBl II 2010, 168 dieselben Grundsätze wie für andere Versicherungen. Beziehen sich Versicherungen auf ein betriebliches Risiko, führen sie zu Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen (so insbesondere Versicherungen gegen Zerstörung oder Beschädigung betrieblich genutzter Gegenstände durch Unfall, Brand, Sturm, Wassereinbruch oder ähnliche Ereignisse; vgl. BFH-Urteile vom 18. Juli 1968 I 224/65, BFHE 93, 233, BStBl II 1968, 737; vom 9. Dezember 1982 IV R 54/80, BFHE 137, 453, BStBl II 1983, 371).
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Betreffen sie dagegen außerbetriebliche Risiken, können Ausgaben allenfalls als Sonderausgaben i.S. von § 10 EStG berücksichtigt werden, während eventuelle Versicherungsleistungen nicht steuerbar sind (BFH-Urteile vom 6. Februar 1992 IV R 30/91, BFHE 167, 366, BStBl II 1992, 653; vom 26. August 1993 IV R 35/92, BFH/NV 1994, 306). Zu diesen außerbetrieblichen Risiken gehören insbesondere Gefahren, die in der Person des Betriebsinhabers begründet sind, wie etwa das allgemeine Lebensrisiko, zu erkranken oder Opfer eines Unfalles zu werden (BFH-Urteile vom 22. Mai 1969 IV R 144/68, BFHE 95, 447, BStBl II 1969, 489; vom 7. Oktober 1982 IV R 32/80, BFHE 137, 19, BStBl II 1983, 101; in BFHE 167, 366, BStBl II 1992, 653; in BFH/NV 1994, 306). Denn das Risiko krankheits- oder unfallbedingter Vermögenseinbußen (Heilbehandlungskosten, Verdienstausfall) ist bei wertender Betrachtung der privaten Lebensführung zuzurechnen. Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn durch die Ausübung des Berufs ein erhöhtes Risiko geschaffen wird und der Abschluss des Versicherungsvertrages entscheidend der Abwendung dieses Risikos dient. Daher sind Versicherungen, die Schutz gegen spezielle berufs- oder betriebsspezifische Gefahren (Berufskrankheiten, Arbeitsunfälle) gewähren, der betrieblichen/beruflichen Sphäre zuzurechnen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 137, 19, BStBl II 1983, 101; in BFH/NV 1994, 306).
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b) Die Einwendungen des Klägers gegen diese durch die Entscheidung in BFHE 225, 119, BStBl II 2010, 168 bestätigte Rechtsprechung geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.
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Entgegen der Ansicht der Revision kann es für die Einordnung eines Risikos als betrieblich oder privat nicht entscheidend sein, welche Aufwendungen oder Schäden bei Eintritt des Versicherungsfalles vom Versicherer zu ersetzen sind. Gegen diese Auffassung --das Risiko der Betriebsunterbrechung sei schon aufgrund des damit verbundenen Ausfalls der Betriebseinnahmen immer betrieblich veranlasst (so Beiser, Der Betrieb 2009, 2237)-- spricht jedoch, dass das ausschließliche Abstellen auf den Ausfall von Einnahmen auch für Beiträge zur privaten Krankenversicherung von Arbeitnehmern zum Abzug als Werbungskosten führen müsste, dass diese Aufwendungen aber nach den Grundentscheidungen des Gesetzgebers dem beschränkten Sonderausgabenabzug nach § 10 EStG zugeordnet worden sind (so zu Recht Fissenewert in Herrmann/Heuer/Raupach, § 12 EStG Rz 96).
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Danach ist mit der ständigen Rechtsprechung eine betriebliche Veranlassung von Versicherungsaufwendungen nur dann anzunehmen, wenn die jeweils versicherte Gefahr durch den Betrieb veranlasst wird (BFH-Urteile in BFHE 167, 366, BStBl II 1992, 653; in BFH/NV 1994, 306). Das ist bei dem speziellen Risiko einer Berufskrankheit oder bei einer Gefahrerhöhung durch eine besondere berufliche oder betriebliche Tätigkeit der Fall, nicht aber beim allgemeinen Gesundheitsrisiko, das der Privatsphäre zuzurechnen ist. Welche finanziellen Schäden in Folge der Verwirklichung des Risikos eintreten, ist für die Zuordnung des Risikos zur betrieblichen oder privaten Sphäre hingegen unerheblich. Realisiert sich ein betriebliches Risiko, dann sind auch die finanziellen Folgen mittelbar durch den Betrieb verursacht. Realisiert sich dagegen ein Risiko in der privaten Sphäre, dann werden die finanziellen Folgen durch das der Privatsphäre zuzurechnende Ereignis --und nicht durch den Betrieb-- verursacht.
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c) Nach diesen Grundsätzen, an denen der BFH im Anschluss an die Entscheidung in BFHE 225, 119, BStBl II 2010, 168 in der Folgezeit festgehalten hat (vgl. BFH-Urteile vom 18. August 2009 X R 21/07, BFH/NV 2010, 192; vom 3. März 2011 IV R 45/08, BFHE 233, 137, BStBl II 2011, 552; zustimmend Alvermann/ Potsch, Finanzrundschau --FR-- 2009, 1132; Kanzler, FR 2009, 1141), kann der Kläger die Abzugsfähigkeit der streitigen Versicherungsaufwendungen nicht darauf stützen, dass im Versicherungsfall Einnahmeausfälle aus freiberuflicher Tätigkeit und damit mittelbar die damit verbundenen fortlaufenden Betriebsausgaben ausgeglichen würden.
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2. Das FG hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass nach der Entscheidung in BFHE 225, 119, BStBl II 2010, 168 das im Streitfall ebenfalls versicherte Risiko einer behördlich verfügten Quarantäne betrieblich veranlasst ist (ebenso Alvermann/Potsch, FR 2008, 119, 120). Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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Der auf das Quarantänerisiko entfallende Teil des jeweiligen Versicherungsbeitrags ist als betrieblich veranlasst in Abzug zu bringen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 119, BStBl II 2010, 168 insbesondere zur Vereinbarkeit mit § 12 Nr. 1 EStG). Die Aufteilung ist nach dem Verhältnis der Prämien mit und ohne betrieblichen Versicherungsteil vorzunehmen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 119, BStBl II 2010, 168). Die dazu erforderlichen Tatsachenermittlungen wird das FG im zweiten Rechtszug nachholen.
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