betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (Österreich) mit Entscheidung vom 24. Juli 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 1. August 2012, in dem Verfahren
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter M. Safjan und J. Malenovský (Berichterstatter) sowie der Richterin A. Prechal und des Richters S. Rodin,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
Erstens bestreiten Frau Zehetner und die österreichische Regierung die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens, da der Ausgangsrechtsstreit keinen grenzüberschreitenden Bezug aufweise und einen rein innerstaatlichen Sachverhalt betreffe.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die unterschiedslos auf österreichische Staatsangehörige und Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten anwendbar ist, im Allgemeinen zwar nur dann unter die Bestimmungen über die vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten fallen kann, wenn sie für Sachlagen gilt, die eine Verbindung zum Handel zwischen den Mitgliedstaaten aufweisen; es lässt sich jedoch keineswegs ausschließen, dass Staatsangehörige, die in anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich ansässig sind, Interesse daran hatten oder haben, in diesem Mitgliedstaat Apotheken zu betreiben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Dezember 2013, Venturini u. a., C-159/12 bis C-161/12, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich zwar, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens österreichische Staatsangehörige ist und sich der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits ausnahmslos innerhalb eines einzigen Mitgliedstaats, nämlich der Republik Österreich, abspielt, doch kann die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung gleichwohl Wirkungen entfalten, die sich nicht auf diesen Mitgliedstaat beschränken.
Im Übrigen kann die Antwort des Gerichtshofs dem vorlegenden Gericht selbst bei einem rein innerstaatlichen Sachverhalt wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen, bei dem nichts über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinausweist, von Nutzen sein, insbesondere dann, wenn sein nationales Recht vorschreibt, dass einem Inländer die gleichen Rechte zustehen wie die, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Unionsrecht zustünden (Urteil Venturini u. a., Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Diese erste Einrede der Unzulässigkeit ist daher zurückzuweisen.
Zweitens äußert Frau Zehetner, ohne insoweit ausdrücklich eine Unzulässigkeitseinrede zu erheben, Zweifel daran, dass das Vorabentscheidungsersuchen in gebotenem Ausmaß den Zusammenhang zwischen den Vorschriften des Unionsrechts und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht erläutert. Dieses Vorabentscheidungsersuchen sei nämlich schwer verständlich, weil es die österreichische Rechtslage nur rudimentär wiedergebe.
Hierzu ergibt sich aus ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass es die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht sachdienlichen Auslegung des Unionsrechts zu gelangen, erforderlich macht, dass dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen (vgl. u. a. Urteile vom 17. Februar 2005, Viacom Outdoor, C-134/03, Slg. 2005, I-1167, Rn. 22, vom 6. Dezember 2005, ABNA u. a., C-453/03, C-11/04, C-12/04 und C-194/04, Slg. 2005, I-10423, Rn. 45, und vom 21. November 2013, Deutsche Lufthansa, C-284/12, Rn. 20).
Der Gerichtshof hat ferner die Notwendigkeit hervorgehoben, dass das nationale Gericht die genauen Gründe angibt, aus denen es die Auslegung des Unionsrechts für fraglich und die Vorlage von Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof für erforderlich hält. So hat er entschieden, dass es unerlässlich ist, dass das nationale Gericht ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Unionsbestimmungen, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Bestimmungen und den auf den Ausgangsrechtsstreit anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften herstellt (vgl. u. a. Urteile vom 21. Januar 2003, Bacardi-Martini und Cellier des Dauphins, C-318/00, Slg. 2003, I-905, Rn. 43, und ABNA u. a., Rn. 46).
Im vorliegenden Fall war es der Klägerin des Ausgangsverfahrens und den Regierungen der Mitgliedstaaten aufgrund der Beschreibung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits und der Darstellung des anwendbaren nationalen Rechts in der Vorlageentscheidung möglich, schriftliche Erklärungen zu den Vorlagefragen einzureichen. Ferner werden in dieser Entscheidung die Unionsbestimmungen genannt, um deren Auslegung das vorlegende Gericht ersucht, und der Zusammenhang zwischen diesen Bestimmungen und den im Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften wird hinreichend erläutert.
