BVerfG 25.01.2011 - 1 BvR 1741/09 - Verletzung des Rechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes durch eine qua Gesetz vollzogene Zuweisung eines anderen Arbeitgebers – hier: Übergang der Arbeitsverhältnisse von nichtwissenschaftlich beschäftigten Mitarbeitern vom Land Hessen auf das Universitätsklinikum Gießen und Marburg durch § 3 Abs 1 S 1 und 3 des Gesetzes über die Errichtung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg vom 16. Juni 2005 ( juris: GießenuaUniKlinErG HE 2005) – zu den Voraussetzungen von einem Vorabentscheidungsersuchen iSv AEUV Art 267 Abs 3 abzusehen – Verpflichtung des Gesetzgebers bis spätestens 31.12.2011 eine Neuregelung zu treffen
Normen
Art 12 Abs 1 S 1 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 267 Abs 3 AEUV, § 613a Abs 1 BGB, Art 1 Abs 1 EGRL 23/2001, § 3 Abs 1 S 1 GießenuaUniKlinErG HE 2005, § 3 Abs 1 S 3 GießenuaUniKlinErG HE 2005, § 22 Abs 7 GießenuaUniKlinErG HE 2005
Vorinstanz
vorgehend BAG, 18. Dezember 2008, Az: 8 AZR 692/07, Urteil
vorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 25. Juli 2007, Az: 2 Sa 641/07, Urteil
Leitsatz
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Zum Erfordernis der Wahrung von Arbeitnehmerrechten beim gesetzlich vollzogenen Arbeitgeberwechsel im Rahmen einer Privatisierung
(Universitätsklinikum Gießen und Marburg)
Tenor
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1. § 3 Absatz 1 Satz 1 und 3 des Gesetzes über die Errichtung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg vom 16. Juni 2005
(Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen Teil I Seite 432) ist nach Maßgabe der Gründe mit Artikel 12 Absatz 1 des
Grundgesetzes unvereinbar.
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2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens bis zum 31. Dezember 2011 eine Neuregelung zu treffen.
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3. Die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Dezember 2008 - 8 AZR 692/07 - und des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom
25. Juli 2007 - 2 Sa 641/07 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Hessische Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das Verfahren ist bis zu einer
gesetzlichen Neuregelung auszusetzen.
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4. Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Hessen haben der Beschwerdeführerin jeweils zur Hälfte die notwendigen Auslagen
zu erstatten.
Gründe
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A.
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1
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Urteile des Landesarbeitsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts, durch die eine
Klage der Beschwerdeführerin auf Feststellung des Fortbestands ihres Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten des Ausgangsverfahrens,
dem Land Hessen, abgewiesen wurde.
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2
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Mittelbar wendet sich die Verfassungsbeschwerde gegen das hessische Gesetz über die Errichtung des Universitätsklinikums Gießen
und Marburg (UK-Gesetz) vom 16. Juni 2005 (GVBl I S. 432; im Folgenden: UKG). Es regelt die Zusammenlegung der beiden rechtsfähigen
Anstalten des öffentlichen Rechts "Universitätsklinikum Gießen" und "Universitätsklinikum Marburg" zu der neu errichteten
Anstalt des öffentlichen Rechts "Universitätsklinikum Gießen und Marburg". Das Gesetz enthält ferner eine Ermächtigung, die
neue Anstalt im Wege der Rechtsverordnung zu privatisieren. Diese Privatisierung hat Anfang 2006 stattgefunden.
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I.
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3
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1. In Hessen wurden die Universitätskliniken ursprünglich als nichtrechtsfähige Anstalten und Bestandteile der öffentlichrechtlichen
Körperschaft Universität geführt (so zuletzt noch § 33 Abs. 1 des Gesetzes über die Universitäten des Landes Hessen in der
Fassung vom 28. März 1995, GVBl I S. 325).
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4
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2. Die Universitätskliniken Frankfurt, Gießen und Marburg wurden durch das Gesetz für die hessischen Universitätskliniken
(im Folgenden: UniKlinG) vom 26. Juni 2000, in Kraft getreten am 1. Januar 2001 (GVBl I S. 344), als rechtsfähige Anstalten
des öffentlichen Rechts errichtet (§ 1 Abs. 1 UniKlinG).
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5
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Von den Beschäftigten der bisherigen Universitätskliniken verblieben gemäß § 22 Abs. 1 UniKlinG alle diejenigen im Dienst
des Landes, deren Beschäftigungsverhältnis vor dem 1. Januar 2001 begründet worden war. § 22 Abs. 1 Satz 2 UniKlinG bestimmte,
dass diese Beschäftigten mit Inkrafttreten des Gesetzes als zur Universität versetzt gelten sollten. Die damit weiterhin in
den Diensten des Landes stehenden nichtwissenschaftlichen Arbeitnehmer und Auszubildenden wurden durch § 22 Abs. 2 Satz 1
UniKlinG verpflichtet, ihre Dienste beim Universitätsklinikum zu erbringen. Die verbeamteten nichtwissenschaftlichen Beschäftigten
wurden dem Universitätsklinikum mit Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2001 zur Dienstleistung zugewiesen (§ 22 Abs.
2 Satz 2 UniKlinG). Eine umgekehrte Regelung traf das Gesetz für das wissenschaftliche Personal. Insoweit bestimmte § 22 Abs.
3 UniKlinG, dass die Mitarbeiter bei der Universität beschäftigt blieben, aber verpflichtet waren, ihre Dienste beim Universitätsklinikum
zu erbringen, soweit zu ihren Aufgaben Tätigkeiten nach § 5 Abs. 2 UniKlinG gehörten.
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6
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In § 22 Abs. 7 UniKlinG wurde allerdings die Möglichkeit vorgesehen, die bei den Universitätskliniken beschäftigten Landesbediensteten
in den Dienst des Universitätsklinikums überzuleiten. Die Überleitung wurde jedoch nicht durch das Gesetz selbst angeordnet.
Einer solchen im Einzelfall zu vereinbarenden Überleitung sollten die Beschäftigten außerdem "widersprechen" können. In diesem
Fall sollten sie auf Verlangen des Landes von dem Universitätsklinikum gegen Kostenerstattung weiterbeschäftigt werden (§
22 Abs. 7 Satz 2 und Satz 3 UniKlinG).
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7
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3. In der Folge kam das Land Hessen vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Probleme der Universitätskliniken zu dem Entschluss,
die Universitätskliniken Gießen und Marburg zu einem Klinikum zusammenzufassen und sodann zu privatisieren.
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8
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a) Das hierzu erlassene Gesetz über die Errichtung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg trat am 1. Juli 2005 in Kraft
(§ 6 Abs. 1 UKG).
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9
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§ 1 Abs. 3 Satz 1 UKG regelt, dass Rechte, Pflichten und Zuständigkeiten der bislang selbständigen Universitätskliniken Gießen
und Marburg im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf das Universitätsklinikum Gießen und Marburg als neu errichtete Anstalt des
öffentlichen Rechts übergehen. § 1 UKG lautet:
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10
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§ 1
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11
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Errichtung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg
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12
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(1) Das Klinikum der Justus-Liebig-Universität mit Sitz in Gießen (Universitätsklinikum Gießen) und das Klinikum der Philipps-Universität
mit Sitz in Marburg (Universitätsklinikum Marburg) werden zusammengelegt und als eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen
Rechts mit Standorten und Sitz in Gießen und Marburg errichtet.
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13
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(2) Die Anstalt führt den Namen "Universitätsklinikum Gießen und Marburg". Sie führt ein eigenes Siegel und gibt sich eine
Satzung.
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14
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(3) Rechte, Pflichten und Zuständigkeiten der Universitätskliniken Gießen und Marburg gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge
auf das Universitätsklinikum Gießen und Marburg über. Das jeweilige Betriebsvermögen wird insoweit mit den Buchwerten der
von einem Abschlussprüfer mit einem Bestätigungsvermerk versehenen Schlussbilanzen zum 31. Dezember 2004 des Universitätsklinikums
Gießen und des Universitätsklinikums Marburg bilanziell mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005/ 31. Dezember 2004 übernommen.
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§ 3 Abs. 1 UKG regelt die neue rechtliche Zuordnung der nichtwissenschaftlichen Beschäftigten der beiden Kliniken und lautet:
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§ 3
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Beschäftigte
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18
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(1) Die bisher in der Krankenversorgung und Verwaltung der Universitätskliniken Gießen und Marburg tätigen nicht wissenschaftlichen
Beschäftigten im Arbeits- oder Auszubildendenverhältnis zum Land Hessen werden mit Inkrafttreten dieses Gesetzes von der Justus-Liebig-Universität
Gießen und der Philipps-Universität Marburg zum Universitätsklinikum Gießen und Marburg versetzt und in den Anstaltsdienst
übergeleitet. Die Beschäftigten im Anstaltsdienst der Universitätskliniken Gießen und Marburg werden mit Inkrafttreten dieses
Gesetzes Beschäftigte des Universitätsklinikums Gießen und Marburg. Das Universitätsklinikum Gießen und Marburg tritt in die
Rechte und Pflichten der Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse der in Satz 1 und 2 genannten Arbeitnehmer ein. Soweit bisher
nicht wissenschaftliche Beschäftigte im Beamtenverhältnis den Universitätskliniken Gießen und Marburg zur Dienstleistung zugewiesen
sind, werden sie mit Inkrafttreten dieses Gesetzes dem Universitätsklinikum Gießen und Marburg zur Dienstleistung zugewiesen.
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Damit wurden die bisher in der Krankenversorgung und Verwaltung der beiden Kliniken tätigen nichtwissenschaftlichen Beschäftigten,
die Arbeitnehmer oder Auszubildende des Landes waren, von der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Philipps-Universität
Marburg "zum Universitätsklinikum Gießen und Marburg versetzt und in den Anstaltsdienst übergeleitet". Dazu gehörte die Beschwerdeführerin.
Diejenigen Arbeitnehmer, die Beschäftigte im Anstaltsdienst der beiden Kliniken waren, wurden ebenfalls Beschäftigte des Universitätsklinikums
Gießen und Marburg. Für beide Gruppen regelt § 3 Abs. 1 Satz 3 UKG, dass das Universitätsklinikum Gießen und Marburg (unmittelbar
kraft Gesetzes) in die Rechte und Pflichten der Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse eintritt.
