BVerfG 09.03.2011 - 1 BvR 752/10 - Nichtannahmebeschluss: Unterlassen einer Belehrung gem § 89 Abs 2 FamFG in Umgangsvereinbarung verletzt den Anspruchsinhaber nicht in Anspruch auf effektiven Rechtsschutz <Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG> - Möglichkeit der Nachholung der Belehrung in einem gesonderten Verfahren
Normen
Artikel 20, Artikel 2, § 151, § 156, § 86, § 89, § 33 Abs 3 S 6 FGG
Vorinstanz
vorgehend OLG Frankfurt, 9. Februar 2010, Az: 1 UF 327/09, Beschluss
vorgehend AG Frankfurt, 22. Oktober 2009, Az: 460 F 9274/09 UG, Beschluss
Gründe
I.
- 1
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Zurückweisung seines Antrags, die gerichtliche Billigung einer Umgangsvereinbarung
durch eine Belehrung nach § 89 Abs. 2 FamFG zu ergänzen sowie gegen die Verwerfung seiner hiergegen gerichteten Beschwerde.
- 2
1. a) Der Beschwerdeführer traf im Oktober 2009 mit der Mutter seiner beiden Kinder eine Vereinbarung zur Regelung seines
Umgangs, die familiengerichtlich gebilligt wurde. Einen Hinweis auf die Folgen der Zuwiderhandlung der Umgangsregelung gemäß
dem seit 1. September 2009 geltenden § 89 Abs. 2 FamFG nahm das Amtsgericht nicht auf. Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin,
den die Umgangsvereinbarung billigenden Beschluss entsprechend zu ergänzen.
- 3
b) Mit angegriffenem Beschluss vom 22. Oktober 2009 wies das Amtsgericht den Antrag des Beschwerdeführers zurück. Nach Genehmigung
des Vergleichs liege ein ordnungsgemäßer Vollstreckungstitel gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 FamFG vor. Die Anordnung
eines Ordnungsmittels gemäß §§ 89, 90 FamFG sei, wie früher die eines Zwangsmittels gemäß § 33 FGG, in einem gesonderten Verfahren
geltend zu machen. Hierbei sei die Berechtigung der Maßnahme wie auch bisher zu prüfen.
- 4
c) Mit angegriffenem Beschluss vom 9. Februar 2010 verwarf das Oberlandesgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers als
unzulässig (abgedruckt in FamRZ 2010, S. 917 f., m. Anm. Borth).
- 5
Der isolierte Warnhinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG sei nicht anfechtbar, da die früher erforderliche Androhung vom Gesetzgeber
bewusst durch einen bloßen Hinweis ersetzt worden sei, so dass auch die Ablehnung eines solchen Hinweises der isolierten Anfechtung
nicht unterliegen könne. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers folge nichts anderes, zumal aus dem Verfassungsrecht nur
ein Anspruch auf Eröffnung des Rechtswegs, hingegen kein Anspruch auf die Eröffnung eines Instanzenzugs hergeleitet werden
könne. Die Rechtsbeschwerde sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen von § 70 Abs. 2 FamFG nicht zuzulassen.
- 6
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG durch die angegriffenen Entscheidungen.
II.
- 7
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen
nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte
des Beschwerdeführers angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
- 8
Insbesondere verletzen die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz
aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
- 9
1. Allerdings hat das Amtsgericht die Belehrung nach § 89 Abs. 2 FamFG zu Unrecht verweigert. Nach dieser Vorschrift, die
auf nach Inkrafttreten des FamFG am 1. September 2009 eingeleitete Umgangsregelungsverfahren anwendbar ist (vgl. Art. 111
Abs. 1 Satz 1 FGG-RG), hat bereits der Beschluss, der die Regelung des Umgangs anordnet, auf die Folgen einer Zuwiderhandlung
gegen den Voll-streckungstitel hinzuweisen. Hierdurch soll der bisherige eigenständige Verfahrensschritt der Androhung (vgl.
