Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Ziff. 3.3.1. RS 2022/10
Ziff. 3.3.1. RS 2022/10, Voraussetzungen des sofortigen Krankenkassenwahlrechts
(1) Ein sofortiges Krankenkassenwahlrecht bedeutet, dass eine wahlberechtigte Person eine neue Krankenkasse ohne Kündigung und ohne Rücksicht auf die Dauer der Mitgliedschaft bei der bisherigen Krankenkasse wählen darf. Keiner Kündigung bedarf es immer dann, wenn die Mitgliedschaft kraft Gesetzes endet (§§ 190 und 191 SGB V). Wird anschließend ein neuer Tatbestand der Versicherungspflicht oder der Versicherungsberechtigung begründet, besteht ein sofortiges Krankenkassenwahlrecht aus Anlass dieser Veränderung im versicherungsrechtlichen Status. Es ist somit unerheblich, ob ein neuer Tatbestand der Versicherungspflicht bzw. der Versicherungsberechtigung nach einer Unterbrechung der Mitgliedschaft eintritt oder sich nahtlos an die vorangegangene Mitgliedschaft anschließt. Mit der Beendigung der Mitgliedschaft kraft Gesetzes erlischt die bisherige 12-monatige Bindung des Mitglieds an die bisherige Krankenkasse (vgl. Abschnitt 8.2). Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 175 Absatz 4 Satz 2 SGB V in der ab dem 1. 1. 2021 geltenden Fassung. Die eventuell bestehenden Mindestbindungsfristen für Wahltarife (vgl. Abschnitt 8.4) spielen im Falle der Beendigung der Mitgliedschaft kraft Gesetzes ebenso keine Rolle.
(2) Die einheitlichen Grundsätze zur Ausübung des sofortigen Krankenkassenwahlrechts gelten für Versicherungspflichtige und für Versicherungsberechtigte gleichermaßen. Hinsichtlich der Frage, ob bei Beginn einer neuen Mitgliedschaft ein Krankenkassenwahlrecht einzuräumen ist, kommt es regelmäßig auf den Status weder der künftigen noch der vorangegangenen Mitgliedschaft an. Entscheidend in diesem Kontext ist ausschließlich der Umstand, dass eine vorangegangene Mitgliedschaft kraft Gesetzes endet; die Sonderregelungen zur Mitgliedschaft nach § 188 Absatz 4 SGB V und zur Auffang-Versicherungspflicht nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 Buchstabe a SGB V bleiben unberührt (vgl. folgende Ausführungen).
(3) Entsprechend diesem Grundsatz ist ein Krankenkassenwahlrecht nicht nur dann einzuräumen, wenn Zeiten der Versicherungspflicht unmittelbar aneinander anschließen oder nach einer Unterbrechung der Mitgliedschaft aufeinanderfolgen; ein sofortiges Wahlrecht ist vielmehr auch dann gegeben, wenn eine Zeit der Versicherungspflicht sich unmittelbar an eine zuvor kraft Gesetzes (hier: § 191 Nummer 2 SGB V) beendete freiwillige Mitgliedschaft anschließt (z. B. Eintritt der Versicherungspflicht bei Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze). In Erweiterung dieses Grundsatzes ist ein sofortiges Wahlrecht ohne Rücksicht auf die Bindungsfristen auch bei der Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft durch Kündigung wegen der Begründung einer Familienversicherung bzw. einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall außerhalb der GKV und einem anschließenden Eintritt der Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung nach § 9 SGB V einzuräumen.