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§ 5 UKG enthält in Satz 1 eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Rechtsverordnung für die Landesregierung. Danach wird
die Landesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Anstalt des öffentlichen Rechts Universitätsklinikum Gießen und
Marburg nach ihrer rechtswirksamen Errichtung durch Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft
mit beschränkter Haftung, einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, deren persönlich haftende
Gesellschafterin eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, umzuwandeln. Die Umwandlung soll nach Maßgabe der §§ 301
bis 304 des Umwandlungsgesetzes vom 28. Oktober 1994 (- UmwG -, BGBl I S. 3210, 1995 I S. 428; zuletzt geändert am 12. Juni
2003, BGBl I S. 838 842>) geschehen. § 5 Satz 2 UKG bestimmt, dass der Erste Teil des Fünften Buches des Umwandlungsgesetzes
auf den durch die Rechtsverordnung zu regelnden Formwechsel keine Anwendung findet. § 5 Satz 3 UKG legt fest, dass die zu
erlassende Rechtsverordnung die nähere Ausgestaltung des Formwechsels regelt, nämlich im Hinblick auf die Firma, das Kapital
sowie den Gesellschaftsvertrag beziehungsweise die Satzung.
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21
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Anfang Juli 2005 informierte das Universitätsklinikum Gießen und Marburg die nichtwissenschaftlichen Beschäftigten darüber,
dass es mit Wirkung vom 1. Juli 2005 als neuer Arbeitgeber aufgrund des Gesetzes über die Errichtung des Universitätsklinikums
Gießen und Marburg in die Rechte und Pflichten der mit den Beschäftigten bestehenden Arbeitsverhältnisse eintrete.
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22
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b) Am 1. Dezember 2005 verordnete die Hessische Landesregierung aufgrund § 5 UKG die Umwandlung des Universitätsklinikums
Gießen und Marburg in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Verordnung zur Umwandlung des Universitätsklinikums Gießen
und Marburg in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung - UK-UmwVO -, GVBl I S. 792). § 2 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt,
dass die Rechte und Pflichten aus den bestehenden Anstellungs-, Arbeits- und Ausbildungsverträgen durch den Formwechsel unberührt
bleiben und ein Betriebsübergang im Sinne von § 613a Abs. 1 BGB nicht stattfindet. Der Formwechsel wurde mit der Eintragung
in das Handelsregister am 2. Januar 2006 wirksam (§ 1 Abs. 1 Satz 2 UK-UmwVO).
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23
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Mit Gesellschaftsvertrag vom 13. Dezember 2005 zur neu geschaffenen Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH (UGM-GmbH)
behielt sich das Land verschiedene Zustimmungs- und Informationsrechte vor. Nach § 13 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags können
die Rechtsform und die Firma, der Sitz, der Gegenstand, Zweck und Aufgabe des Unternehmens, das Stammkapital, Verfügungen
über Geschäftsanteile und Rechte des Landes nur mit Einwilligung des Landes geändert oder ergänzt werden. § 14 regelt, unter
welchen Voraussetzungen das Land Gesellschaftsanteile im Falle der Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschafter oder
der Gesellschaft einziehen kann.
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In das Gesetz für die hessischen Universitätskliniken wurde durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes für die hessischen
Universitätskliniken und anderer Vorschriften vom 15. Dezember 2005 (GVBl I S. 843) mit Wirkung zum 1. Januar 2006 § 25a eingefügt.
Dieser trifft Regelungen für ein Universitätsklinikum in privater Rechtsform. Das Land übernimmt dafür keine Gewährträgerschaft
mehr. Das in privater Rechtsform betriebene Universitätsklinikum wird mit den wahrzunehmenden Aufgaben beliehen und untersteht
der Rechtsaufsicht des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst.
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25
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Mit Wirkung zum 1. Februar 2006 verkaufte das Land 95 % der Geschäftsanteile der UGM-GmbH an die R… AG. Diese verpflichtete
sich, bis zum 31. Dezember 2010 an beiden Standorten insgesamt 367 Mio. € zu investieren und bis zum 31. Dezember 2010 keine
betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Das Land verpflichtete sich, den von der R… AG gezahlten Kaufpreis von 102 Mio.
€ in eine Stiftung einzubringen, die die Hochschulmedizin der Universitäten Gießen und Marburg unterstützt.
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II.
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Der Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. März 2002 (BGBl I S. 1163),
in Kraft getreten am 1. April 2002, in § 613a Abs. 6 BGB geregelt, dass die von einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang
im Sinne des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB betroffenen Arbeitnehmer dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber
widersprechen können. Die Vorschrift lautet:
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27
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Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz
5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.
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28
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Die Bundesregierung knüpfte in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 613a Abs. 6 BGB dabei wie folgt an die aus der früheren
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang bekannten verfassungsrechtlichen Erwägungen
an (BTDrucks 14/7760, S. 20):
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29
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Der neue § 613a Abs. 6 des Bürgerlichen Gesetzbuchs regelt das Recht des Arbeitnehmers, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses
vom Betriebsveräußerer auf den Betriebserwerber zu widersprechen. Das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers ist vom Bundesarbeitsgericht
in ständiger Rechtsprechung seit über 25 Jahren (Urteil vom 2. Oktober 1974 - 5 AZR 504/73) und vom Europäischen Gerichtshof
seit 1992 (Urteil vom 16. Dezember 1992 - verb. Rs. C-132/91, 138/91, 139/91) anerkannt. Das Widerspruchsrecht ergibt sich
vor allem daraus, dass es mit der Würde des Menschen, dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und dem Recht auf
freie Arbeitsplatzwahl (Artikel 1, 2 und 12 des Grundgesetzes) unvereinbar wäre, wenn ein Arbeitnehmer verpflichtet würde,
für einen Arbeitgeber zu arbeiten, den er nicht frei gewählt hat (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. April 1993 - 2
AZR 50/92; Urteil des EuGH vom 16. Dezember 1992, a.a.O. Rdn. 32).
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III.
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30
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Die Beschwerdeführerin war seit 1985 als Pflegekraft beziehungsweise Krankenschwester und damit als nichtwissenschaftlich
tätige Arbeitnehmerin des Klinikums der Philipps-Universität Marburg beim Land beschäftigt. Sie widersprach dem ihr im Juli
2005 mitgeteilten Übergang des Arbeitsverhältnisses auf das Universitätsklinikum Gießen und Marburg als Anstalt des öffentlichen
Rechts und später auf die Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH.
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31
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In der Folge verklagte die Beschwerdeführerin das Land Hessen mit dem Antrag festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit
dem Land über den 30. Juni 2005 hinaus fortbesteht. Die Klage hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Das Landesarbeitsgericht
wies sie auf Berufung des Landes ab.
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32
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Die Revision der Beschwerdeführerin erachtete das Bundesarbeitsgericht für unbegründet.
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33
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Das Arbeitsverhältnis der Beschwerdeführerin mit dem Land bestehe nicht mehr. Es sei kraft Gesetzes auf die Anstalt des öffentlichen
Rechts "Universitätsklinikum Gießen und Marburg" übergeleitet worden. Ein Widerspruchsrecht habe ihr weder aus dem Gesetz
über die Errichtung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg selbst noch aus anderen gesetzlichen Bestimmungen zugestanden.
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34
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Das Gesetz über die Errichtung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg erwähne ein Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer
nicht. Nach seinem Wortlaut werde es ausdrücklich weder eingeräumt noch ausgeschlossen. Die Auslegung des Gesetzes ergebe
jedoch, dass ein Widerspruchsrecht für die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer nicht vorgesehen gewesen sei. Die Formulierung
in § 3 Abs. 1 Satz 3 UKG, die Anstalt des öffentlichen Rechts trete in die Rechte und Pflichten der Arbeitsverhältnisse ein,
entspreche im Wesentlichen § 613a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BGB. Eine dem § 613a Abs. 6 BGB entsprechende Formulierung habe
der Landesgesetzgeber dagegen nicht aufgenommen, obwohl es nach der Gesetzessystematik der positiven Regelung eines Gestaltungsrechts
bedurft hätte. Gegen ein Widerspruchsrecht sprächen auch Sinn und Zweck des Gesetzes über die Errichtung des Universitätsklinikums
Gießen und Marburg. Nach § 1 Abs. 1 und Abs. 3 UKG und § 3 Abs. 1 UKG sei es Gesetzesziel, die beiden Universitätskliniken
Gießen und Marburg als Ganzes und im unveränderten Bestand sowohl hinsichtlich der personellen als auch der sonstigen Ausstattung
auf die neu errichtete Anstalt des öffentlichen Rechts zu übertragen. Dem stünde ein Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer gegen
die Überleitung ihrer Arbeitsverhältnisse entgegen. Daher scheide auch eine analoge Anwendung des § 613a Abs. 6 BGB aus. Der
Landesgesetzgeber habe den vom Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf die Anstalt des öffentlichen Rechts "Universitätsklinikum
Gießen und Marburg" betroffenen Arbeitnehmern bewusst kein Widerspruchsrecht eingeräumt. Über diese gesetzgeberische Entscheidung
könne sich die Rechtsprechung nicht hinwegsetzen.
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Die Nichteinräumung eines Widerspruchsrechts verstoße nicht gegen § 613a Abs. 6 BGB. Vom sachlichen Anwendungsbereich des
§ 613a BGB seien Betriebsübergänge ausgenommen, die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes vollzogen würden.
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36
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Das Gesetz über die Errichtung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg verstoße auch nicht gegen das Umwandlungsgesetz,
insbesondere nicht gegen § 168 UmwG, denn durch das Gesetz seien zwei bisher selbständige, rechtsfähige Anstalten des öffentlichen
Rechts zu einer zusammengelegt worden. Diesen Fall regele das Umwandlungsgesetz nicht. Unzutreffend sei die Annahme, Arbeitsverhältnisse
aus dem Bereich des öffentlichen Dienstes könnten nach Bundesrecht nur nach § 168 UmwG in den Bereich der Privatwirtschaft
überführt werden. Selbst wenn man davon ausginge, dass mit dem Gesetz über die Errichtung des Universitätsklinikums Gießen
und Marburg nur der erste Rechtsakt eines mehrfach gestaffelt durchgeführten Privatisierungsvorhabens des Landes gesetzt worden
sei, könnten sich die Arbeitnehmer nicht auf § 168 UmwG und daher auch nicht auf § 324 UmwG in Verbindung mit § 613a Abs.
