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BFH 30.06.2010 - XI R 47/07
BFH 30.06.2010 - XI R 47/07 - (Divergenzanfrage nach § 11 Abs. 3 FGO: Verstoß des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität)
Normen
§ 11 Abs 3 FGO, § 4 Nr 16 Buchst e UStG 1993, Art 13 Teil A Abs 1 Buchst g EWGRL 388/77
Vorinstanz
vorgehend FG Berlin, 16. August 2006, Az: 2 K 5218/01, Urteil
nachgehend BFH, 16. Dezember 2010, Az: V ER-S-3/10, Beschluss
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Sie ist examinierte Krankenschwester und arbeitete 1992 als angestellte Pflegedienstleiterin in einer Sozialstation. Daneben betreute sie ab Anfang 1993 einzelne Patienten selbständig und meldete zum 1. Juni 1993 einen ambulanten Pflegedienst an. Auf ihren Antrag vom 27. August 1993 wurde sie zum 1. Oktober 1993 für die Leistungen der Häuslichen Krankenpflege (§ 37 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch in der damals geltenden Fassung --SGB V--), Häuslichen Pflegehilfe (§§ 53 bis 56 SGB V) und Haushaltshilfe (§ 38 SGB V) zu den Krankenkassen zugelassen.
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In den Umsatzsteuererklärungen für 1993 und 1994 (Streitjahre) behandelte sie ihre Umsätze als gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. e des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) steuerfrei.
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Im Jahr 1999 stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) fest, dass die Klägerin (mit ihrem Personal) im Jahr 1993 insgesamt 76 "Fälle" behandelt hatte, von denen 52 "Fälle" (= 68 %) Privatzahler betrafen. Daraufhin versagte das FA die Steuerfreiheit der von der Klägerin im Jahr 1993 erbrachten Leistungen gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG unter Hinweis darauf, dass nach dieser Vorschrift in mindestens zwei Drittel der Fälle die Kosten von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sein müssten. Die Steuerfreiheit für die von der Klägerin im Jahr 1994 erbrachten Leistungen nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG versagte das FA, weil die Vorschrift auf die Verhältnisse des Vorjahres abstelle. Allerdings greife die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG ein, soweit die Klägerin Leistungen der Behandlungspflege erbracht habe; deren Anteil schätzte das FA auf ein Drittel (Umsatzsteuerbescheide für 1993 und 1994 vom 27. April 1999).
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Dagegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage.
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Während des Klageverfahrens legte sie ein an sie gerichtetes Schreiben der Verwaltung A vom 19. Oktober 2005 vor. Darin heißt es:
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"... Ich kann Ihnen bestätigen, dass Sie auf dem Gebiet der häuslichen Krankenpflege die gleichen Leistungen erbrachten bzw. die gleichen Tätigkeiten ausführten wie die Pflegestationen (Sozialstationen) aus dem Kreise der Liga der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege in A. Die Aufgabenbeschreibung und der Inhalt der Tätigkeit der privaten Leistungsanbieter war identisch mit denen der Sozialstationen der Freien Wohlfahrtspflege. Eine solche Identität der Leistungsinhalte ist nach meinen Unterlagen spätestens seit 1988 gegeben.
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Ich weise darauf hin, dass ab dem 01.01.1992 in § 4 Nr. 16e UStG die Befreiung von der Umsatzsteuer von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Ob diese Voraussetzungen vorlagen, kann und möchte ich nicht beurteilen. Unabhängig von dieser Regelung bin ich aber der Auffassung, dass Sie bzw. Ihr Unternehmen in sozialrechtlicher Hinsicht als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt wurde."
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage überwiegend statt. Es führte zur Begründung aus, die im Streitjahr 1993 bis zum 1. Oktober ausgeführten Umsätze der Klägerin seien, soweit sie auf die Behandlungspflege entfielen, gemäß § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerfrei; deren Anteil schätzte das FG auf der Grundlage von Berechnungen, die die Klägerin im Klageverfahren vorgelegt hatte, auf 75 %.