(4) Kein sofortiges Krankenkassenwahlrecht besteht dagegen aus Anlass der Begründung der obligatorischen Anschlussversicherung nach § 188 Absatz 4 SGB V. Schließt sich also eine freiwillige Mitgliedschaft nach § 188 Absatz 4 SGB V unmittelbar an eine zuvor kraft Gesetzes beendete Versicherungspflicht oder eine Familienversicherung an, bleibt die betroffene Person kraft Gesetzes Mitglied der Krankenkasse, bei der zuletzt eine Versicherung bestanden hat. Ein Krankenkassenwahlrecht kann in diesen Fällen nur dann eingeräumt werden, wenn die anschließende freiwillige Mitgliedschaft nicht im Rahmen der obligatorischen Anschlussversicherung, sondern im Zuge eines Beitritts nach § 9 SGB V (bei Erfüllung der Vorversicherungszeit nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder 2 SGB V) bei einer anderen Krankenkasse begründet werden soll (vgl. Abschnitt 4.3.2.2). Außerdem ist ein sofortiges Krankenkassenwahlrecht aus Anlass des Beginns der Auffang-Versicherungspflicht nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 Buchstabe a SGB V nach Maßgabe des § 174 Absatz 3 SGB V ausgeschlossen.
(5) Bei unmittelbar aufeinanderfolgenden Mitgliedschaften Versicherungspflichtiger knüpft das sofortige Krankenkassenwahlrecht nur an die Voraussetzung an, dass die vorangegangene Mitgliedschaft kraft Gesetzes endet. Aus welchem Grund die bisherige Mitgliedschaft endet, ist dagegen irrelevant. Es spielt daher auch keine Rolle, wenn die an die Versicherungspflicht geknüpften Voraussetzungen zwar weiterhin vorliegen, die Mitgliedschaft jedoch aus anderen Gründen gleichwohl zu beenden ist. Daher ist eine Beendigung der Mitgliedschaft kraft Gesetzes in diesem Sinne auch jeweils in den Fällen anzunehmen, in denen eine dem Grunde nach unverändert bestehende Versicherungspflicht durch eine Vorrangversicherung verdrängt wird oder es nach Wegfall der vorrangigen Versicherungspflicht zu einem Wechsel im Status der Mitgliedschaft kommt, die ursprüngliche Versicherungspflicht also wieder "auflebt". Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine KVdR-Mitgliedschaft zunächst durch die Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung verdrängt, die Beschäftigung im weiteren Verlauf beendet und in der Folge die KVdR-Mitgliedschaft im unmittelbaren Anschluss an die Mitgliedschaft als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer (erneut) begründet wird. Für Versicherte, die durchgehend einer nachrangigen Versicherungspflicht unterliegen und bei einem vorrangigen Versicherungspflichttatbestand ein lückenloser Wechsel von einem Mitgliedschaftsabschnitt zu dem anderen stattfindet, entsteht aus diesem Anlass ebenfalls ein sofortiges Krankenkassenwahlrecht. Als Beispiel hierfür ist ein Arbeitgeberwechsel eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers zu nennen, der gleichzeitig die KVdR-Voraussetzungen erfüllt (insbesondere aufgrund des Bezugs einer Hinterbliebenenrente) und durchgehend der vorrangigen Versicherungspflicht als Arbeitnehmer unterliegt.
(6) Bei unständig Beschäftigten besteht die Mitgliedschaft nach § 186 Absatz 2 Satz 2 SGB V auch an den Tagen fort, an denen der unständig Beschäftigte vorrübergehend, längstens für 3 Wochen nicht beschäftigt wird. Sie endet nach § 190 Absatz 4 SGB V erst dann, wenn das Mitglied die berufsmäßige Ausübung der unständigen Beschäftigung nicht nur vorübergehend aufgibt, spätestens mit Ablauf von 3 Wochen nach dem Ende der letzten unständigen Beschäftigung. Da das sofortige Krankenkassenwahlrecht bei aufeinanderfolgenden Mitgliedschaften an die Beendigung der vorangegangenen Mitgliedschaft kraft Gesetzes geknüpft ist, ergibt sich daraus, dass unständig Beschäftigte nicht jeweils zu Beginn einer neuen Beschäftigung von ihrem Krankenkassenwahlrecht Gebrauch machen können. Ein Krankenkassenwechsel ist regelmäßig vielmehr ausschließlich im Kündigungsverfahren (vgl. Abschnitt 3.2) möglich. Lediglich in den Fällen, in denen eine berufsmäßige Ausübung von unständigen Beschäftigungen aufgegeben wird, entsteht ein sofortiges Krankenkassenwahlrecht.