6 BGB berufen. Denn schon das Umwandlungsgesetz selbst sehe für Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts die Möglichkeit
des Formwechsels vor (6. Abschnitt des Fünften Buches des UmwG, vgl. §§ 301 ff. UmwG). Für solche Formwechsel gelte § 324
UmwG bereits seinem Wortlaut nach nicht.
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Weder die Überleitung der Arbeitsverhältnisse noch die Nichtgewährung eines Widerspruchsrechts verstießen gegen Verfassungsrecht.
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38
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Das Grundrecht der Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin (Art. 12 Abs. 1 GG) sei nicht verletzt. Zwar stellten sowohl die
durch § 3 Abs. 1 UKG gesetzlich angeordnete Überleitung der Arbeitsverhältnisse der bisher beim beklagten Land beschäftigten
Arbeitnehmer auf die neu errichtete rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts als auch die fehlende gesetzliche Einräumung
eines Widerspruchsrechts einen Eingriff in das Grundrecht der Arbeitnehmer auf freie Wahl des Arbeitsplatzes dar. Die zwingend
ausgestaltete gesetzliche Regelung lasse die Rechte und Pflichten der Arbeitsverhältnisse bestehen, wechsle aber das Land
als Arbeitgeber gegen die neu errichtete Anstalt des öffentlichen Rechts aus. Damit werde in die Berufsausübungsfreiheit eingegriffen.
Sowohl die Überleitung der Arbeitsverhältnisse als auch die Nichteinräumung eines Widerspruchsrechts seien aber durch vernünftige
Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt.
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39
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Die Privatisierungsentscheidung der Hessischen Landesregierung wie das ihr dienende, vom Landesgesetzgeber verabschiedete
Gesetz über die Errichtung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg hätten das Ziel, wichtige Gemeinschaftsgüter zu schützen.
Die Fusion der beiden Universitätskliniken auf eine Anstalt des öffentlichen Rechts und die beabsichtigte spätere Überführung
der Trägerschaft auf einen privaten Krankenhausbetreiber habe dem Erhalt beider Kliniken gedient, um so eine ortsnahe medizinische
Versorgung der Bevölkerung und zugleich Forschung und Lehre im Bereich der Hochschulmedizin beider Universitäten zu sichern.
Dabei handele es sich um wichtige Gemeinschaftsgüter.
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Die Regelungen in § 3 UKG und das fehlende Widerspruchsrecht für das nichtwissenschaftliche Personal seien geeignet gewesen,
die personellen Voraussetzungen für den Bestand und die Funktionsfähigkeit der beiden auf die Anstalt des öffentlichen Rechts
überführten Universitätskliniken zu erhalten. Sie seien auch erforderlich gewesen. Das Ziel einer Beibehaltung der Funktionsfähigkeit
beider Kliniken habe nicht durch andere Mittel erreicht werden können, welche die nichtwissenschaftlich tätigen Mitarbeiter
weniger belastet hätten.
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41
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Bei Einräumung eines Widerspruchsrechts habe man damit rechnen müssen, dass dieses im Hinblick auf das offengelegte Privatisierungsziel
in großem Umfang von den betroffenen Arbeitnehmern ausgeübt worden wäre. Ohne eingearbeitetes Personal wäre aber sowohl die
kontinuierliche Krankenversorgung gefährdet als auch eine Beeinträchtigung von Forschung und Lehre an den Universitätskliniken
zu befürchten gewesen. Zudem hätten beim Land für widersprechende Arbeitnehmer keine oder, im Hinblick auf das Universitätsklinikum
Frankfurt, nur wenige entsprechende Arbeitsplätze zur Verfügung gestanden, was notwendig zu einer Bestandsgefährdung dieser
Arbeitsplätze geführt hätte.
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Das Land sei nicht gehalten gewesen, als milderes Mittel die Arbeitnehmer im Wege der Personalgestellung in den Universitätskliniken
arbeiten zu lassen. Das Gebot der Erforderlichkeit verlange nur, innerhalb desselben Systems ein milderes Mittel zu wählen.
Vor dem Hintergrund der beabsichtigten Privatisierung hätte die Personalgestellung an eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung
jedoch einen Systemwechsel bedeutet. Das Modell einer Personalgestellung hätte weiter das Risiko beinhaltet, mehrere hundert
Beschäftigungsverhältnisse beizubehalten, ohne dass unmittelbarer Einfluss darauf bestanden hätte, wie der künftige private
Klinikbetreiber die entsprechenden Arbeitsleistungen abrufen würde.
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43
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Die Abwägung des gesetzgeberischen Ziels gegen die Schwere des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit der Arbeitnehmer lasse
die Regelung auch als angemessen erscheinen.
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44
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Bei der geschützten Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes könne es dem Arbeitnehmer um die einmal getroffene Wahl des konkreten
Vertragspartners als Arbeitgeber gehen. Die Bedeutung der Person des Vertragspartners und die persönliche Verbindung in einem
Arbeitsverhältnis präge auch die - nicht zwingende - Auslegungsregel des § 613 Satz 2 BGB, wonach der Anspruch auf Leistung
der Dienste im Zweifel nicht übertragbar sei. Dieses Element sei jedoch im öffentlichen Dienst nur von zweitrangiger Bedeutung.
Zum einen seien die Arbeitnehmer auch nach der Überleitung ihrer Arbeitsverhältnisse durch das Gesetz über die Errichtung
des Universitätsklinikums Gießen und Marburg im öffentlichen Dienst geblieben, in dem zahlreiche Arbeitnehmer in hierarchischen
Strukturen arbeiteten. Mit dem Land sei der frühere Arbeitgeber eine Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts gewesen,
mit dem "Universitätsklinikum Gießen und Marburg" sei er eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts geworden. Die persönliche
Verbindung im Rahmen der Arbeitsverhältnisse sei dadurch nicht berührt und durch den späteren Formwechsel sowie den noch späteren
Verkauf von Gesellschaftsanteilen nur marginal betroffen, wobei letztere Schritte einen Arbeitgeberwechsel nicht beinhalteten
und auch im rechtsgeschäftlichen Bereich weder einen Betriebsübergang darstellten noch Widerspruchsrechte auslösten.
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Durch das Gesetz über die Errichtung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg seien außer dem Wechsel des Vertragspartners
keine weiteren arbeitsvertraglichen Veränderungen gesetzlich angeordnet worden. Durch § 3 Abs. 1 Satz 3 UKG sei sichergestellt,
dass sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis bestehen blieben. Es lägen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür
vor, dass sich durch die geplante und schließlich durchgeführte Privatisierung die mittelbaren Arbeitsbedingungen nachteilig
änderten. Auch unter Einbeziehung des gesamten Privatisierungskonzepts ergäben sich vorliegend keine Bedenken, dass den Arbeitnehmern
mit der R… AG kein dem Land vergleichbarer solventer Schuldner mehr gegenüberstehe.
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Auch europäischem Recht widerspreche die zwingend angeordnete Überleitung der Arbeitsverhältnisse nicht.
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Da die Universitätskliniken weder durch Vertrag noch durch Verschmelzung, auch nicht durch sonstiges Rechtsgeschäft oder eine
hoheitliche Verwaltungsentscheidung auf die Anstalt des öffentlichen Rechts übertragen worden seien, sei die Betriebsübergangsrichtlinie
2001/23/EG nicht anwendbar. Es könne im Übrigen dahinstehen, ob diese Richtlinie über ihren Wortlaut hinaus auch auf andere
Sachverhalte anzuwenden sei, bei denen der Betriebsübergang durch einen Rechtssatz bewirkt werde. Die Richtlinie 2001/23/EG
verlange nämlich nicht die Einräumung eines Widerspruchsrechts im Sinne des § 613a Abs. 6 BGB. Zwar müsse der Arbeitnehmer
nach europäischem Recht bei der Wahl seines Arbeitgebers frei sein und dürfe nicht verpflichtet werden, für einen Arbeitgeber
zu arbeiten, den er nicht frei gewählt habe. Es sei jedoch Sache der Mitgliedstaaten zu bestimmen, was in einem solchen Fall
mit dem Arbeitsverhältnis geschehe. Indem sich deutsche Arbeitnehmer im Falle eines Arbeitgeberwechsels ohne Widerspruchsmöglichkeit
auf das nach § 626 Abs. 1 BGB bestehende Recht zur außerordentlichen Kündigung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes berufen
könnten, würden die europäischen Rechtsanforderungen erfüllt.
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IV.
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Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Grundrechts "auf freie Wahl bzw. Beibehaltung
des Arbeitsplatzes aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (Würde des Menschen) sowie Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeines
Persönlichkeitsrecht)" und ihres grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
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1. Die Urteile des Landesarbeitsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts würden ihre Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verletzen, soweit ein Widerspruchsrecht gegen die gesetzliche Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses
versagt worden sei.
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Bei verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes über die Errichtung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg hätte ihr
ein Widerspruchsrecht zugesprochen werden müssen. Eine solche verfassungskonforme Auslegung sei möglich. Dem Wortlaut des
Gesetzes lasse sich zum Widerspruchsrecht nichts entnehmen. Das Bundesarbeitsgericht stütze den von ihm angenommenen Ausschluss
des Widerspruchsrechts auf systematische, historische und teleologische Erwägungen. Doch keines dieser Argumente lasse nur
eine einzige Schlussfolgerung zu. Vielmehr seien Interpretationen unter Einschluss eines Widerspruchsrechts möglich.
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Das Bundesarbeitsgericht habe schon den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG verkannt, indem es angenommen habe, die gesetzliche
Überleitung der Arbeitsverhältnisse greife in die Freiheit der Berufsausübung und nicht in die Freiheit der Berufswahl ein.
Zur freien Berufswahl gehöre das Recht auf Beibehaltung des gewählten Berufs. Entsprechendes müsse für die Wahl des Arbeitsplatzes
gelten, und dazu zähle auch die Beibehaltung des gewählten Vertragspartners.