§ 33 Abs. 3 Satz 6 FGG) entfallen und so das Vollstreckungsverfahren beschleunigt werden (vgl. BTDrucks 16/6308, S. 218).
In einen gerichtlich gebilligten Vergleich zur Regelung des Umgangs, wie er vorliegend geschlossen wurde, ist ebenfalls eine
Belehrung gemäß § 89 Abs. 2 FamFG aufzunehmen (vgl. Bumiller/Harders, FamFG, 9. Aufl. 2009, § 89 Rn. 14; Büte, in: Johannsen/Henrich,
Familienrecht, 5. Aufl. 2010, § 89 FamFG Rn. 10; Giers, in: Keidel, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 89 Rn. 12; Stößer, in: Prütting/Helms,
FamFG, 2009, § 89 Rn. 10; Zimmermann, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2010, § 89 FamFG Rn. 8).
- 10
Die vom Beschwerdeführer eingelegte Beschwerde konnte auch nicht mit der Begründung verworfen werden, dass ein bloßer Hinweis
und demnach auch das Unterlassen des Hinweises nach § 89 Abs. 2 FamFG nicht anfechtbar seien. Das Oberlandesgericht übersieht
bei seiner Argumentation, dass die Belehrung gemäß § 89 Abs. 2 FamFG Voraussetzung für eine Vollstreckung der Umgangsverein-barung
ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. April 2010 - 2 WF 40/10 -, FamRZ 2010, S. 1366 1368>; OLG Koblenz, Beschluss vom
10. Juni 2010 - 13 WF 326/10 -, FamRZ 2010, S. 1930 1931>; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17. März 2010 - 16 WF 41/10 -, FamRZ
2010, S. 1594 1595>; Feskorn, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 89 FamFG Rn. 8) und der Beschwerdeführer deshalb durch ihr
Fehlen durchaus beschwert wird. Soweit ihn das Amtsgericht in der angegriffenen Entscheidung auf ein gesondertes Verfahren
verweist, wird die durch die Neuregelung gerade beabsichtigte Beschleunigung einer eventuell erforderlichen Vollstreckung
vereitelt und der Beschwerdeführer hierdurch rechtlich benachteiligt.
- 11
2. Aus der Verletzung einfachrechtlicher Verfahrensbestimmungen resultiert gleichwohl noch kein Verstoß gegen den Justizgewährleistungsanspruch
des Beschwerdeführers.
- 12
Der für bürgerlichrechtliche Streitigkeiten nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG, sondern aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem
Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (vgl. BVerfGE 93, 99 107>) fordert vom Gesetzgeber,
dass er bei der normativen Ausgestaltung des Rechtswegs das Ziel eines wirkungsvollen Rechtsschutzes verfolgt. Die normative
Ausgestaltung des Rechtswegs muss im Hinblick darauf geeignet und angemessen sowie für den Rechtsuchenden zumutbar sein. Das
müssen auch die Gerichte bei der Ausle-gung und Anwendung dieser Normen beachten. Sie dürfen den Beteiligten den Zugang zu
den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in un-zumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender
Weise erschweren (vgl. BVerfGE 74, 228 234>; 112, 185 208>; BVerfGK 5, 189 193>; 10, 525 527>; 11, 235 238>). Das Rechtsmittelgericht
darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer
"leerlaufen" lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 99>; 96, 27 39>; 104, 220 232>).
- 13
Ausgehend von diesen Maßstäben ist eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 20 Abs. 3 GG hier im Ergebnis noch zu verneinen. Die angegriffenen Entscheidungen führen zwar dazu, dass eine etwaige
zwangsweise Vollziehung der Umgangsvereinbarung verzögert werden kann. Durch diese Verzögerung wird eine mögliche Durchsetzung
der Rechte des Beschwerdeführers aus der Umgangsvereinbarung aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt.