(7) Für Versicherte, die einen bestimmten Versicherungspflichttatbestand mehrfach (z. B. Mehrfachbeschäftige) oder 2 gleichrangige Versicherungspflichttatbestände gleichzeitig (z. B. versicherungspflichtige Arbeitnehmer mit Bezug von Bürgergeld (bis zum 31. 12. 2022 Arbeitslosengeld II) oder versicherungspflichtige Arbeitnehmer mit Bezug von Teilarbeitslosengeld) erfüllen, vollzieht sich ein Krankenkassenwechsel typischerweise im Kündigungsverfahren. Jedenfalls begründet ein Hinzutritt bzw. ein Wegfall eines weiteren Versicherungspflichttatbestandes zu/bei einer durchgehend bestehenden (anderweitigen) Mitgliedschaft kein sofortiges Krankenkassenwahlrecht. Dies gilt selbst dann, wenn es nur zu einer kurzen Überschneidung von 2 Versicherungspflichttatbestände kommt (z. B. Beginn eines neuen Beschäftigungsverhältnisses während des Resturlaubs bei dem bisherigen Arbeitgeber).
(8) Außerdem wird kein sofortiges Krankenkassenwahlrecht durch den Umstand ausgelöst, dass innerhalb eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses eine Änderung im Arbeitsvertrag vorgenommen wird (z. B. bisherige Halbtagsbeschäftigung/künftige Ganztagsbeschäftigung) oder eine Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses mit Weiterbeschäftigung als Arbeitnehmer erfolgt. Dies gilt auch bei sonstigen im Rahmen der DEÜV vorgeschriebenen Meldeanlässen, wie z. B. Beitragsgruppenwechsel, Wechsel Entgeltabrechnungssystem, Wechsel des Rechtskreises, sowie beim Wechsel der Betriebsstätten oder Zweigniederlassungen, die demselben Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinne zuzuordnen sind. Davon unberührt ist ein sofortiges Krankenkassenwahlrecht bei solchen Meldeanlässen, die den Beginn oder das Ende der Versicherungsfreiheit in einer laufenden Beschäftigung dokumentieren (z. B. Beitragsgruppenwechsel wegen des Über- bzw. Unterschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze oder wegen der Aufnahme bzw. Aufgabe einer hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit).
(9) Ebenfalls kann aus dem Beginn einer Mitgliedschaft nach § 192 SGB V, § 193 SGB V und § 8 EÜG kein sofortiges Krankenkassenwahlrecht abgeleitet werden.
(10) Tritt ein anderer Inhaber in die Rechten und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis ein und ändert sich faktisch nichts an dem Beschäftigungsverhältnis (z. B. bei Umwandlung der Gesellschaftsform, Betriebsübergang nach § 613a BGB, Insolvenzfälle), kann — selbst wenn aus formalen Gründen neue Arbeitsverträge geschlossen werden — von sofortigem Krankenkassenwahlrecht nicht Gebrauch gemacht werden.