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Der Eingriff in die Berufsfreiheit liege in der Privatisierung der Universitätskliniken als einem einheitlichen Vorgang, nicht
allein im ersten Teilschritt der Übertragung der Kliniken auf eine neue Anstalt des öffentlichen Rechts. Demgegenüber habe
das Bundesarbeitsgericht formal darauf abgestellt, dass der spätere Formwechsel und die Veräußerung der Mehrheitsanteile die
Arbeitsverhältnisse nicht berührten. Diese Betrachtung werde dem wirtschaftlichen Sinn und den sozialen Konsequenzen der Privatisierung
nicht gerecht. Die bisher im Dienst des Landes beschäftigten nichtwissenschaftlichen Arbeitnehmer hätten sich am Ende nach
Durchlaufen der einzelnen Teilschritte in einer privatwirtschaftlich betriebenen Konzerntochter wiedergefunden, ohne dass
sie zu irgendeinem Zeitpunkt hätten widersprechen können.
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53
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Der Eingriff in die Berufsfreiheit sei nicht erforderlich. Die Erforderlichkeit könne nicht damit begründet werden, dass die
betroffenen Arbeitnehmer dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse sonst in großer Zahl widersprochen und damit für die weitere
Arbeit in der Klinik nicht zur Verfügung gestanden hätten. Diese Argumentation laufe darauf hinaus, die Wahrnehmung von Grundrechten
als gemeinwohlgefährdendes Risiko einzustufen. Das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Widerspruchsrecht dürfe nicht deshalb
pauschal verwehrt werden, weil es genutzt werden könnte. Außerdem wolle sich der widersprechende Arbeitnehmer in erster Linie
nicht gegen den Wechsel des Arbeitgebers, sondern gegen die häufig damit verbundene Verschlechterung der Arbeitsbedingungen
wehren. Die Arbeitsleistung werde hingegen wie bisher erbracht, so dass keine Rede davon sein könne, die widersprechenden
Arbeitnehmer hätten für die weitere Arbeit nicht mehr zur Verfügung gestanden.
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Der Eingriff in die Berufsfreiheit durch Versagung des Widerspruchsrechts sei unzumutbar.
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Auf Arbeitnehmerseite sei in die Abwägung einzubeziehen, dass die freie Wahl des Vertragspartners auch Element der durch Art.
2 Abs. 1 GG geschützten Privatautonomie sei. Das für den Fall eines Betriebsübergangs früher in der Rechtsprechung entwickelte
und später in § 613a Abs. 6 BGB normierte Widerspruchsrecht folge außerdem aus der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG).
Die Verweisung auf eine mögliche Kündigung sei in der Sache nicht berechtigt und angesichts drohender Arbeitslosigkeit zynisch.
Eine an der Menschenwürde orientierte Gestaltung des Arbeitsverhältnisses müsse den Arbeitnehmern Rechte innerhalb des Arbeitsverhältnisses
an die Hand geben. Die auf Arbeitgeberseite für die Abwägung relevanten Rechtsgüter müssten sich aus den Gesetzesmaterialien
ergeben. Dort sei zum Ausschluss des Widerspruchsrechts jedoch nichts zu finden. Die Befürchtung eines massenhaften Ausscheidens
der nichtwissenschaftlichen Beschäftigten und einer Gefährdung der medizinischen Versorgung sei daher reine Spekulation des
Bundesarbeitsgerichts. Im Ergebnis stünden grundrechtlich geschützten Belangen von hohem Rang auf Arbeitnehmerseite spekulativ
bleibende und sich nicht aus den Gesetzesmaterialien ergebende Erwägungen zugunsten des Landes gegenüber.
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56
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Die Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts zur Zumutbarkeit eines Arbeitgeberwechsels führten dazu, dass das Gericht seine Einschätzung
an die Stelle der Sorgen, Zweifel, Vorbehalte und subjektiven Präferenzen der betroffenen Arbeitnehmer setze. Das Widerspruchsrecht
solle demgegenüber die freie Entscheidung des Arbeitnehmers sichern, mit welchem Arbeitgeber er das Arbeitsverhältnis fortsetzen
wolle.
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57
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Werde ungeachtet dessen ein objektivierender Vergleich zwischen den Arbeitsbedingungen bei verschiedenen Arbeitgebern gezogen,
könne der Methode des Bundesarbeitsgerichts nicht gefolgt werden. Das Gericht habe lediglich einzelne Elemente gegenübergestellt.
Dabei bleibe unbeachtet, was bei einer Gesamtschau an typischen Merkmalen und Tendenzen bei einer Privatisierung festzustellen
sei. Selbstverständlich gälten das Kündigungsschutzrecht und das Tarifrecht im Arbeitsverhältnis mit einem privatrechtlichen
Arbeitgeber ebenso wie im Arbeitsverhältnis mit dem Land Hessen. Faktisch ergäben sich aber erhebliche Unterschiede. So zeichneten
sich Arbeitsplätze in der privaten Wirtschaft durch ein hohes Maß an existenzieller Unsicherheit aus.
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58
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2. Das Bundesarbeitsgericht habe das Recht der Beschwerdeführerin auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz
2 GG verletzt. Entgegen der in Art. 234 Abs. 3 EGV (jetzt: Art. 267 Abs. 3 AEUV) festgelegten Pflicht habe das Gericht die
Vorlage der zwischen den Parteien streitigen Rechtsfragen an den Gerichtshof der Europäischen Union unterlassen, ob die Richtlinie
2001/23/EG auch auf die gesetzliche Überleitung von Arbeitsverhältnissen anwendbar sei und ob sich aus dem Gemeinschaftsrecht
ein Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer ergebe.
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59
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Das Bundesarbeitsgericht habe die Vorlagepflicht in offensichtlich unhaltbarer Weise verkannt. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs
sei bisher nicht entschieden, ob die Richtlinie auf Betriebsübergänge aufgrund gesetzlicher Anordnung anzuwenden sei und ob
ein Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer gemeinschaftsrechtlich gefordert werde. Entschieden sei vielmehr nur, dass ein nationales
Widerspruchsrecht der Richtlinie nicht entgegenstehe. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts sei auch nicht derart
offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibe. Die Ansicht des Bundesarbeitsgerichts zum Anwendungsbereich
der Richtlinie sei mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs unvereinbar. Auch sei nicht auszuschließen, dass der Gerichtshof
seine Rechtsprechung dahingehend konkretisieren würde, dass es gemeinschaftsrechtlich erforderlich sei, den Arbeitnehmern
ein Widerspruchsrecht einzuräumen.
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V.
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60
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Zur Verfassungsbeschwerde haben sich die Hessische Landesregierung, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
und der Deutsche Gewerkschaftsbund geäußert.
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61
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1. Die Hessische Landesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.
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62
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Hätte sich der Gesetzgeber gegen eine Überleitung der Arbeitsverhältnisse entschieden, wären betriebsbedingte Kündigungen
unvermeidbar gewesen. Der Gesetzgeber sei also seiner aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Pflicht zum Schutz der Arbeitsplätze
nachgekommen. Ein Gesetz könne aber nicht zugleich Erfüllung der grundgesetzlichen Verpflichtungen des Gesetzgebers und Eingriff
in das Grundrecht sein. Berührt sei allenfalls die Freiheit der Berufsausübung unter dem Gesichtspunkt der Beibehaltung des
bisherigen Arbeitgebers. Wenn die Beschwerdeführerin ein Widerspruchsrecht verlange, fordere sie über den durch das Gesetz
über die Errichtung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg gewährten Schutz ihres Arbeitsplatzes hinaus das Recht zu
wählen, ob sie diesen Schutz annehme oder einen Arbeitsplatz beim Land behalte. Der Gesetzgeber habe vor dem Hintergrund dann
unvermeidlicher betriebsbedingter Kündigungen davon ausgehen dürfen, dass ein Widerspruchsrecht die Arbeitnehmer nicht schütze.
Abgesehen davon hätte ein Widerspruchsrecht auch einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers mit sich gebracht.
Gäbe es einen Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers auf Beibehaltung eines einmal begründeten Arbeitsverhältnisses zum Staat,
wäre dem Staat ein wesentlicher Aspekt seiner Dispositionsfreiheit genommen.
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63
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Selbst wenn ein Eingriff in die Berufsfreiheit angenommen werden sollte, sei § 3 Abs. 1 UKG durch ausreichende Gründe des
Gemeinwohls verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Das Land sei mit diesem Gesetz seiner aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht
umfassend nachgekommen, indem die neu errichtete Anstalt des öffentlichen Rechts in die Rechte und Pflichten der Arbeitsverhältnisse
der nichtwissenschaftlichen Beschäftigten eingetreten sei und zudem das Land unter anderem die Gewährträgerschaft übernommen
habe und betriebsbedingte Kündigungen bis zum 31. Dezember 2010 ausgeschlossen worden seien.
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64
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Der Landesgesetzgeber habe das Ziel der Umstrukturierung der Universitätskliniken verfolgt, um überragend wichtigen Gemeinschaftsgütern
Rechnung zu tragen, nämlich der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sowie im Zusammenhang damit der fachlichen Qualifikation
des öffentlichen Dienstes und der Gewährleistung einer modernen, effektiven und nach rechtsstaatlichen Maßstäben arbeitenden
Verwaltung sowie der Erhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes. Die Regelung sei geeignet gewesen, die wirtschaftliche
Situation der Universitätskliniken zu verbessern, die Arbeitnehmer vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze zu schützen und die
Funktionsfähigkeit der Kliniken zu erhalten. Mildere Mittel - wie etwa eine Personalgestellung - seien nicht geeignet, weil
damit ein erhebliches rechtliches Risiko verbunden gewesen wäre. So wären bei einer Personalgestellung alle Aufgaben bei der
öffentlichen Hand geblieben, die sich auf die Personalhoheit und die damit verbundenen Aufgaben und Risiken bezogen hätten.
Das Privatisierungskonzept hätte daher nicht umgesetzt werden können.
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65
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2. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hält die Verfassungsbeschwerde ebenso für unbegründet, der Deutsche
Gewerkschaftsbund geht hingegen von ihrer Begründetheit aus.