Unter diesen Bedingungen ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig.
Mit seiner ersten und seiner zweiten Vorlagefrage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 16 der Charta und/oder Art. 49 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsrechtsstreit fraglichen entgegenstehen, weil diese nach Auffassung des vorlegenden Gerichts keine hinreichend bestimmten Kriterien für die Prüfung des Arzneimittelversorgungsbedarfs im Hinblick auf die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke festlegt, und, wenn dies zu verneinen sein sollte, ob Art. 49 AEUV, insbesondere das Gebot der Kohärenz bei der Verfolgung des angestrebten Ziels, einer solchen Regelung entgegensteht, weil sie als essenzielles Kriterium der Bedarfsprüfung eine starre Grenze für die Zahl der „weiterhin zu versorgenden Personen“ ohne die Möglichkeit eines Abweichens festlegt.
Erstens ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht Zweifel in Bezug auf die Auslegung nicht nur von Art. 49 AEUV hat, der die Niederlassungsfreiheit betrifft, sondern auch von Art. 16 der Charta, in dem die unternehmerische Freiheit angesprochen ist.
Dieser Art. 16 sieht vor, dass „[d]ie unternehmerische Freiheit … nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt“ wird. Zur Bestimmung der Tragweite der unternehmerischen Freiheit verweist er u. a. auf das Unionsrecht.
Diese Verweisung ist so zu verstehen, dass Art. 16 der Charta u. a. auf Art. 49 AEUV verweist, der die Ausübung der Niederlassungsfreiheit, einer Grundfreiheit, garantiert.
Da sich die Vorlagefragen nur auf die Niederlassungsfreiheit beziehen, ist die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung daher allein an Art. 49 AEUV zu messen.
Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass Art. 49 AEUV nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat grundsätzlich nicht verwehrt, ein System der vorherigen Genehmigung für die Niederlassung neuer Leistungserbringer wie der Apotheken vorzusehen, wenn sich ein solches System als unerlässlich erweist, um eventuelle Lücken im Zugang zu Leistungen des Gesundheitswesens zu schließen und um die Einrichtung von Strukturen einer Doppelversorgung zu vermeiden, so dass eine Gesundheitsversorgung gewährleistet ist, die den Bedürfnissen der Bevölkerung angepasst ist, das gesamte Hoheitsgebiet abdeckt und geografisch isolierte oder in sonstiger Weise benachteiligte Regionen berücksichtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil Blanco Pérez und Chao Gómez, Rn. 70 und 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).
So hat der Gerichtshof entschieden, dass eine nationale Regelung, die auf bestimmten Kriterien beruht, anhand deren Niederlassungserlaubnisse für neue Apotheken gewährt werden, grundsätzlich geeignet ist, das Ziel zu erreichen, eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil Blanco Pérez und Chao Gómez, Rn. 94, Beschlüsse vom 17. Dezember 2010, Polisseni, C-217/09, Rn. 25, und vom 29. September 2011, Grisoli, C-315/08, Rn. 31).