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Für den Zeitraum vom 1. Oktober 1993 bis 31. Dezember 1994 könne die Klägerin die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG beanspruchen. Die in dieser Vorschrift vorgesehene Bedingung werde bei gesonderter Beurteilung des Zeitraums ab dem 1. Oktober 1993 erfüllt; mindestens zwei Drittel dieser Umsätze seien auf Personen entfallen, bei denen die Pflegekosten von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder überwiegend getragen worden seien. § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG sei richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass erst der Zeitraum ab Oktober 1993 heranzuziehen sei, denn die Klägerin habe die Bedingungen, an welche die Steuerbefreiung anknüpfe, vor ihrer kassenärztlichen Zulassung gar nicht erfüllen können. Würde auf die im gesamten Jahr 1993 von der Klägerin erbrachten Leistungen abgestellt, würde die Befreiung erst 1995 greifen, obwohl die Voraussetzungen der Kostentragung bereits ab dem 1. Oktober 1993 erfüllt worden seien.
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Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 624 abgedruckt.
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Mit seiner Revision macht das FA die Verletzung des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG geltend. Die Klägerin habe in ihrem im Januar 1993 eröffneten Betrieb der ambulanten Krankenpflege bis zum 30. September 1993 ausschließlich Privatpatienten und ab dem 1. Oktober 1993 --mit einem Anteil von mehr als zwei Drittel-- auch Patienten behandelt, für die die Sozialversicherungsträger die Kosten übernommen hätten. § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG stelle hinsichtlich des Kriteriums der Übernahme der Pflegekosten durch die Sozialversicherungsträger auf die Verhältnisse im gesamten (vorangegangenen) Kalenderjahr ab, und nicht erst --wie das FG-- auf den Zeitraum ab Kostenübernahme. Lediglich im Jahr der Firmengründung komme es auf die (schlüssige) Prognose des Unternehmers an. Die Klägerin habe aber bei Aufnahme ihrer Tätigkeit im Januar 1993 keinesfalls davon ausgehen können, sie werde Patienten im Verhältnis zwei Drittel Sozialversicherungsfälle zu einem Drittel Privatzahler behandeln. Für das Streitjahr 1994 verbleibe es bei der gesetzlichen Regelung, die auf die Verhältnisse des Vorjahres abstelle.
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§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG setze Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) zutreffend um. Die Vorschrift verstoße insoweit auch nicht gegen das steuerliche Neutralitätsgebot.
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Das FA beantragt,
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die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit das FG die Klagestattgabe für den Zeitraum vom 1. Oktober 1993 bis zum 31. Dezember 1994 auf § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG gestützt hat.
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Hilfsweise regt sie an, die im Schriftsatz vom 21. Mai 2010 formulierten Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen.
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Sie trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Sie könne sich für die Steuerfreiheit ihrer Umsätze unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG berufen. Entgegen der Auffassung des FG und des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Urteil vom 24. Januar 2008 V R 54/06 (BFHE 221, 391, BStBl II 2008, 643) verstoße die in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG aufgenommene Bedingung, wonach die Pflegekosten zu einem bestimmten Anteil der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sein müssten, gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität.
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Dieser von der Rechtsprechung des EuGH herausgestellte Grundsatz umfasse nicht nur das Gebot der steuerlichen Gleichbehandlung, sondern insbesondere auch das der Wettbewerbsneutralität - wobei für die Frage, ob Leistungen im Wettbewerb stehen, auf die Sicht der Verbraucher abzustellen sei. Aus deren Sicht mache es keinen Unterschied, ob die Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung von einer gewerblich tätigen Pflegeeinrichtung oder von Pflegediensten (Sozialstationen) aus dem Kreis der amtlich anerkannten Verbände der Freien Wohlfahrtspflege ausgeführt würden. Es verletze daher das Gebot der steuerlichen Neutralität in Gestalt der Wettbewerbsneutralität, wenn die Steuerfreiheit bestimmter von ihr erbrachter Leistungen nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG von Bedingungen abhänge, die die amtlich anerkannten Verbände der Freien Wohlfahrtspflege und deren Mitglieder für die Steuerfreiheit der gleichen Leistungen nicht erfüllen müssten.