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VI.
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66
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Dem Bundesverfassungsgericht haben die Verfahrensakten des Ausgangsverfahrens, der Gesellschaftsvertrag der Universitätsklinikum
Gießen und Marburg GmbH, der Kauf- und Abtretungsvertrag über einen Teilgeschäftsanteil an der Universitätsklinikum Gießen
und Marburg GmbH sowie der Vertrag über die Beleihung des Universitätsklinikums in privater Rechtsform aufgrund von § 25a
UniKlinG vorgelegen.
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B.
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67
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Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts
sowie der mittelbar angegriffene § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf freie
Wahl des Arbeitsplatzes aus Art. 12 Abs. 1 GG (I). Demgegenüber wird die Beschwerdeführerin durch die angegriffene Entscheidung
des Bundesarbeitsgerichts nicht in ihrem Anspruch auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt (II).
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I.
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68
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Die durch § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG angeordnete und vom Landesarbeitsgericht sowie vom Bundesarbeitsgericht bestätigte Überleitung
des Arbeitsverhältnisses vom Land auf das Universitätsklinikum Gießen und Marburg ist mit der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten
Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin unvereinbar.
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69
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1. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantiert neben der freien Wahl des Berufs auch die freie Wahl des Arbeitsplatzes (vgl. BVerfGE
84, 133 146 f.>; 85, 360 372 f.>; 96, 152 163>; 96, 205 210 f.>; 98, 365 385>). Dazu zählt bei abhängig Beschäftigten
auch die Wahl des Vertragspartners (vgl. BVerfGE 84, 133 146 f.>; Kühling, ArbuR 1994, S. 126 128>). Dies gilt in gleicher
Weise für Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst (vgl. BVerfGE 84, 133 146 f.>). Das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG ist daher
unbeschadet der Organisationsgewalt des Staates berührt, wenn der Gesetzgeber bestehende Arbeitsverhältnisse in der Weise
normativ umgestaltet, dass er die Person des Arbeitgebers auswechselt.
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70
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Neben Art. 12 Abs. 1 GG scheidet Art. 2 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit aus. Die
Vertragsfreiheit wird zwar als Teil der Privatautonomie durch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art.
2 Abs. 1 GG gewährleistet (vgl. BVerfGE 65, 196 210>; 74, 129 151 f.>) und ist daher grundsätzlich betroffen, wenn aufgrund
oder durch Gesetz ein Wechsel des Vertragspartners ohne Zustimmung erfolgt (vgl. BVerfGE 114, 1 34>). Betrifft eine gesetzliche
Regelung jedoch - wie hier durch die gesetzliche Auswechslung des Arbeitgebers - die Vertragsfreiheit gerade im Bereich beruflicher
Betätigung, die ihre spezielle Gewährleistung in Art. 12 Abs. 1 GG gefunden hat, scheidet die gegenüber anderen Freiheitsrechten
subsidiäre allgemeine Handlungsfreiheit als Prüfungsmaßstab aus (vgl. BVerfGE 68, 193 223 f.>; 77, 84 118>; 95, 173 188>;
116, 202 221>).
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71
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2. Die Beschwerdeführerin ist dadurch in ihrer Berufsfreiheit betroffen, dass anstelle des Landes das Universitätsklinikum
und später ein privater Arbeitgeber in die Position des Arbeitgebers einrückt, mit dem sie arbeitsvertraglich verbunden sein
soll. Diese durch Gesetz vollzogene Zuweisung eines anderen Arbeitgebers durch § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG ist ein Eingriff
in das Recht auf die freie Wahl des Arbeitsplatzes.
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72
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a) Da mit dem Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes weder ein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl
noch eine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden ist und das Grundrecht auch keinen unmittelbaren
Schutz gegen den Verlust eines Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen gewährt, obliegt dem Staat hinsichtlich des
durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesses des Arbeitnehmers auf Achtung der ausgeübten Arbeitsplatzwahl allerdings grundsätzlich
lediglich eine Schutzpflicht, der er insbesondere im Kündigungsrecht nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 84, 133 146 f.>; 85,
360 372 f.>; 92, 140 150>; 97, 169 175>).
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73
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Soweit der Gesetzgeber zulässt, dass der Arbeitgeber durch Rechtsgeschäft ohne Zustimmung des Arbeitnehmers ausgewechselt
wird, trifft ihn eine Schutzpflicht, die nicht nur das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes trotz Arbeitgeberwechsels,
sondern auch seine privatautonome Entscheidung über die Person des Vertragspartners beachten muss. Dem ist zum Beispiel mit
der Regelung des § 613a BGB Rechnung getragen worden. Danach wird einerseits das Fortbestehen des Arbeitsplatzes trotz Betriebsübergangs
gesichert. Andererseits wird dem Arbeitnehmer gemäß § 613a Abs. 6 BGB die Möglichkeit gegeben, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses
zu widersprechen. Er behält mit dem Widerspruch den alten Vertragspartner, geht aber auch das Risiko einer betriebsbedingten
Kündigung ein, wenn beim alten Arbeitgeber wegen des Betriebsübergangs kein Bedarf an seiner Arbeit mehr besteht. Der Regelung
des § 613a Abs. 6 BGB war dabei eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vorausgegangen, nach der den Arbeitnehmern
bei einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang - auch ohne ausdrückliche Normierung - ein Widerspruchsrecht zustehen müsse
(vgl. BAG, Urteil vom 2. Oktober 1974 - 5 AZR 504/73 -, AP BGB § 613a Nr. 1; Urteil vom 30. Oktober 1986 - 2 AZR 101/85 -,
AP BGB § 613a Nr. 55). Das so begründete Widerspruchsrecht wurde auch bei einem Betriebsübergang im Zusammenhang mit einer
privatisierenden Umwandlung nach § 168 UmwG anerkannt (vgl. BAG, Urteil vom 25. Mai 2000 - 8 AZR 416/99 -, AP BGB § 613a Nr.
209).
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b) Anders als bei der Ausgestaltung privatgeschäftlicher Betriebsübergänge greift der Gesetzgeber im vorliegenden Fall unmittelbar
durch Gesetz in die freie Wahl des Arbeitsplatzes ein, indem aufgrund der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG das Universitätsklinikum
als rechtsfähige Anstalt zum Arbeitgeber der Beschwerdeführerin wird.
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Ein Eingriff ist dabei bereits die durch das Gesetz unmittelbar vollzogene Versetzung aus dem Landesdienst in den Dienst des
Universitätsklinikums, denn schon dadurch wird der Beschwerdeführerin ohne ihre Zustimmung ein anderer als der gewählte Arbeitgeber
zugewiesen.
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Dieser Eingriff erschöpft sich nicht darin, dass der Beschwerdeführerin ein neuer, von ihr nicht frei gewählter Arbeitgeber
aufgedrängt wird. Wenn nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG das Universitätsklinikum in die Arbeitgeberstellung einrückt, bedeutet
dies zugleich, dass sich das Land als bisheriger Arbeitgeber unmittelbar kraft Gesetzes von den Arbeitsverträgen löst, durch
die es bislang mit den in den Kliniken tätigen Arbeitnehmern verbunden war. Den betroffenen Arbeitnehmern wird also der von
ihnen gewählte Arbeitgeber entzogen.
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Die Überleitung der Beschäftigungsverhältnisse in den Anstaltsdienst ist darüber hinaus bereits im Zusammenhang mit der geplanten
Privatisierung zu sehen. Dadurch erhält der Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG hier ein besonderes Gewicht. Das Gesetz, das die
Ersetzung des Arbeitgebers vollzieht, sieht als weiteren Schritt die formelle Privatisierung vor (§ 5 UKG), um das politische
Ziel des Verkaufs der Beteiligung an einen privaten Investor zu ermöglichen. Schon im Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses war
auch die materielle Privatisierung durch die fast vollständige Veräußerung der späteren Gesellschafteranteile des Landes an
einen privaten Krankenhausbetreiber geplant (vgl. LTDrucks 16/3758, S. 1). Mit der Versetzung an das Klinikum ist damit ein
Prozess in Gang gesetzt, der die Beschwerdeführerin letztlich nicht nur aus dem Landesdienst, sondern auch aus dem öffentlichen
Dienst entfernt.
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c) Dieser Eingriff lässt sich zugunsten der nichtwissenschaftlichen Arbeitnehmer nicht im Wege einer verfassungskonformen
Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG durch Einräumung eines Widerspruchsrechts entsprechend § 613a Abs. 6 BGB oder eines
Rückkehrrechts kompensieren. Der Wortlaut der Norm gibt dem Arbeitnehmer solche Rechte jedenfalls nicht ausdrücklich. Das
Bundesarbeitsgericht hat im angegriffenen Urteil nachvollziehbar dargestellt und im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass
eine widerspruchsgewährende Auslegung von § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG der bewussten Entscheidung des Landesgesetzgebers widersprechen
würde. Ein Normverständnis, das in Widerspruch zu dem erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers steht, kann auch im Wege
verfassungskonformer Auslegung nicht begründet werden (vgl. BVerfGE 101, 54 86>; 112, 164 183>; 122, 39 61>).
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79
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3. Der durch § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG bewirkte Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich nicht
gerechtfertigt.
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a) Das angegriffene Gesetz dient der Durchführung der Privatisierung der Universitätskliniken. Dabei ist nicht zweifelhaft,
dass der Landesgesetzgeber berechtigt war, die Universitätskliniken zu privatisieren. Das gilt unabhängig von den besonderen,
auch ökonomischen Gründen, die den Gesetzgeber im vorliegenden Fall zu dieser Entscheidung bewogen haben. Jedenfalls dann,
wenn die Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Fakultäten gesichert ist (vgl. dazu BVerfGE 57, 70 98 f.>; BVerfGK 12, 440
447 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. November 2002 - 1 BvR 2145/01 -, NVwZ 2003, S. 600 601>),
darf das Land im Rahmen seiner Zuständigkeit für die Organisation der Hochschulen die Universitätskliniken privatisieren.