Der Gerichtshof hat auch festgestellt, dass die Gesundheit und das Leben von Menschen unter den vom Vertrag geschützten Gütern und Interessen den höchsten Rang einnehmen und dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Da sich dieses Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, ist den Mitgliedstaaten ein Wertungsspielraum zuzuerkennen (Urteil Blanco Pérez und Chao Gómez, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im Einzelnen kann nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung keine Ermessensausübung der nationalen Behörden rechtfertigen, die geeignet ist, den Bestimmungen des Unionsrechts, insbesondere wenn sie eine Grundfreiheit wie die Niederlassungsfreiheit betreffen, ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen. Daher ist ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung nur dann trotz des Eingriffs in eine solche Grundfreiheit gerechtfertigt, wenn es auf objektiven und nichtdiskriminierenden Kriterien beruht, die im Voraus bekannt sind, damit dem Ermessen der nationalen Behörden Grenzen gesetzt werden, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern (Urteil vom 10. März 2009, Hartlauer, C-169/07, Slg. 2009, I-1721, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im Ausgangsverfahren wird nach der fraglichen nationalen Regelung eine Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke nur dann erteilt, wenn ein „Bedarf“ besteht. Dieser Bedarf wird vermutet, es sei denn, mindestens einer der in dieser Regelung genannten konkreten Umstände steht dem entgegen.
Insbesondere werden nach dieser Regelung bei der Ermittlung, ob es an einem Bedarf für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke fehlt, die Zahl der zum Zeitpunkt der Antragstellung im betreffenden Gebiet vorhandenen Leistungserbringer im Gesundheitswesen, die Entfernung zwischen der zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke sowie die Zahl der von einer der bestehenden öffentlichen Apotheken aus „weiterhin zu versorgenden Personen“ berücksichtigt. Zur Ermittlung dieser Zahl wird ein Kreis um die Betriebsstätte der bestehenden Apotheke gezogen, der in erster Linie die ständigen Einwohner des so bestimmten Gebiets und in zweiter Linie auch diejenigen Personen erfasst, die einen bestimmten Bezug zu diesem Gebiet aufweisen, der ebenfalls in dieser Regelung jeweils näher bestimmt ist.
Unter diesen Kriterien betreffen diejenigen, die sich auf die Zahl der Leistungserbringer im Gesundheitswesen oder der ständigen Einwohner der einzelnen Gebiete oder die Entfernung zwischen den Apotheken beziehen, objektive Gegebenheiten, die grundsätzlich nicht geeignet sind, zu Auslegungs- oder Beurteilungsschwierigkeiten zu führen.
Dagegen ist das Kriterium, das den Bezug der Personen zu dem betreffenden Gebiet betrifft, in der Tat nicht ganz so eindeutig. Zum einen jedoch stellt es nicht das Hauptkriterium für die Ermittlung der Zahl der „weiterhin zu versorgenden Personen“ dar, da es nur nachrangig heranzuziehen ist, und zum anderen ist der jeweils maßgebende Bezug objektiv bestimmt und u. a. anhand statistischer Daten nachprüfbar.
Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Kriterien, die in einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen vorgesehen sind, hinreichend objektiv sind.
Darüber hinaus geht aus der Vorlageentscheidung nicht hervor, dass auch andere als die in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung ausdrücklich vorgesehenen und damit den Wirtschaftsteilnehmern nicht im Voraus bekannte Kriterien berücksichtigt werden könnten, um den fehlenden Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke festzustellen.
Insoweit ist der Umstand, dass die in § 10 ApG aufgeführten Kriterien durch die nationale Rechtsprechung konkretisiert worden sind, als solcher nicht geeignet, die interessierten Wirtschaftsteilnehmer daran zu hindern, im Voraus von diesen Kriterien Kenntnis zu nehmen.
Schließlich lässt sich den dem Gerichtshof vorliegenden Akten kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die in dieser Regelung festgelegten Kriterien als diskriminierend angesehen werden könnten.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere festzustellen, dass der Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in einem Fall wie dem in Rn. 28 des vorliegenden Urteils angeführten vermutet wird. Es ist daher nicht Sache der einzelnen Bewerber, die eine neue öffentliche Apotheke errichten wollen, nachzuweisen, dass ein solcher Bedarf im Einzelfall tatsächlich besteht.
