(1) Die vom Bundesarbeitsgericht zur Rechtfertigung der einschränkenden Voraussetzungen der OT-Mitgliedschaft herangezogene
Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie stellt einen Belang von Verfassungsrang dar (vgl. BVerfGE 84, 212 225>; 88, 103 114>;
116, 202 224>). Sie sichert die von Art. 9 Abs. 3 GG intendierte, im öffentlichen Interesse liegende autonome Ordnung des
Arbeitslebens durch Koalitionen (vgl. BVerfGE 28, 295 304 f.>; 55, 7 23 f.>; 116, 202 224>). Die Tarifautonomie ist darauf
angelegt, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen durch kollektives
Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Löhne und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen
(vgl. BVerfGE 84, 212 229>; 92, 365 395>). Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie kann daher beeinträchtigt sein, wenn
nicht tarifgebundene Mitglieder auf Entscheidungen des Arbeitgeberverbands im Zusammenhang mit Tarifverhandlungen und Arbeitskämpfen
Einfluss nehmen können. Die Annahme des Bundesarbeitsgerichts, durch eine derartige Einflussnahme nicht tarifgebundener Mitglieder
könne das für das Zustandekommen eines interessengerechten Tarifvertrags erforderliche Verhandlungsgleichgewicht strukturell
gestört sein, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nur wenn das Vorgehen des Arbeitgeberverbands bei Tarifvertragsverhandlungen
und im Arbeitskampf nicht von einer Gruppe von Mitgliedern mitbestimmt wird, die eine Tarifbindung für sich generell ablehnen,
kann typischerweise ausgeschlossen werden, dass sich der Verband von sachfremden Einflüssen leiten lässt und die Tarifvertragsverhandlungen
zu nicht sachgerechten Ergebnissen führen. Auch im arbeitsrechtlichen Schrifttum wird deshalb davon ausgegangen, dass eine
strikte Trennung der Mitgliedschaftsbereiche erforderlich ist (vgl. nur Franzen, in: ErfK, 10. Aufl. 2010, § 2 TVG Rn. 9;
Henssler, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Kommentar, 3. Aufl. 2008, § 3 TVG Rn. 4; Oetker, in: Wiedemann, TVG, 7.
Aufl. 2007, § 3 Rn. 136 ff.; Bayreuther, BB 2007, S. 325 327>; Buchner, NZA 2006, S. 1377 1381 f.>; Deinert, RdA 2007, S.
83 86 f.>; Röckl, DB 1993, S. 2382 2384>; Schlochauer, in: FS Hromadka, 2008, S. 379 390 ff.>).