Dass die Privatisierung als solche eine legitime Wahrnehmung der Organisationsgewalt des Landes ist, rechtfertigt allerdings
noch nicht den Eingriff in die Arbeitsverträge. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass organisatorische Privatisierungen
stets nur unter Zurückstellung berechtigter Arbeitnehmerbelange am Erhalt des von ihm gewählten Arbeitsplatzes erfolgreich
durchgeführt werden könnten. Schon die gesetzliche Regelung der Privatisierung in § 168 UmwG sowie die frühere Rechtsprechung
und Regelungen in anderen Landesgesetzen zeigen, dass Privatisierungen unter Wahrung der bei Betriebsübergängen im Regelfall
geltenden Arbeitnehmerrechte möglich sind (zum Rückkehrrecht nach hamburgischem Recht vgl. etwa BVerfG, Beschluss des Ersten
Senats vom 14. April 2010 - 1 BvL 8/08 -, juris). Auch der hessische Landesgesetzgeber hatte in § 22 Abs. 7 UniKlinG im Zusammenhang
mit der Überleitung von Landesbediensteten in den Dienst des Universitätsklinikums zunächst ein Widerspruchsrecht vorgesehen.
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Die Nichteinräumung eines Widerspruchsrechts hatte aus der Sicht des Landesgesetzgebers das Ziel, die Privatisierung zu erleichtern.
Die Arbeitsverhältnisse möglichst vieler Arbeitnehmer sollten auf das Universitätsklinikum übertragen werden, um die medizinische
Versorgung der Bevölkerung zu sichern sowie Forschung und Lehre an beiden Standorten des Universitätsklinikums zu erhalten.
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b) Für dieses Ziel kann die mittelbar angegriffene Vorschrift jedenfalls teilweise noch als geeignet und erforderlich angesehen
werden.
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Allerdings konnte das Land sein Ziel einer die Privatisierung erleichternden Überleitung der Beschäftigungsverhältnisse auch
bei Ausschluss einer Widerspruchsmöglichkeit nicht gegen den Willen der Arbeitnehmer realisieren, weil ihnen bei einem unerwünschten
Vertragspartnerwechsel ein außerordentliches Kündigungsrecht zusteht. Obwohl ihnen weder ein Widerspruchsrecht nach dem Vorbild
des § 613a Abs. 6 BGB noch ein Rückkehrrecht eingeräumt wurde, konnten sich die Arbeitnehmer für oder gegen die Fortsetzung
des Arbeitsverhältnisses mit dem Universitätsklinikum entscheiden. Somit könnte allenfalls die Tatsache, dass die Versetzungs-
und Überleitungsanordnung in § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG wegen der sozialrechtlichen Folgen einer Eigenkündigung und der fehlenden
Rückkehrperspektive einen erheblichen Druck auf die Arbeitnehmer ausübt, trotz Arbeitgeberwechsels auf ihrem Arbeitsplatz
zu verbleiben, die Eignung der Regelung begründen.
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84
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Aus dem gleichen Grund kann man die Überleitung der Arbeitsverhältnisse ohne Widerspruchs- oder Rückkehrmöglichkeit aus der
Perspektive des Gesetzgebers bei der Verfolgung ökonomischer Ziele auch noch als erforderlich ansehen, da die Ausschaltung
der vom allgemeinen Recht gewährten Arbeitnehmerrechte den reibungslosen Vollzug der Privatisierung erleichtert.
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c) Der Umstand, dass der Landesgesetzgeber zur Erleichterung seiner Privatisierungsentscheidung als Arbeitgeber die Privatautonomie
seiner Arbeitnehmer beschneidet, macht die Regelung jedoch unzumutbar.
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aa) Allerdings wiegt der Regelungsgehalt der Norm weniger schwer, soweit der gesetzliche Eingriff in die Berufsfreiheit darin
liegt, dass § 3 Abs. 1 Satz 1 UKG das Universitätsklinikum Gießen und Marburg zum neuen Arbeitgeber der Beschwerdeführerin
bestimmt.
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Unter Berücksichtigung des sowohl im Ausgangsverfahren als auch in der Stellungnahme der Hessischen Landesregierung dargestellten,
vom Landesgesetzgeber verfolgten Ziels einer Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Kliniken stellt der in Vorbereitung der
Privatisierung gesetzlich begründete Eintritt des Universitätsklinikums in die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten noch
keine unangemessene Beeinträchtigung der betroffenen Arbeitnehmer dar.
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§ 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG bewirkt zwar, dass die Beschwerdeführerin unmittelbar kraft Gesetzes einen Arbeitgeber erhält,
den sie nicht selbst gewählt hat. Die Rechtsordnung trägt insoweit dem durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Schutz der freien
Wahl des Vertragspartners jedoch hinreichend Rechnung, indem sie den von einem gesetzlich angeordneten Arbeitgeberwechsel
betroffenen Arbeitnehmern das Recht einräumt, das Arbeitsverhältnis - gemäß § 626 BGB auch außerordentlich - zu kündigen (vgl.
BAG, Urteil vom 25. Januar 2001 - 8 AZR 336/00 -, AP BGB § 613a Nr. 215). Die Arbeitnehmer sind damit unabhängig von einem
Widerspruchsrecht, wie es § 613a Abs. 6 BGB vorsieht, rechtlich davor geschützt, für ein Unternehmen arbeiten zu müssen, mit
dem sie arbeitsvertraglich nicht verbunden sein wollen. Im Verhältnis zum gesetzlich bestimmten neuen Arbeitgeber sind die
Rechtsfolgen eines Widerspruchs gegen den gesetzlichen Arbeitgeberwechsel und einer gegenüber dem neuen Arbeitgeber auszusprechenden
fristlosen Kündigung identisch: Der neue Arbeitgeber scheidet als Vertragspartner des Arbeitnehmers aus.
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Allerdings hat eine Eigenkündigung des Arbeitsverhältnisses neben dem vorrangig zu berücksichtigenden Verlust von Erwerbseinkommen
nicht zuletzt auch negative sozialrechtliche Konsequenzen, soweit etwa § 144 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB III bei Lösung
des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitnehmer die Verhängung einer Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld vorsieht.
Damit besteht ein erheblicher - vom Gesetzgeber auch gewollter - tatsächlicher Druck, den Arbeitsplatz bei dem neuen Arbeitgeber
zu behalten.
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bb) Einschneidender als die gesetzliche Bestimmung eines neuen Arbeitgebers ist jedoch der damit verbundene Verlust des alten
Arbeitgebers.
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Die in § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG ausgestaltete Überleitung der Arbeitsverhältnisse bewirkt eine Loslösung des Landes von
eingegangenen arbeitsvertraglichen Bindungen, ohne dass bei einem entgegenstehenden Willen des Arbeitnehmers die Einhaltung
kündigungsrechtlicher Vorschriften, die in gesetzgeberischer Umsetzung der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht entstanden
sind, sichergestellt werden muss. Dadurch wird dem Arbeitnehmer ein erhebliches Maß an Bestandsschutz entzogen.
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Die vom Landesgesetzgeber bewusst nicht gewährte Widerspruchsmöglichkeit - entsprechend § 613a Abs. 6 BGB - ließe demgegenüber
das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber fortbestehen. Ist in dessen Betrieb der Beschäftigungsbedarf weggefallen,
käme eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht, die aber den gesetzlichen Anforderungen des § 1 KSchG standhalten muss.
Insbesondere dürfte im Unternehmen keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit vorhanden sein (§ 1 Abs. 2 KSchG). Zudem wären
bei einer Kündigung die Grundsätze der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG zu beachten. Aufgrund der Regelungen des § 1 KSchG
könnte der widersprechende Arbeitnehmer erreichen, dass er sein Arbeitsverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber nicht verliert,
obwohl der Betrieb oder Betriebsteil, in dem er bislang eingesetzt wurde, auf ein anderes Unternehmen übergegangen ist. Ob
es dem Arbeitnehmer gelingt, seine Beschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber auf Dauer beizubehalten, hängt von den jeweiligen
Umständen des Einzelfalls ab. Das Risiko einer wirksamen betriebsbedingten Kündigung oder sonstiger Nachteile kann größer
oder kleiner sein. Dementsprechend kann es objektiv mehr oder weniger vernünftig erscheinen, wenn sich der Arbeitnehmer durch
Ausübung des Widerspruchsrechts für die zumindest vorübergehende Beibehaltung seines bisherigen Vertragspartners entscheidet.
Die Abwägung dieser Risiken ist der privatautonomen Entscheidung des Arbeitnehmers vorbehalten.
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Die Sicherung des Rechts auf freie Arbeitsplatzwahl als Ausprägung der Privatautonomie durch § 613a Abs. 6 BGB ist sowohl
vom Gesetzgeber (vgl. BTDrucks 14/7760, S. 20) wie in der vorausgehenden Rechtsprechung (vgl. BAG, Urteil vom 2. Oktober 1974
- 5 AZR 504/73 -, AP BGB § 613a Nr. 1; zuletzt etwa Urteil vom 19. Februar 2009 - 8 AZR 176/08 -, AP BGB § 613a Nr. 368) im
Wesentlichen auch mit den Grundrechten der Arbeitnehmer begründet worden.
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94
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Das bedeutet zwar nicht, dass die Vorschrift des § 613a Abs. 6 BGB damit verfassungsrechtlich geboten ist. Der Gesetzgeber
muss aber grundsätzlich das Grundrecht der Arbeitnehmer auf freie Wahl des Arbeitsplatzes bei einem ohne ihren Willen erfolgenden
Arbeitgeberwechsel schützen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Wechsel des Arbeitgebers unmittelbar kraft Gesetzes aus der
Beschäftigung bei einem öffentlichen Arbeitgeber zu einem privaten Arbeitgeber führt, oder wenn es sich - wie hier - lediglich
um einen Zwischenschritt hin zu einer beabsichtigten und klar absehbaren Privatisierung des Arbeitgebers handelt. Wenn nach
der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts § 613a BGB bei einem gesetzlich angeordneten Übergang von Arbeitsverhältnissen
weder direkt noch analog gilt (vgl. etwa BAG, Urteil vom 2. März 2006 - 8 AZR 124/05 -, AP BGB § 419 Funktionsnachfolge Nr.