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Die vom FG vorgenommene richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG sei im Ergebnis zutreffend. Jedenfalls sei aber ein Teil der von ihr ab dem 1. Oktober 1993 ausgeführten Leistungen gemäß § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei.
Entscheidungsgründe
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II. Der Senat beabsichtigt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Er hält die Auffassung der Klägerin, § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG verstoße gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität und sei deshalb im Streitfall nicht anwendbar, für zutreffend. Der Senat sieht insoweit eine Divergenz zur Rechtsprechung des V. Senats des BFH in BFHE 221, 391, BStBl II 2008, 643. Er fragt daher gemäß § 11 Abs. 3 FGO beim V. Senat an, ob dieser einer Abweichung von seiner Rechtsprechung in diesem Urteil zustimmt.
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1. a) Nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG in der in den Streitjahren 1993 und 1994 geltenden Fassung waren von den unter § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UStG fallenden Umsätzen steuerfrei u.a.
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"die mit dem Betrieb ... der Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen eng verbundenen Umsätze, wenn
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...
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e) bei Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und bei Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind."
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b) Die mit dem Steueränderungsgesetz 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297, 317) mit Wirkung vom 1. Januar 1992 eingefügte Vorschrift setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG um (so die Gesetzesbegründung in BTDrucks 12/1506, S. 178).
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Danach befreien unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften
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"die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
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...
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g) die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen."
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Nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten die Gewährung der unter Abs. 1 Buchst. g vorgesehenen Befreiung für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, von Fall zu Fall von der Erfüllung näher bezeichneter Bedingungen abhängig machen.
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c) Die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG zielt dadurch, dass sie für bestimmte im sozialen Sektor erbrachte Leistungen, die dem Gemeinwohl dienen, eine günstigere Mehrwertsteuerbehandlung gewährt, darauf ab, die Kosten dieser Leistungen zu senken und dadurch diese Leistungen dem Einzelnen, der sie in Anspruch nehmen könnte, zugänglicher zu machen (EuGH-Urteil vom 26. Mai 2005 Rs. C-498/03 --Kingscrest Associates und Montecello--, Slg. 2005, I-4427, BFH/NV Beilage 2005, 310, Rz 30).
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2. Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG nicht erfüllt.
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a) § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG stellt für die Steuerbefreiung auf die Übernahme der Pflegekosten durch die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung oder Sozialhilfe "im vorangegangenen Kalenderjahr" ab. Dies ist bei der Beurteilung von Umsätzen, die im Jahr der Betriebsgründung ausgeführt werden --wie hier im Streitjahr 1993-- unmöglich. In einem solchen Fall sind die Umsätze des Jahres der Eröffnung der Einrichtung maßgebend (vgl. das zu § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG ergangene BFH-Urteil vom 25. November 1993 V R 64/89, BFHE 173, 242, BStBl II 1994, 212, unter II.1.a; so auch Abschn. 99a Abs. 8 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008).
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Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG (S. 19 des Urteils), dass "die Vorschrift des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG dahingehend richtlinienkonform auszulegen ist, dass für die Einordnung der Klägerin erst der Zeitraum ab Oktober 1993 heranzuziehen ist, da sie die Bedingungen, an welche die Steuerbefreiung anknüpft, für die Zeit vor Erteilung der kassenärztlichen Zulassung gar nicht erfüllen konnte". Die dafür vom FG angeführte "Rechtsprechung des EuGH" rechtfertigt diese Auffassung nicht. Die Klägerin hat im Jahr 1993 nur eine Einrichtung i.S. des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG betrieben. Daher ist auf die im gesamten Jahr des Beginns des Pflegedienstes erbrachten Leistungen abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 221, 391, BStBl II 2008, 643, unter II.1.b).
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Nach den Feststellungen des FG wurden bei den von der Klägerin im gesamten Streitjahr 1993 erbrachten Leistungen die Pflegekosten nicht in mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen.
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b) Für das Streitjahr 1994 ist die in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG aufgestellte Bedingung gleichfalls nicht erfüllt. Für dieses Jahr ist auf die Verhältnisse des Vorjahres 1993 abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 221, 391, BStBl II 2008, 643).