- 14
Das Oberlandesgericht durfte bei seiner Entscheidungsfindung davon ausge-hen, dass eine etwa erforderliche zwangsweise Vollziehung
der Rechte des Beschwerdeführers aus der Umgangsvereinbarung auch bei einem Fortbestand der von ihm angegriffenen Entscheidung
des Amtsgerichts möglich bleibt. Denn das Amtsgericht hatte die Erteilung der Belehrung gemäß § 89 Abs. 2 FamFG nicht endgültig
abgelehnt, sondern den Beschwerdeführer diesbezüglich auf eine Entscheidung "in einem gesonderten Verfahren" verwiesen. Tatsächlich
ist der Beschwerdeführer nicht gehindert, erneut eine Belehrung gemäß § 89 Abs. 2 FamFG zu beantragen, um die Voraussetzungen
dafür zu schaffen, dass im Falle schuldhafter Zuwiderhandlung der Kindesmutter ein Ordnungsmittel verhängt werden kann. Denn
ein im Umgangsregelungsbeschluss oder in der gerichtlichen Billigung einer Umgangsvereinbarung fehlender Hinweis nach § 89
Abs. 2 FamFG kann ohne Weiteres in einem gesonderten Beschluss nachgeholt werden (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 10. Juni
2010 - 13 WF 326/10 -, FamRZ 2010, S. 1930 1931>; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17. März 2010 - 16 WF 41/10 -, FamRZ 2010,
S. 1594 1595>; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Februar 2010 - 5 WF 28/10 -, FamRZ 2010, S. 1103 1104> - jeweils in Bezug
auf vor dem 1. September 2009 erlassene Umgangsregelungen; Althammer, in: Bork/Jaco- by/Schwab, FamFG, 2009, § 89 Rn. 8; Feskorn,
in: Zöller, a.a.O., § 89 FamFG Rn. 8; Giers, in: Keidel, a.a.O., § 89 Rn. 12; Gomille, in: Haußleiter, FamFG, 2011, § 89 Rn.
4; Hentschel, in: Bahrenfuss, FamFG, 2009, § 89 Rn. 20; Stößer, in: Prütting/Helms, a.a.O., § 89 Rn. 11).
- 15
Der Wortlaut von § 89 Abs. 2 FamFG steht der Möglichkeit nicht entgegen, die Belehrung noch nach dem anordnenden Beschluss
abzugeben. Dass nach neuem Recht bereits der anordnende Beschluss auf die Folgen der Zuwiderhandlung hinzuweisen hat, zwingt
nicht zu der Schlussfolgerung, eine gleichwohl fehlende Belehrung könne nicht nachgeholt werden. Die gegenteilige Auffassung,
wonach nur der anordnende Beschluss den Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG enthalten und dieser nicht mehr später ergehen könne
(vgl. jedenfalls missverständlich in diesem Sinne: Gottwald, in: Hoppenz, Familiensachen, 2009, § 89 FamFG Rn. 8; Schulte-Bunert,
in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 2009, § 89 Rn. 10), hätte zur Konsequenz, dass ein neues Umgangsregelungsverfahren eingeleitet
und ein neuer Vollstreckungstitel geschaffen werden müsste. Dies lässt sich mit der Intention des Gesetzgebers, der mit der
Neuregelung in § 89 Abs. 2 FamFG die Vollziehung von Umgangsregelungen gerade vereinfachen und beschleunigen wollte (vgl.
BTDrucks 16/6308, S. 218), nicht in Einklang bringen (vgl. Hentschel, in: Bahrenfuss, a.a.O., § 89 Rn. 20). Zugleich widerspricht
eine derartige Auslegung von § 89 Abs. 2 FamFG dem verfassungsrechtlichen Gebot einer möglichst wirkungsvollen Ausgestaltung
des Rechtsschutzes.
- 16
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
- 17
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.