25), folgt daraus, dass der den Übergang regelnde Gesetzgeber bei einem Privatisierungsprozess wie im vorliegenden Fall die
grundrechtlichen Probleme selbst bewältigen muss. Das heißt zwar nicht, dass die Überleitung von Beschäftigten einer Gebietskörperschaft
etwa auf eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts stets nur unter Einräumung eines Widerspruchsrechts zulässig wäre;
denn insoweit darf der Gesetzgeber berücksichtigen, dass dem Arbeitnehmer bei Fortbestand der übrigen arbeitsvertraglichen
Rechte und Pflichten nicht nur der Arbeitsplatz erhalten bleibt, sondern er auch weiterhin "im öffentlichen Dienst" beschäftigt
bleibt. Die gesetzliche Überleitung von Arbeitsverhältnissen in Vorbereitung und Umsetzung einer Privatisierungsentscheidung
kann aber nicht dazu führen, dass der durch Art. 12 Abs. 1 GG verbürgte Schutz völlig entfällt. Soweit die in § 3 Abs. 1 Satz
1 und 3 UKG geregelte Überleitung überhaupt keine Möglichkeit bietet, den Fortbestand der Arbeitsverhältnisse zum Land geltend
machen zu können, stellt dies eine unverhältnismäßige Beschränkung des durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesses der
betroffenen Arbeitnehmer an der Beibehaltung des gewählten Vertragspartners dar.
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Privatisierungsgestaltungen der vorliegenden Art unterliegen einer besonderen verfassungsgerichtlichen Kontrolle daraufhin,
ob der Gesetzgeber seiner Pflicht zum Schutz der Rechte der Arbeitnehmer bei der Wahl des Arbeitsplatzes gerecht geworden
ist. Denn das Land tritt in einem Privatisierungsprozess in einer Doppelrolle auf, nämlich sowohl als (bisheriger) Arbeitgeber
wie als Gesetzgeber, der sich selbst unmittelbar durch Gesetz aus der Arbeitgeberstellung löst und sich damit seinen arbeitsvertraglichen
Pflichten entzieht. Damit eröffnet sich das Land rechtliche Möglichkeiten, die sonstigen Arbeitgebern nicht zur Verfügung
stehen. Gerade die Rechtsfolge, die allgemein dem Arbeitgeber vom Gesetzgeber zugemutet wird, nämlich die Erschwerung eines
Betriebsübergangs durch eine - gegebenenfalls auch massenhafte - Ausübung des Widerspruchsrechts, soll den staatlichen Arbeitgeber
zur Erleichterung des Privatisierungsprozesses legitimieren, sich ohne Einräumung eines § 613a Abs. 6 BGB entsprechenden Widerspruchsrechts
von Arbeitsverträgen lösen zu können. Der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Grundrechtsschutz der Arbeitnehmer soll nach dem
Willen des Landesgesetzgebers damit geringer sein, wenn sie beim Land beschäftigt sind und das Land ihre Arbeitsverhältnisse
auf einen Dritten überleiten will. Für diese Privilegierung des Landes in seiner Doppelrolle als Arbeitgeber und Gesetzgeber
reicht das legitime Ziel der Privatisierung nicht aus.
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Hinzu kommt, dass mit dem Verlust eines öffentlichrechtlichen Arbeitgebers, stärker als beim Wechsel von einem privaten Arbeitgeber
zu einem anderen, die vom Arbeitnehmer gewählte Berufswahlentscheidung berührt wird, da dieser Entscheidung die Abwägung der
typischen Vor- und Nachteile der Beschäftigung in einem öffentlichrechtlich geprägten Arbeitsverhältnis zugrunde liegt.
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Im Hinblick auf seine durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Entscheidungsfreiheit kann der gesetzliche Eingriff in die Freiheit
der Wahl, seinen Vertragspartner beizubehalten, nicht damit gerechtfertigt werden, dass beim gewählten Vertragspartner Beschäftigungsmöglichkeiten
wegfallen und der Arbeitnehmer möglicherweise mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen müsste. Grundsätzlich gewährleistet
Art. 12 Abs. 1 GG dem Arbeitnehmer das Recht, solche Risiken selbst abzuwägen und über sie nach eigener Einschätzung frei
zu entscheiden. Entsprechendes gilt für die Frage, wie nachteilig der Verlust des bisherigen, durch den frei gewählten Arbeitgeber
gekennzeichneten Arbeitsplatzes gegenüber dem Arbeitsplatz bei dem neuen Arbeitgeber ist. Die diesbezüglichen künftigen Entwicklungen
sind insoweit zu wenig vorhersehbar und die Risiken zu wenig vergleichbar, als dass es angemessen und zumutbar wäre, dem Arbeitnehmer
diese Entscheidungsfreiheit abzusprechen und an seiner Stelle gesetzlich zu entscheiden. Da diese Entscheidung dem Arbeitnehmer
überlassen bleibt und eine betriebsbedingte Kündigung sich im Einzelfall rechtfertigen muss, überschreitet ein unmittelbarer
Ausschluss des Rechts des Arbeitnehmers, sich für die Beibehaltung des Landes als Arbeitgeber - mit allen damit verbundenen
Risiken - zu entscheiden, den Maßstab des Angemessenen.
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Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie des Arbeitnehmers erlaubt Gesetzgeber und Gerichten vorliegend nicht,
kraft vermeintlich besserer Einsicht die Entscheidung, welcher von mehreren zur Auswahl stehenden Arbeitgebern mehr Vorteile
bietet, an Stelle des Arbeitnehmers zu treffen. Auch den Bestand der Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH sichernde
Regularien, wie die in § 14 des Gesellschaftsvertrags für den Fall einer Insolvenzverfahrenseröffnung geregelte Möglichkeit
der Einziehung von Geschäftsanteilen, genügen nicht, um die Nichteinräumung eines Widerspruchsrechts bei der Beendigung arbeitsvertraglicher
Bindungen des Landes noch für angemessen zu erachten. Zwar mögen solche Maßnahmen geeignet erscheinen, den Bestandsschutz
der Arbeitsverhältnisse nach einer Überleitung zu erhöhen und damit den mit dem Eintritt eines neuen Arbeitgebers in die Rechte
und Pflichten der Arbeitsverträge verbundenen Eingriff in die Vertragspartnerwahlfreiheit der Arbeitnehmer abzumildern. Ein
ausreichendes Gegengewicht zu dem ebenso durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse der Arbeitnehmer am Erhalt des selbst
gewählten Arbeitgebers stellt dies jedoch nicht dar. Derartige bestandserhaltende Vorkehrungen allein sind schon angesichts
der auf längere Sicht offenen Folgen einer Privatisierung nicht hinreichend, die weitgehende Beschränkung privatautonomer
Entscheidungsmöglichkeiten zu rechtfertigen.
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Das Land war daher nicht berechtigt, sich selbst kraft Gesetzes seiner arbeitsvertraglichen Bindungen zu entziehen und von
der Notwendigkeit zu entlasten, die gewünschte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beschwerdeführerin im Streitfall
im Einklang mit den allgemeinen Kündigungsschutzvorschriften herbeizuführen.
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II.
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100
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Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht verletzt. Aus verfassungsrechtlicher Sicht bestehen keine Bedenken dagegen, dass das Bundesarbeitsgericht
von einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV abgesehen hat.
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101
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1. Der Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das nationale Gericht ist unter den Voraussetzungen
des Art. 267 Abs. 3 AEUV von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen (vgl. BVerfGE 82, 159 192 f.>; stRspr).
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102
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Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen,
wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Gemeinschaftsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt,
"dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits
Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig
ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt" (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81 "C.I.L.F.I.T."
-, Slg. 1982, S. 3415 Rn. 21). Die Entscheidungserheblichkeit der europarechtlichen Frage für den Ausgangsrechtsstreit hingegen
beurteilt allein das nationale Gericht (vgl. BVerfGE 82, 159 194>; EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, a.a.O. Rn. 10; ders.,
Urteil vom 27. Juni 1991 - C-348/89 "Mecanarte" -, Slg. 1991, S. I-3277 Rn. 47).
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103
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Das Bundesverfassungsgericht überprüft allerdings nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267
Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich
unhaltbar ist (Willkürmaßstab; vgl. BVerfGE 82, 159 194 f.>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Juli 2010 - 2 BvR
2661/06 -, NJW 2010, S. 3422 3427>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. August 2010 - 1 BvR 1631/08
-, GRUR 2010, S. 999 1000>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. November 2010 - 1 BvR 2065/10 -, juris
Rn. 23).
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104
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Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird insbesondere in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen
ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit
der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung
der Frage hegt (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht), oder in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner
Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht
oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage
des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung
die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der
Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit, so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt,
wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer
Weise überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung; vgl. BVerfGE 82, 159 195 f.>; BVerfG, Beschluss des Zweiten
Senats vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 -, NJW 2010, S. 3422 3427>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar
2010 - 1 BvR 230/09 -, NJW 2010, S. 1268 1269>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. August 2010 - 1 BvR 1631/08
-, GRUR 2010, S. 999 1000>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. November 2010 - 1 BvR 2065/10 -, juris Rn.
23). Dabei kommt es für die Prüfung einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in erster Linie auf die Vertretbarkeit
der fachgerichtlichen Auslegung des für den Streitfall maßgeblichen materiellen Unionsrechts an, sondern auf die Vertretbarkeit
der Handhabung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25.
Februar 2010, a.a.O.; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. August 2010, a.a.O.; Beschluss der 2. Kammer des Ersten
Senats vom 10. November 2010, a.a.O.).
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Dies entspricht dem Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Juli 2010 (a.a.O.). Auch dort wird darauf abgestellt, dass das Bundesverfassungsgericht
keine Vollkontrolle, sondern nur eine Vertretbarkeitskontrolle hinsichtlich der Vorlagepflicht am Willkürmaßstab durchführt,
mit der die Beachtung des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und damit die Beachtung der Voraussetzungen
nach Art. 267 Abs. 3 AEUV geprüft wird, dessen Auslegung seinerseits dem Gerichtshof der Europäischen Union unterliegt (vgl.
BVerfGE 73, 339 368>; 82, 159 193 f.>; 123, 267 397 f.>).
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2. Nach diesen Maßstäben ist Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht verletzt.