(11) Für die nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 SGB V versicherungspflichtigen Bezieher von Arbeitslosengeld oder die nach § 5 Absatz 1 Nummer 2a SGB V versicherungspflichtigen Bezieher von Bürgergeld (bis zum 31. 12. 2022 Arbeitslosengeld II) löst ein Wechsel des zuständigen Leistungsträgers kein sofortiges Krankenkassenwahlrecht aus, da in solchen Fällen kein Ende der Mitgliedschaft kraft Gesetzes vorliegt; die Beendigung der Mitgliedschaft nach § 190 Absatz 12 SGB V stellt abstrakt auf das Ende eines Leistungsbezugs als solchen ohne Bezugnahme auf den zuständigen Leistungsträger ab. Ein nahtloser Übergang vom Bezug des Arbeitslosengeldes II zum Bezug des Bürgergeldes zum 1. 1. 2023 aufgrund des Inkrafttretens des 12. Gesetzes zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze — Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) lässt die bei den betroffenen Personen bestehende Versicherungspflicht nach § 5 Absatz 1 Nummer 2a SGB V unberührt und löst daher kein sofortiges Krankenkassenwahlrecht aus. Dagegen begründet der Wechsel des Versicherungstatbestandes von Versicherungspflicht nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 SGB V zur Versicherungspflicht nach § 5 Absatz 1 Nummer 2a SGB V ein sofortiges Krankenkassenwahlrecht.
(12) Mit der gleichen Begründung wie bei dem Leistungsträgerwechsel für Versicherungspflichtige nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 oder 2a SGB V ist auch für versicherungspflichtige Studenten ein sofortiges Krankenkassenwahlrecht aus Anlass eines Wechsels der Hochschule zu verneinen. Die Beendigung der Mitgliedschaft nach § 190 Absatz 9 SGB V ist an das Ende der Einschreibung als Studierende geknüpft; dagegen ist die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Hochschule in diesem Kontext irrelevant.
(13) Die Umstellung von einer Rentenantragstellermitgliedschaft zu einer Mitgliedschaft als Rentenbezieher löst kein sofortiges Krankenkassenwahlrecht aus, weil den beiden Mitgliedschaftsabschnitten derselbe Versicherungspflichttatbestand zugrunde liegt. Hierbei ist es ohne Bedeutung, ob die Rentenantragstellermitgliedschaft (regelmäßig rückwirkend) vollständig oder nur teilweise durch eine Mitgliedschaft nach § 186 Absatz 9 SGB V ersetzt wird.
(14) Die sofortige Ausübung des Krankenkassenwahlrechts außerhalb des Kündigungsverfahrens und ohne Beachtung der Bindungsfristen bei der bisherigen Krankenkasse ist demnach insbesondere in folgenden Sachverhaltskonstellationen möglich:
- - erstmaliger Eintritt der Versicherungspflicht bzw. der Versicherungsberechtigung für Personen, die zuvor überhaupt nicht in der GKV versichert waren,
- - Eintritt der Versicherungspflicht bzw. der Versicherungsberechtigung nach einer Unterbrechung der Versicherung in der GKV (z. B. durch einen Auslandsaufenthalt oder eine Versicherung in der PKV),
- - Begründung einer Pflichtmitgliedschaft unmittelbar im Anschluss an eine zuvor kraft Gesetzes beendete Pflichtmitgliedschaft,
- - Begründung einer Pflichtmitgliedschaft im Anschluss an einen nachgehenden Leistungsanspruch nach § 19 Absatz 2 SGB V,
- - Begründung einer Pflichtmitgliedschaft im Anschluss an eine Familienversicherung,
- - Begründung einer Pflichtmitgliedschaft unmittelbar im Anschluss an eine zuvor kraft Gesetzes beendete freiwillige Mitgliedschaft,
- - Begründung einer freiwilligen Versicherung nach § 9 SGB V bei einer neuen Krankenkasse unmittelbar im Anschluss an eine zuvor kraft Gesetzes beendete Pflichtmitgliedschaft,
- - Begründung einer freiwilligen Versicherung nach § 9 SGB V bei einer neuen Krankenkasse im Anschluss an eine Familienversicherung,
- - Verdrängung einer dem Grunde nach unverändert bestehenden Versicherungspflicht durch eine Vorrangversicherung oder "Wiederaufleben" dieser nach Wegfall der Vorrangversicherung.
Kontakt zur AOK Niedersachsen
Persönlicher Ansprechpartner
0800 0265637