Demnach hängt der Ausgang des Verfahrens zur Erteilung einer Konzession grundsätzlich nicht davon ab, dass nur bestimmte Bewerber – inländische oder Angehörige anderer Mitgliedstaaten – gegebenenfalls über Informationen verfügen, die einen solchen Bedarf belegen können, wodurch sie besser gestellt wären als Wettbewerber, die nicht im Besitz solcher Informationen sind.
Demnach ist davon auszugehen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche auf objektiven, im Voraus bekannten und nicht diskriminierenden Kriterien beruht, die geeignet sind, der Ausübung des den zuständigen nationalen Behörden insoweit zustehenden Ermessens hinreichende Grenzen zu setzen.
Drittens ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine nationale Regelung nur dann als geeignet angesehen werden kann, die Erreichung des angestrebten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, dieses Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteile Hartlauer, Rn. 55, vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u. a., C-171/07 und C-172/07, Slg. 2009, I-4171, Rn. 42, Blanco Pérez und Chao Gómez, Rn. 94, sowie vom 26. September 2013, Ottica New Line di Accardi Vincenzo, C-539/11, Rn. 47).
Es ist letztlich Sache des nationalen Gerichts, das allein für die Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie für die Auslegung des nationalen Rechts zuständig ist, zu bestimmen, ob und inwieweit die Regelung diesen Anforderungen entspricht. Der Gerichtshof, der dazu aufgerufen ist, dem nationalen Gericht zweckdienliche Antworten zu geben, ist jedoch befugt, dem vorlegenden Gericht auf der Grundlage der Akten des Ausgangsverfahrens und der vor ihm abgegebenen schriftlichen und mündlichen Erklärungen Hinweise zu geben, die diesem Gericht eine Entscheidung ermöglichen (vgl. Urteil Ottica New Line di Accardi Vincenzo, Rn. 48 und 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zu diesem Zweck ist darauf hinzuweisen, dass bei einer im gesamten betroffenen Hoheitsgebiet einheitlichen Anwendung der in der nationalen Regelung für die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke festgelegten Voraussetzungen bezüglich der Bevölkerungsdichte und der Mindestentfernung zwischen Apotheken unter bestimmten Umständen die Gefahr besteht, dass in Gebieten, die bestimmte demografische Besonderheiten aufweisen, ein angemessener Zugang zum pharmazeutischen Dienst nicht gewährleistet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Blanco Pérez und Chao Gómez, Rn. 96).
Insbesondere hat der Gerichtshof zu Voraussetzungen bezüglich der Bevölkerungsdichte festgestellt, dass eine einheitliche und ausnahmslose Anwendung dieser Voraussetzungen in bestimmten ländlichen Gebieten, in denen die Bevölkerung im Allgemeinen verstreut siedelt und weniger zahlreich ist, dazu führen könnte, dass bestimmte betroffene Einwohner keine Apotheke in vernünftiger Entfernung vorfänden und ihnen somit ein angemessener Zugang zum pharmazeutischen Dienst vorenthalten würde (vgl. in diesem Sinne Urteil Blanco Pérez und Chao Gómez, Rn. 97).
Im Ausgangsrechtsstreit sieht § 10 ApG vor, dass ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke dann nicht besteht, wenn die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus „weiterhin zu versorgenden Personen“, d. h. der ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern um diese Betriebsstätte, sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5500 betragen wird. Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner jedoch weniger als 5500, sind nach dem ApG die aufgrund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs von dieser Apotheke in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen (im Folgenden: „Einfluter“).
Um dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort zu geben, sind zwei Gesichtspunkte hervorzuheben, die wie folgt zusammengefasst werden können.