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a) Soweit die Beschwerdeführerin die Frage nach dem Bestehen einer gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung zur Begründung eines
Widerspruchsrechts im Sinne des § 613a Abs. 6 BGB aufwirft, hat das Bundesarbeitsgericht die Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs.
3 AEUV nicht grundsätzlich verkannt.
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aa) Es hatte bereits keine Zweifel an der richtigen Beantwortung der Frage nach der Bedeutung der europarechtlichen Vorgaben
in der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG für die Herleitung eines Widerspruchsrechts. Das Bundesarbeitsgericht ist auch
nicht bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs abgewichen, sondern hat sich im Gegenteil mit dessen Rechtsprechung
zum Widerspruchsrecht im Einklang gesehen und seine Entscheidung maßgeblich auf Schlussfolgerungen aus dem Urteil vom 16.
Dezember 1992 (C-132/91, C-138/91, C-139/91, Slg. 1992, S. I-6577) gestützt.
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bb) Schließlich hat das Bundesarbeitsgericht seinen Spielraum bei der Beurteilung, ob eine Vorlage an den Gerichtshof wegen
einer Unvollständigkeit dessen Rechtsprechung geboten ist, nicht überschritten.
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Das Bundesarbeitsgericht konnte im Ergebnis vertretbar davon ausgehen, dass die Frage des Widerspruchsrechts der Arbeitnehmer
bei einem Betriebsübergang durch den Gerichtshof bereits entschieden ist beziehungsweise die richtige Antwort trotz verbleibender
Lücken in der Rechtsprechung des Gerichtshofs offenkundig ist. Es hat verfassungsrechtlich unbedenklich angenommen, dass ein
Widerspruchsrecht, wie es in § 613a Abs. 6 BGB normiert ist, nicht auf europarechtliche Grundlagen zurückgeführt werden kann.
Insofern hat das Bundesarbeitsgericht die Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgewertet und das Ergebnis in vertretbarer Weise
für so eindeutig gehalten, dass eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV unterbleiben konnte.
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Die Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG selbst enthält ebenso wie ihre früheren Fassungen keine Vorschrift zum Widerspruchsrecht.
Auch der Gerichtshof hat unmittelbar aus der Richtlinie kein Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer abgeleitet. In den Urteilen,
in denen er sich mit Fragen zum Widerspruchsrecht auseinandergesetzt hat (Urteil vom 16. Dezember 1992 - C-132/91, C-138/91
und C-139/91 -, Slg. 1992, S. I-6577; Urteil vom 7. März 1996 - C-171/94 und C-172/94 -, Slg. 1996, S. I-1253; Urteil vom
24. Januar 2002 - C-51/00 -, Slg. 2002, S. I-969), wird vielmehr betont, dass die in Art. 3 Ziff. 1 Abs. 1 der Richtlinie
2001/23/EG angeordnete Rechtsfolge des Betriebsübergangs, das heißt der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber,
zwingend ist. Der Gerichtshof hat es ausdrücklich abgelehnt, den Zweck der Richtlinie auch darin zu sehen, dass die Arbeitnehmer,
die ihre Tätigkeit nicht für den Betriebserwerber ausüben wollen, das Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer fortsetzen können.
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Zwar scheint nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine europarechtliche Herleitung des Widerspruchsrechts durchaus in
Betracht zu kommen. So heißt es in den Urteilen vom 16. Dezember 1992 (C-132/91, C-138/91 und C-139/91, Slg. 1992, S. I-6577)
und 7. März 1996 (C-171/94 und C-172/94, Slg. 1996, S. I-1253), es würde gegen Grundrechte des von einem Betriebsübergang
betroffenen Arbeitnehmers verstoßen, ihn zu verpflichten, das Arbeitsverhältnis gegen seinen Willen mit dem Erwerber fortzusetzen.
Deshalb könne ihm durch die Richtlinie 2001/23/EG nicht verwehrt werden, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.
Durch die Grundrechte des Arbeitnehmers scheint also die eigentlich zwingende Wirkung der Richtlinie 2001/23/EG, bezogen auf
die ihn betreffenden Rechtsfolgen, beseitigt zu werden. Diese These wird im Urteil vom 24. Januar 2002 (C-51/00, Slg. 2002,
S. I-969) dahingehend zusammengefasst, dass dem Arbeitnehmer "die Befugnis zuerkannt" werde, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses
zu widersprechen. Näher begründet wird dies nicht. Es wird nicht einmal ausgeführt, welche europäischen Grundrechte gemeint
sind und ob beziehungsweise inwieweit diese These das Ergebnis einer Abwägung widerstreitender Grundrechtspositionen von Arbeitgeber
und Arbeitnehmer ist.
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Ungeachtet dieser Unklarheiten kann aus den Entscheidungen des Gerichtshofs jedenfalls nicht gefolgert werden, in die Richtlinie
2001/23/EG müsse unter Berücksichtigung der Gemeinschaftsgrundrechte doch ein der Regelung des § 613a Abs. 6 BGB entsprechendes
Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer hineingelesen werden. Die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, für das Widerspruchsrecht
nach § 613a Abs. 6 BGB fehle es an einer europarechtlichen Grundlage, wird durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht
in Frage gestellt. Die Bedeutung des vom Gerichtshof zwar nicht aus der Richtlinie, aber aus den Grundrechten der Arbeitnehmer
abgeleiteten Widerspruchsrechts entspricht nicht dem vom deutschen Gesetzgeber in § 613a Abs. 6 BGB geregelten Recht. Die
Ausübung dieses Rechts bewirkt, dass das Arbeitsverhältnis entgegen der in § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB angeordneten Rechtsfolge
beim bisherigen Arbeitgeber, dem Betriebsveräußerer, verbleibt. Dieses Klageziel hat auch die Beschwerdeführerin verfolgt,
indem sie die Feststellung beantragt hat, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem Land fortbesteht. Ein solches Recht, abweichend
von Art. 3 Ziff. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsveräußerer herbeiführen
zu können, hat der Gerichtshof aber gerade nicht postuliert. Den Grundrechten der Arbeitnehmer ist aus seiner Sicht vielmehr
nur geschuldet, dass sie sich gegen die eigentlich durch den Betriebsübergang bewirkte Begründung einer arbeitsvertraglichen
Beziehung mit dem Betriebserwerber entscheiden können. Den Arbeitnehmern darf nicht gegen ihren Willen ein Arbeitsverhältnis
mit dem Betriebserwerber aufgezwungen werden. Die Folge ihrer - gemeinschaftsrechtlich zuzulassenden - Entscheidung, nicht
für den Betriebserwerber arbeiten zu wollen, muss nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs aber nicht der Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Arbeitgeber sein. Von diesbezüglichen Vorgaben an die Mitgliedstaaten wurde ausdrücklich
abgesehen. Wenn der Gerichtshof den Begriff des Widerspruchsrechts verwendet, dann nur im Sinne eines Abwehrrechts gegen den
Zwang zur Erbringung der Arbeitsleistung für den Betriebserwerber und anders als bei § 613a Abs. 6 BGB nicht im Sinne eines
Anspruchs auf Beibehaltung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsveräußerer.
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b) Auf dieser Grundlage ist von Verfassungs wegen auch nicht zu beanstanden, dass das Bundesarbeitsgericht die Frage der Anwendbarkeit
der Richtlinie 2001/23/EG auf einen gesetzlichen Übergang von Arbeitsverhältnissen dem Gerichtshof nicht zur Entscheidung
vorgelegt hat. Das Bundesarbeitsgericht hat dabei die ausweitende Auslegung des Anwendungsbereichs der Betriebsübergangsrichtlinie
durch den Gerichtshof (vgl. Urteil vom 14. September 2000 - C-343/98 -, Slg. 2000, S. I-6659) nicht übersehen. Es konnte diese
Frage jedoch offen lassen und als nicht entscheidungserheblich ansehen, da es unabhängig vom Anwendungsbereich der Richtlinie
ein europarechtlich fundiertes Widerspruchsrecht im Sinne des § 613a Abs. 6 BGB verneint hat. Da die Vorlagepflicht nach Art.
267 Abs. 3 AEUV aber eine Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage erfordert, scheidet eine Verletzung des Art.
101 Abs. 1 Satz 2 GG aus.
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C.
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115
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Aus der Unvereinbarkeit der angegriffenen Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG mit dem Grundgesetz folgt nicht die Nichtigkeit
der Norm, weil sonst dem gesetzgeberischen Konzept der Überleitung der Arbeitsverhältnisse in Vorbereitung der Privatisierung
rückwirkend die Grundlage entzogen würde. Die Verfassungswidrigkeit der Überleitungsvorschrift liegt auch nicht in dem gesetzlich
angeordneten Eintritt des Universitätsklinikums in die Rechte und Pflichten der bestehenden Arbeitsverhältnisse begründet.
Sie folgt aus der fehlenden, aber notwendig gesetzlich zu verankernden Möglichkeit für die von der Überleitung betroffenen
Arbeitnehmer, den Fortbestand ihrer arbeitsvertraglichen Bindungen zum Land geltend machen zu können. Zur Sicherstellung dieses
Anspruchs und Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben stehen dem Landesgesetzgeber verschiedene Regelungsalternativen,
wie etwa die Einräumung eines Widerspruchs- oder eines Rückkehrrechts für die im Dienste der Universitätsklinikum Gießen und
Marburg GmbH stehenden Arbeitnehmer, zur Verfügung.
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Die angegriffenen Urteile des Landesarbeitsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts sind aufzuheben, da sie auf der mit dem
Grundgesetz unvereinbaren inkompletten Regelung beruhen. Die Beschwerdeführerin erhält so Gelegenheit, ihr Anliegen im Ausgangsverfahren
ohne Kostennachteil weiter zu verfolgen (vgl. BVerfGE 91, 186 207>). Die Sache ist dabei an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
Eine Zurückverweisung lediglich in die Revisionsinstanz ist nicht angezeigt, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine
Prüfung der Begründetheit des Feststellungsbegehrens der Beschwerdeführerin nach einer gesetzlichen Neuregelung nicht ausschließlich
rechtliche Erwägungen, sondern auch tatsächliche Feststellungen notwendig macht.
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D.
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Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.