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3. Die ab dem 1. Oktober 1993 ausgeführten Umsätze der Klägerin sind gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei.
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a) Zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG hat der EuGH durch Urteil vom 10. September 2002 Rs. C-141/00 --Kügler-- (Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, Leitsatz 3b und Rz 61) u.a. Folgendes entschieden:
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"Auf die Steuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie 77/388 kann sich ein Steuerpflichtiger vor einem nationalen Gericht berufen, um sich einer nationalen Regelung zu widersetzen, die mit dieser Bestimmung unvereinbar ist. Es ist Sache des nationalen Gerichts, anhand aller maßgeblichen Umstände zu bestimmen, ob der Steuerpflichtige eine als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung ist."
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Für die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG, der die Tätigkeiten, die steuerfrei sind, hinreichend genau und unbedingt aufzählt (EuGH-Urteil in Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, Rz 53), genügt es, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar
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- zum einen, dass es sich um Leistungen handelt, die mit der Fürsorge oder der sozialen Sicherheit verbunden sind, und
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- zum anderen, dass diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt worden sind, erbracht werden (vgl. Senatsurteil vom 17. Februar 2009 XI R 67/06, BFHE 224, 183, BFH/NV 2009, 869).
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b) Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen von einem ambulanten Pflegedienst erbracht werden, stellen eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG dar (so EuGH-Urteil in Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, Rz 61).
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c) In der Folgeentscheidung zu diesem EuGH-Urteil hat der BFH im Urteil vom 22. April 2004 V R 1/98 (BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849) entschieden, die Anerkennung eines Unternehmens als eine Einrichtung mit sozialem Charakter könne auch aus der Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit abgeleitet werden. Maßgebend sei insoweit, dass es sich ihrer Art nach um die Leistungen handele, für die die Kosten von den Sozialversicherungsträgern übernehmbar gewesen seien (vgl. unter II.3.c der Urteilsgründe).
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d) Nach dieser --zum Rechtszustand vor Inkrafttreten von § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG am 1. Januar 1992 ergangenen-- Rechtsprechung ist die Klägerin grundsätzlich als Einrichtung mit sozialem Charakter i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG anzuerkennen, weil es sich bei den von ihr erbrachten Leistungen der Art nach um solche handelt, für die die Kosten von den Sozialversicherungsträgern übernehmbar waren und für die ab dem 1. Oktober 1993 --jedenfalls teilweise-- die Kosten auch übernommen wurden (ebenso BFH-Urteil in BFHE 221, 391, BStBl II 2008, 643).
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4. Die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG kann der Klägerin bei Beachtung des Gebots der steuerlichen Neutralität --hier in Gestalt der Wettbewerbsneutralität-- nicht unter Berufung darauf versagt werden, dass der nationale Gesetzgeber ab dem 1. Januar 1992 in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung für eine Steuerfreiheit verlangt, dass die Pflegekosten im vorangegangenen Kalenderjahr in mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind.
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a) Der EuGH hat im Urteil vom 8. Juni 2006 Rs. C-106/05 --L. u. P. GmbH-- (Slg. 2006, I-5123, BFH/NV Beilage 2006, 442) entschieden, dass die in § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980/1991/1993 aufgestellte 40 %-Grenze grundsätzlich mit europäischem Recht vereinbar sei (Rz 42 und 54). Er führt jedoch weiter in Rz 50 aus:
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"Insoweit ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität zunächst verlangt, dass für alle in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie genannten Kategorien privatrechtlicher Einrichtungen die gleichen Bedingungen für ihre Anerkennung in Bezug auf die Erbringung vergleichbarer Leistungen gelten. Im vorliegenden Fall hat daher das vorlegende Gericht zu prüfen, ob die nationale Regelung diesem Erfordernis entspricht oder aber die Anwendung der fraglichen Bedingungen auf bestimmte Arten von Einrichtungen beschränkt, während andere von ihr ausgenommen sind."
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b) In seiner Folgeentscheidung vom 15. März 2007 V R 55/03 (BFHE 217, 48, BStBl II 2008, 31) ist der V. Senat im Rahmen der ihm aufgegebenen Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass die nationalen Regelungen in § 4 Nr. 14 UStG, § 4 Nr. 16 Buchst. b und c UStG nicht mit dem unionsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu vereinbaren seien, weil danach nicht für alle Kategorien privatrechtlicher Einrichtungen i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG in Bezug auf die Erbringung vergleichbarer Leistungen ... die gleichen Bedingungen für ihre Anerkennung gelten.
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c) Entsprechendes gilt im Streitfall. § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG stellt für die Steuerfreiheit von Pflegeleistungen Bedingungen auf, die Wettbewerber, die vergleichbare Leistungen erbringen, für eine Steuerfreiheit nicht erfüllen müssen.
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aa) Nach § 4 Nr. 18 Satz 1 UStG, der --wie § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG-- auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG beruht (vgl. Begründung des Entwurfs eines Umsatzsteuergesetzes 1979, BRDrucks 145/78, S. 25 f.), sind steuerfrei
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"die Leistungen der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege und der der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, wenn
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a) diese Unternehmer ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen,
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b) die Leistungen unmittelbar dem nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung begünstigten Personenkreis zugute kommen und
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c) die Entgelte für die in Betracht kommenden Leistungen hinter den durchschnittlich für gleichartige Leistungen von Erwerbsunternehmen verlangten Entgelten zurückbleiben".
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bb) Damit hat der Gesetzgeber für die Steuerfreiheit der Leistungen amtlich anerkannter Verbände der Freien Wohlfahrtspflege und deren Mitglieder Bedingungen aufgestellt, die von denen des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG abweichen. So ist für die Steuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 18 UStG unerheblich, ob die Pflegekosten zu einem bestimmten Anteil von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe getragen wurden; es kommt insoweit auch nicht auf die Verhältnisse des Vorjahres an.
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cc) "Gleiche Bedingungen" für die Steuerfreiheit vergleichbarer Leistungen würden zwar auch dann bestehen, wenn die in § 4 Nr. 18 UStG aufgestellten Voraussetzungen im Ergebnis gewährleisten würden, dass tatsächlich die in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG enthaltene Zweidrittel-Grenze stets (und zwar im Vorjahr) erreicht ist. Das ist aber nicht der Fall.
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Es ist vielmehr möglich, dass das Abstandsgebot des § 4 Nr. 18 Buchst. c UStG erfüllt, aber gleichwohl die in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG enthaltene Zweidrittel-Grenze nicht erreicht ist. Denn das Abstandsgebot bewirkt, dass auch von privat Versicherten oder Nichtversicherten ein niedrigerer Preis genommen werden muss. Das Abstandsgebot kann daher auch dann gewahrt sein, wenn die Leistungen in weniger als zwei Drittel der Fälle von den Trägern der Sozialversicherung getragen werden. So geht auch die Oberfinanzdirektion Düsseldorf in einer Verfügung vom 13. Mai 2005 - Kurzinformation Umsatzsteuer Nr. 10 (Umsatzsteuer-Rundschau 2005, 516) davon aus, dass für ambulante Pflegeleistungen "unterschiedliche" Bedingungen für die Steuerbefreiung gelten. Denn sie führt aus, dass die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG gewährt werden kann, wenn die Voraussetzungen der 40 %-Grenze des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG nicht erfüllt sind.
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5. Der V. Senat hat in dem Urteil in BFHE 221, 391, BStBl II 2008, 643 entschieden, dass § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG 1999 weder verfassungsrechtlich noch gemeinschaftsrechtlich zu beanstanden sei, soweit diese Vorschrift für die Steuerfreiheit der dort genannten Umsätze voraussetzt, dass im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind. In dem damaligen Verfahren haben zwar --anders als hier-- § 4 Nr. 18 UStG und der Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität keine Rolle gespielt. Wegen des weiten Wortlautes des Leitsatzes der Entscheidung hält der Senat aber eine Anfrage nach § 11 Abs. 3 FGO bei dem V. Senat für geboten.
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