Auf der einen Seite gibt es Personen, die nicht im Umkreis von vier Straßenkilometern um die Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke wohnen und daher weder in deren Versorgungsgebiet noch in einem anderen bestehenden Gebiet als ständige Einwohner berücksichtigt werden. Diese Personen können zwar als „Einfluter“ in ein oder mehrere Gebiete berücksichtigt werden, doch hängt ihr Zugang zu Apothekendienstleistungen damit von Umständen ab, die ihnen insoweit grundsätzlich keinen dauerhaften und kontinuierlichen Zugang gewähren, da dieser lediglich an der Beschäftigung in einem bestimmten Gebiet oder einem dort benutzten Verkehrsmittel anknüpft. Daraus folgt, dass sich für bestimmte, insbesondere in ländlichen Regionen wohnende Personen der Zugang zu Arzneimitteln als kaum angemessen erweisen kann, wenn man auch berücksichtigt, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche keine Höchstentfernung zwischen dem Wohnort einer Person und der nächstgelegenen Apotheke vorsieht.
Dies gilt umso mehr, als von den Personen, die zu der in der vorstehenden Randnummer genannten Kategorie gehören, überdies manche, wie z. B. ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und Kranke, zeitweilig oder längerfristig über eine eingeschränkte Mobilität verfügen. Denn zum einen kann ihr Gesundheitszustand eine dringende oder häufige Verabreichung von Arzneimitteln erfordern, und zum anderen kann wegen ihres Gesundheitszustands ihr Bezug zu den einzelnen Gebieten sehr gering sein oder gar entfallen.
Auf der anderen Seite würde die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke, wenn sie im Interesse all derer beantragt wird, die in dem Gebiet, das das zukünftige Versorgungsgebiet einer neuen Apotheke darstellt, und außerhalb eines Umkreises von vier Kilometern wohnen, zwangsläufig dazu führen, dass in den Versorgungsgebieten der bestehenden Apotheken die Zahl der ständigen Einwohner, die weiterhin zu versorgen wären, gegebenenfalls unter die Schwelle von 5500 Personen sinken würde. Dies wäre insbesondere in ländlichen Regionen der Fall, in denen die Bevölkerungsdichte in der Regel niedrig ist.
Aus den nationalen Rechtsvorschriften scheint sich allerdings zu ergeben, dass – was zu überprüfen jedoch Sache des vorlegenden Gerichts ist – einem Antrag auf Erteilung einer Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke unter solchen Umständen nur dann stattgegeben wird, wenn die Zahl der „Einfluter“ ausreicht, um die Verringerung der Zahl der in den von der Neuerrichtung betroffenen Gebieten „weiterhin zu versorgenden“ Einwohner auszugleichen. Die im Hinblick auf diesen Antrag zu treffende Entscheidung hinge damit in Wirklichkeit nicht von der Beurteilung der Möglichkeit des Zugangs zu Apothekendienstleistungen im neu in Aussicht genommenen Gebiet ab, sondern von der Frage, ob und in welcher Zahl in den durch diese Neuerrichtung betroffenen Gebieten „Einfluter“ zu erwarten sind.
In ländlichen und abgelegenen Regionen, in die nur wenige „einfluten“, besteht jedoch die Gefahr, dass die Zahl der „weiterhin zu versorgenden Personen“ nicht die zwingend vorgeschriebene Grenze erreicht und damit der Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke als unzureichend angesehen wird.
Daraus folgt, dass bei der Anwendung des Kriteriums der Zahl der „weiterhin zu versorgenden Personen“ die Gefahr besteht, dass für bestimmte Personen, die in ländlichen und abgelegenen Regionen außerhalb der Versorgungsgebiete bestehender Apotheken wohnen, insbesondere für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, kein gleicher und angemessener Zugang zu Apothekendienstleistungen sichergestellt ist.
Nach alledem ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, dass Art. 49 AEUV, insbesondere das Gebot der Kohärenz bei der Verfolgung des angestrebten Ziels, dahin auszulegen ist, dass er einer mitgliedstaatlichen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die als essenzielles Kriterium bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke eine starre Grenze von „weiterhin zu versorgenden Personen“ festlegt, entgegensteht, weil die zuständigen nationalen Behörden keine Möglichkeit haben, von dieser Grenze abzuweichen, um örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen.